/1/                   

 

Götzen

                                               

                                    /2/

 

I. Teil

                                               

 

                                    /3/

                  Götzen  Teil I.

Inhalt:

Quellenverzeichnis zum Teil I ----                                              4 Seiten

Teil I (Nummeriert von 1-220;

     aber durch a,b,c,d, usf.

     Einfügungen)  Total                          228 Seiten

     (unterteilt in

     20 Abschnitte.)

Achtung!

Bei der Quellenverzeichnisnummer  /39/

fehlt die Dokumenten Nummer. Es handelt sich um den Wetzelschen-Handschrift-Entwurf. Darf ich Dr. Servatius bitten, diese No. In das Quellenverzeichnis unter  /39/   einsetzen zu wollen.

               Adolf Eichmann

               6 – 9 – 61.

 

                              /4/

Götzen

Inhalt:

Worte für den Lektor

Leitspruch + Widmung

Vorwort - - - - - - - - -       8 Seiten.

 

                    Adolf Eichmann

                    Haifa, den

                    6 – 9 – 61

                                                            

                                                                  /5/                    AE: 1

 

Beim Anlesen und Überfligen(sic) dieses Manuskriptes, muß ich feststellen, daß es mir zu leer und zu oberflächlich erscheint. Auch habe ich die Absicht, mich mit dem „Antisemitismus“ näher auseinanderzusetzen. Hierzu aber benötige ich noch einiges Quellenstudium. Aus diesen Gründen weiß ich nicht, und habe ich nicht den Mut zu entscheiden, ob dieses so bleiben kann wie es ist und in einem zweiten Manuskript – gewissermaßen als Fortsetzung – das mir fehlend Erscheinende zu bringen, oder ob ich dieses Manuskript gelegentlich vervollständigen soll.

An Dr. Servatius m. d. B. um Kenntnisnahme und Beurteilung.

                                   (Unterschriftskürzel)  XI. 61.

P.S. Es ist eben doch nicht so leicht, als Gefangener ein Manuskript von sich zu geben, welches dann erst noch einer Zensur unterzogen wird; da fühlt man sich beim Schreiben nicht frei genug; dies muß man berücksichtigen. Wäre es nur eine „Lektorenzensur“; oder wäre ich zurück, dann würde es sicherlich für mich als Skribent einfacher sein.

Am liebsten wäre mir, ich könnte es ausführlicher u. freundlicher neufassen.

                                              (Unterschriftskürzel)

/6/

 

/The page numbered /19/ with Eichmann‘s

instructions to the censor and instructions

regarding the use of this manuscript, should,

in my opinion, be here.

E. Friesel,10/1999/

                          

  /7/                 AE: (2)

Meine persönliche Meinung zuvor:

Die Art meines „Schreibens“ ist eher „süddeutsch-bajuvarisch“ zu nennen. Sollte der Lektor aus diesem Raume stammen, ist es möglich, daß es für das Buch von Vorteil wäre. (Es möge lediglich ein Hinweis sein; meine Meinung ist nicht kompetent.)

Betr.: Vermerk für den Lektor:

1.)    Ich kann dieses Geschehen – so sehr ich mich anfangs auch bemühte es anders stilistisch zu formen – nicht anders wiedergeben, als in einem sachlich-nüchternen „Amtsstil“. Heitere Sachen zu schildern, liegen mir mehr; aber selbst eine leichtere, beschwingtere Feder ist hier, die Natur der Sache respektierend, abwegig.

Wenn andere eine gewisse „Satzauflockerung“ vornehmen wollen, bin ich damit einverstanden, denn es ist möglich, daß es dadurch leichter lesbar wird; doch ist es mir am liebsten, wenn es so bleiben kann.

2.)    Ich habe einfach darauf los geschrieben, so wie der Schreibstift es wollte; auf Interpunktionen und Absatzbildung nicht sonderlich geachtet. Solange der Sinn nicht verändert wird, bin ich mit textlicher Umgestaltung einverstanden. Auch Streichungen können vorgenommen werden; keinesfalls aber Hinzufügungen. z.B. das Vorwort könnte gestrichen werden.

3.)    Der Teil I behandelt Schwerpunkte im seinerzeitigen Geschehen im Altreich + Österreich + Böhmen Mähren + Generalgouvernement, verbunden damit, die Stellung des Befehlsempfängers im Durcheinander mit seiner Innenschau.

Der Teil II befaßt sich mit den Reparationsangelegenheiten in 12 europäischen Ländern. Die Kristallpunkte  sind dokumentarisch belegt und führen von Schwerpunkt zu Schwerpunkt.

Der Teil III spiegelt das Verhältnis zwischen

 /8/                                                 AE: (3)

dem äußeren Geschehen von damals und meinen inneren Gefühlen wieder und letzlich(sic), nach dem Sturz des eben noch Gültigen, sehe ich mich langsam und nach und nach, zu einer mich befriedigenden Weltbildvorstellung gelangen.

4.)    Als Titel schwebt mir „Götzen“ vor. Ich dachte auch schon an „Gnothi seauton“. Jedenfalls wünsche ich nicht, daß dem Buch ein anderer Titel gegeben wird, ohne mich vorher zu befragen. Ich stelle diese beiden daher zur Wahl frei. Ich bin auch damit einverstanden, falls Uneinigkeit bezüglich eines Titels entstehen sollte, statt meiner, die Einverständniserklärung meines Verteitigers(sic) Hr. Dr. Servatius einzuholen.

5.)    Der Einband und Schutzumschlag möge einfarbig gehalten sein; etwa Perl.- oder Taubengrau, mit klarer linienschöner Schrift.   Es ist klar, daß ich kein Pseudonym wünsche, da es nicht in der Natur der Sache liegt.

6.)    Die Quellenangaben sind so zu verstehen:

Eins.)     Teil I.

Eckige Umrandung mit fortlaufender Nummeration. Die Nummern geben im Anhang des Buches dann die Dokumentennummern der israelischen Staatsanwaltschaft wieder.

z.B.  [1]   Dokument 1182

                                                                                      /9/                                                AE: (4)

b.) Teil II.

Hier ist genau dasselbe wie unter a.), nur habe ich für das Manuskript die runde Umrandung (1) gewählt, aus dem einzigen Grunde, damit die Nummern nicht verwechselt werden.

Aber da beim Druck unter Umständen ja fortlaufend durchnummeriert wird, fällt sowohl runde, wie eckige Umrandung fort und es bleibt im Druck lediglich die Hinweisnummer auf das Quellenverzeichnis im Anhang stehen.

Die den Dokumentennummern vorausgesetzten Buchstaben besagen:

N=von Gericht angenommenes Beweisstück der Verteitigung(sic).

T=von Gericht angenommenes Beweisstück der Anklage.

(Viele der unter T laufenden Dokumente wurden auch seitens der Verteitigung(sic) eingebracht; sie behielten(sic) aber, da das Gericht das Stück ja schon hatte, mit der T-Nummer stehen).

Es fehlen mir bei einer ganzen Anzahl

/10/                                                AE: (5)

der Dokumenten-Nummern die Gerichtsnummeration; ich habe sie leider auch nicht. Aber Hr. Dr. Servatius resp. Herr RA Westenbruch sind im Besitze einer Liste, aus der diese sofort zu entnehmen sind.

7.)    Ob die von Herrn Dr. zur Verfügung gehaltene Zeittafel zu den 5 Skizzen ebenfalls dem Anhang zugefügt werden sollen, überlasse ich Hr. Dr. Servatius.

8.)    Ich bitte Herrn Doktor Servatius, dem Verlag Auftrag geben zu wollen, an meinen Freund, dem(sic) Prior des Präm. Klosters (Fr. Bernardus) ein Exemplar zu schicken, ebenfalls der Studentin nach Kanada, mit freundl. Grüßen von mir. Meine Brüder mögen bitte dafür sorgen, daß meine Frau zehn Exemplare bekommt, die sie in meinem Namen an meine Freunde, die sie nach eigener Wahl bestimmen mag, sowie an meine Söhne mit der Bemerkung versieht:

Eins.)     „Im Auftrage meines Mannes mit freundlichen Grüßen und der Bemerkung „So war es“, übersandt     

Name m. Frau.

Zwei.)   „Im Auftrage Deines Vaters lieber (Name des Sohnes) mit herzlichen Grüßen gewidmet.“

9.)    Ein Exemplar für mich.

Adolf Eichmann

Haifa, den 10-9-61.

/11/                    AE: 3

/Pages /11/ to /17/ were found here, although

they seem to belong to the drafts.

E. Friesel, 10/1999/

 

 

„---- und er würde seine Schattenwelt

für wahr, die wahre Welt aber für

unwirklich halten.“

Aus Platon‘s Höhlengleichnis,

  „Staat“; 7. Buch.

              /12/                                                AE: 4

Bemerkung: Dies Manuskript (Vorw., Teil I-III) gilt solange als noch nicht abgeschlossen, bis ich eine letzte Lesung vorgenommen habe; es ist dies eine von mir eingebaute Sicherung, damit nicht Wortkonstellationen, zu meinem Nachteil falsch ausgelegt und gedeutet werden können. /Satz gestrichen, aber noch lesbar: Die letzte Lesung erfolgt erst nach der Besprechung mit Dr. Servatius./

Vorwort

/von hier bis S. 15 unten durchgestrichen, einzelne Zeilen unleserlich gemacht/

Ich befinde mich im Gefängnis in Israel. Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen und in acht Tagen folgen die Plädoyers des Generalstaatsanwaltes und meiner Verteitigung(sic). Es werden sodann etwa zwei bis drei Monate vergehen, bis der Gerichtshof zu einem Urteil gelangen wird. Möglicherweise geht es dann weiter an die höhere Instanz; möglicherweise auch nicht. Wie dem auch sei; ich sagte während des Prozesses einmal auf eine Frage des Anklägers im Kreuzverhör, darauf werde ich antworten, wenn ich mich eines Tages hinsetzen werde um an die jetzige und kommende Jugend, zu ihrer Warnung, einige Kapitel zu schreiben. Vorausgesetzt, daß ich dazu die Genehmigung erhalte. Dann würde ich „das Kind beim Namen nennen“.

Nun, der Präsident des Gerichtshofes verlangte die „Nennung“ bereits während des Verfahrens von mir. Ich gehorchte und sagte, daß das Geschehen mit den Juden, welches die damalige deutsche Reichsregierung während der Jahre des letzten großen Krieges in‘s Werk setzte, das kapitalste Verbrechen in der Menschheitsgeschichte darstelle. –

Ich habe mich also entschlossen, die Zeit des Wartens auf das Urteil zu benützen, besser gesagt auszunützen, und daß(sic) in die Tat

 

/13/                    AE: 5

umzusetzen, was ich verkündete. Es dürfte kaum schaden; eher hingegen zum Nachdenken anregen, wie es einem Menschen so im Leben ergehen kann. Ich war von tausend Idealen beseelt und schlitterte gleich vielen anderen in eine Sache hinein, aus der man nicht mehr herausfand. Ich habe heute einen zeitlichen Abstand von den Geschehnissen, der zwischen 16-29 Jahren liegt. Und vieles ehemals Gültiges ist ungültig geworden. Ehemals „weltanschauliche Werte“ habe ich als Gerümpel, allmählich im Laufe der Jahre über Bord geworfen. /8 Zeilen bis Ende des Abschnitts unleserlich gemacht/

Weil ich Hölle, Tod und Teufel sah, weil ich dem Wahnsinn der Vernichtung zusehen mußte, weil ich als eines der vielen Pferde in den Sielen mit eingespannt war und gemäß dem Willen und den Befehlen der Kutscher weder nach links noch nach rechts ausbrechen konnte, fühle ich mich berufen und habe das Verlangen, hier zu erzählen und Kunde zu geben von dem, was geschah. Es ist sicher ein trauriges Resumée, wenn ich feststellen muß, daß ich in der Lage bin, das

 

/14/                    AE: 6

ungeheure Volumen alleine der organisatorischen Voraussetzungen, welche das Geschehen ermöglichten, zu umfassen und zu übersehen. Die meisten jener Akteure, die ja nun so oder so in die Geschichte eingehen werden, kannte ich, sprach zum Teil mit ihnen und vermag sie annähernd zu beurteilen.

/2 Abschnitte von 8 bzw. 5 Zeilen unleserlich gemacht/

Ich werde das Leben jener Zeit schildern, so wie es war, so wie ich es erlebte und gesehen habe. Nichts werde ich zu beschönigen versuchen. Ich schreibe zu niemandes Ruhm und Ehre; was sind es für verlogene, selbstbeweihräuchernde Begriffe! Was ich gestern noch glaubte anbeten zu müßen, liegt heute im Schutt des Gestürzten.

Ich werde den Völkermord am Judentum schildern, wie er geschah und gebe dazu meine Gedanken von gestern und heute. Denn nicht nur die Felder

/15/                                                AE: 7

des Todes mußte ich sehen mit eigenen Augen, die Schlachtfelder auf denen das Leben erstarb, ich sah weit Schlimmeres. Ich sah, wie durch wenige Worte, durch den einzigen knappen, kurzen Befehl eines Einzelnen, dem die Staatsführung als Befehlsgeber dazu die Macht verlieh, solche Lebensauslöschungsfelder geschaffen wurden. Und ich sah die Unheimlichkeit des Ablaufens der Todesmaschinerie; Rädchen in Rädchen greifend, gleich dem Werk einer Uhr. Und ich sah jene, die da achteten auf den Gang des Werkes; auf den Fortgang. Ich sah sie, das Werk stets von neuem aufziehen; und sie beobachteten den Zeiger der Sekunden, welche eben dahineilten; dahineilten, wie die Leben zum Tode.

Den größten und gewaltigsten Totentanz aller Zeiten.

Den sah ich.

Und ihn zu beschreiben, zur Warnung schick ich mich an.              Adolf Eichmann

                                                 6 – 9 – 61.

/3 nachträgliche Zusätze:

(Siehe dazu meine Fußnote bezüglich der Wortwägung. Gilt sinngemäß für alle Kapitel.)

(Anschließend folgt mein Schlußwort, welches ich in meinem Prozess zu Jerusalem gehalten habe.)

Bemerkung: Man darf diese und andere schriftstellerischen Worte keinesfalls mit der Waage der juristischen Paragraphen wägen.                                                                       

/16/                                               

Götzen

Dieses ist mein Schlußwort, welches ich in dem Prozess zu Jerusalem am /Platz für Datum offengelassen/ 1961, gemäß meinen Erfahrungen und gemäß meinen Empfindungen, gehalten habe:

/17/                                        AE: 8.

/I. Teil, unleserlich gemacht/

/18/                                        AE: 1

                         Teil I

                         -(1)-

/3 Zeilen samt Zusätzen unleserlich gemacht, die 4. durchgestrichen, aber leserlich:

weiß, mit wem man es zu tun hat./

Als ein Menschenkind, trat ich am 19. März 1906 in das Leben. In Solingen, im Rheinland, wurde ich geboren, als erster Sohn der Eheleute Wolf und Maria Eichmann. Wenige Tage nach meiner Geburt wurde ich auf den Namen Adolf Otto, nach dem Ritus der evangelischen Konfession, helvetischer Richtung, getauft. Noch als kleines Kind zog ich mit meinen Eltern nach Linz a/Donau, Oberösterreich, wo mein Vater als kaufmännischer Direktor der Linzer Straßenbahn und Elektrizitätsgesellschaft tätig war und sich glaublich(sic) in den zwanziger Jahren pensionieren ließ um ein Elektrowarenunternehmen zu gründen.

Nach Besuch der Volksschule und vier Jahren Realschule absolvierte ich zwei Jahrgänge einer höheren technischen Bundeslehranstalt. In den Jahren 1925 bis 1927 war ich als Verkaufsbeamter der „Oberösterreichischen Elektrobau A.G.“ in Linz a/Donau, sodann bis Juni 1933, als Verkaufsbeamter der „Österreichischen Vacuum Oil Company A.G.“, Filialdirektion Linz und Salzburg, tätig gewesen.

Das damalige Linz a/Donau war ein verträumtes, kleines, liebliches und sauberes Provinzhauptstädtchen, im Zentrum des vorwiegend bäuerlichen Oberösterreich. Da war das weizenschwere Innviertel, das

/19/                                    

/Found here. – In my opinion, belongs

to page numbered /6/.

E. Friesel, 10/1999/

 

Bemerkung für die Zensur:

1.)    Diese schriftstellerische Arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen gewogen werden.  /Signaturkürzel/

 

2.)    Dieser Manuskriptverband darf ohne der Zustimmung von Dr. Servatius, nicht veröffentlicht werden. (Gilt für das gesamte Manuskript).

Ich bin mit Dr. Servatius dahingehend verblieben, daß, falls er dieses Manuskript nicht zur Veröffentlichung ausgehändigt bekommt, (und zwar bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland vor Weihnachten) ihm Gelegenheit gegeben sein möge, bei der Vernichtung des Geschriebenen, anwesend zu sein.  /Signaturkürzel/

 

/20/                                                AE:  2

braunkohlenreiche Hansruckviertel, das damals schon dem Fremdenverkehr sehr erschlossene Traunviertel mit seiner Perle Gmunden am Traunsee, und dem oberösterreichischen Hausberg, dem Traunstein, dem Wächter der beginnenden Hochalpenwelt.

Ganz besonders verliebt aber war ich in das reizvolle Mühlviertel. Das Viertel, der vielen sagenumwobenen Ruinen und Burgen. Und hier war es das obere Mühlviertel, daß(sic) ich ganz besonders in mein Herz geschlossen habe.

Die Heimat eines Adalbert Stifter; der ewige Böhmerwald, dessen Ausläufer tief in das Obere Mühlviertel hineingreifen, mit den romantischen, braunwässerigen, kleinen linken Flüßchen. Die vielen hurtigen forellenbewohnten Bäche, die sich durch das, gegen die Donau zu abfallende, böhmisch-mährische Granitplateau, seit undenklichen Zeiten ihren Weg zum großen Wassersammler Donau, bahnen.

Diesen herrlichen Fleck der Erde durfte ich meine zweite Heimat nennen und in diesem Kleinod Oberösterreich, verlebte ich dank der steten Fürsorge meiner Eltern eine herrliche, unbeschwerte Jugendzeit.

Und auch als junger Mann – wie man zu sagen pflegte – waren es Tage von Liebe, Lenz und Leben, die mir geboten wurden. Motorsport, Bergsport, Arbeit, Kaffeehaus, Freunde auch Freundinnen – warum auch nicht – füllten die Tage und Jahre aus.

Gar manche heimelige Weinstube lockte

 

/21/                                                AE:  3

zur Einkehr und in ihren alten Gemäuern ließ es sich gut sitzen. Eine solche Weinstube kannte ich, deren Existenz bis in das dreizehnte Jahrhundert zurückzuverfolgen war. Und der „Gumpoldskirchner“ schmeckte nach jedem Viertel besser auch ohne Schrammeln und Zigeunermusik. Man lebte im Phäakenland; eben in Oberösterreich. Und fuhr man auf den Postlingberg, das Wahrzeichen von Linz, dann war der erste Weg mit der kleinen Freundin, zu Meister Bugele, dem Obergärtner der herrlich-schönen Gartenanlagen auf diesem Berg, mit seinen tausend oder mehr Rosenstöcken. Ihn um einen Strauß Rosen für die Angebetete zu bitten, war für diesen Meister der Blumen, Sträucher und Bäume stets große Freude, kannte er mich doch schon als kleinen Lausbuben, wenn ich Samstags an der Hand meines Vaters, die Anlagen besuchte. Mein alter Herr hatte seinerzeit viel zur Hebung dieser Augenweide, welche damals zum Besitztum der Linzer Straßenbahn- und Elektrizitätsgesellschaft gehörte, getan und meinen Freund Bugele, zum Obergärtner dieses Paradises(sic) bestellt. –

Nichts hätte diese heiter-frohe und unbeschwerte Lebenslust zu stören vermocht wären die „Götter“ nicht auch bis nach Oberösterreich gekommen. Bei mir klopften sie bereits seit 1931 an, und ab und an auch schon früher; sie vereinnahmten mich dann genau am 1. April 1932.

/22/                                                AE:  4

Ja Freunde, heute zurückschauend, es sind bald 30 Jahre her, muß ich sagen „wenn es dem Esel zu gut geht, dann geht er auf‘s Eis, um zu tanzen.“

-(2)-

Nun ja, es gab damals verschiedenartig eingestellte junge Leute, so wie es solche zu allen Zeiten gegeben haben mag und immer geben wird. Ich war durch die Schule und Gesellschaft in der ich mich bewegte, kurz durch meine Umgebung die mich beeinflußte – und welche Umgebung vermag einen jungen Menschen nicht zu formen – zur nationalistischen Richtung hin gelenkt worden.

Und welchem Nationalisten brannten nicht /gestrichen: die Worte/ das Wort „Versailles“. Natürlich verstand man im Anfang nichts davon. Aber das Verständnis hierfür wurde schon geweckt; Zeitungen, Gespräche und Bücher sorgten dafür. Und man erzähle einem jungen Menschen in dieser Richtung tendierend, von nationaler Schmach, von Verrat, vom Dolchstoß, welcher der deutschen Armee zuteil ward, von nationaler Not und Elend; Herrgott, da packt es einen halt, da gerät das Blut in Wallung. Und dann hört man durch die Propaganda, daß da eine Partei ist, welche die Schmachbeseitigung auf ihr Banner geschrieben hat. Die Beendigung der nationalen Nöte versprach, den Dolch aus der Wunde zu ziehen sich anschickte, die Gleichberechtigung auf dem wehrmäßigen Sektor zu erkämpfen bestrebt war und die Arbeitlosgkeit in die unterste Hölle verdammte. Und dann

/23/                                                AE:  5

sitzt man in solch einem Weinstüberl, vor seinem „Viertel“, im Bierstüberl vor seinem „Krügerl“ oder im Caffee vor seinem „Schwarzen“ und liest den „Völkischen Beobachter“, man liest vom Tod der SA und SS-Männer; man ließt(sic) heldische Worte über heldischen Tod; über mannhaftes Sterben und furchtlose Treue. Und ich sag es noch einmal, welchen Burschen, nationalistischer Tendenz, „packte“ es da nicht.

Da war kein Wort von Jude und Judentum; und laß(sic) man es ab und zu in besonderen Artikeln, wer nahm solches ernst? Wer machte sich dieserhalb überhaupt Überlegungen. Mag sein die Älteren und Alten. Uns Burschen interessierte alleine, und einzig und alleine, das Heldische. Mit zu helfen an der Beseitigung, an der Ausrottung einer Schmach.

Rot sah man beim Wort „Versailles“. Bereit zu allem, dieses Wort, im Sinne von Schmach, zu vernichten, zu zerstampfen; dafür auch wenn es sein muß zu leiden. Es mußte ausgelöscht werden. Und diejenigen, welche dazu aufforderten waren unsere Götter.

So muß es in alten, in uralten Zeiten gewesen sein, wenn man den Heldensagen trauen konnte.

Aber warum sollte man ihnen denn nicht trauen?

 

/24/                    AE:   6

Die >Herzöge<, die >Gefolgschaft<; die Herzogstreue und Gefolgschaftstreue. Ich verschrieb mich den Göttern mit Haut und mit Haren(sic). Ja, teilweise diesen Göttern zuliebe verließ ich das „Landel ob der Enns“, mein geliebtes Oberösterreich. Freilich war der Abschied vom Landl schwer, der Abschied von Eltern und Geschwistern; der Abschied von meiner Verlobten. Vorbei war das regelmäßige Wochendverleben(sic) in fröhlicher Zweisamkeit, sei es in Südböhmen, sei es in Oberösterreich. Vorbei war es, eigener Herr seiner Zeit zu sein. Fremdes, Unbekanntes lag vor mir. Aber Dienst an den Göttern, meinem Vaterland zuliebe schien mir gleichwichtig zu sein, denn sonst wäre ich ja geblieben.

Tausend und mehr Stränge zogen mich zu bleiben, aber ebenso viele zogen mich zu den Göttern.

Und ich diente ihnen.

Ich diente ihnen mit dem ganzen Glauben den ich aufzubringen vermochte;

kein Opfer schien mir zu gering.

Keine Strapaze zu groß.

Ja, je größer Opfer und Strapazen und Entbehrungen, desto größer schien mir die Tat für das Werk, welches die Götter versprachen zu tun.

 

Schlafen auf nackter Erde, im Stroh, auf Strohsäcken, scharfer und schärfster

/25/                                                AE: 7

Exerzierdienst bei der Truppe; vom Robben abgeschundene Ellenbogen und Knie; Kadavergehorsam und Einschränkung der Freizügigkeit tauschte ich ein, gegen das gutbürgerlich eingerichtete behagliche Elternhaus, gegen Kaffeehaus und Weinstüberl, gegen Motorsport, Bergsport und dem Zusammensein Jungverlobter. Wahrlich, ich diente den Göttern aus freien Stücken; wahrlich ich opferte ihnen zuliebe viel.

Aber was galt es schon; wenn nur das Vaterland frei werden konnte und Not und Elend der Deutschen ein Ende fand.

Im Jahre 1934, an einem sonnigen Herbstmorgen kam ich von dem ersten Bataillon des Regimentes SS 1 nach Berlin, zum SD-Hauptamt versetzt, am Anhalter Bahnhof an. Nach durchfahrener Nacht war eine kleine Erfrischung sehr wichtig und brauchbar. Ich begab mich in einem(sic), dem Bahnhof gegenüberliegenden, Friseurladen und ließ mir nach erfolgter Rasur, heiße Kompressen auf‘s Gesicht legen, um die Übernächtigkeit zu verscheuchen. Und schlenderte sodann in eine „Aschinger-Kneipe“, gleich neben dem Friseur. Einige Mollen Helles und ebensoviele Schnäpslein, dazwischen ein ordentliches Gullasch(sic)

/26/                                                            AE: 8

mit frischen, knusprigen Brötchen, waren just das richtige Frühstück für einen Unteroffizier in der SS-Verfügungstruppe, der Vorläuferin der späteren Waffen SS.

Als solcher hatte ich mich freiwillig zum Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, gemeldet. Sicherheitsbegleitpersonal für die Götter. Warum auch nicht; ich stellte es mir sehr interessant vor. Erst später sollte ich draufkommen, daß ich einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Das Begleitpersonal für die Götter hieß Reichssicherheitsdienst. Der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, war etwas ganz anderes. 

Vorläufig ahnte ich aber noch nichts.Vorläufig suchte ich ein Kaffeehaus. Kaffee war für alles gut. Gut zum dösen, gut um den Geruch von Aschingers Biermollen zu töten und bei der Truppe benutzten wir ihn Jahr und Tag zum Fleckenputzen an unseren schwarzen Uniformen. Freilich, zum Exerzierdienst hatten wir feldgrau oder was am lästigsten war, hellgraue bis fast an das Weißliche grenzende Drilliche, welche leicht schmutzten.

Mit souveräner Unteroffiziersruhe im Bauch, begab ich mich nun zu der mir befohlenen Dienststelle, ein Palais in der Wilhelmstraße 102, um mich zum

/27/                                                AE: 9

Dienst zu melden. Ob ich verheiratet oder ledig sei. Dies war die erste Frage, die mir der Offizier vom Dienst stellte. Ledig. Natürlich, meine Braut war ja in Südböhmen, und an eine Heirat wegen meiner vorübergehenden Verhinderung im Augenblick nicht zu denken.

Ledige sind kaserniert; wenn Sie heiraten, können Sie draußen wohnen, gab man mir zur Antwort.

Na schön dachte ich mir, irgendwo muß der Mensch ja hingehören. Zu den Eltern, in die Kaserne oder zur Ehefrau.

Also ging ich zum Kammerbullen. Bisher hatten wir Unteroffiziere stets so eine Art stillschweigend geduldeter Ordonanzen zur persönlichen Dienstleistung zur Verfügung gehabt; je vier Unteroffiziere eine Ordonnanz(sic). Er trank frei, rauchte frei auf unsere Kosten und hatte seine vier Unteroffiziere zu Freunden, die ihn gegen Tod und Teufel verteitigten(sic), fraß er etwas gegen das Dienstreglement aus. Außerdem hatte er nur allerleichtesten Exerzierdienst. Aber meistens verstand er es, sich sogar von diesem zu drücken.

Hier aber schmiß mir der Kammerbulle meine blauweißkarrierten Bettklamotten an meinen persönlichen Kragen; Decken und Leintuch folgten und dann damit auf die Stube.

Was dann noch an Kramzeug mehr war,

/28/                                                            AE: 10

war der übliche Kasernenzinober(sic), war altbekannt und nichts Neues.

Nachmittags wurde ich vereidigt. Zwar hatte ich beim Tode des Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg den Fahneneid auf Führer, Reichskanzler und Vaterland geleistet; jetzt also nochmal, aber in einer anderen Form; mit der Geheimhaltungsverpflichtung.

Mich hatte es an sich schon mehr als stutzig gemacht, als ich zwecks Eidesleistung im Dienstanzug mit Stahlhelm, zu einem SS-Offizier geführt wurde und dabei einige museumähnliche Räume durchschreiten mußte, auch sah ich einen Sarg in einem dieser Räume stehen, mit großer Glasplatte, indem(sic) ein menschliches Gerippe lag, aber ich hatte zu sehr auf meine Füße zu achten, denn meine schweren Stiefel vertrugen sich nicht mit dem glatt gewichsten, glänzenden Fußboden und bei Kurven hatte ich Mühe nicht auszurutschen.

Merkwürdig dachte ich mir; alles sehr merkwürdig. Aber möglicherweise war der Stab in einem Museum untergebracht, ging es mir durch den Sinn. Man fand die Dienststellen in jener Zeit ja an allen Ecken und Enden, wo man sie nie vermutet hättte. Außerdem kam ich von der Truppe und hatte mich um solchen Kram

 

/29/                                                            AE: 11

nicht zu kümmern. Behandelt wurde ich ohnedies, als sei ich Rekrut, der eben erst frisch eingezogen war. Und es ist erstaunlich, zu welchem Maß an Leiden, einem(sic) eingedrillter Kadavergehorsam mit einem gehörigen Schuß Idealismus gepaart, fähig macht. Natürlich muß es jedem rechtschaffenen Unteroffizier schwer, sehr schwer fallen, wenn er im Verein der elf weiteren Stubengefährten, mit denen er zusammenwohnte, von denen nur zwei, ebenfalls gediente Unteroffiziere waren, der Rest aber eine Kaserne höchstens vom Höhrensagen(sic) kannte - allenfalls, auf Grund eines „Schnellsiederkurses“ von acht Wochen, - Samstag für Samstag den Boden zu schruppen, die Hocker und Tische zu scheuern hatte und im Spind nach einer anderen, neuartigen Ordnung die Klamotten zu legen kamen (sic). Und sich dabei von einem Feldwebel der „allgemeinen SS“ also zivilen SS, der ebenfalls als „Waffenträger der Nation“ seine Dienstzeit noch nicht einmal angefangen hatte, sondern seinen Rang in dem SD, von der allgemeinen SS, also Zivil SS, mitbrachte, kommandieren zu lassen, wobei ihm seine herzliche Genugtuung, es den „Herrn Unteroffizieren von der Truppe“ einmal „geben“ zu können, auf tausend Meter Entfernung, anzumerken war.

Es war auch keine Freude, früh morgens im Park des Palais, zum Exerzieren

 

/30/                                                AE: 12

anzutreten. Nicht des exerzieren Wegens (sic); dies war im Gegenteil noch das einzig erfreuliche(sic) an dem ganzen Dienstbetrieb. Nein, das Wurmende und der nagende Zorn kam daher, daß Hanswürste denen selbst die Bedienung an einem Maschienengewehr(sic) fremd war, Sonntagsexerziermeister der allgemeinen SS also, uns hier die ödesten und blödesten Bewegungen machen ließen; wir drei Gedienten der „Stube zwölf“, wurden durch diese Taktik zwar bis an den Rand unserer Geduld getrieben; aber wir parierten; wir gehorchten.

Nach wenigen Tagen kam ich dahinter, daß ich an der verkehrten Stelle gelandet war, und ein Abgang zum Reichssicherheitsdienst, nicht gestattet wurde.

Jetzt war der Galeerensträfling fertig. Mit unsichtbaren Ketten fühlte ich mich an einen Karteitrog angebunden und hatte die Aufgabe, im Verein mit einem halben Dutzend anderer Kameraden, die Freimaurerkartei, aus Zehntausenden von Karteikasten bestehend, zu schreiben, zu ordnen und einzuordnen.

Der schwerste Kampf, der in diesen Tagen auszufechten war, war der Kampf gegen den Schlaf.

Man wird einwerfen, ja großer Herrgott, wenn ich irgendwo gegen mein Wollen mit einer Arbeit, welche mir gegen den

 

                              /31/                     AE: 13

Strich geht, als freier Mensch, eingespanntt werden soll, da macht man einfach Schluß damit, oder man ist ein Waschlappen, dem eben nichts besseres gebührt. Kaserne na ja, gut und schön; da hat man zu gehorchen, daß(sic) weiß ein jeder. Aber in einer Kanzlei, in einem Amt, da hau ich einfach auf den Tisch, sage meine Meinung und wetze aus dem Tempel raus. Noch dazu wenn man inzwischen ein Kerl von 28 Jahren geworden ist.

Genau dieselben Gedanken hatte auch ich um jene Zeit und mit mir eine Anzahl meiner Stubengefährten.

Aber da waren die Götter, denen ich ja dienen wollte.

Und die weltanschauliche Schulung, der man uns am Anfange unterzog, brachte uns noch näher an sie.

Das Leben des alten Preußenkönigs, Friedrich des Großen wurde uns in den lebendigsten Formen, von Meistern auf diesem Gebiete, lebensnahe gebracht.

Volksbindung und Blutsbande in den leuchtendsten Farben idealisiert.

Der Dienst am Volk, der Dienst am Führer als ein geheiligtes Privilegium gepredigt. Für die Freiheit des Vaterlandes alles hinzugeben, als höchste Verpflichtung und freudiges, jederzeitiges Wollen, eingehämmert.

Und ich glaubte es; mit allen Fasern

 

                              /32/                     AE: 14

meines Glaubens, den aufzubringen ich in der Lage war.

So tat ich denn meinen Dienst; Schreibtischdienst, der mir weder physisch noch psychisch lag; der für mich eine Qual bedeutete; zu dem ich mich jeden Tag auf‘s Neue selbst kämpfend besiegen mußte, ehvor ich an das befohlene Tagewerk ging.

(3)

Der Mensch gewöhnt sich an alles, wenn es sein muß. Und nachdem die Macht der Gewohnheit große Prozentsätze des Widerwillens an der nichtbehagenden Tätigkeit verschluckt hatte, die weltanschaulichen Belehrungen einen weiteren Teil unter den Tisch schlug(sic), blieben relativ nur noch geringe Rückstände des Widerwillens an der Oberfläche und auch diese wurden alsbald übertüncht durch die nicht ableugbaren Erfolge der Führung des Reiches, die sie für das deutsche Volk erlangten. Die große politische Linie sah unsereiner ja nicht. Auslandsmeldungen durch Presse und Rundfunk gelangten noch nicht zu uns; dazu waren wir zu geringe Diener an Volk und Staat. Die internationalen Verflechtungen im politischen Geschen(sic), waren damals auch mir noch „Böhmische Dörfer“.

Aber auch ich sah das Verschwinden der Arbeitslosenarmeen, die Militarisierung der Rheinlandzone,

 

                              /33/                     AE: 15

die Wiederherstellung der Wehrhoheit; den frenetischen Jubel der Millionenmassen, wenn die Götter sich zeigten. Und meine Verhaftung an diese war eine stets fühlbarere.

Aber es waren schließlich doch nur irdische Götter. Bewußt und unbewußt wehrte ich mich, ihnen mit meinem allerletzten inneren Ich zu verfallen. Das Vaterland, die Freiheit, ja.

Bedingungslos!

Die Seele, daß(sic) was dann kommt, wenn die Stunde da ist, und diese irdischen Werte aufhören Gegenstand des Hoffens, Glaubens und Wirkens zu sein, dies behielt ich als ein Privatissimum, über welches ausschließlich nur ich selbst entscheiden konnte und wollte. Hier ließ ich auch die Götter nicht heran, so sehr ich ihnen sonst gläubig verfallen war.

Hier war die elterliche Erziehung und die innere Bindung an die von Generation zu Generation überlieferten Werte noch zu stark, um dem Einbruchsversuchen(sic) nachzugeben. Hier war ich stur.

Stur wie die neuen schweren Panzer, welche eben zur Hebung der Herzensfreude und als sichtbare Garanten der Freiheit, in Erscheinung traten.

Stur wie die Kurse der neuen Bombengeschwader, welche unbeirrbar am

 

                              /34/                     AE: 16

berliner Himmel dahindonnerten.

Meine Bindung an die Kirche! Fast alle meine Kameraden waren längst aus den Religionsgemeinschaften ausgetreten und wetzten nun den Schnabel in Zoten und Verleumdungen gegen Kirche und Klerisei.

Und hatten sie Alkohol im Bauch, dann wollte damit einer den anderen, im Wettstreit mit ihrer Dummheit, übertrumpfen. Natürlich war ich dann stets besonders eine willkommene Zielscheibe, freilich nicht böse gemeinten, Kameradenspottes. Schon in der Kaserne fing es an. Es gehörte zum neuen Ton, selbstverständlich den Kirchenaustrittschein zu bringen. Nicht daß von seiten der Obrigkeit darauf gedrängt wurde; dies wäre unwahr. Mag sein, daß dies im Parteileben üblich war. Bei den SS-Verfügungstruppen und selbst auch im SD-Hauptamt, war es nicht üblich. Aber der Kameradenspott grob, ja saugrob, freilich landserhaft gutmütig, doch nicht ohne Stachel und Dorn, der sorgte dafür und auch die Hoffnung auf schnelles Avancement tat das ihre, diese Austrittsscheine im allgemeinen baldigst zu holen.

Bei der Truppe hatte ich dieser halb bald Ruhe.

Denn wie es unter jungen Menschen schon einmal so üblich ist, zählte alles andere oftmals nicht halb so viel,

 

                         /35/                     AE: 17

wenn der Betreffende ein guter Sportler ist.

Das gefürchtete Gerät in jener Zeit, war die Eskladierwand. Eine zwei Meter und einiges, hohe und starke Bretterwand, über die es in mehr oder weniger eleganter Weise hinüber zu wetzen galt. Hier arbeiteten die Hintern, Knie und Fußspitzen, verzweifelt mit der Muskulatur der Arme, um die runden 70 Kilogramm Landserlebendgewicht, auf die andere Seite zu befördern.

Die „Taugenichtse“ gingen in das Vermerkbuch des „Spieß“; zwecks Dienstleistung in der Küche zum verhaßten Kartoffelschälen, zum Abortbrillenputzen, denn gelernte Optiker gab es stets nur sehr wenige, oder gar keine, und diese Tätigkeit wurde dann meistens von diesen Nichtskönnern verlangt, wenn die übrige Kompanie Ausgang hatte, und mit Fräulein Braut in‘s Grüne abhauen konnte.

Ich hatte den Vorzug – in jener Zeit hatte ich noch eine turnerische und sportliche „Ader“ – mühelos und sogar elegant über jene Wand zu kommen und wurde auszeichnungshalber, zwecks leichter Hilfeleistung, welche nur mit Fingerspitzen gegeben werden durfte, vom Kompaniechef abgestellt. Dies war eine übliche Erleichterung.

 

                              /36/                     AE: 18

Aber in der Regel hatten die Hilfeleister ihre allergrößte Freude an einer Behinderung und Erschwerung, statt umgekehrt. Dies gehörte ebenfalls zum allgemeinen „Flachs“ und Ulk. Freude auf Kosten anderer. Ja, das Kasernhofleben war eben rauh aber herzlich. Ich leistete damals in Wahrheit, vorzügliche Hilfestellung. Es genügte meist ein leichter Druck auf eine der in der Luft herumorgelnden Hinternbacken, und der Kerl war drüber. Das Zünglein an der Wage(sic) gewissermaßen. Und da gerade Samstag vormittag war und der Stabsfeldwebel keine Notierungen zu machen hatte, kamen die Herren der Kompanie alle mit ihren geehrten Bräuten zu ihrem Wochenendvergnügen.

Ich wurde seit damals, so wenig die Motive selbst auch zusammenhingen, in religiösen Dingen nicht mehr belästigt.

Als ich 1935 Hochzeit machte, fand diese in der evangelischen Kirche zu Passau statt; in Uniform.

Hier freilich versuchten meine damaligen Vorgesetzten zu intervenieren und wiesen auf die Unmöglichkeit hin.

Aber die Panzer waren ja auch stur. –

Erst im Herbst 1937, ich war jedenfalls schon seit einer kleinen Ewigkeit Hauptfeldwebel, trat ich ohne Druck oder Zwang, aus freien Stücken und in voller Überlegung aus dem evangelischen Religions-

 

                         /37, 38/                     AE: 19

Verband aus und bezeichnete mich ab dieser Zeit, als „gottgläubig“. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich wurde weder ein Kirchenfeind, noch war ich je antiklerikal. Ich sah die Notwendigkeit religiöser Gemeinschaften aus ethischen und aus Gründen der Erziehung als wichtig an, aber ich wollte frei und ohne kirchliche Bindung im Verkehr zwischen meinem Herrgott und mir sein. Außerdem widerte mich der seinerzeitige Kampf innerhalb der evangelischen Kirche so an, daß ich nichts mehr von ihr wissen wollte. Die eine Seite war Feuer und Flamme für die neuen Götter und ihr Tun; die andere Seite bekämpften sie auf Tod und Teufel.

/Der folgende Abschnitt ist gegenüber von S. 17 nachträglich notiert, gehört offenbar hierher:

Nicht die Tatsache des Kampfes gegen den damaligen Staat selbst war es, der mich zur Distanzierung zwang, als vielmehr die Überlegungen, „daß es kaum göttlichen Wünschen entsprechen mochte“, wenn seine verordneten Diener sich derart eifernd und gegenseitig verunglimpfend, in irdische Belange einließen und sich gegenseitig „in die Wolle“ bekamen. Hinzu kamen meine Zweifel in glaubensmäßiger Hinsicht, die ich an anderer Stelle noch einmal streife./

Da lobte ich mir damals die römisch-katholische Kirche; sie holte ihren Wertmaßstab erst gar nicht aus der Kiste. Sie war gewohnt in Jahrhunderten zu denken, zu messen und zu wägen. Wäre ich damals Katholik gewesen und nicht Protestant, ich wäre stur als solcher im Kirchenverbande geblieben. Man hatte sich ja schon seit drei langen Jahren daran gewöhnt gehabt, daß ich einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige war, der hier so lange stur blieb. Freilich muß ich einschränkend hinzufügen, daß ich auf der anderen Seite aber auch in keiner

 

                              /39/                     AE: 20

Form etwa missionierend oder sonst irgendwie predigend tätig geworden bin. Solches hätte ich nie und nimmer getan. Ich verteitigte(sic) ausschließlich meine eigene persönliche Stellung zu den mir anerzogenen Werten und Überlieferungen; bis auf den Tag, an dem ich aus eigener Erkenntnis, die Dinge in einer mich innerlich befriedigenderen anderen Helle sah.

Ja, und wie war es mit der Judenfrage in jener Zeit und wie stand ich zu ihr.

Als ich im Herbst 1934 in das SD-Hauptamt versetzt wurde, gab es dort überhaupt noch kein Referat und keinen Sachbearbeiter, der sich mit Juden zu beschäftigen hatte. Dies war erst im Laufe des Jahres 1936 der Fall.

Während des Prozesses, und zwar innerhalb des etwa 10 Tage dauernden Kreuzverhöres, frug mich einer der drei Richter, oder war es der Generalstaatsanwalt, bezüglich meiner seinerzeitigen Einstellung zum Programm der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei“, ob es mir bekannt gewesen sei, und ich doch zweifelsohne gewußt haben mußte, daß diese Partei den Kampf gegen das Judentum, als einen nicht zu übersehenden Faktor ebenfalls auf ihr Panier geschrieben hatte; also müßte ich doch auch Antisemit gewesen sein.

Ich konnte diese Frage sehr einfach und wahrheitsgemäß beantworten, indem ich

 

                              /40/                     AE: 21

sagte, daß ich den Judenprogrammpunkt wohl gekannt habe, doch niemals Antisemit war. Nun, diejenigen der israelischen Polizeibeamten, mit denen ich während der Voruntersuchung laufend zu tun hatte, kannten die näheren Umstände, die mich berechtigten, eine solche Antwort zu geben. Auch mit einem Psychiater unterhielt ich mich über diese Frage. Es ist üblich, daß Angeklagte in größeren Prozessen im Laufe der Voruntersuchung sich mit solchen Fachärzten zusammensetzen, der(sic) dann auf Grund der Unterhaltung, seine Teste macht. Diese Unterhaltung setzt natürlich eine freiwillige Bereitschaft seitens des Angeklagten voraus, denn sonst wäre der Test ja schließlich auch wertlos.

Nun, ich will zu dieser Frage jetzt auch hier Stellung nehmen; und ich muß auf eine kleine Sekunde in mein Elternhaus zurückgehen.

Meine erste Mutter starb sehr früh; mein Vater heiratete zum zweiten Mal. Er mußte es, denn wir waren fünf kleine Kinder und es gab mit den Wirtschafterinnen, Köchinnen und Stubenmädchen, die in einer zweijährigen „mutterlosen“ Zeit den Haushalt meines Vaters zu führen hatten viel Ärger. Wie es schon so geht. –

Mit der zweiten Mutter, die selbst keiner jüdischen Familie entstammte, kam aber jüdische Verwandtschaft in unsere Familie.

 

                              /41-42/                     AE: 22

Tanten, Onkel, später Cousinen. Wenn man klein ist, dann wächst man automatisch in seine Umgebung hinein. Unsere Familie, nicht nur die engere, ich meine die gesamte Sippschaft, gehörte zu den seltenen Familienverbänden, von denen man behaupten konnte, daß niemand dem anderen seine Wässerchen trübte. Es war ein fröhliches, herzliches Verbundensein ohne Arglist, Lug oder Trug. Egal, ob Jude, jüdisch versippt oder Nichtjude.

/1. Zusatz von Seite gegenüber: Meine Eltern und damit meine Familie war weder judenfreundlich, noch judenfeindlich. Das Problem als solches, war eben ein völlig Familienfremdes gewesen; es stand niemals in irgend einer Form zu(sic) Debatte./

Mein alter Herr selbst hatte u.a. auch Juden zu Freunden.

/2. Zusatz von Seite gegenüber: Wären es keine Juden gewesen, wären sie auch befreundet gewesen. Mein Vater kümmerte sich um diese Dinge ebensowenig, wie etwa, was es am Abend zu essen gäbe./

Ich erinnere mich noch des jüdischen Hopfenhändlers Taussig aus Urfahr bei Linz. Ich glaube es war der Nachbar unseres damaligen Gartens am Hang des Pöstlingbergs. Und wir Kinder kamen zur Erdbeerzeit aus unserem Garten in Taussig‘s Gehege und schnabelten dort, mit seinem Einverständnis und Einladung, allmälig(sic) die Erdbeerbeete leer, nachdem unsere schon längst von uns Kindern abgeerntet waren.

Ich war noch ein sehr kleiner Lausbub, aber ich erinnere mich zu genau, eines anderen jüdischen Freundes meines Vaters, der mir, war er Gast meiner Eltern, auf dem Flügel stets sehr feurig die Marseillaise vorspielte /3. Zusatz von Seite gegenüber: und vorsang „Allons enfants de la patrie“./ Er war gebürtiger Franzose, aber längst

 

                              /43/                     AE: 23

naturalisierter Österreicher. In der Volksschule kam ich neben einem Juden zu sitzen; wir wurden Freunde. Ich in seinem Elternhaus, wie das schon so geht, er in dem meinen. Die Freundschaft hielt eigentlich lange an. Genau gesagt, bis wir uns aus den Augen verloren, durch meinen Abgang von Linz a/Donau, im Jahre 1933. Eingemale trafen wir uns auch auf der Reise, letztmalig in Grünau im Almtal, bei einem Raseur. Es machte ihm offenbar nichts aus, daß ich das Abzeichen der NSDAP angesteckt hatte und mir machte es nichts aus, daß er Jude war. Im Gasthof tranken wir unser Getränk und kümmerten uns den Teufel ob Jude oder Nichtjude. /6 Zeilen gestrichen, noch lesbar: Mein Religionslehrer, der evangelische Pfarrer Tiebel in Linz, ein Junggeselle aus Ostpreußen, erzählte uns während des Religionsunterrichts oftmal von seinem Amtsbruder – wie er ihn nannte – dem Rabbiner in [Ortsname]./ Noch als SS-Obersturmbannführer, küßte ich sehr herzlich meine halbjüdische Cousine, die mich mit ihrem Vater in Berlin auf meiner Dienststelle besuchte und man brach am Abend in einer netten Weinstube in Berlin, einigen netten Flaschen den Hals.

Und warum sollte ich meine bildhübsche

 

                              /44/                     AE: 24

zwanzigjährige halbjüdische Cousine nicht küßen, sagte ich zu meinem „ständigen Vertreter“, dem SS-Sturmbannführer Günther; so was kann doch unmöglich Reichsverrat sein. Er hatte diesbezüglich strengere Auffassungen.

In Budapest hatte ich auch entfernte Verwandte sitzen. Meine dortige Cousine, eine Psychiaterin, war mit einem jüdischen Schuhindustriellen verheiratet, von dem sie aber geschieden war und just um die Zeit, als ich 1944 nach Budapest befohlen wurde, war sie mit einem jüdischen Dozenten an der Universität Budapest, verlobt.

Gemeinsam tafelten wir zu Abend. Meine Tante, meine Cousine, ihr jüdischer Verlobter und ich in der Uniform eines SS-Obersturmbannführers. So, wie es mir mit den Juden in der Verwandtschaft meiner zweiten Mutter erging, ähnlich erging es mir mit der Verwandtschaft meiner Frau bezüglich der echen. Ich feiere übrigens in wenigen Tagen hier im Gefängnis in Israel, den dreißigsten Jahrestag unserer Verlobung; seit 26 Jahren bin ich verheiratet.

Die Verwandtschaft meiner Frau besteht aus echen und ehemaligen Österreichern, also Böhmen mit der Muttersprache Deutsch. Seit 1648 ist ihre Familie in

 

                                /45-46/                     AE: 25

Südböhmen ansäßig gewesen. Und ein Holzbalken im Hofe zeigt eine noch frühere Jahreszahl.

Als ich dienstlich im Jahre 1939, nach Prag versetzt wurde hatte ich genau dasselbe herzliche Zusammenleben mit meinen echischen Schwägern, es waren die Ehemänner der Schwestern meiner Frau, wieder aufgenommen. Der eine davon war während der Zeit des(sic) echoslovakischen Republik Artillerieoffizier gewesen, der andere zur Zeit der Besatzung durch uns, aktives Widerstandsmitglied und Kommunist. Seine Tochter, meine Nichte also, studierte irgendwann nach 1945, Welthandel in Moskau.

Ich weiß, daß meine beide Schwäger glühende echische Patrioten waren und ich achtete ihren Nationalismus. Ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als das(sic) ich sie angezeigt hätte, oder selbst eine Verhaftung vornahm, zu der ich berechtigt gewesen wäre. Die verwandtschaftlichen Bande waren stärker als die zu meinen Göttern; obgleich sie auch durchaus nicht schwach waren.

Ich haßte weder den echen, noch den Juden, noch irgend jemanden anderen.

/Zusatz von Seite gegenüber: Ich hatte auch nie von irgend jemanden(sic) persönliches Leid erfahren./

Die ganze Erziehung die ich genoß feite mich darüber hinaus vor solchen Gefühlen. Ich kannte sie nicht. Ich lebte in einer Welt, die gegensätzlich beispielsweise von der, junger Corpsstudenten der schlagenden Verbindungen

 

                              /47/                     AE: 26

war. Hier nährte(?) diese, der Geist eines Ritter von Schönerer mit seinen antisemitischen Gesängen und Predigten. Hier wurde das Wort Arier, betont und deutlich ausgesprochen, ein Wort, welches erst spät, sehr spät überhaupt in meinen Wortschatz gelangte.

Hätte ich nicht innerhalb eines solch innigen und herzlichen Familienverbandes gelebt, ein Verband, zu dem sich dann die Familien meiner Frau hinzugesellten, möglich daß auch ich von solchen Gedankengängen angesteckt worden wäre. Aber ich wurde es nicht und dies ist entscheidend.

/zweieinhalb Zeilen unleserlich gemacht/ Als in Linz einmal Pfadfinderführer, von irgendeiner Tagung kommend in unserem schönen Landeshauptstädtchen einige Tage verweilten und die einzelnen ausländischen Pfadfinder auf Bürgerfamilien aufgeteilt wurden, da brachte mein Vater einen französischen Pfadfinderführer als Gast mit nach Hause. Ich sprach um jene Zeit – genau wie mein zweitältester Bruder Emil – recht ordentlich französisch, da unsere Mutter, ein gutes französisch und englisch sprach und uns durch Conversation, die Sprache mühelos eintrichtern wollte.

Dieser junge Franzose war ein prächtiger

 

                              /48/                     AE: 27

Mensch und ich fühlte mich nach Art der Halbwüchsigen glücklich, ihn zum Freunde gewonnen zu haben. Wir verlebten gemeinsam frohe unbeschwerte Tage, schwelgend in Romantik, Bubenfreundschaft und Pöstlingbergrosengärten und tauschten unsere bündischen Lieder aus dem „Zupfgeigenhansel“ des Wandervogels, und aus anderem aus. Und später, als auch für mich die Franzosen mit die Verkörperung von Versailles schlechtwege wurden, selbst da gelang es keiner Macht, in mir auch nur die leisesten Haßgefühle gegen auch nur irgend einen Franzosen als solchen zu erzeugen.

Und ich lernte eigentlich schon recht früh, daß das Einzelindividuum keinesfalls zu identifizieren ist mit Nation oder Glauben oder gar Politik.

Die Worte Rasse, Volkstum und ähnliche gelangten gleichermaßen erst spät in meinen Wortschatz, so wie ich es bezüglich des Wortes „Arier“, schon feststellte.

Und auch da, klassifizierte ich das Verhältnis zwischen dem Individuum und den für mich neuen Begriffen nicht anders, als wie ich es bis dahin zwischen Individuum und Nation tat.

Selbstverständlich bin ich kein Heiliger; als während des Krieges der Bombensegen ganze Stadtviertel in Null komma Nichts in Schutt und Asche legte, und tausende Deutscher verreckten und ver-

 

                         /49-50/                          AE: 28

kamen, verschmorten und zerrissen wurden, da habe auch ich in der Hitze-Leidenschaft ungezählte derbe und derbste Flüche gegen die Bombenwerfer vom Stapel gelassen.

Auch ich bin kein Heiliger und habe als die Israeler mit den Franzosen und Engländern Ägypten angriffen in der Hitze der durch die Presse entfesselten Leidenschaften, derbe und derbste Worte gegen die Angreifer gebraucht. Ich bin nicht anders als andere auch. Aber dies ist eben eine Reaktion die ausgelöst wird, der man sich je nach Temperament hingibt und die dann mit Worten ihr Ende findet. Dies bezieht sich weder auf den einzelnen Engländer, Franzosen, Juden oder Nordamerikaner; weder auf den einzelnen Rußen, Polen, Jugoslawen, noch auf einzelne andere.

Sie ist – es kommt mir jedenfalls so vor – irgendwie natürlich; denn nur kranke oder teilnahmslose Menschen, oder der Weise, die sind gefeit von(sic) diesen menschlichen Schwächen; andere nicht, besonders dann nicht, wenn sie /Fortsetzung gestrichen und ersetzt durch Zusatz von Seite gegenüber: anläßlich der Beispiele die ich nannte, durch Zerstörung praktisch, und durch die Presse künstlich, in einem erweckt, ausgelöst werden./

So also konnte ich sagen, ich bin nie ein Antisemit gewesen, denn es stimmt. Und während der sogenannten Kampfzeit der NSAP, nahm weder ich, noch die mir geistig verwandten Meinesgleichen, den Judenbekämpfungsprogrammpunkt der Partei auch nur im leisesten ernst. Ja,

 

 

                                                                        /51/                                                AE: 29

man beachtete ihn nicht einmal. Seinetwegen fühlte man sich ja auch in gar keiner Form mit der Partei verbunden. Die Anziehungspunkte lagen, wie ich schon sagte, auch für mich, auf einem ganz anderen Sektor. Wenigstens war es so im österreichischen Bergland. Ich beachtete ihn ebenso wenig und er war für mich ganz genau so bedeutungslos, wie die „Bekämpfung“ der Kirche und Klerus.

                    -------   ----------

Dies also war mein Ich, als ich meine Anfangszeit im SD-Hauptamt zu Berlin verbrachte.

Unverbildet, unkompliziert, nicht faul und nicht fleißig; und eine derbe Kasernenhofschale nach außen, schützte mein Innenleben.

Zwar war meine Tätigkeit nicht nach meinem Geschmack, aber die steten weltanschaulichen Hinweise auf Eid und Verpflichtung, ließen in mir nach und nach keine anderen Überlegungen mehr aufkommen.

Ich gehorchte und blieb meinen Göttern verbunden, indem ich mich befehlen ließ und gegen den Stachel nicht löckte.

                         -(4)-

Ein halbes Jahr nach meiner Versetzung nach Berlin, heiratete ich. Seit dem 15. August 1931, war ich verlobt und die Hochzeit fand am 21. März 1935 in Passau statt.

Bis der Möbelwagen meiner Frau aus der

 

               /52/                             AE: 30

echoslowakei nach Berlin kam, und die Zoll- und sonstigen Formalitäten erledigt waren wohnten wir – es waren etwa drei Wochen – in einer Pension und bezogen dann ein nettes, kleines, einstockhohes Einfamilienhäuschen mit Garten, in dem es sich ruhig und gemütlich leben ließ.

Tagsüber schob ich meinen Dienst, mit der Gleichförmigkeit eines Uhrwerks und Abends und Wochenende arbeitete ich im Garten oder wir rekognoszierten und inspizierten in Berlin und nähere Umgebung herum.

Ich ließ mir über einen Kameraden manches Fäßlein guten Pfälzerweines aus seinem Heimatgau kommen. Und je nach Witterung und Jahreszeit, verdrückte ich manches Tröpflein unter dem Schatten einer japanischen Blutbuche oder innerhalb des geschmackvollen Mobiliars, dem Ausstattungsgut meiner Frau, im Living(?). Ab dem Augenblick der Dienst für mich vorbei war, ließ ich die Götter sein, wo sie waren und mein ausschließliches Interesse galt dem familiären Beisammensein.

Meine dienstliche Tätigkeit war auch – wie ich zu sagen pflegte – zum Knochenkotzen. Tausende von Freimaurersiegeln und Münzen mußte ich katalogisieren und einordnen; meine kümmerlichen, allerletzten Lateinreste feierten in jener Zeit noch einmal fröhliche Urständ. Mein Chef war

 

                              /53/                     AE: 31

ein dienstgradgleicher, verbummelter Student an der Berliner Universität und selbst Berliner; ungedient und nie bei der Truppe gewesen; aus der zivilen, bzw. allgemeinen SS, kommend.

Er war als „Museumdirektor“, als Referent des Freimaurermuseums in der Wilhelmstraße 102 tätig, und ich war ihm als einer seiner „Sachbearbeiter“ zugeteilt worden. Viel Würdezeigen und Dreischrittvomleibetaktik waren die hervorstechensten(sic) Eigenschaften des „Direktors“, und wir Kasernhofblüten nahmen ihn gewaltig auf die Schippe. Besonders, wenn er mit tierischem Ernst seine surrealistischen „halbverwesten“ Leichen aus Modellierpaste formte und sie mit überdimensionalen Würmern und Asseln garnierte. Und war ihm solch ein Prunkstück gelungen, dann hinein in einen Sarg und aufgestellt, zur Schau; etwa in den „Andreassaal“.

Und Professor Schwarz-Bostaunitzel, der stocktaube ehemalige Verteitiger(sic) am Appellationsgerichtshof in Kiew, zur Zarenzeit, und nunmehrige Leiter der Abteilung Freimaurerei des SD-Hauptamtes machte mit dem donnernden Baß seiner Stimme und in seiner deutsch-russischen Aussprachsweise, die offiziellen Besucher des Museums anläßlich der Führungen durch dieses, mit kurzem Hinweis auf die „Geschmacklosigkeit und das Verworren-Dekadente der freimaurerischen Geistesverbildung“ aufmerksam; nicht ohne    

 

                         /54-55/                          AE: 32

bissigen Nebenbemerkungen, wobei durch plötzliches Kopfheben sein spitz auslaufender Knebelbart wie eine Parallele, zur Decke und Fußboden gebracht wurde und gleichsam als kleiner Keil von ihm abstand: „und so etwas waren dann Studienräte und Studiendirektoren, verantwortlich für die Erziehung unserer Kinder“, war sein sarkastischer Abschluß und seine /Fortsetzung auf der Seite gegenüber: Physiognomie erinnerte stark an einen eifernden babylonisch-assyrischen Priester./

Ich sah, wie hier böser Heck-Meck getrieben wurde, um die Freimaurerei ad absurdum zu führen und dachte in meinem Sinn, na, wenn sie nichts anderes finden und Wurmkram und Leichen mit Ton und Modellin präparieren müßen, dann scheint mir nicht viel dahinter zu sein. Ich hatte das Wort Freimaurerei zum allerersten mal genau am 1. 4. 1932, gehört. Ich meine, wissentlich zum ersten mal gehört, und das kam so:

Ich wurde durch Kollegen so etwa Anfang 1932 als Gast der Linzer „Schlaraffia“ im „Vereinshaus“ zu Linz eines Ortsverbandes der sogenannten „Allmutter-Praga“ eingeführt. Kaufleute, Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler usf. zählten zu ihren Mitgliedern. Der Brauch dort war witzig und das Völkchen war harmlos-humorig. Narrenkappenähnliche Kopfbedeckungen, mit vielen Orden und Verbandsauszeichnungen, zierten die Köpfe der Mitglieder. Einen ausgestopften Vogel, einen Uhu, der in einer Ecke, auf bevorzugtem Platze aufgestellt war, mußte man beim

 

                              /56/                     AE: 33

Eintritt, die Hände über die Brust gekreuzt, und sich verneigend, begrüßen. Ein Erzmarschall leitete den offiziellen Teil des Beisammenseins und Klavizimbel hieß das Klavier. Na, wie ich schon sagte, harmlos-fröhlich; Jude wie Christ saßen hinter Bier und Wein, das heißt man hätte nicht gewußt wer Jude war, wer Christ, aber in so einer kleinen Stadt, kannten ja viele, Viele.

Am 1. 4. 1932 trat ich in die SS ein. Der damalige SS-Oberscharführer Dr. Ernst Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in der Kanzlei nach seinem Vater, war schon eine bedeutende Persönlichkeit innerhalb der österreichischen NSDAP. Er wollte wissen, ob ich in irgendwelchen Vereinen oder Verbänden wäre, wenn ja in welchen und warum.

Und ich sagte ihm, daß ich als Gast bei den Schlaraffen verkehre. Raus aus dem Freimaurerhaufen, das ist eine ganz gefährliche Bande, sagte er mir. Nun er war damals noch nicht Chef der Sicherheitspolizei und des SD, noch kein General der Polizei und der WaffenSS, und noch nicht Mitglied des Reichstages. Ich konnte ihm daher sagen, von der Freimaurerei wüßte ich nichts, da ich davon bisher nie etwas gehört hätte, aber eine gefährliche Bande ist es ganz bestimmt nicht, so viel wüßte ich inzwischen sehr genau. Kaltenbrunner und ich kannten uns schon viele Jahre von der Straße her.

 

                              /57/                     AE: 34

Man grüßte sich und sprach, so wie es der Tag und die Stunde mit sich brachte. Unsere Väter hatten geschäftlich öfter miteinander zu tun.

Aber ich kann die ganze Sache kurz abtun, indem ich erkläre, daß auf mein weiteres Kommen als Gast bei der „Schlaraffia“ Linz gerade um diese Zeit herum kein Wert mehr gelegt wurde, weil ich in vorgerückter Stunde und in vorgerückter Laune, den ebenfalls um jene Zeit in vorgerückter Laune befindlichen oberösterreichischen humoristischen Schriftsteller Franz Resl, im Rosenstüberl zu Linz auf eine Flasche Wein eingeladen hatte. Er war Erzschlaraffe, ich war nur ein lausiger Gast; ich war damals 26 Jahre alt und er so zwischen fünfzig und sechzig; ich war ein Niemand, er aber war ein bedeutender Schriftsteller; wenn auch über Österreichs Grenzen hinaus eigentlich wenig bekannt. Aber trotz allem: diese meine Frechheit überstieg den Rahmen des Gewohnten. Dies war mein erstes Erlebnis mit der „Freimaurerei“.    

                         -(5)-

Obwohl also der Antisemitismus in einem der Parteiprogrammpunkte fixiert wurde, blieb ich demgegenüber unempfänglich; nicht einmal aus Wissen oder Wollen, sondern ganz einfach aus dem Grunde, weil er nicht zu meiner Vorstellungswelt gehörte, und weil ich nichts mit ihm anzufangen wußte.

 

                         /58/                          AE: 35

Zum vielen Bücherlesen hatte ich es in jenen Jahren nicht gebracht. Sehr zum Kummer meines Vaters. Mit irgendwelchen „ismen“ hatte ich mich aus Indolenz nicht auseinander gesetzt; und persönlich hatte ich keine Feinde; weder Juden noch Nichtjuden.

Die Günthersche Rassenlehre habe ich bis zum heutigen Tage nicht gelesen, ebenso wenig den Rosenberg’schen „Mythus des 20. Jahrhunderts“ oder Mathilde Ludendorff. Dem Mystizismus war ich nie verfallen. Für mich haben bis zur Gegenwart weder die klaräugig-nordischen Rassevertreter das Licht, noch die dunkeläugigen Semiten die Finsternis oder umgekehrt verkörpert. Ich habe solches stets für einen ausgesprochenen Kohl gehalten und halte solches noch immer dafür.

Freilich, in dieser Vorstellung wühlten und bohrten Himmler und andere. Auch kleine Diener, wie besagter Professor Schwarz-Bostaunitzel, schwelgte in seiner mystischen Vorstellungswelt und pendelte in seinen verschiedenartigen geometrischen Figuren herum, um einem diese ganze Angelegenheit nach Art der alten Alchimisten schmackhaft zu machen. Seine Diagramme, seine Pentagramme und Hexagramme, dargestellt in den verschiedenartigsten Formen und Bedeutungen geschmückt mit Dutzenden von weiteren Symbolen, fanden in meinem wein- und bierfrohen Soldatengemüt keinen Platz. –

Als ich um jene Zeit im SD-Hauptamt war, hatte Himmler einem solchen modernen Alchimisten

 

                              /59/                     AE: 36

in dem Park, in dem wir unsere morgendlichen Exerzierübungen absolvierten, ein kleines Laboratorium eingerichtet. Er sollte darin Gold machen. Angeblich konnte er es. Dieser Goldmacher hieß merkwürdigerweise Tausend.

Himmler war auf dem Wege, die SS zu einem Orden mit besonderem Brauchtum zu formen, in dem sich Gedankengut der alten Germanen mit dem des Deutschen Ritterordens, Materialismus, Romantik, Gottgläubigkeit und anderes mehr mengte. Die Brauer dieses Gemisches saßen im SS Rasse- und Siedlungshauptamt, und von dort aus wurde dieses Geistesgut in den Orden gepumpt. –

                         -(6)-

Im Jahre 1936 sprach mich ein SS-Untersturmführer von Mildenstein an, der seit kurzer Zeit ebenfalls im SD-Hauptamt tätig war. Er hatte eine Judenabteilung eingerichtet und suchte nun Personal, um seine Sachgebiete zu besetzen. Er erzählte mir, daß er Diplom Ingenieur von Beruf sei, in Palästina gewesen wäre und nun noch einen Sachbearbeiter genötige, ob ich Lust hätte. Ich hatte Lust. Ich hätte alles angenommen um jene Zeit, wenn ich dadurch nur von meinen verdammten Münzen und Siegeln, die mir schon beim Halse heraushingen, fortgekommen wäre.

Und so kam ich fort.

Die Abteilung hieß II 112; der Hauptabteilungschef blieb derselbe wie bisher, infolgedessen war die Personalabteilung des SD-Hauptamtes nicht erst groß zu befragen, sondern es brauchte

 

                              /60/                     AE: 37

ihr lediglich eine formlose Ordnungsmeldung gemacht werden.

Herr v. Mildenstein hatte sich die Bearbeitung der Zionisten vorbehalten, ich hatte die jüdische Orthodoxie und ein dritter Mann die Assimilanten zu bearbeiten. Dazu kamen noch drei Hilfskräfte, als Schreiber und Aktenschieber. Herr von Mildenstein leitete das Ganze. [1]

Meine erste Tätigkeit in diesem neuen Laden, war das Lesen eines Werkes von Adolf Böhm. Es war eine ausführliche Schilderung des Wirkens und Wollens der Zionistischen-Weltorganisation.

Ich sollte eine Kurzdarstellung des Inhaltes herausarbeiten.

Dies war meine erste bewußte Kontaktaufnahme mit dem Judentum.

Mildenstein war ein liberaler und toleranter Geist; fern allem Fanatismus, Mystizismus und Radikalismus; und aus der Znaimer Gegend, aus Mähren, stammend; er war stets freundlich, ruhig, und hatte ein mildes Gemüt. Er sah die Judenfrage nicht vom rassischen und nicht vom religiösen Standpunkt, sondern einzig und alleine von der politischen Warte aus. Er war mein erster und zugleich mein bedeutenster(sic) Meister und Lehrer auf diesem Gebiet und seine Anschauungen von den Dingen habe ich mir zu eigen gemacht, da sie mich beeindruckten und überzeugten. Ich habe diese Anschauung bis zum Ende beibehalten.

Leider schied von Mildenstein bereits nach einigen Monaten aus. Er war einer der

 

                         /61-62/                          AE: 38

wenigen, dem es gelang. Freilich, sein Beruf kam ihm dabei zu Hilfe, sonst wäre es sicher nicht gegangen. Er war Straßenbaufachmann; als solcher erhielt er den Befehl, in Nordamerika die Autobahnen zu studieren. Als er von seiner Studienreise zurückkam, wurde er von irgend einem anderen Ministerium vereinnahmt, da um jene Zeit der Reichsautobahnbau, mit aller Macht vorangetrieben werden mußte.

/Abschnitt gestrichen, noch lesbar: Seine Stelle als Abteilungsleiter übernahm ein junger Mann, der aber bereits nach kurzer Zeit zu(sic) Militär eingezogen wurde und mit der Übernahme der Judenabteilung im SD-Hauptamt durch Wisliceny, und später durch Six kam auf längere Zeit eine gewisse Stabilität in den Laden./

/ersetzt durch Zusatz von Seite gegenüber: Es wechselten dann in der Folgezeit kurz hintereinander die Abteilungsleiter. Jeder hatte sein eigenes System soeben als gültige Norm von sich gegeben, schon war er wieder abgelöst und ein anderer trat an seine Stelle. Schließlich übernahm Prof. Dr. Six die Zentralabteilung und setzte einen seiner Vertrauten als Leiter der Abteilung „Judentum“, ein./

Es wurde im Laufe dieser Zeit mit der Anlage von Sachakten begonnen, eine Sachkartei wurde aufgestellt, eine Generalaktenhaltung aufgezogen und laufende Berichterstattung für die Vorgesetzten, bildete die Hauptarbeit, der wir nachzukommen hatten. Dem Berichterstattungswesen, waren alle anderen Arbeiten unterzuordnen.

Himmler und Heydrich müßen in jener Zeit auf ihren Nachrichtenapparat, dem SD-Hauptamt, sehr stolz gewesen sein. Ein mir vorliegendes Dokument aus jener Zeit, zeigt die stattgefundenen Besichtigungen auf, und man ersieht, daß

 

 

 

                              /63/                     AE: 39

die Dienststelle innerhalb weniger Tage von 150 Offizieren der Kriegsakademie besucht wurde, daß Heydrich den(sic) Reichsaußenminister v. Ribbentrop das SD-Hauptamt zeigte, ferner sind 150 Offiziere des Reichskriegsministeriums verzeichnet sowie der Besuch des Chef(sic) der jugoslawischen

Geheimpolizei. [2]

In jener Zeit bestand meine Hauptarbeit im Lesen von Fachzeitungen und Zeitschriften sowie im Verdauen der einschlägigen Werke. In rauhen Mengen lagen die Zeitungen auf und ich ärgerte mich jedesmal, wenn ich die in hebräischen Lettern gedruckten jiddischen Zeitungen sah, denn die konnte kein Mensch lesen. Also ging ich eines Tages daran und kaufte mir in einer Buchhandlung ein Lehrbuch zum Studium der hebräischen Sprache. „Hebräisch für Jedermann“ hieß es und ein gewisser Samuel Kaleko hatte es verfaßt. Nach einem Jahr Selbststudium kam ich nicht mehr zügig weiter, auch war mir das Alleinebüffeln längst zu langweilig geworden und ich suchte auf dem Dienstweg um die Genehmigung nach, die weitere Unterrichtserteilung durch einen Rabbiner, gegen ortsübliches Stundengeld von drei Reichsmark, zu gestatten.

Offenbar aus politischer Sorge, wurde mir diese Genehmigung nicht erteilt. Möglicherweise wäre der Bescheid ein positiver gewesen, wenn ich gesagt hätte, dann sperrt man

 

                              /64/                     AE: 40

eben einen Rabbiner solange ein, bis er mir die Sprachte vermittelt hat. Es wurde ja in der damaligen Zeit durch die Geheime Staatspolizei am laufenden Bande eingesperrt. Aber mir kam nicht einmal die Idee zu einem solchen Tun, geschweige denn, daß es mir ein Vergnügen bereitet hätte, auf diese Art und Weise, mir fehlendes Wissen zuzulegen. [3]

                         -(7)-

Jedes Jahr einmal, im Herbst, hielten die Götter Heerschau. Sie stiegen von ihrem Olymp herab und zeigten sich in breiter Front den Massen, die sie aufboten. Militärparaden, Paraden der SA u. SS, Aufmärsche der anderen Parteiorganisationen. Konferenzen, Kongresse, Resolutionen, Ansprachen und Paroleausgabe. Die Führung teilte ihren Gläubigen mit, was sie geschafft hatte und was sie plante.

Es wäre ungerecht zu sagen, sie hätte nichts getan. Sie lag wahrlich nicht auf der faulen Haut. Und sie hatte in kürzester Frist für das deutsche Volk soviel getan, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht, daß der gewaltige, jubelnde Beifall der Masse, echt war. So etwas an rauschender, impulsiver Begeisterung konnten(sic) selbst Goebbels nicht künstlich hervorrufen.

Ich war zum ersten mal auf einem solchen Parteitag, der jeweils in Nürnberg stattfand; ich wurde dienstlich dorthin

 

                              /65/                     AE: 41

geschickt. Nicht um an Paraden und Aufmärschen teilzunehmen, nicht um mir Reden anzuhören und Versammlungen zu besuchen, sondern um nachrichtendienstlich tätig zu sein. Denn das SD-Hauptamt war um jene Zeit nichts anderes, als eine einzige große, straff gelenkte und organisierte Spionageorganisation. Sie war niemanden anderen unterstellt, als Himmler und auf dessen Befehl, hatte sie ihr Gründer Heydrich, zu leiten.

Eine große mächtige Boykottbewegung mit der Zentrale in Nordamerika kämpfte gegen das nationalsozialistische Deutsche Reich. Nicht grundlos; dies war selbst mir damals schon klar geworden. Wenn wir während der Truppenausbildungszeit aus irgendwelchen Gründen dermaßen geschliffen wurden, daß uns das Wasser am Arsch zu kochen anfing, wie wir im rauhen Landserjargon zu sagen pflegten, dann erzeugten die augenblicklichen Leiden in uns Landser fürchterliche Vorstellungen im Hinblick auf Vergeltung an die uns schleifenden Ausbilder, nach der Dienstzeit. Zwar kühlten diese furchtbaren Vorsätze nach beendeter Tagesdienstleistung, nach dem Motto „gehabte Schmerzen hat man gerne“ ebenso rasch wieder ab, als sie aufflammen konnten, und verbrannten bei einem oder auch mehreren halben Liter Bier in der Kantinie(sic), restlos.

 

                              /66-67/                    AE: 42

Aber wenn ich so sah, besser gesagt gelesen hatte, was die Abteilung I des Reichsaussenministeriums an Judengesetzen seit 1935 erlassen hatte, dann konnte ich die Boykottbewegung gut verstehen. Sie war eine ganz natürliche Reaktion. Wenn ich bedenke, daß in jener Zeit, sich ein Berliner Rabbiner namens Prinz von seiner Gemeinde verabschiedete, um nach Nordamerika auszuwandern und sagte, er wolle drüben mitarbeiten an der Schaffung eines mächtigen Reservoirs aus dem das Judentum Kraft und Hilfe erhalte, dann wußte ich, der ich mich unter den Zuhörern befehlsgemäß befand, sehr wohl, was Prinz damit meinte; und ich konnte ihm gar nicht Unrecht geben. Der anwesende Kriminalbezirkssekretär /Zusatz von Seite gegenüber: der Geheimenstaatspolizeileitstelle Berlin/, welcher die Versammlung auftragsgemäß zu überwachen hatte, verließ sich auf mich und ich mich auf ihn, bezüglich einer allfällig notwendig sein sollenden Auflösung und Inhaftnahme des Sprechers. Ich tat nichts dergleichen, denn meine Überlegungen verboten mir, mich diesbezüglich an den Kriminalbeamten zu wenden, da ich wie gesagt dem Sprecher von seinem Standpunkt aus gesehen Recht geben mußte und es tausendmal tausend Prinzen gegeben hat, so daß eine Inhaftnahme

 

                              /68/                     AE: 43

eines einzelnen, das Problem ohnedies nicht löste. Gemäß dem Befehl den ich erhielt, machte ich später meinen Bericht, indem ich alles wahrheitsgemäß schilderte und auch meinen Überlegungen breiten Raum ließ. Ich habe nie wieder etwas darüber gehört; Prinz wanderte nach Nordamerika aus.

Ich hatte die Nürnberger Gesetze ja nicht geschaffen; nicht dabei mitgeholfen und hatte auch als ausführendes Organ nichts damit zu tun, denn ich gehörte einer Nachrichteninstitution an und keinem exekutiv-tätigen Polizeiapparat.

Daß die Götter hier einem verhängnisvollen Irrtum anheimgefallen waren schien klar, aber Auswüchse gibt und gab es nach jeder Revolution und dann sagte man sich immer noch, daß nie etwas so heiß gegessen werde, wie es gekocht würde. Selbst große Teile der Judenschaft sagten und dachten genau dasselbe. Und dann sollte das Ziel der Maßnahmen sein, die Auswanderung der Juden aus dem Reich anzukurbeln; freilich waren diese Maßnahmen dazu nicht sehr geeignet. Die Lösung durch eine planvoll gelenkte Auswanderung ging auch mir in’s Hirn ein. Denn inzwischen hatte ich ja nun gelesen, daß die Juden im Laufe der Geschichte in vielen europäischen Ländern

 

                              /69/                     AE: 44

dann stets als Sündenböcke herzuhalten gehabt haben, wenn über ihren Rücken oder auf ihre Kosten, die Masse von augenblicklichen Schwierigkeiten oder Übelständen irgendwelcher Art abgelenkt werden konnte.

Also war eine gelenkte und planmäßig organisierte Auswanderung von allen Übeln, noch das kleinste; und dem abgewanderten Juden taten die Gesetze ja nicht mehr weh. Viel schlimmer war es mit der Bedrängnis, denen(sic) sie unterworfen waren, bis zur Zeit der Auswanderung. Aber ich konnte hier weder den Göttern noch ihren Untergöttern hindernd in den Arm fallen, dazu fehlte mir jede Möglichkeit. Ich hatte auf meinem Sektor nachrichtendienstlich tätig zu sein und die erhaltenen Meldungen und Mitteilungen in Berichtsform auf dem Dienstwege weiter zu geben. Meine Vorgesetzten verarbeiteten diese Mosaiksteinchen aus vielen Referaten und Sachbearbeitungen kommend, zu einem Bild und legten es den Untergöttern zur gefälligen Kenntnisnahme vor. Dergestalt, konnten sich auch die Götter selbst jederzeit solche „Bilder“ betrachten.

 

Nun also war ich in Nürnberg. Es war das Jahr 1937. Festliche Parteitagsatmosphäre, große gewaltige Sportfelder, Stadione, Hunderttausende

 

                              /70/                     AE: 45

fassend, lärmendes Gedränge in den alten, heimeligen Gassen und Gäss´chen innerhalb der Mauern des mittelalterlichen Nürnberg. Das Rot der tausend und abertausend Fahnen leuchtete im Schein der prächtigen Früh-Herbstsonne.

Ein Nachrichtenmann muß, will er etwas hören und Agenten, Mitarbeiter, Vertrauensmänner oder Zuträger, wie alle die Fachausdrücke auf diesem Gebiet lauten, werben, überall herumkriechen. Zur damaligen Zeit waren es für unsereinen insonderheit die netten kleinen verrauchten biergeschwängerten Bräustuben in denen ganze Ausländergruppen von den ihnen zur Verfügung gestellten Betreuern gastlich bewirtet, geführt, eben so richtig betreut wurden. Hier galt es also mit mehr oder weniger Glück, durch Verbindungen und Beziehungen, Kontakt mit den Besuchern aus fernen Ländern zu bekommen.

Aus einem Dokument, welches mir hier vorliegt entnehme ich folgende Worte, die ich damals in meinem Dienstreisebericht u.a. verwendete:

„Der Großteil machte den Eindruck von mehr oder minder fragwürdigen Existenzen, die zum Teil von der fixen Idee besessen sind, als Führer von Parteien und Organisationen in ihren Ländern

 

                              /71/                     AE: 46

einstmals berufen zu sein.“ Lediglich ein einziger fand „Gnade vor meinen Augen“, ein nordamerikanischer Staatsangehöriger, welcher ausgezeichnete Verbindungen zu dem Leiter der „Anti-Nazi-Liga“, der Befehlsstelle der Boykottorganisation gegen Deutschland, haben wollte.

Aber da dieser Fall auch nicht ganz klar war insbesondere bezüglich der Frage ob das SD-Hauptamt hierfür noch zuständig sei, bemerkte ich abschließend, daß ich um Weisung bäte, ob der SD diese Angelegenheit selbst bearbeiten soll, oder ob sie dem Propagandaministerium abzutreten ist.

Ich habe nie mehr etwas darüber gehört, so daß ich annehme, daß meine Vorgesetzten in ihrem Ratschluß entschieden, die Sache abzutreten. [4]

                              (8)

Einige Tage später, trat ich zusammen mit meinem mir vorgesetzten Abteilungsleiter eine Dienstreise nach Palästina und Ägypten an. Der Zug brachte uns durch Polen und Rumänien nach Constanza und von hier aus ging es mit der „Romania“ nach Konstantinopel, Piräus, Beyruth, Haifa und Alexandrien.

Moscheen, Akropolis, der Berg Carmel, das graeco-romanische Museum in Alexandrien wurden besucht, ebenso das ägyptologische Museum in

 

                              /72/                     AE: 47

Cairo. Die Pyramiden von Gizeh sahen wir ebenso wie die von Sakarat; die ehemals heiligen Stiergräber; ein Abstecher in die ägyptische Wüste ein anderer in die lybische Wüste wurde unternommen. Der vor 3 einhalb Jahrtausenden verstorbenen(sic) Pharao Tutenchamon samt seinen Schätzen, welche dank der Kunstfertigkeit der Archäologen ihrem langen Schlaf entrissen wurden und einer staunenden Nachwelt zur Schau gestellt sind, erfreute auch mein Auge und Wissen und auch ich konnte nur staunen. Staunen über die hohe Kultur der Menschen jener grauen Vorzeit und meine Gedanken verloren sich weitab vom „Staats- und Gegenwarts-Bejahenden“, in Zonen und Regionen, in denen die Wandelbarkeit und das ewige Werden und Vergehen allen Lebens, ja schließlich allen Sein‘s, die führende Rolle spielten. Alles eitle Hoffen und Streben, scheint einem beim Anblick vergangener Jahrtausende, nichts als flüchtiger Menschentand zu sein; und ich beneidete in diesem Augenblick alle Archäologen und Geologen, denen es meiner Meinung nach vergönnt sein mußte, in solchen Gedanken und Überlegungen ungestört Tag für Tag schwelgen zu können, dieweil es für unsereinem(sic), im Trubel des Alltags, lediglich oasenhafte Glücksmomente sein durften.

Aber unsere Chefs hatten uns ja nicht all dieser Dinge wegen auf Dienst-

 

                         /73/                     AE: 48

reise geschickt sondern – wie immer – hatte die Sache ihren Grund in einer informativen Bereicherung, in einer politischen Nachrichtensammlung.

Durch Vermittlung des Vertreters der offiziellen „Deutschen-Nachrichten-Agentur“ in Jerusalem, Dr. Reichert, besuchte mich Monate vor unserer Reise, in Berlin ein jüdischer Funktkonär auf Palästina. Gemäß Weisung meiner Vorgesetzten wurde der Besucher zum Gast des Reichssicherheitshauptamtes erklärt und ich erhielt den Befehl, ihn zu betreuen. Wir aßen zusammen in der „Traube“ am Zoo und unterhielten uns, denn jeder wollte ja vom anderen daß(sic) wissen, was ihm an Wissen zu seiner gegenständlichen Sache fehlte. Mein Interesse galt dem zionistischen Leben in Palästina. Das Ende vom Lied war eine Einladung des Gastes an mich, ihn in Palästina zu besuchen.

Ich erhielt Befehl, diese Einladung anzunehmen. So also kam es zur Reise, der sich mein damals unmittelbar vorgesetzter Abteilungsleiter anschloß. Ich fuhr als „Schriftleiter des Berliner Tageblattes“ und mein Vorgesetzter als „Student der Auslandwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Berlin“, deren Dekan unser gemeinsamer nächsthöherer Vorgesetzter in jener Zeit war. Als Angehörige des Sicherheitshauptamtes hätte man ja damals

 

                           /74/                     AE: 49

schließlich und endlich auch fahren können, denn der mich Einladende wußte ja, wer ich war und letztlich hat es der englische Geheimdienst ohnehin herausgebracht, aus welchem Nest diese beiden Vögel waren; genauso, wie uns ein Mitglied des Secret-Service, oder ein solches des 2-eme Bureau, wenn sie nach Deutschland kamen, in der Regel ja auch sehr schnell bekannt wurden. Man tat sich gegenseitig nichts, man war sehr höflich zueinander, nur man erleichterte dem Kollegen von der anderen Seite nicht gerade seine Arbeit, oder wenn, dann hatte es schon seinen besonderen Grund, der auf Gegenseitigkeit lag. Aber es war ja schließlich Frieden.

     Wir waren etwa sechs Stunden in Haifa, und fuhren dann programmgemäß mit unserem rumänischen Dampfer nach Alexandrien und gedachten innerhalb der nächsten 14 Tage, drei Wochen, zum eigentlichen Palästina-Besuch zu starten. Aber da bedauerte man es englischerseits, daß man nicht in der Lage wäre, ein diesbezügliches Visum erteilen zu können. Gut, dann muß eben der Berg zu Mohamed kommen. Dr. Reichert und der jüdische Funktionär wurden von uns nach Ägypten eingeladen. Zu uns gesellte sich noch der Vertreter des DNB in Cairo, so daß wir alle fünf Mann hoch eine ganz schöne Nachrichtenbande bildeten.

 

                              /75/                     AE: 50

Wir tafelten im Mena-Hotel, bei den Pyramiden von Gizeh und ferne von uns waren „Nürnberger Gesetze“. –

Ich selber kam allerdings nicht auf meine Kosten bei dieser Dienstreise in den „Nahen Orient”, will ich den dienstlichen Sektor betrachten, weil ich das jüdische Leben in Palästina durch das englische Einreiseverbot ja nicht zu sehen bekam.

Privat und persönlich hatte ich durch die Fülle des Erlebten eine schöne Bereicherung erfahren.

Mein mir vorgesetzter Reisegefährte, ursprünglich aus dem Zeitungswesen kommend, hatte mehr Erfolg in dienstlicher Hinsicht für sich buchen können, denn ihm genügten ja auch die wirtschaftlichen und politischen Meldungen, die er aus erster Hand, soweit sie den Nahen Orient betrafen, bekam. [5]

 

Nun, nach diesem mehrwöchischem(sic) Aufenthalt in sonnigen Landen, kamen wir wieder in die spätherbstliche, ja fast schon winterliche Landschaft unserer „Festung“ Deutschland zurück. Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er auch erzählen, heißt es; aber er kann auch Vergleiche anstellen. Über Italien und die Schweiz fuhren wir nach Berlin zurück. Viel Tolernaz, viel Liberalismus sah ich und es war daß(sic), was mir am meisten auffiel. Ich kannte es aus meiner langen Österreich-

 

                              /76/                     AE: 51

zeit her; vom Elternhaus, aus der Schule, kurz das ganze Leben in Österreich war ein einziges großes Toleranzpatent gewesen, so wie Kaiser Joseph II es sich wohl erträumt haben mag, will ich die Zeit bis etwa 1932, ansetzen.

Aber es war bei mir durch die inzwischen verlebten, über fünf Jahre Totalitarismus bereits leicht übertüncht worden. Nicht ausgelöscht; im Gegenteil, die Reiseerlebnisse verwischten wieder einen Großteil der Tünche. Ich sah den „Stürmer“ mit einem Male wieder deutlicher – obgleich er im SD-Hauptamt weder geschätzt noch beachtet oder gelesen wurde; ich sah sein Herumwühlen im Pornographischen; im verworrenen mittelalterlichen Mystizismus schlimmer Prägung. Ich sah das Reichsinnenministerium bei seiner fleißigen Gesetzes- und Verordnungsfabrikation, die Geheime Staatspolizei bei ihren Verhaftungsbefehlen, das Propagandaministerium bei der Herausgabe des Verbotes für Juden die „Bank im Park“ zu benutzen, das Reichswirtschaftsministerium bei seiner Tätigkeit die Juden aus dem Wirtschaftsleben auszuschalten und das Auswärtige Amt bei seiner Behinderungsarbeit, bezüglich einer an sich gewünschten Auswanderung der Juden.

Das Reich, bzw. dessen Führung wollten es doch – so nahm ich stets an – und die Mehrzahl der Juden trachtete im Hinblick auf die Lebenserschwerung dasselbe

 

                              /77/                     AE: 52

Ziel anzustreben.

Und das Sicherheitshauptamt besorgte sich die Nachrichten und fabrizierte Berichte. Das alles schien mir gleich wie eine Katze, welche sich in ihren eigenen Schwanz beißt.

Da fand beispielsweise 1938 in Evian ein(sic) internationale Konferenz statt und der britische Botschafter in Berlin sprach den Deutschen Reichsaußenminister v. Ribbentrop darauf an, ob die Rechsregierung bereit sei, bei der Lösung der Emigrantenfrage, insbesondere bei der Förderung der Auswanderung von Juden deutscher Staatsangehörigkeit, mit den übrigen interessierten Staaten zusammenzuarbeiten. Denn kein Land sei bereit, die auswandernden deutschen Juden aufzunehmen, wenn sie mittellos wären. Ob daher die Reichsregierung bereit sei, bei der Transferierung von Kapital in jüdischen Händen, mitzuwirken.

Nachdem die Reichsregierung einer Förderung der Auswanderung eigentlich grundsätzlich keinerlei Hemmnisse in die Wege legte, hätte man annehmen müßen, daß eine solche Anfrage seitens offizieller britischer Stellen, freudige Zustimmung gefunden hätte.

Nicht so bei Ribbentrop.

Er teilte dem britischen Botschafter mit, daß er eine Zusammenarbeit mit anderen

 

                              /78/                     AE: 53

interessierten Staaten ablehnen müße, da es sich um ein innerdeutsches Problem handele. Auch die Frage, ob Deutschland eine Transferierung von Kapital in jüdischen Händen erleichtern könne, müße verneint werden.

Es käme daher eine Zusammenarbeit mit den in Evian tagenden Mächten für Deutschland nicht in Frage. Der Staatssekretär Weizsäcker schickte diese Stellungnahme am 8. Juli 1938 an zehn in Frage kommende deutsche Botschaften und Gesandtschaften, zur Kenntnisnahme ab.

Also, statt Auswanderungserleichterung, ein Handicap, eine Erschwerung. [6] Statt dessen aber erging an alle diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen im Ausland eine Aufforderung des Auswärtigen Amtes, über alle Regierungsmitglieder, Parlamentarier, Wirtschaftler, Wissenschaftler, hohe Offiziere und Journalisten, soweit sie als jüdisch, jüdisch versippt, oder als Freimaurer galten, zum Zwecke der Errichtung einer Kartothek, zu berichten. [7]

Und in einem Telegramm Kennedy`s an das Staatssekretariat in Washington vom Dezember 1938, kommt Ribbentrop infolge seiner gegen das Judentum geschleuderten, höchst undiplomatischen Verbalinjurien, alles andere, als gut weg. [8]

 

                              /79/                     AE: 54

Wir Referenten im SD-Hauptamt, erhielten Anfang 1938 von unserem Abteilungsleiter die Weisung, Material für eine Denkschrift zusammen zu stellen, in der darzulegen sei, daß die Judenfrage auf der augenblicklichen Basis nicht zu lösen ist, wegen finanzieller Schwierigkeiten usw., und daß man daran herantreten müße, eine außenpolitische Lösung zu finden, wie sie bereits zwischen Polen und Frankreich verhandelt wurde. Ich schrieb damals folgendes:

1.)    „Das Ergebnis der Volkszählung abwarten.“

2.)    „In 10 Jahren giebt(sic) es in Deutschland bei gleichbleibender Tendenz nur noch etwa 60.000 Juden.“

(Unter gleichbleibender Tendenz verstand ich die stagnierende Haltung des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Auswanderung von Juden, in Verbindung mit der Verproletarisierung der Juden, durch die gesetzgeberische Tätigkeit der hierfür zuständigen Zentralinstanzen.)

3.)    „Wenn die mittellosen Juden abgewandert sind kommen die Kapitalisten an die Reihe, die durch wirtschaftliche Maßnahmen bis dahin langsam entkapitalisiert sein können, mit Hilfe von Stapomaßnahmen.“

(Darunter war zu verstehen, die von der Geheimen Staatspolizei in jener Zeit durchgeführten Beschlagnahmen und Einziehungen der Vermögenschaften).

 

                              /80/                     AE: 55

 So war der Status, so wurde es praktiziert. Es war die Katze, die sich ewig im Kreise drehend in ihren eigenen Schwanz biß.

 

Ich schrieb dann weiter als Vorschlag:

„Sie ist ferner dann zu lösen, wenn dem SD-Hauptamt keinerlei Hemmungen auferlegt werden“; und ich nahm als Beispiel ein gerade in jenen Tagen aufgetretenes Problem im Hinblick auf das Jugenderziehungsclearing. Ich lebte damals gerade im Kampf mit den wirtschaftlichen Einschränkungen, welche den Juden auferlegt wurden, worunter auch die auswanderungshemmenden Devisenvorschriften zählten.

Ich vertrat den Standpunkt der „arme“ Jude will genau so gerne und so schnell auswandern wie der „reiche“ Jude. Einem jeden war es lieber, je schneller, desto besser; nämlich das Ausland zu gewinnen. Und an sich wollte es ja auch die Reichsregierung. Sei es aus Neid oder Knickrigkeit, sei es aus Dummheit oder Unverständnis, oder aus blindem Haß, die meisten dieser Stellen förderten diese Auswanderung nicht, sondern hemmten sie; bewußt und unbewußt.

Was nutzte es, in Fragen des Jugenderziehungsclearings devisentechnische Schwierigkeiten zu machen, die obendrein meistens nur formeller und rein paragraphenmäßiger Natur waren? Weder dem Deutschen noch dem Juden war dabei gedient.

Und warum mußte das Reich dem reichen

 

                              /81/                     AE: 56

Juden das Geld abnehmen, und dem Reichsfiskus einverleiben, anstatt mit einem Teil dieses Geldes die Auswanderung zu finanzieren. Natürlich - so dachte ich - sollte der „reiche“ Jude mehr bekommen, denn es war ja sein Geld, aber ein Teil seines Geldes sollte er zwecks Finanzierung der jüdischen Kultusgemeinden und der Finanzierung der Auswanderung vermögensloser Juden zur Verfügung stellen. Denn eine Auswanderung war teuer. Reisekosten, Vorzeigegeld usf. An Stelle eines zehn Jahre langen elenden Dahintreibens, konnte nach meiner Idee eine Auswanderung zügig und flott in die Wege geleitet werden und die Juden dergestalt im Besitze ihrer Gesundheit und physischen Kraft neues Land betreten. Einen durch jahrelanges, zermürbendes Warten krank Gewordenen, nahmen die Einwanderungsländer ohnedies kaum auf.

Nein, so wie dies damals praktiziert wurde ging es nicht; und Ribbentrop irrte hier sehr, obgleich er Reichsaußenminister war, und es hätte wissen sollen. Bei jedem Reisebüroinhaber hätte er sich dieserhalb besser informieren können, als bei seinen Legationsräten und Unterstaatssekretären.

 

Außerdem schlug ich in diesem Lösungsvorschlag als letzten Punkt, allmonatliche Besprechungen in dieser Angelegenheit zwischen

 

                              /82/                     AE: 57

allen an der Sache beteiligten Stellen vor, damit das hemmende Gegeneinander innerhalb der Behörden in Fortfall käme und schließlich Zurverfügungstellung von Ländereien für die Juden, und setzte dazu in Klammer, das Wort „Madagaskar“. [9]

 

Aber all dies war hoffnungslos, bei der Sturheit der deutschen Bürokratie. Ich will nicht einmal sagen deutsche Bürokratie, eine jede Bürokratie ist egal weg, gleich stur. Nur die Nachrichtendienste aller Länder neigen eher zur Beweglichkeit; es liegt in der Natur ihrer Aufgabe.

Auch das SD-Hauptamt war um jene Zeit noch lange nicht so verbürokratisiert, wie es später werden sollte. Natürlich verlangt eine jede Behördenarbeit ihr Maß an Schematismus, dies ist klar; aber er dürfte keinesfalls zum Selbstzweck ausarten.

                         -(9)-

Kurze Zeit nach der „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, wurde ich nach Wien versetzt, um dort als Referent des SD-Oberabschnittes „Donau“, die Auswanderung der Juden lenkend zu betreiben. Es war Frühjahr 1938. Aber was sah ich, als ich nach Wien kam; ein zerschlagenes jüdisch-organisatorisches Gebilde. Von der Geheimen Staatspolizei geschlossen und versiegelt. Die jüdischen Funktionäre saßen in Haft. Die Juden wollten auswandern, aber keiner kümmerte sich um sie.

 

                              /83/                     AE: 58

Sie wurden von Behörde zu Behörde geschickt. Standen halbe Tage lang und mehr Schlange, und mußten dann hören, daß diese Stelle seit gestern nicht mehr für ihren Fall zuständig wäre.

Systemlos, ordnungslos; das Resultat war Verdruß, Ärger und Verstimmung auf beiden Seiten, wenn nicht noch Ärgeres.

Als erstes hielt ich den Assessoren und Regierungsräten der Staatspolizeileitstelle Wien, Vorträge, wie sie am besten jede Auswanderung behindern und verhindern können. Darüber war nicht viel mehr zu sagen als wie: „gleichbleibende Tendenz“. Dann entwickelte ich ihnen meinen von meinen Vorgesetzten genehmigten Plan. Enthaftung der jüdischen Funktionäre, Wiedereröffnung all jener jüdischen Organisationen, soweit sie der Auswanderung dienlich waren. Ferner die Genehmigung einer jüdischen Zeitung in welcher alles Wissenswerte über die Auswanderung und der damit verbundenen Dinge zu lesen war. Auftreibung von Reichsmarkbeträge(sic) zur Anfangsfinanzierung der jüdischen Organisationen, Einstellung von Hilfskräften und Errichtung jüdischer Wohlfahrtsstellen zwecks Betreuung der Kranken und Alten. –

Nach all den unwahren Vorwürfen, die ich in den letzten fünfzehn Jahren über mich habe ergehen lassen müßen, mag es der Leser schwerlich glauben, daß ich solches tat. Daher setzte ich jetzt im Anschluß an diese Zeile eine

 

                              /84/                     AE: 59

Nummeration. Sie weist auf die Quellen hin. Und dies sind die Dokumente, in denen alles viel ausführlicher steht, als ich dieses hier mit mageren Worten zu schildern in der Lage bin. [10]

 

Als ich das jüdisch-organisatorische Leben so in Gang gebracht hatte und bei der Geheimen Staatspolizei – Wien, auf Verständnis bezüglich der „neuen Linie“ traf, da bewarb ich mich um eine freigewordene Abteilungsleiterstelle beim SD-Unterabschnitt in Linz a/Donau. In dieser Stadt wohnten meine Eltern, dort war ich aufgewachsen. Nach dorthin wollte ich nun wieder zurück.

Freilich, es war die unterste Instanz innerhalb des Gebildes des Sicherheitsdienstes, aber ich wäre wieder zu Hause gewesen und wer weiß, vielleicht hätte ich wegen Übernahme des elterlichen Geschäftes die Genehmigung bekommen, meinen Dienst eines Tages zu quittieren. Schicksal. Ich sage immer, es kann niemand über seinen eigenen Schatten springen.

Denn mein Chef in Berlin Prof. Dr. Six hatte von meinem Vorhaben Kenntnis erhalten und so schrieb er am 16. Mai 1938 meinem damaligen Vorgesetzten, dem SS-Oberführer Naumann nach Wien, daß ich keinesfalls von Wien fortzugehen habe, da er mich, falls ich in Wien nicht bleiben wolle, notfalls durch den Chef des SD -Hauptamtes, wieder nach Berlin zurückversetzen lassen würde.

 

                              /85/                     AE: 60

Ja, so war es schon 1938; im Frieden. Ich war nicht mehr Herr meiner Freizügigkeit; ich hatte zu gehorchen und daß(sic) zu tun, was mir befohlen wurde.

Ich habe meinen Söhnen später oft und oft gesagt, seht zu, daß ihr nie Offiziere werdet, denn dann seid ihr nicht mehr frei. Inzwischen war ich nämlich längst zum Offizier avanciert und meine Verhaftung an die Götter war noch bindender, als vorher geworden.

 

Ich hatte also befehlsgemäß in Wien zu bleiben. Die Einschränkungen, denen die Juden unterworfen wurden, waren immer fühlbarere. Das Amt des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich war fleissig tätig, auch auf dem Sektor „Juden“, Verordnung um Verordnung herauszugeben.

Die Behörden behandelten die Juden gelinde gesagt schroff und unsachlich, gemäß den von höheren Orten ergangenen Weisungen, sodaß der seine Auswanderungspapiere komplett machen Wollende, hier nie auf einen grünen Zweig kam. Denn ein Teil der Dokumente, wie zum Beispiel die „Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung“ hatte lediglich eine Laufzeit von sechs Wochen, nach der sie ungültig wurde und die Schlangensteherei zur Erlangung einer neuen Bescheinigung, von vorne angefangen werden mußte. Dazwischen

 

                              /86/                     AE: 61

aber wurden dann wieder andere Papiere ungültig, so daß es einer Schraube ohne Ende gleichkam.

Die jüdisch-politischen Funktionäre klagten mir ihre Not. Dr. Löwenherz, Dr. Rottenberg und Kom. Rat Storfer hatten täglich neue Anliegen, die sie mir vorbrachten.

Die Anklage gegen mich sagte, daß die Dokumente es ja beweisen würden, daß ich für alles, in des Wortes wahrster Bedeutung, die zuständige und verantwortliche Stelle im Hinblick auf Judenfragen in Wien, gewesen wäre.

Obwohl es, wie ich sofort nachweisen werde nicht zutraf, so kann ich der Anklage rein augenscheinlich, so Unrecht nicht einmal geben.

Denn man braucht ja nur einmal die Fülle der von Dr. Löwenherz dem Amtsdirektor der israelitischen Kultusgemeinde Wien gefertigten Aktennotitzen(sic) über die jeweils mit mir gehabten Rücksprachen in jener Zeit – soweit es sich um solche handelt, welche damals, und nicht erst nach 1945 angefertigt wurden – vornehmen.

Er kam buchstäblich mit allem und jedem zu mir.

Nun, es liegt mir ferne, mich besser machen zu wollen, als ich war. Warum aber mag Löwenherz, Rottenberg, Storfer und andere, hohe jüdisch-politische Funktionäre denn ausgerechnet zu

 

                              /87/                     AE: 62

mir gekommen sein? Ich war zu jener Zeit im Range eines Leutnant, später Oberleutnant und dann Hauptmann; es gab ja Stellen von entscheidenderer Bedeutung. Meine Dienstellung(sic) war lediglich die eines Referenten bei einem SD-Oberabschnitt; also nicht einmal im exekutiven, sondern nur im nachrichtenmäßigen Dienst.

Mein Jargon soll hart gewesen sein, so sagen die Zeugen von 1960 und 1961. In der Tat, ich muß es zugeben, mein Ton war kasernhofmäßiger Natur. Und trotzdem weiß ich, daß er frei war von beleidigendem Tenor, frei war von Rüpeleien, frei war von Gebrüll, kurz frei war von jener Begleitmusik, die der Wald- und Wiesenzivilist zu gerne jedem „Kasernhofton“, unterstellt.

Wie denn wäre es sonst möglich, daß man heute noch in einer solchen Löwenherz´schen Aktennotitz(sic) lesen kann, wie er bei mir beschwerdeführend vorspricht und mir klagend mitteilt, die Juden würden auf dem Wohnungsamt der Stadt Wien, „schroff“ behandelt. [12]

Dies setzt doch voraus, daß die Juden weder von mir, noch von meinen mir damals unterstellten Offizieren, Unteroffizieren und Männern, schroff behandelt wurden.

Und überall dort, wo ich sachlich für mich keine Zuständigkeit erblicken konnte,

                              /88/                     AE: 63

ja darüber hinaus nicht einmal die Polizei zuständig war, setzte ich mich an das Telephon oder sprach bei der federführenden Behörde vor, um, auch dort in meinem „Kasernhofton“, daß(sic) abstellend zu erbitten, was Löwenherz drückte. Nicht immer gelang es mir; ich versuchte es.

Aber die jüdischen Funktionäre mußten letztlich mit der Kasernhofpflanze manierlich ausgekommen sein; denn auch sie konnten mit mir frei von der Leber weg sprechen, ohne sich ihre Worte zehnmal überlegen zu müßen, ehvor sie das Gehege ihrer Zähne verließen.

Und man konnte dies in jener Zeit nicht überall tun, ohne Gefahr zu laufen, dies wußten die Funktionäre. –

Das Reich drückte auf Auswanderung. Die Juden wollten auswandern. Und alles was dem dienlich war tat ich, war ich zuständig für den einen oder anderen Fall, dann war es ohnedies klar; war ich nicht zuständig, dann wetzte ich ab, und versuchte es zu erledigen.

So kam es, daß man mir in den Ohren lag, und mir die Sprünge eines lahmen Amtsschimmels darlegte, der vor lauter Paragraphenreiterei überhaupt nicht mehr geradeaus marschieren konnte. Und man schlug mir jüdischerseits eine

 

                              /89/                     AE: 64

gewisse Zentralisierung der behördlichen Arbeit vor.

Na, dies war ja nun gerade daß(sic), wo man bei den Behörden, egal welchen Landes auf unserer Erde, stets in das Fettnäpfchen trat.

So etwas, was ich mir nun durch mein Kasernhofgehirn gehen ließ, war auch in der preußisch-deutschen Verwaltungsgeschichte noch nicht dagewesen.

Ich dachte so in meinem Sinn, alles was behördlicherseits mit der Ausstellung von Papieren an auswandernwollende Juden, zu tun hat, ran(sic) unter ein einziges Dach, und dann unter SD-Leitung. Dann muß doch solch ein verdammter Reisepaß anstatt in 10 oder 12 Wochen oder noch länger, in gut und gerne 2mal 24 Stunden fertig sein können.

Gedacht getan. Ich meldete dies alles meinem Chef, dem Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD, der in Personalunion gleichzeitig den SD-Oberabschnitt „Donau“ führte.

Er machte die nötigen Wege, führte die notwendigen Verhandlungen mit dem Reichskommissar Bürckel; und auf dem Verordnungswege wurde die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien“, geschaffen, zu der alle in Frage

 

                              /90/                     AE: 65

kommenden Behörden ihre Sachbearbeiter abzustellen hatten.

Die Leitung hatte der SD-Führer des Oberabschnittes Donau. Ich wurde von ihm mit der Durchführung der Aufgabe betraut, wie der Befehl es in der damaligen Terminologie besagte. [13]

Tatsächlich wurden Reisepässe jetzt in zwei, höchstens drei Tagen fertig. Einhundertdreißigtausend oder einhundertvierzigtausend solcher Reisepäße konnten in etwa Jahresfrist ausgefolgt werden.

Nun, wenn die Anklage in dem Prozess gegen mich behauptet, es wäre eine Zwangsauswanderung gewesen mit all ihren üblen Begleiterscheinungen, so hat sie damit eigentlich recht. Ich kann es auch nicht anders bezeichnen.

Aber zu bedenken wäre doch auch dieses: ich habe die for ç ierte Auswanderung ja nicht befohlen, wenngleich ich sie unter den gegebenen Umständen als die noch beste Alternative ansah und auch als beste Lösungsmöglichkeit im Hinblick auf die von der Reichsregierung eingenommene Stellung, den Juden gegenüber.

Die jüdisch-politischen Funktionäre, mit denen ich ja am laufenden Bande diese Angeheiten(sic) besprach, waren in Anbetracht der den Juden entgegengebrachten Tendenz, ja derselben Meinung.

 

                         /91, 92/                     AE: 66

Auf meinem eigenen Mist ist die Sache nicht gewachsen. Irgendwo her muß ich ja die Anregungen bezogen haben. Von den Reichsstellen aber konnte ich solches nicht beziehen; dazu brauche ich nur auf die offizielle Stellungnahme Ribbentrop‘s hinweisen. Und wenn man ferner sagt, ja damals ist weit und breit von einer Vernichtung der Juden noch keine Spur gewesen und trotzdem hat dieser Eichmann hier ein Auswanderungstempo vorgelegt, daß einer Sau grauste, dann muß ich nur sagen, daß das Ergebnis alleine zählt. Und kein „hätte“ und kein „wenn“ und kein „aber“.

Ich setze den Fall, die Auswanderung in jener Zeit wäre durch mich behindert worden, wie die Ribbentrop´sche Haltung es ja automatisch im Gefolge hatte, dann würde man mir heute dieserhalb den Strick drehen.

Also wie man sieht, was immer ich auch tat, „gefangen wird der Kerl auf alle Fälle“. – Hay que tener paciencia!

/Zusatz auf Seite gegenüber: Hay que tener paciencia! (Man muß Geduld haben; span. Sprichwort in Argentinien wird es für alles Unklare gebraucht, hat also eine(sic) spezifischeren Sinn, als die bloße Übersetzung)/

Bueno, was tat sich in jener Zeit also weiter.

Die Paßausstellung und die dazu notwendigen Papierkramgeschichten liefen jetzt in einer unkomplizierteren Maschinerie. Das Komplizierte, hatte ich längst nach Kasernenhofart abgeschliffen.

Aber die Auswanderung kostet viel Geld; sehr viel Geld sogar. Und woher sollte man

 

                              /93/                     AE: 67

solches bei der allgemeinen Verarmung der jüdischen Massen nehmen. Sie waren ja aus dem gesamten wirtschaftlichen und gewerblichen Leben, sagen wir es kurz, aus allen Lebensgebieten schlechtweg, hinausgedrängt.

Da sollten Vorzeigegelder in Devisen vorhanden sein; die Reisekosten waren zu bezahlen; für die dringensten(sic) Unterstützungsfälle mußten von der jüdischen Kultusgemeinde Wien über ihr Wohlfahrtsamt Mittel aufgebracht werden; der Beamten- und Angestelltenkörper dieser jüdischen Kultusgemeinde in der Höhe von etwa 500 Köpfen mußte bezahlt werden und vieles andere mehr.

Keine Reichsstelle half; allen war dieses schnurz und egal. Diese Stellen befahlen nur „Raus mit den Juden“.

Löwenherz kam zu mir. Ich hätte ja sagen können, was geht dies alles mich an. Ich hätte dieses schon viel früher sagen können. Vielleicht stünde ich heute besser da, denn ich hätte mich von Haus aus nie so tief in diese Dinge eingelassen. Ich mochte Löwenherz und Rottenberg und Storfer gut leiden; sie mochten zweifelsohne auch mich. So lernte man sich immer näher kennen. Und so luden sie alles bei mir ab. Alles. Buchstäblich alles.

Sie hatten in mir einen Menschen gefunden, der sie anhörte; stundenlang, ohne die Geduld zu verlieren. Nicht so wie sie

 

                              /94/                     AE: 68

dies bei anderen Behördenvertretern gewöhnt waren. Dazu kam dann, daß dasjenige, was miteinander abgesprochen wurde, dann auch irgendwie tatsächlich funkte.

Also, jetzt war der Geldjammer an der Reihe. Ich selbst habe kein Geld; ich persönlich war immer schon vermögenslos gewesen und blieb es. Ich habe keinerlei buchhalterische Stärken; Kontobücher und dererlei Dinge, sind mir stets ein Greuel gewesen. Und ob ich persönlich hundert oder fünfhundert Mark in der Tasche hatte, war mir egal. Ich hatte zum Geld kein persönliches Verhältnis. In meinem Haushalt schaltete und wirtschaftete meine Frau; darüber war ich froh und so brauchte ich mich selbst um diese Dinge nicht zu kümmern.

Und jetzt auf einmal wurde ich mit solchem Greuel angegangen. Aber ich muß es sagen, wenn es sein muß, dann befaßt man sich auch mit Dingen, die man nicht versteht. Und in meinem finanztechnischen Unverstand – denn nur solcher konnte in seiner Harmlosigkeit solchen Dingen gegenüber, so etwas zustande bringen, was ich nun in die Wege leitete – stellte ich mir die Angelegenheit gar nicht einmal so schwierig vor. Die jüdischen Funktionäre mußten nur

 

                              /95/                     AE: 69

in das Ausland fahren, dazu verschaffte ich ihnen die Genehmigung, von den jüdischen Hilfsorganisationen Dollars erbitten und damit nach Wien zurückkommen. Dann verkauft die Kultusgemeinde einen Teil dieser Dollarbeträge an Juden, welche noch viel Geld hatten zu einem Mehrfachen des amtlichen Kurswertes und mit diesem Reichsmarkerlös bezahlte sie Gehälter für ihre Angestellten, Unterstützung, Reisekosten für die vermögenslosen Juden und gab ihnen jenen Dollarbetrag als Darlehen, welchen sie als Vorzeigegelder benötigten.

Manche der Einwanderungsländer witterten darin ein Geschäft und erhöhten diese nun laufend.

 

So war alles gut und schön, aber ich dachte nicht daran, daß wir unter strengster Devisenbewirtschaftung standen.

Nun, auch dieses konnte ich dann endlich mit „Hängen und Würgen“ einer Erledigung zuführen, indem ich den Reichsbankrat Wolf aus Berlin, er war im Reichwirtschaftsministerium, in der Devisenbewirtschaftungsabteilung tätig, nach Wien eingeladen hatte. Wir kannten uns schon von Berlin her. Ich erklärte ihm meinen Plan. Er besprach dann diese Angelegenheit mit seinem Staatssekretär, welcher sie genehmigte. Es war dies auch gut so,

 

                              /96/                     AE: 70

denn mir wurde bereits vorgeworfen, daß meine Praktiken zu einer theoretischen Unterbewertung der Reichsmark führen müße(sic), indem hier der Dollar gewissermaßen offiziell, zu Schwarzmarktpreisen in Reichsmark verhökert würde.

     Damit und wie man aus den Löwenherz´schen Aktennotitzen(sic) weiter entnehmen kann, mittels anderer finanzieller Angelegenheiten, wurde der geldliche Teil dieser Dinge erledigt. [14]

 

Am 10. November wurde von der politischen Führung des Reiches auf dem jährlichen Treffen in München, am 9. Nov. 1938, als Vergeltung für die Niederschießung eines deutschen Botschaftsrates in Paris durch einen Juden, zu einer Vergeltungsaktion im ganzen Reichsgebiet aufgerufen.

Die offizielle Berichterstattung in jener Zeit durch den SD-Oberabschnitt Donau zeigt dokumentarisch, daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Dienstellen(sic) der Geheimen Staatspolizei und des SD, scheinbar durch einen Fehler in der Nachrichtenübermittlung, erst dann dieserhalb verständigt wurden, als die Synagogen und die Häuser der israelitischen Kultusgemeinden bereits brannten. Jüdische Geschäfte wurden zertrümmert und die Juden zu Tausenden eingesperrt.

------ Die Götter wandelten sich offensichtlich zu

 

                              /97/                     AE: 71

Götzen. Diese Befehle waren nicht nur unsinnig, sie waren verbrecherisch.

Die Gesetzesfabrikation, die sah derjenige nicht, der nichts damit zu tun hatte. Die praktische Durchführung der gesetzlich verankerten Maßnahmen, betraf nicht den SD-Angehörigen, denn er hatte keinerlei exekutive Vollmachten.

Aber die folgen der „Reichskristallnachtbefehle“, die trafen in ihrer Unsinnigkeit diesmal auch mich. Denn was ich mit Mühe in Österreich wieder aufgebaut hatte, nämlich ein funktionierendes jüdisch-organisatorisches Leben, freilich mit Blickpunkt auf Auswanderung, wurde in einer einzigen Nacht wieder zerschlagen.

Das Büromaterial, Karteikarten, Akten, die Auslandskorrespondenz, kurz alles wurde ein Raub der Flammen. Dazu kam(sic) die Verhaftungen von Funktionären der jüdischen Organisationen. Ich tat interessenbedingt was ich konnte, um zu retten was noch zu retten war. Aber viel war es nicht. Die Funktionäre bekam ich allmälig(sic) frei.

Ich erspare mir das Anführen von Einzelheiten, denn es sähe mir zu sehr nach Selbstbeweihräucherung aus. Ich mußte nun wieder einmal aufbauend tätig werden.

Scharfe und schärfste Bestimmungen gegen die Juden, hatten diese Zerstörungsbefehle obendrein zur Folge. Auch in finanzieller Hinsicht. Eine Verfügung des Devisenfahndungsamtes in Wien besagte, daß Juden von ihren

 

                              /98/                     AE: 72

Konten monatlich nur noch Beträge bis zum Höchstwert von vierhundert Reichsmark abheben können.

Dies wäre für den Betrieb der jüdischen Kultusgemeinde ein vernichtender Schlag gewesen, wäre diese Verfügung auch auf sie ausgedehnt worden.

Aber sie wurde ausgenommen und konnte von ihren Konten, Summen in jeder, dem Bedarf entsprechenden Höhe abheben. Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung gab bei Abhebung größerer Beträge jeweils ihre Befürwortung dazu. – [15]

Bei jungen Juden war oftmals der Nachweis über einen erlernten praktischen Beruf die Voraussetzung für die Erteilung einer Einwanderungsgenehmigung. Also mußten auch solche Stellen geschaffen, und hier bei den örtlichen Staats- und Parteistellen um Verständnis dafür geworben werden. Natürlich blieb auch solches Bemühen, bei der uneinheitlichen Ausrichtung der diversen Amtsträger schließlich an mir hängen.

Da heißt es beispielsweise in einer Aktennotitz(sic) von Dr. Löwenherz über eine Rücksprache mit mir, am 9. März 1939, „Der Leiter des Palästinaamtes erhielt den Auftrag einen Bericht über die Möglichkeit der Errichtung einer landwirtschaftlichen Hachscharah (Umschulung) auf dem Gute Markhof zu erstatten und darauf

 

                              /99/                     AE: 73

hinzuweisen, welche staatlichen und Parteistellen, für und gegen die Errichtung dieser Hachscharah sind.“

 

In demselben Aktenvermerk von Dr. Löwenherz und Dr. Rottenberg heißt es dann weiter: „Herr SS-Hauptsturmführer Eichmann erklärte sich bereit, die Gebeine Herzl’s zwecks Überführung nach Palästina freizugeben, jedoch unter der Voraussetzung, daß aus diesem Anlaß die jüdischen maßgebenden Organisationen neue Einwanderungsmöglichkeiten für 8.000 Personen aus der Ostmark verschafft werden (sic), und beauftragte die Gefertigten, diesbezüglich gelegentlich ihrer Anwesenheit im Auslande, die erforderlichen Verhandlungen zu führen.“

 

Natürlich konnte ich hier nicht selbst freigeben. Wie jedermann weiß, sind für solche Exhumierungsgenehmigungen viele Wege bei den hierfür zuständigen Behörden erforderlich. Und um jene Zeit der „Nachreichskristallnacht“, hatte auch ich bei den verschiedensten Behörden, in allen Dingen wenn es sich um Juden handelte, große Schwierigkeiten.

 

Es ist nachträglich immer sehr leicht, jemanden - ich spreche jetzt von mir – mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet darzustellen und die Konstruktion so zu führen, daß dieser Mensch dann

 

                         /100-101/               AE: 74, 74a

einfach in Bausch und Bogen verantwortlich für alles gemacht wird. Es ist interessanter, es liest sich leichter und es ist unter Umständen auch gar nicht inopportun.

Nur – wieder meine Person herangezogen – es trifft nicht zu und ist daher nicht wahr. [16]

 

Wenn ich heute, nach 22 Jahren so die Dokumente jener Zeit betrachte, dann muß ich mich fragen, wie ein vernünftiger Mensch ausgerechnet mir Haß und Vernichtungswillen unterstellen kann. Im Gegenteil, ich muß den jüdisch-politischen Funktionären gegenüber doch sicherlich wohlwollend eingestellt gewesen sein; frei ohne jeden persönlichen Haß, denn man könnte ja fast von einem gegenseitigen dienstlich bedingten Vertrauen sprechen, daß(sic) unschwer aus und zwischen den Zeilen jener Dokumente herauszulesen ist.

/Einschub Text von Seite gegenüber:

Da kam einmal an einem Vormittag der von der israelitischen Kultusgemeinde, Wien, mit übrigen jüdischen Beamten dieser Institution, in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung, eingebaute Jurist zu mir. Ein Dr. Sowieso; den Namen habe ich vergessen.

Während der Nacht hatte die Staatspolizei, Verhaftungen vorgenommen. Wir besprachen das Ereignis und er meinte dann: „frecher Judenlümmel greift harmlosen deutschen Löwen an“. Und im selben Atemzuge meinte er, aber er wüße, zu wem er solches sagen könne.

Ich sagte ihm, da habe er zwar recht mit seinem Wissen, aber wenn er solches anderwärts anbringe, müße er sich nachher unter Umständen in einer Polizeizelle sagen „Hättest du das Maul gehalten, wärest du ein Weiser geblieben“; diese Übersetzung hatte mir einer meiner Lateinlehrer für „Si tacuisses philosophus mansisses“ gegeben. Wohingegen einmal mein Maschinenbauprofessor anläßlich einer Statikprüfung zu mir sagte: „Gehirn ausgeschaltet, Schnauze läuft leer mit“. Und ich sagte dem Juristen, ich möchte nicht gerne haben, daß er sich solche Selbstvorwürfe eines Tages machen müße, weil uns beiden damit nicht gedient wäre; denn es „säße“, und ich müßte für ihn intervenierend tätig werden./

Aber meine Aufgabe soll es nicht sein, auf diese Stellen im einzelnen hinzuweisen; mögen dies Berufenere eines Tages tun oder auch lassen, mir ist es egal. Ich war daneben förmlich so etwas wie eine Beschwerdestelle, zu der man mit allen Anliegen kommen konnte, und ich wahrte sicherlich eine tendenzlose Korrektheit gegenüber den Juden und Nichtjuden; und ganz sicher kamen sie nicht zu mir

 

                              /102/                     AE: 75

voll, von persönlicher Angst.

Freilich läßt es sich nicht leugnen, daß später mit zunehmenden Kriegsgeschehen die Verordnungen und Befehle auch meiner Vorgesetzten, welche ich an die in Frage kommenden Dienststellen weiterzuleiten hatte stets schärfer und radikaler wurden.

Aber noch war es in Wien nicht so weit. Wenngleich der zunehmende Druck der staatlichen und parteilichen Leitung in Österreich, nach einer beschleunigten Entjudung, stets fühlbarer wurde.

Wäre ich wirklich der “Haßer“, der „Bluthund“, der „ordinäre Fletz“ gewesen, so wie mich manche Zeitgenossen nach 1945 gerne darstellten, dann würde man dies zweifelsfrei irgendwie sogar zwischen den Zeilen der Löwenherz’schen Aktennotitzen lesen können, aber mir will wirklich scheinen, als ob es das Gegenteil wäre. Ich spreche hier natürlich von den Dokumenten, die vor der Beendigung des Krieges angefertigt wurden. Und dabei ist der Stil beispielsweise von Dr. Löwenherz als durchaus trocken und sachlich zu bezeichnen.

Das damalige amtliche Deutschland, an seiner Spitze das Auswärtige Amt, schufen eine „Schraube ohne Ende“, „eine sich in den Schwanz beißende Katze“, und es hatte schließlich als seiner Weisheit letzten Schluß, kaum andere Befehle zu erteilen als solche, wie sie zur Reichskristallnacht führten. Andere Mächte, zu deren Sprecher sich in Berlin der britische Botschafter machte, erklärten, „keine Juden ohne Kapital“.

Ja, in drei Teufels Namen, was sollte denn da noch an Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Ich habe es oft fast schon beweint, in jener Zeit meine

 

                              /103/                     AE: 76

Hände nicht in die Tasche gesteckt und die Stellungnahme vieler anderer, auch mir zu eigen gemacht zu haben. Ich stünde wahrlich heute besser da.

/gestrichen: Bueno, ich habe sie aber nun einmal wie man sieht nicht „in die Tasche gesteckt”. Ein weiterer Satz unleserlich gemacht./

/nachträglicher Zusatz zum Schluß des Abschnitts: Ob aber dann die Mehrzahl der Juden aus Österreich hätte auswandern können, mögen andere überprüfen./

Ich ging in Wien damals den Mittelweg zwischen jenen beiden Extremen, nämlich: der Auswanderungsbehinderung auf der einen Seite, verbunden mit verschärftem gesetzgeberischen Druck durch die amtlichen deutschen Stellen; und der Erklärung des Auslandes andererseits, keine vermögenslosen Juden aufnehmen zu wollen.

                         -(10)-

Während des Prozesses gegen mich, wurde einige Male der Hitler´sche Ausspruch in seiner Rede vor dem deutschen Reichstag am 30. Januar 1939 erwähnt:

„Ich will heute wieder ein Prophet sein. Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in- und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“ [17]

/zwei Zeilen unleserlich gemacht/

Es passt zum Märchen „der Protokolle der Weisen von Zion“ und den „Ritualmordmärchen“.

Natürlich ist das internationale private Großkapital zu einem guten Hauptteil

 

                         /104/                                    AE: 77

mitschuldig, ja ursächlich verantwortlich an der Not der Völker, für den Kummer und das Leid, als Gefolge der von ihm heraufbeschworenen Kriege. Aber töricht ist es, hier von einem jüdischen internationalen Finanzblock sprechen zu wollen. Soferne es sich hier um Juden handelt, die auch in den gewaltigen internationalen Finanzkartellen mit drin saßen, handelte es sich ganz zweifellos um Juden, denen ihr Judentum genau so wenig oder so viel bedeutete, als die katholischen oder protestantischen Finanzmagnaten sich um Katholizismus oder Protestantismus gekümmert haben mögen. Das vorherrschende Charakteristikum gerade dieser Juden war ihre assimilatorische Einstellung. Nicht immer zur Freude des wirklich überzeugten Juden.

Nein, die internationale Hochfinanz war und ist mit das größte aller Übel; daran gibt es nichts zu rütteln. Aber hier den Tenor auf das Wort „Jude“ zu legen, heißt die Sachlage verkennen.

Und Hitler verkannte die Sachlage, wie so oft, so verhängnisvoll oft; so auch hier.

 

                         /105/                               AE: 77a

Ich will daß(sic), was ich eben sagte, genauer erklären. Es mögen die Jahre 1936 und 1937 gewesen sein; da ging eine Abteilung des damaligen SD-Hauptamtes der Angelegenheit „Internationales Finanzjudentum“, Internationale jüdische Hochfinanz“ nach. Ich persönlich hatte sachlich nichts damit zu tun, denn der Schwerpunkt lag hier bei der „Wirtschaftsforschung“. Aber ich habe manche Akte gelesen, die im Zusammenhang mit diesem Nachforschen entstand. Auch hatte ich Gelegenheit, zu jener Zeit mit dem einen oder anderen hierfür zuständigen Referenten ab und an über diese Fragen zu sprechen. Ich entsinne mich noch, daß gerade das Ergebnis der Untersuchungen über den „Unilever-Konzern“ vorlag; es war ein gewaltiges Margarine und Seifenkartell und es waren diesem noch weitere große Unternehmungen angeschlossen. Seine wirtschaftlichen Verflechtungen waren wahrhaft internationale. Seine Aktienpaketinhaber, wenn ich nicht irre auch Teile seiner Verwaltungsratsvorsitzenden, waren zum Teil Juden, oft und oft genannt, mit ebenfalls internationalem Klang. Ja, man sprach Teile des Unilever-Konzernes direkt als Familiengebilde an.

Es stimmte auch, daß einzelne Namensträger innerhalb dieses Wirtschaftsgebildes lebhafte Beziehungen beispielsweise zur „Anti-Difamations-Liga“, zur „Anti-Nazi-Liga“, zu dem Leiter der Boykottbewegung gegen Deutschland, Samuel Untermyr, hatten und auch zu vielen anderen politischen und wirtschaftlichen Zentren, wie das nun eben einmal so das Getriebe der Multi-Millionäre in der Hochfinanz, mit sich bringt.

Nun, meine Einstellung zur Boykottbewegung habe ich geschildert. –

Es konnte trotz eifrigen Nachforschens – der Hebel dieser Ermittlungstätigkeit wurde damals in Holland angesetzt und erstreckte sich auf eine ganze Reihe von Ländern, ein-

                                   Fortsetzung siehe auf dem

                                   Beiblatt No 1 !!!

 

                              /106/                     AE: 77b

1.      Beiblatt zur Seite 77a

schließlich der USA, - nichts anderes „gefunden“ und festgestellt werden, was nicht ebenso auch auf irgend einen Wald und Wiesenkaufmann, welche sich dieser Boykottbewegung angeschlossen hatte, festgestellt hätte werden können. Sicherlich sind ihre finanziellen Unterstützungen größer gewesen, als die jener minderer(sic) Bemittelten. Dafür aber auferlegten ihnen die Rücksichtnahme(sic) auf ihre Wirtschaftsbetriebe ein ungleich höheres Maß an Vorsicht und Zurückhaltung, als solches die kleinen Leute notwendiger Weise zu beachten gehabt hätten.

Mit anderen Worten: nichts Belastendes ergab sich, was der Mühe wert gewesen wäre, es lauthals in alle Welt hinauszuposaunen. Und das SD-Hauptamt saß damals – wie man fachmännischerweise zu sagten(sic) pflegte – sehr gut im Unilever-Konzern drin.

Wäre wirklich etwas festgestellt worden, dann wäre dies unter Anführen aller Einzelheiten spätestens bei der Besetzung Hollands durch Goebbels Vermittlung einer internationalen Presse und sicher auch dem diplomatischen Korps in Berlin bekannt gegeben worden; wie dies nun einmal so üblich war. Daß es bis 1945 aber nicht geschah, ist eine Bestätigung der Richtigkeit meines Geschilderten.

 

Natürlich war es ein „geflügeltes Wort“, das internationale „Finanzjudentum“. Aber man nehme doch einmal die Summe aller Multimillionäre

 

                              /107/                     AE: 77c

mit Dollarbasis her, und dann sehe man nach wie hoch die Zahl der jüdischen und wie hoch die Zahl der nichtjüdischen Dollar-Multimillionäre ist; unter Beachtung der von ihnen vertretenen Dollarsummen.

Ebenso mache man es mit den Vorsitzenden der Aufsichtsräte von Unternehmungen, Konzernen und Kartellverbänden, denen einige Bedeutung in internationaler Hinsicht zuzumessen ist; zwar ist nicht unbedingt und notwendigerweise Aufsichtsräten, Mitgliedern der Exekutivkomitees(sic) und Vorsitzenden solcher Körperschaften der Status eines Multimillionärs zuzusprechen, wohingegen ihr wirtschaftlicher Einfluß ein enormer sein kann.

 

Was sieht man? Sicher nichts anderes, als daß(sic), was auch wir seinerzeit im SD-Hauptamt sahen. Die Zahl der Juden, war im Vergleich zur Zahl der Nichtjuden sehr gering.

Der einzelne Konzern, der einzelne jüdische Finanzmagnat, der einzelne nichtjüdische Aufsichtsratvorsitzende oder Dollar-Multimillionär, vermochte gegen das Reich nicht mehr zu unternehmen, wie eine Stecknadelspitze gegen eine Elefantenhaut.

Erst in ihrer Zusammenballung, in dem Einigsein des Großteiles der internationalen Hochfinanz zur Zielerreichung, da wird diese Macht finster und gefährlich.

Aber ab diesem Augenblick hat der Jude als solcher damit nichts mehr zu tun; er ist nur noch ein Prozentsatz im Volumen „Einhundert“; ein Prozentsatz, der haushoch entfernt von einer Majorität ist.

 

                              /108/                     AE: 77d

So war es jedenfalls in jenen Jahren, von denen ich spreche.

Und nachdem mir solches, als kleiner Referent bekannt war, um wieviel mehr mußte es den Führungsspitzen bekannt gewesen sein. Denn für sie wurden ja diese Nachrichtenuntersuchungen geführt und an sie gingen ja die Berichterstattungen.

Wenn ich sage, daß wir Referenten im Reichssicherheitshauptamt, bei einer solchen Rede Hitlers, daher nur an die Erzielung einer propagandistischen Wirkung glaubten, dann mag dies seine Richtigkeit haben. Am 30. Januar 1939 hat meines Erachtens in ganz Deutschland im Ernst niemand an eine physische Vernichtung des Judentums gedacht. Der Gedanke selbst schon wäre auch zu absurd gewesen; und ich wage dies zu behaupten trotz aller wirklich sehr scharfen Maßnahmen, welche bis dahin gegen die Juden Anwendung fanden.

Denn, daß jede Politik in allen Ländern eine einzige große Lüge und ein einziger großer Betrug ist, dies wußte auch damals schon ein jeder Mensch in allen Ländern, sofern er nur Zeitung lesen konnte.

Der Jude wurde – wie schon so oft in seiner Geschichte – auch von der obersten Führung des Reiches als Katalysator benutzt, an dem sich alle ihre Mißerfolge und prophylaktisch auch alle eventuell kommenden Schwierigkeiten und Ungelegenheiten, niederzuschlagen hatten.

An dieser Grundeinstellung hat sich nichts geändert; so entstand das Propagandabild der „Protokolle der Weisen von Zion“, so entstand das „Ritualmordmärchen“, zu seiner Zeit. Es ist dies beileibe nicht erst meine Einstellung zu den Dingen, seit ich hier als

 

                              /109/                     AE: 77e

Staatsgefangener in einem israelischen Gefängnis sitze. Ich verdanke diese meine Kenntnis im Wesentlichen der Erkenntnis meines Lehrer auf diesem Gebiet, dem Freiherrn von Mildenstein. Er sah die Dinge leidenschaftslos und nüchtern, so wie sie in Wahrheit lagen. Frei von Mystizismus, frei von „Stürmerauffassung“ und frei von propagandistischen Truggebilden.

Die Richtigkeit seiner Auffassung konnte ich in langen Jahren, an Hand der amtlichen Unterlagen bestätigt finden.

Daß der einzelne jüdischen Finanzmagnat genau so schlecht oder genau so gut wie der einzelne nichtjüdische Finanzmagnat gewesen ist – und alle zusammen noch immer so sein werden – ist eine sonnenklare Angelegenheit, hat aber mit Judentum nichts zu tun.

Ich denke in diesem Augenblick an eine andere Geschichte, die man mir erzählte, deren Glaubwürdigkeit oder Nichtglaubwürdigkeit sehr leicht nachzuprüfen ist. (Zusatz für den Lektor: sollte es nicht stimmen, dann bitte diesen Absatz in Fortfall kommen zu lassen. Der Gewährsmann, der es mir erzählte war ein zwar gediegener Wirtschaftler, aber ich habe es mit eigenen Augen nicht amtlich gesehen. Daher meine Vorsicht.)

Als dem Volkswagenwerk in Deutschland von der englischen Besatzungsbehörde die Wiederingangsetzung des Betriebes erlaubt wurde, geschah dies mit der Auflage, für jeden verkauften Volkswagen „Eintausend Deutsche Mark“ an England abzuliefern.

Dies ist zum Beispiel solch ein Raubzug der Hochfinanz. Konkurrenzneid und Wirtschaftsangst diktieren hier dem einzelnen Verbraucher den mittelalterlichen

 

                              /110/                     AE: 77f

2.      Beiblatt zu 77a.

„Zehent“ auf. Diese Summen fließen netto in die Taschen der daran interessierten englischen Kapitalistenkreise. Daß das englische Volk, der englische Arbeiter, davon keinen Pfennig sieht, ist klar. Es ist der Tribut, den der Volkswagenkäufer dafür zu bezahlen hat, daß die englische Kleinwagenindustrie eben einen gewissen Prozentsatz weniger Wagen abstoßen kann. Soviel ich weiß, haben Juden beispielsweise hier nicht mit zu tun gehabt.

Aber man wird mir vorhalten, daß es doch unleugbar sei, daß den Juden im Vergleich zu seiner Gesamtbevölkerung in Deutschland, ein unverhältnismäßighoher Anteil an Bank und Börse, an Kunst, Schriftum(sic), Film und Theater zukam; ferner am Handel im allgemeinen, an gewissen Berufssparten wie Ärzten usf., auf dem Gebiete der Rechtssprechung und Erziehung und was dergleichen nochmehr sein mag.

Jawohl, da muß ich sagen, daß dies stimmt. Und es war ja auch die Masche, in welche die nationalsozialistische Propaganda immer wieder hineinhaute.

Es war dies wohl mit gewissen zeitgeschichtlichen Abweichungen in der einen und anderen Form so, seit Jahrhunderten und noch länger.

Es führte diese Tatsache auch immer wieder mit zu Pogromen und Wirtschaftsdruck auf die Juden.

Viele schlachteten diese Tatsache zu ihrem Vorteil aus; die Landesfürsten zum Wohle ihrer

                              /111/                     AE: 77g

Privatschatulen(sic); und die Politiker zum Fange der Stimmen die sie benötigten, um „an den Drücker zu kommen“. Alle benützten diese für ihre persönlichen Ambitionen willkommene Gelegenheit, um unter spekulativer Ausnützung erwachter Neidtriebe im Menschen, ihr Ziel zu erreichen, daß(sic) sie sonst mangels eigener Geistesgaben kaum oder viel schwerer hätten erreichen können. /ein Satz unleserlich gemacht/

Zweierlei Ursachen sind es, denen die Juden ihr Los zu beklagen hatten.

Die Jahrhunderte währenden Exile, in welche die Juden lange vor der Zeitenwende abgeführt wurden. Nach Babylonien, nach Ägypten. Gewisse Berufszweige waren ihnen hier gestattet, andere untersagt. Selbst in Mittelalterlicher(sic) Zeit war es oft noch so. Und wenn man nachsieht, was ihnen damals erlaubt war, betreiben zu dürfen, dann waren es in der Mehrzahl der Fälle, jene Berufe in welchen die Juden der Neuzeit einen größeren Anteil hatten, als es ihrer Gesamtzahl zur Einwohnergesamtzahl entsprach. Es war ganz klar, sie waren darauf zwangsläufig spezialisiert worden.

Zum anderen trug Schuld daran die Tatsache, daß den Juden die Möglichkeit zur Eigenstaatlichkeit verwehrt war.

Und da nun jeder Nationalismus potenzialer Egoismus ist, so sollte anfänglich das Problem in Deutschland durch Auswanderung gelöst werden. Dies war nicht neu, dies hatte zahlreiche Präzedenzfälle in der Geschichte, ich erinnere nur an die Judenaus-

/112/                    AE: 77h

treibungen Isabellas der Katholischen. Die äußeren Deklarationen der Motive wechselten im Laufe der Zeiten. Das Motiv selbst blieb sich stets gleich. /nachträglicher Zusatz: Ich persönlich wies stets und nachdrücklich darauf hin, daß nur Eigenstaatlichkeit das Problem löse. Aber hier unterlag ich stellungsmäßig sowohl als auch im Kampf mit Lügen und Gegenpropaganda./

Und ich behaupte heute, daß das ganze menschliche Zusammenleben, zumindest in seiner zweitausendjährigen neueren Zeit – aber sicherlich auch vordem – eine einzige große und gewaltige Betrugs- und Lügensymphonie ist. Bernard Shaw, der Menschenkenner und Spötter, erzält(sic) uns eine nette Geschichte:

„Sobald eine Lüge populär geworden ist, daß(sic) werden alle Märchen, ist es unmöglich sie einzuholen, wenn sie einmal einen Vorsprung hat.

Von Lord Melbourne, dem Mentor der Königin Victoria, als diese den Thron bestieg, erzählt man sich, er habe bei einer Zusammenkunft mit seinen Ministerkollegen, mit seiner Person die Türe des Beratungszimmers verstellt und ihnen zugerufen: „Es ist mir ganz egal, was für eine gottverdammte Lüge wir erzählen müßen, aber nicht einer von Ihnen verläßt dieses Zimmer, bevor wir uns auf eine und dieselbe gottverdammte Lüge geeinigt haben.“

 

So viel zu diesem Kapitel. –

                         _____________

                         /104+113, 114/               AE: 77+78

 

                         -(11)-

Die deutschen Panzer rasselten durch Prag. Die goldene Stadt an der Moldau. >Slata Praha<, wie der eche zu seiner Hauptstadt, der baulich schönsten aller mitteleuropäischen Hauptstädte, wenn nicht darüber hinaus, sagt. Wer an der Moldau steht und seine Blicke über die steinernen Heiligen der Karlsbrücke, hinauf zum Hradschin und Veitsdom gleiten läßt

und hierbei nicht dem Zauber der Jahrhunderte sinnierend erliegt, kann kein Lebender mehr sein.

Ich kannte Prag noch aus tiefster Friedenszeit. Ich kannte Prag, als es noch zur K.u.k.österreich-ungarischen Monarchie /verschrieben, Korrektur gegenüber auf S. 113/ gehörte und ganz besonders verstehend und liebend lernte ich diese reizvolle Feste an der Moldau in den Jahren 1931 bis 1933, kennen.

Aus den verträumten Gäs´chen(sic) der Altstadt und des Hradschin, umwehte einen der Hauch des Mittelalters; von Gewerbefleiß und Baukunst kündend.

Und tausend alte Sagen und mehr raunten sich durch das lauschende /verschrieben, Korrektur gegenüber auf S. 113/ Ohr. Und vergoldet leuchteten hundert Türme und Kuppeln in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne.

Oh, wie liebte ich Prag.

Doppelt heimelig war sie mir, diese Stadt; als städtebauliches Kleinod und meine Verlobte in jenen Jahren, meine spätere Frau, war obendrein in der echoslowakei beheimatet.

In wenigen Tagen, werden dreißig Jahre vergangen sein, seit jener Zeit, da ich Prag zu lieben anfing.

                    ________________

 

Mitte 1939 erhielt ich Befehl nach Prag zu fahren und mich bei dem dortigen Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, zu melden. Es sollte das Spiegelbild der „Zentralstelle

 

                              /115/                     AE: 79

für jüdische Auswanderung, Wien“, aufgezogen werden.

Genau war es der 28. Juli 1939, an dem in Prag die Zentralstelle zu arbeiten anfing.

Bis dahin gab es noch keine einheitlich geregelte Auswanderung. Wer von den Juden auswandern wollte, mußte sich die notwendigen behördlichen Dokumente selbst beschaffen. Damit ging er zur Durchlaßscheinstelle der Geheimen Staatspolizei, die darüber entschied, ob dem Betreffenden die Auswanderung genehmigt wurde oder nicht.

Nach Errichtung dieser „Zentralstelle für jüdische Auswanderung Prag“, wurde der jüdischen Kultusgemeinde Prag übertragen, dafür zu sorgen, daß die auswandernden Juden die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllten. Der Durchlaßschein, der zum Verlassen des „Protektoratsgebietes“ berechtigte, wurde nunmehr von dieser Zentralstelle ausgegeben. Es waren eine große

Anzahl Dokumente notwendig, um in jener Zeit in das Ausland auswandern zu können und ich gehe kaum fehl, wenn ich sage, daß diese Anzahl für Juden und Nichtjuden so ziemlich die gleiche war. Dazu gehörten:

1.)    Wohnungsnachweis von der Polizeidirektion;

2.)    Polizeiliches Führungszeugnis;

3.)    Sichtvermerkerteilung durch den Oberlandrat Prag;

4.)    Gesuch um Ausstellung eines Reisepasses, an die Polizeidirektion Prag und an das Oberlandratsamt in Prag;

 

                                                          /116/                           AE: 80

 

5.)    Formblatt für einen Auswanderungspaß, von der Polizeidirektion in Prag;

6.)    Bestätigung des Magistrates der Stadt Prag, über die Bezahlung der Gemeindeabgaben;

7.)    Gesuch an die Gruppe VII/Wirtschaft/ des Reichsprotektors;

8.)    Gesuch und Fragebogen an die Steueradministration zwecks Erlangung einer „Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung“;

9.)    Ausgefüllter Fragebogen des staatl. Gebührenamtes;

10.)Antrag auf Mitnahme des Umzugsgutes an die Revisionsabteilung des Finanzministeriums und an die Nationalbank;

11.)Verzeichnis des Umzugsgutes an die Revisionsabteilung des Finanzministeriums;

12.)Vermögensbekenntnis für das Devisenschutzkommando der Zollfahndungsstelle.

13.)Bestätigung der Bezahlung der Auswanderungssteuer, Abgaben bezüglich des Umzugsgutes usf. im Sinne der Regierungsverordnung No 287/1939;

und anderes mehr.

 

Wie man sieht, war es – nicht nur in Prag – alleine schon schwer, diese Vielfalt von Bestimmungen zu erfüllen. Für den Einzelmenschen oft eine Qual. Es hatte die Schaffung einer zentralen Stelle schon recht viel für sich; freilich hatte sie auch ihre Nachteile.

Und es mögen diejenigen werten und bewerten zwischen Vorteil und Nachteil,

 

                              /117/                     AE: 81

die in die Notwendigkeit kamen, im(sic) Besitze solcher Bescheinigungen zu gelangen. Sie werden es wissen.

Ich sagte diejenigen, welche in die Notwendigkeit kamen.

Ja, und da geht mir durch den Sinn:

Ich trat der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei bei, weil sie gegen das Unrecht von Versailles kämpfte,

/eine Zeile unleserlich gemacht/

Gegend(sic) das Diktat;

Gegen Besatzung;

Gegen nationale Schmach;

/eine Zeile unleserlich gemacht/

Gegen Landraub.

 

Und was brachten wir?

Unrecht;

Diktat;

Besatzung;

Nationale Schmach;

/eine Zeile unleserlich gemacht/

Landraub.

Es ist wahr; genau daß(sic), brachten wir!

Genau daß(sic), alles, rasselte im Gefolge unserer Panzer, gegen daß(sic) wir einstens uns erhoben und aufstanden.

Alles dies und noch viel mehr diktierten wir anderen Völkern auf.

Es ist wahr: ein Unrecht schafft das andere Unrecht nicht aus der Welt.

Und unsere damalige Führung hätte solches erkennen müßen. Sie waren die verantwortlichen Politiker.

                              /118/                     AE: 82

/gestrichen, offenbar daraufhin als Schlußsatz auf die vorige Seite gesetzt: Sie waren die verantwortlichen Politiker./

/7 Zeilen bis zum Schluß des Abschnitts unleserlich gemacht/

/weitere 6 Zeilen unleserlich gemacht/

/6 Zeilen bis zum Schluß des Abschnitts gestrichen, zum Teil noch lesbar: … Form geworden wäre; nicht daß ich predigend oder schreibend diese Ideologie landein, landab verkündet hätte, etwa einem Reichsredner gleichend. Nein, dies nicht./

/weiterer Abschnitt von 5 Zeilen unleserlich gemacht/

/9 Zeilen bis Ende der Seite gestrichen, noch lesbar: Und diese Einstellung war es, die mich weiterhin als Diener im Tanz um die Götter verharren ließ. Freilich, es war damals schon schwer, sehr schwer aus diesen Reihen zu brechen; selbst wenn man es wollte.

Aber ich muß es gestehen, ich dachte um jene Zeit nicht mehr und noch nicht von neuem an eine Loslösung von meinem Dienst, nachdem mein/

 

                              /119/                     AE: 83

/2 Zeilen bis zum Abschnitt unleserlich gemacht/

 

Am 27. September 1941 wird Heydrich zum Stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren ernannt.

Des Ehrgeizigen und sehr Machthungrigen Wunsch, ist erfüllt: sein Sprung in das größere politische Geschehen.

Ich hörte ihn bei irgendeiner Gelegenheit einmal sagen, daß es ihm eine Genugtuung bedeute, aus dem Negativum der polizeilichen „Tätigkeit“, nunmehr in eine „positive Aufbauarbeit“ gestellt zu sein.

Doch scheint diese, seine Erklärung ohne weiteren Belang gewesen zu sein, denn er behielt seine Stellung als Chef der Sicherheitspolizei und das SD auch weiterhin, in Personalunion, bei.

Darüber hinaus war er SS-Obergruppenführer und General der Polizei, Mitglied des Deutschen Reichstages, zeitweilig Vorsitzender der „Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission“, um einige seiner wichtigsten Funktionen und Titel zu nennen.

Sein geheimes Ziel aber war die Verdrängung Ribbentrops, und sich selber als Reichsaußenminister sehend. Dazu sollte ihm das Sprungbrett in die hohe Politik, als des Reiches Protektor für Böhmen und Mähren, dienen.

Er hatte sich als „Architekt“ das Gebilde eines Reichssicherheitshauptamtes geschaffen, daß(sic)

 

                              /120/                     AE: 84

er in zäher Kleinarbeit, aus kümmerlichen Anfängen heraus, zu jener mächtigen Institution ausbaute und als dessen Chef und Beherrscher er als Person schlechterdings unangreifbar wurde.

Mut und Entschlossenheit, gepaart mit Draufgängertum war ihm keineswegs abzusprechen gewesen, besonders wenn es sich darum handelte seinem Ehrgeiz und seiner Eitelkeit zu frönen.

Er wollte sich in den Besitz von Tapferkeitsauszeichnungen setzen.

Zu diesem Zweck ließ er sich in seiner knappen Freizeit über seine Beziehungen, in die Uniform eines Luftwaffenmajors stecken und an einer „Messerschmitt“ ausbilden. Tatsächlich beteiligte er sich dann auch als Jäger an Kämpfen über dem Kanal, schoß einige Feindflugzeuge ab, und erhielt Frontflugspange und Eisernes Kreuz. Himmler verbot ihm daraufhin jedwede weitere Fliegerei. –

Auch diesen Wunsch hatte er sich also erfüllt.

 

Auf einer Pressekonferenz in Prag, hatte Heydrich sich in seiner impulsiven Art dazu hinreißen lassen, einen unmöglich kurzen Termin für die „Entjudung Böhmens und Mährens“ zu nennen.

Um seinen Worten einigermaßen nachkommen zu können, wurde in der Folgezeit Theresienstadt von deutschen Truppen, welche dort in Garnison lagen geräumt und die echische Zivilbevölkerung durch das

 

                              /121/                     AE: 85

zuständige Ministerium der Protektoratsregierung, umgesiedelt.

Ein vorliegendes Dokument, beschreibt die Besprechung mit Heydrich, an der auch ich teilnahm. Ich habe das Original nicht gesehen. Das mir zur Verfügung stehende Dokument – eine Ablichtung – zeigt weder Briefkopf noch Tagebuchnummer, weder Signum noch Unterschrift, so daß ich nicht zu ersehen vermag, wer diese Notitzen(sic) machte, von welcher Dienststelle sie gemacht wurden; kurz, ich kann dieses Dokument solange nicht als amtlich ansehen, solange ich das Original nicht gesehen habe. Hinzu kommt, daß ich die Angelegenheit anders in Erinnerung habe; wenngleich ich nicht behaupten will, daß nach so langer Zeit, es sind inzwischen zwanzig Jahre mit all ihrer Turbulenz darüber hinweggegangen, meine Erinnerung untrüglich wäre.   [18]

Heydrich frug auch mich in jener Zeit um meine Meinung, wie ich mir – nun er sich einmal als Reichsprotektor festgelegt habe – eine Lösung vorstelle. Er frug Dutzende von Personen und Stellen. Ich sagte ihm, er möge eine Stadt mit genügendem Hinterland zur Verfügung stellen. In diese(sic) Stadt könnten die Juden von Böhmen und Mähren angesiedelt werden; das Hinterland hat die benötigten landwirtschaftlichen Produkte zu liefern. Die laufende Auswanderung würde im Laufe der Jahre das Problem

 

                              /122/                     AE: 86

sodann von selbst lösen. So geschah es dann auch; jedoch ohne Hinterland.

/1 nachträglich hinzugefügte Zeile gestrichen und unleserlich gemacht/

Die wenigen hundert Hektar Land waren zu wenig und die Auswanderung war inzwischen auch verboten worden. Hinzu kam, daß in der Folgezeit alle möglichen Partei- und Staatsdienststellen des Reichsgebietes, in der Drängelei, ihre Juden los zu werden, Himmler in den Ohren lagen, ihrerseits Juden nach Theresienstadt schicken zu können. Hinzu kam ferner, daß Himmler /1 Zeile unleserlich gemacht/ eines Tages befahl, Theresienstadt zu einem Muster-Alters-Ghetto umzugestalten, um hier dem Ausland zu zeigen, wie das Deutsche Reich die Judenfrage löse. Es war dies eine der von Himmler befohlenen Tarnungen. /zweieinhalb Zeilen bis Ende des Abschnitts unleserlich gemacht/

Theresienstadt war dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, in Prag unterstellt. [19]  Der Befehlshaber wiederum unterstand einmal für Angelegenheiten des Protektoratsbereiches, dem Höheren SS- und Polizeiführer für Böhmen und Mähren, als dem bevollmächtigten Vertreter Himmlers, des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei;

zum anderen demselben, in seiner Eigenschaft als Staatssekretär für das Sicherheitswesen in Böhmen und Mähren. Es war dies der SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei und der Waffen SS, K. H. Frank.

 

                             /123-124/                    AE: 87

Zum dritten hatte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Prag die Befehle des Reichssicherheitshauptamtes zu beachten, soferne ihnen Reichshorizont zuzumessen war, und Frank kein Veto einlegte.

Bis zum Tage, an dem gegen Heydrich die Bombe geworfen wurde, an deren Splitterverwundung er am 5. Juni 1942 starb, befahl auch Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei und Reichsprotektor, seinem Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Prag, unmittelbar.

/Zusatz von Seite gegenüber: Es war eine komplizierte Stellung, alleine schon im Hinblick auf die Befehlswege und die dadurch bedingten Kontrollmöglichkeiten./

Von Zeit zu Zeit traten die Dienststellen der Sicherheitspolizei auf Drängen der örtlichen Vorgesetzten oder der parteilichen Instanzen, an das Reichssicherheitshauptamt heran, eine vorgeschlagene Anzahl von Juden zwecks Auflockerung der Besiedlungsdichte in Theresienstadt, nach dem Osten zu deportieren, denn die Auswanderung von Juden in europäische oder außereuropäische Länder, war von Himmler mit Wirkung vom 10. Oktober 1941, verboten worden.

Solche Ansuchen konnte nur Himmler persönlich entscheiden und daher wurden sie entweder vom Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, meinem inzwischen unmittelbaren Vorgesetzten, SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Müller, oder von dem Nachfolger Heydrichs, dem SS Obergruppenführer und General der Polizei und der Waffen SS, Dr. Kaltenbrunner, als Chef der

 

                              /125/                     AE: 88

Sicherheitspolizei und des SD, unterschrieben, an Himmler weitergeleitet.

Dieser genehmigte oder verwarf.     [20]

 

Ich sagte, daß die Einrichtung und der Betrieb des Ghettos Theresienstadt von Himmler zur Tarnung befohlen wurde. Also wurden alle Ansuchen, welche die Dienststellen des Roten Kreuzes, bei den zuständigen Reichsstellen, wie dem Auswärtigen Amt, insoweit es sich um das Internationale Rote Kreuz handelte oder bei der Kanzlei des Führers oder Reichskanzlei, sofern der Antrag vom Deutschen Roten Kreuz ausging, über Himmler geleitet, der als letzte Instanz erlaubte oder verbot. So wurde Theresienstadt im Juni 1943 von dem Generalhauptführer des Deutschen Roten Kreuzes, Hartmann besucht, als Vertreter des Herzogs von Koburg, /fast 2 Zeilen unleserlich gemacht/ und am 5. April 1944, von einer Kommission des Internationalen Roten Kreuzes selbst. [21]

Auch ich nahm an diesen Besichtungen(sic) befehlsgemäß teil. Es ist natürlich heute leicht zu sagen, ja hätten Sie denn damals den Kommissionen nicht sagen können, ist ja alles Schwindel, ist ja alles Tarnung Himmlers, der damit die Weltöffentlichkeit irre führen will.

Abgesehen davon, daß ich unter Eid stand; abgesehen davon, daß die Tatsache der Judentötungen im Juni 1943 auch im Ausland unwiderlegbar bekannt war und es im April 1944 bereits alle Spatzen vom Dach pfiffen; abgesehen von der Tatsache ferner, daß ich an die nächste Mauer gestellt worden wäre, um erschoßen zu werden, abgesehen von

 

                                 /126-127/                    AE: 89

diesem allen, was hätte es der Sache genützt? Ich konnte ja nichts abstellen, genauso, wie ich nichts in Gang setzen konnte.

Es waren in der ganzen Judenangelegenheit zu viele Befehlsgeber eingeschaltet. Angefangen von Hitler über Himmler, Heydrich und Kaltenbrunner, über Krüger, dem Höheren SS- u. Polizeiführer im Generalgouvernement; den Einsatzgruppenchefs im Osten, den SS Generalen Nebe, Rasch, Ohlendorf, Stahbecker(?), Jaeckeln und andere; den SS Generalen Globocnigy, Katzmann und andere im Generalgouvernement; dem Oberdienstleiter Brack /Schreibung dieses Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/ in der Kanzlei des Führers; dem SS General Pohl, den Höheren SS- und Polizeiführern im Reichsgebiet und den besetzten Gebieten; den Gauleitern und Reichsstatthaltern, den Reichsleitern, dem Reichsminister des Auswärtigen; dem Reichspropaganda- und Reichsjustizminister; dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht; und andere mehr.

Was schon hätte hier ein Mann mit dem Dienstgrad eines Oberstleutnants zu tun vermocht?  

Nichts!

Die doppelte und dreifache jederzeitige Kontrollmöglichkeit, seitens der Vorgesetzten, denen ein jeder Befehlsempfänger, ohne jede Ausnahme, innerhalb des Gebildes der Sicherheitspolizei unterworfen war, sorgte ebenfalls für eine linientreue Beibehaltung des von der Führung vorgeschriebenen Kurses.

Und dieses automatisch arbeitende Kontrollsystem – die Skizzen welche dieser Arbeit angehangen sind, veranschaulichen dies – nicht nur innerhalb der Sicherheitspolizei, ermöglichten es den Göttern mit, zu Götzen zu werden.

/am Rand Verweis auf: Skizzen/

-----„------

 

 

/128-129/                                            AE: 90-90a

                         -(12)-

Aus Gründen der besseren Übersicht bin ich mit meinen Betrachtungen, soweit es sich um Böhmen und Mähren handelte, der Zeit vorausgeeilt. Ich muß daher jetzt wieder etwas zurückschalten, um den Betrachtungen nachkommen zu können, was sich inzwischen außerhalb des Protektoratsbereiches zugetragen hatte.

Wir schreiben den 1. September 1939.

Um fünf Uhr früh haben sich die deutschen Divisionen in Richtung auf Polen in Bewegung gesetzt.

Deutsche Sturzkampfbombergeschwader belegen die polnischen Bereitschaftsstellungen mit Bomben.

Die Summe der deutschen, englischen und französischen Unvernunft in der Polenfrage, ließen(sic) es zum Kriege gegen dieses Land kommen. Die Tragik des Schicksals hatte den polnischen Marschall Pilsudsky zu früh sterben lassen. Unter seiner Staatsführung, wäre es nie und nimmer zum Kriege gegen dieses Land gekommen.

Die Furie des Krieges raste durch Polen und nach einigen Wochen standen sich an der Demarkationslinie sowjetrussische MWD-Beamte, deutsche Geheime Staatspolizeistellen, sibirische Infanterieregimenter und deutsche Grenadiereinheiten, in fast friedensmäßiger Grenzsicherung gegenüber.

/Einschub von Seite gegenüber (gekennzeichnet als 90a):

Am 21. September hatte Heydrich seine Amtchefs und in Polen tätigen Einsatzgruppenchefs zu einer Besprechung nach Berlin zusammengerufen.

Auch ich bin in der Anwesenheitsliste eines Protokolls erwähnt, aber ich war um diese Zeit noch gar nicht in Berlin und ebensowenig war ich Einsatzgruppenchef. (Dieses Dokument trägt im übrigen auch weder Unterschrift noch Signum. Freilich lag mir nicht das Original, sondern nur eine Photokopie vor.)

Es muß sich um einen Irrtum handeln; ich habe an dieser Besprechung nicht teilgenommen. Mein ehemaliger Vorgesetzter, Prof. Dr. Six, der an dieser Besprechung teilnahm, wurde dieserhalb als Zeuge 1961 in Deutschland befragt. Er erklärte, daß ich an keinerlei Amtchefbesprechungen teilgenommen habe. Mein Vorgänger in Berlin, ein Regierungsrat Lischka unterschrieb noch am 16. Oktober des gleichen Jahres, Schreiben seines Dezernates, die Reichszentrale für jüdische Auswanderung betreffend. Dr. Löwenherz stellte in seiner Aktennotitz(sic) vom 17. Dezember 1939 erstmalig fest, daß ich ihm mitgeteilt habe, daß ich nunmehr die Reichszentralstellengeschäfte zu bearbeiten habe.

Also hatte ich vordem dienstlich in Berlin nichts zu suchen. Ich arbeitete in Wien und Prag in den Auswanderungszentralstellen.

Heydrich hatte in dieser angeführten Besprechung die Ghettoisierung der Juden im Generalgouvernement befohlen./

 

Am 6. Oktober verkündet Hitler die Nationalisierung der neu zum Reich hinzugekommenen Ostprovinzen und be-

 

                              /130/                     AE: 91

auftragt mit der Durchführung Himmler, unter Ernennung zum Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums. Als Chef der Deutschen Polizei und als Reichsführer SS, hatte er in organisatorischer Hinsicht außer einem Vermögensträger keine andere neue diesbezügliche Institution zur Durchführung der ihm von Hitler übertragenen zusätzlichen Aufgabe nötig. Die Regierungsstellen des Generalgouvernements, wie der deutsche(sic) besetzte polnische Teil nunmehr hieß, waren bereits im Aufbau.

Als Vermögensträger über das gesamte Vermögen – bewegliches und unbewegliches - der im Zuge der Nationalisierung zu Deportierenden, fungierte die um jene Zeit errichtete Haupttreuhandstelle Ost.

Die Deportationen erfolgten nach dem Generalgouvernement.

Am 30. Oktober erteilte Himmler folgenden Befehl: „In den Monaten November und Dezember 1939, sowie in den Monaten Januar und Februar 1940, sind folgende Umsiedlungen vorzunehmen:

1.)    Aus den ehemals polnischen, jetzt reichdeutschen Provinzen und Gebieten, alle Juden.

 

2.)    Aus der Provinz Danzig-Westpreußen, alle Kongreßpolen

 

 

3.)    Aus den Provinzen Posen, Süd- u. Ostpreußen und Ostoberschlesien, eine noch vorzuschlagende Anzahl besonders feindlicher

 

                                                 /131/                    AE: 92

     polnischer Bevölkerung.

 

4.)    Der Höhere SS- u. Polizeiführer Ost (Generalgouvernement), gibt die Aufnahmemöglichkeiten des Gouvernement für die Umzusiedelnden bekannt und zwar getrennt nach Kreishauptmannschaften und größeren Städten.

 

5.)    Die Höheren SS- u. Polizeiführer Weichsel, Warthe, Nordost, Südost und Ost, bzw. die Inspekteure und Befehlshaber der Sicherheitspolizei, legen gemeinsam den Umsiedlungsplan fest.

 

 

6.)    Verantwortlich für den Abmarsch und für den Transport ist der Höhere SS- u. Polizeiführer innerhalb seines Gebietes; verantwortlich für die Unterbringung im neuen Wohngebiet ist die polnische Verwaltung bzw. Selbstverwaltung.“ [22]

 

Dies war der erste Deportationsbefehl. Dutzende sollten ihm noch folgen. Im Zuge dieses Befehles setzten sich die angeschriebenen SS und Polizeigeneräle am 8.11.1939 beim Generalgouverneuer in Krakau zu ihrer ersten Beratung zusammen. Ihre Besprechungspunkte waren die von Himmler befohlene Unterbringung und Ansiedlung von in das Reich zu nehmenden Volksdeutschen, aus den Baltenländern und Wolhynien, sowie die Deportierung von Juden und Polen.

Der General der Polizei Krüger, der Höhere SS- u. Polizeiführer Ost (Generalgouvernement) führte denVorsitz; der Generalmajor der Polizei,

 

                         /132-133/               AE: 93

SS-Brigadeführer Streckenhach(?), der Befehlshaber der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement war mit der Zentralplanung der Ansiedlung und der Deportation im Ostraum beauftragt. Er hatte auch gemäß den ihm erteilten Weisungen, die Verhandlungen mit der Reichsbahn, zwecks Zurverfügungstellung von Transportzügen zu verhandeln. Dieser Besprechung zufolge sollten bis Ende Februar 1940, rund 1 Million Juden und Polen aus den neuen Ostprovinzen in das Generalgouvernement deportiert werden. Eine Zahl, welche in der Praxis infolge der auftretenden Schwierigkeiten, in dem gesteckten Zeitraum auch nicht annähernd eingehalten werden konnte.

Heydrich schaltete sich jetzt als Chef der Sicherheitspolizei und des SD, persönlich mit in diese Angelegenheit ein und zergliederte das Gesamtvorhaben in mehrere Nahpläne; er stellte die Zuständigkeiten für Deportation und Zielstationen im Einzelnen fest.

Aus welchen Orten der Abtransport erfolgt, habe der zuständige Inspekteur der Sicherheitspolizei zu bestimmen, im Auftrage des Höheren SS- u. Polizeiführers. Ebenso bestimmt dieser nach Vorschlag der Landräte, wann und wieviel Personen aus den einzelnen Kreisen abgeschoben werden.

Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Krakau hat im Auftrage des Höheren SS- u. Polizeiführers die Zielstationen für die Transporte bekannt zu geben. –

/Einschub von Seite gegenüber: Ehrgeiz, Geltungsbedürfnis und Machthunger feierten in diesen Wochen und Monaten Triumpfe(sic). Jeder der örtlichen Hoheitsträger war entschlossen, sein Maximum an Zuständigkeit in das Treffen zu werfen und hieraus diktatorische Rechte abzuleiten. Ein örtlicher Befehl jagte den anderen. - /

Und jetzt ging es los.

Alles stürzte sich auf die Arbeit.

Jedem ging es zu langsam.

 

                         /134/                     AE: 94

/Die ersten 4 Zeilen nachträglich hinzugesetzt: Die Zuständigkeiten überschnitten sich oft und die daraus resultierenden Schwierigkeiten wurden nicht beobachtet, denn jeden der Hoheitsträger beselte(sic) ausschließlich lokaler Egoismus./

Ein heilloses Durcheinander war die Folge.

Falsche Zielbahnhöfe. Überbelegung der Züge. Mangelnde Nachrichtenübermittlung zwischen Absender und Transportempfänger.

Kopflosigkeit überall.

Der ganze Fahrplan kam in Unordnung. Die Leidtragenden waren die Ohnedies von der Deportierung Betroffenen.

                    ___________

 

Im Dezember 1939 bekam ich Befehl, mich zur Dienstleistung in Berlin, bei dem Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, Müller zur Dienstleistung (sic) zu melden. Meine Bitte um Abstandnahme von meiner Person zur dienstlichen Verwendung in Berlin, unter Hinweis darauf, daß meine Familie in Wien lebe und sich auf eine Übersiedlung nach Prag vorbereite, mir Berlin daher aus diesem Grunde ungelegen sei, wurde abschlägig beschieden.

Wird man zum Truppendienst eingezogen, dann hat man sich, ohne mit der Wimper zu zucken, zu fügen; aber zum Zwecke einer behördlichen Dienstleistung glaubte ich einen solchen Antrag stellen zu können. Jedoch der Hinweis auf den Kriegszustand, ließ meinerseits keine weitere Rekursmöglichkeit mehr zu.

In Berlin war „auf dem Papier“ schon seit Monaten eine Reichszentralstelle für jüdische Auswanderung gegründet worden. Ihr Leiter war, gemäß der Verfügung des Reichsmarschalls

 

                         /135/                     AE: 95

Göring, in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan, Heydrich.

Zum Geschäftsführer bestellte Heydrich seinen Amtchef IV, Müller.

Des weiteren hatten noch gemäß Göring´scher Weisung, einige höhere Beamte des Innenministeriums, des Auswärtigen Amtes und der Dienststelle des Beauftragten für den Vierjahresplan, im Ausschuß dieser Reichszentrale tätig zu sein.

Ich bekam den Auftrag, nunmehr diese Dienststelle praktisch einzurichten, damit sie für den Parteienverkehr funktioniere, sowie gemäß den Weisungen des Geschäftsführers, die Dienstgeschäfte zu führen.

Des weiteren wurde ich mit der Koordinierung der Deportationstransporte betraut.

Die entprechende Verfügung erließ der Chef der Sicherheitspolizei und des SD am 21. Dezember 1939.

Meine Amtsbezeichnung war „Sonderreferent IV R“; das heißt Sonderreferent für Räumung im Amte IV des Reichssicherheitshauptamtes. [23] Die Bezeichnung Sonderreferent erklärt sich daraus, daß es ein neues Referat innerhalb des Amtes IV des Reichssicherheitshauptamtes war, also des Geheimen Staatspolizeiamtes, und der nächste etatmäßige Geschäftsverteilungsplan erst im Februar 1940 fällig war.

Ab dieser Zeit war ich sodann planstellenmäßiger Referent IV D 4, im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes. Ich hatte also von Anfang an keine anderen Befugnisse, als jeder der übrigen etwa 100 bis 150 Referenten des Reichssicherheitshauptamtes sie auch hatten.

 

                    /136-137/                    AE: 96

Nach etwa 1 ½ jähriger Unterbrechung hatte ich nun wieder in Berlin tätig zu sein.

Schade, ich wäre lieber in den Provinzen geblieben; und am liebsten in einer möglichst kleinen Provinzstadt. Aber mein Wille wurde nicht gefragt; ich hatte zu gehorchen.

Aber wer dachte um die weihnachtliche Zeit des Jahres 1939 schon daran, daß der Krieg weitergehen würde. Alles rechnete mit einer Regelung zwischen Deutschland, Frankreich und England. /1 ½ Zeilen unleserlich gemacht/

Ich las um jene Zeit „Kant; die Kritik der praktischen Vernunft“. Das mich Umgebende fand ich für mich unpraktisch und von Vernunft war nicht viel zu spüren.

Die Weihnachtsfeiertage verbrachte ich im Kreise meiner Familie. Meine Frau war über die Versetzung nach Berlin ärgerlich und erklärte mir sehr entschieden, daß sie keinesfalls nach Berlin zu ziehen gedenke. /1 Zeile unleserlich gemacht und ersetzt durch von Seite gegenüber: und sie hat ihren Willen auch durchgesetzt und zog nicht in die Reichshauptstadt um. Zwar hatten weder meine Frau, noch ich das Geringste gegen Berlin und die/ Berliner, im Gegenteil, wir verlebten von 1935 bis 1938 drei volle, glückliche Jahre in den Mauern der Reichshauptstadt, lernten sie lieben und mit ihr, die Berliner. Aber unser beider Animosität gegen große Städte, entsprang sicherlich den(sic) uns innewohnenden Hang zum Landleben, denn darin wuchsen wir beide ja auf; meine Frau, als Tochter eines Bauern, mehr noch als ich; obgleich auch mich tausend Stricke aus die(sic) Steinhaufen der

 

                         /138/                     AE: 97

Städte zog, wo der Blick nicht frei schweifen konnte, wo er dauernd an hundert mal hundert Ecken anstieß, wo der erdige Taugeruch mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne nie hinkam; wo Vogelgezwitscherkonzerte nie stattfanden; wo man durch die Ordonnanz erst erinnert werden mußte, daß in 15 Minuten Sonnenuntergang sei und man sich daraufhin in den Wagen setzte, um 10 Minuten bis zum gewohnten Beobachtungsplatz zu fahren und dann 5 Minuten das Schaupsiel des glutroten Untergangens der Lebensspenderin genießen konnte. Fünf Minuten alleine; Ruhe; stilles Genießen. – Oder wie war es selbst in Wien.

Ob Winter, ob Sommer, ob es schön war oder in Strömen vom Himmel herunter kam, ich konnte einfach die Kraft nicht aufbringen, mich hinter dem(sic) Schreibtisch zu setzen, ehvor ich nicht frühmorgens auf dem Kahlenberg gefahren war, um den angehenden Tag zu schauen.

Ich weiß, meine Kameraden von damals legten es als eine wunderliche Marotte von mir aus. Sie gewöhnten sich daran.

Als ich noch Feldwebel war und über keinen Wagen verfügen konnte, als ich allmorgentlich um Punkt halb acht, die Straßenbahn der Linie 21, von Berlin-Britz zum Anhalter Bahnhof, eine halbe Stunde

 

                         /139/                     AE: 98

benützen mußte, da ging ich eben früh genug von Hause fort, um einige Kilometer zu Fuß zu gehen. Nicht um des Fußmarsches wegen, aber es war da an einem Sägewerk eine Fichte gewachsen und diese Fichte inmitten des Häusermeeres, die tat es mir an. In ihr sah ich den Böhmerwald, die Wälder des Mühlviertlerlandes; schweigend, gründunkel, rauschend und raunend. Und indem ich mit dieser Fichte, einem Narren gleich, meine allmorgentliche(sic) Zwiespräche gehalten hatte, ward ich froh und innerlich heiter und frei. Gerne opferte ich ihr die morgendliche Zeit.

Drei lange Jahre sprach ich mit ihr; und sie kannte meinen Kummer, sie kannte meine Freude und auch mein Leid; meistens jedoch war es Freude. Auch hier gewöhnten sich meine Kameraden von damals daran, daß ich erst unterwegs auf die Straßenbahn zustieg, und an diese meine eigenbrödlerische Gewohnheit.

 

In dem Prozess gegen mich, hier in Jerusalem frug mich einer der Richter anläßlich des Kreuzverhöres, ob ich nach dem Kant´schen Imperativ gelebt habe.

Frei konnte ich sagen, jawohl ich habe mich zumindestens bemüht nach der Kant´schen Forderung mein Leben auszurichten, beziehungsweise, nach

 

                    /140-142/                    AE: 99

ihr zu leben. Ich war zumindestens bemüht, stets so zu handeln, daß die Richtlinien meines Willens, jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung hätten gelten können. /weitere anderthalb Seiten unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber:

Allerdings hätte ich ab einem bestimmten Zeitpunkt erkannt, daß ich nach dem mir einsichtsmäßig innewohnenden Sittengesetzt(sic) nicht mehr handeln könne, da ich dazu nicht mehr Herr meiner Handlungsfreiheit war. Ich hätte danach handeln müßen. Dies stimmt. Es ist  in der Theorie auch ganz leicht und schön zu sagen. Aber im wirklichen Leben, können Umstände eintreten, die einen daran hindern. Eine unbeschränkte Möglichkeit zum praktischen Handeln, ist dem Befehlsempfänger in Kriegszeiten nur in den selteneren Fällen möglich. Und nur in den selteneren Fällen entsprechen Befehle im Kriege dem Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung; dem mir innewohnenden Sittengesetzt(sic). Und dann unterhalte man sich einmal während des Krieges mit einem vorgesetzten SS General über die Ethik in diesem Zusammenhang. Er tritt dich in den Hintern!

Aber nicht nur in der SS alleine.

So sieht die Praxis aus.

Als weltfremder Narr wirst du verschrieben und entsprechend der Kriegsgerichtsordnung behandelt, weil der Gegner ja auch nicht psalmodierend und hosianasingend einherschreitet.

Man wird im besten Falle auf Fahneneid und Volksnotstand hinweisen und zur Ordnung gerufen.

Von einem praktischen Handeln also, kann da mangels Befehlsbefugnis seitens des Befehlsempfängers keine Rede mehr sein; was anderes ist seine innere Einstellung zu dem Geschehen, daß(sic) er als der Kant´schen Forderung zuwiderlaufend erkennt. Aber solches ist ohne Resultat nach außen hin./

 

                    /143-144/               AE: 100-101

/ganze Seite 143 und die ersten sechseinhalb Zeilen auf Seite 144 unleserlich gemacht/

                    -(13)-

Während meiner 1 ½ jährigen Abwesenheit von Berlin, also vom Frühjahr 1938 bis zum Spätherbst 1939, hatte sich das organisatorische Gefüge der Sicherheitspolizei und des SD, wesentlich verändert.

Die beiden Hauptämter Sicherheitspolizei und SD, wurden zu einer Zentrale vereinigt,

/gestrichen, aber noch lesbar: Fortsetzung befindet sich in Arbeit

Adolf Eichmann  12-8-61/


                         /145/                    AE: 101

/noch einmal die Zeilen der vorigen Seite, gestrichen/

Das Reichssicherheitshauptamt bestand nunmehr aus sieben Ämtern; und zwar die Ämter: „Personal“, „Verwaltung“; „Lebensgebietsmäßige Gegnerbeobachtung“; Weltanschauliche und Lebensgebietsmäßige Gegnerbekämpfung“ oder kurz Geheimes Staatspolizeiamt genannt; „Verbrecherbekämpfung“, oder Reichskriminalpolizeiamt; „Spionage und Gegenspionage - Ausland“, oder Abwehr genannt und „Wissenschaftliche Gegnererforschung“. Hauptamtchef war Heydrich; mein unmittelbarer Vorgesetzte(sic) der Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes, oder Amt IV, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Müller.

Die nachgeordneten Instanzen des Reichssicherheitshauptamtes waren im Reichsgebiet, die Inspekteure der Sicherheitspolizei u. des SD, sowie die Staatspolizeistellen und die SD-Abschnitte; in den besetzten Gebieten, die Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD und die Kommandeure der Sipo u. des SD.  [24]

Zwei Aufgabengebiete hatte ich also zu bearbeiten, die Auswanderung und die Koordinierungsangelegenheiten im Hinblick auf die Transporte der befohlenen Räumung der neuen deutschen Ostprovinzen. Eine Tätigkeit, mit der ich praktisch am 2. Januar 1940 in Funktion trat.

 

                    /146-147/                    AE: 102

Für mich persönlich begann nun sehr gegen meinen Willen eine Zeit der Familientrennung, die erst im Jahre 1952, in Argentinien ihre Beendigung fand. Natürlich war ich bis 1945 oft und oft über das Wochenende mit meiner Familie beisammen, aber was will dies alles besagen.

Am Sylvestertag 1939 fuhr ich von Wien ab, nahm Begrüßungsaufenthalt bei meinen Eltern in Linz, dasselbe bei meiner Schwiegermutter auf ihrem Hof in Südböhmen und gedachte in gestreckter Fahrt mit meinem 3,4 Merzedes-Benz durchzupreschen bis zur Autobahn bei Dresden, und dann war es nur noch ein Katzensprung von etwa 140 Kilometer, bis Berlin. Aber aus irgendeinem Grunde, der mir heute nicht mehr sicher /versehentlich gestrichen: in/ Erinnerung ist, /Zusatz von Seite gegenüber: ich glaube, die Schneeketten hatten Schuld,/ kam ich nur bis zu einem Ort so etwa am Kamm der Berge hinter Aussig. Ich habe keine Karte hier, es dürfte zum Erzgebirge gehören, wenn ich mich nicht täusche. Dicker Winter; und Ärger im Bauch. Da hätte ich ja ebensogut noch den Sylvesterabend mit meiner Frau und meinem Kind gemeinsam feiern können, zumal ja jetzt die Stunden des Beisammenseins doch nur noch sehr gezählte sein würden.

Hoffentlich geht der verdammte Krieg bald aus, dachte ich in meinem Sinne und verfluchte den Befehl, der mich nun an Berlin band. Ein anständiges Gasthaus gesucht, Wagen versorgt und dann nichts wie hinein mit dem „Türkenblut“ um den Ärger hinunter zu spülen. „Türkenblut“ war meine beliebte Spezialität, so ab und an. Halb Sekt, halb Rotwein; das Zeug

 

                         /148/                     AE: 103

verkroch sich gut und gerne hinter die Binde. Die sylvesterliche Stunde schuf einigen Betrieb in diesem Wirtshaus. Wintersportler, Einheimische und ein SS-Hauptmann. Zu essen gab es in jener Zeit noch alles, wonach man begehrte, und die Küche es bieten konnte. Ich philosophierte dösend für mich alleine, die Nase tief in´s Glas steckend dahin; den gelinden Jahreswendenrummel ließ ich ohne große Teilnahme meinerseits, nicht mehr als eben noch empfindend, an mir abprallen. Die nötige Bettschwere lupfte mich dann in die Federn. –

Es gibt kaum schöneres an Winterbildern als frostiger Rauhreifmorgen in den Bergen. Strauch und Baum, Häus´chen und Dörfer, verzuckert. Und die schrägen Morgensonnenstrahlen lassen die Myriaden der Eisbrillanten vom schwarzviolett über blaustes Blau und Rot wie nie gesehen, bis zum hellsten Gelb dir entgegenleuchten und da hast du den Wunsch nur zu schauen und nimmer satt zu werden. Und die unendliche Reinheit der Natur sagt dir mit jedem leuchtenden Krisall(sic), wie schlecht sein Schöpfungsprodukt, der Mensch, in Wahrheit in seinem Handeln doch geworden ist. Nicht daß ich Spezielles am Menschenwerk damit meine; nicht daß ich selbst mich im besonderen damit bezeichnen will; nicht besser noch schlechter war auch ich, und bin ich, als die große Masse des Durchschnitts. Aber wenn ich das allgemeine Tun und Wollen der Menschen, – mich eingeschlossen, -

 

                         /149/                     AE: 104

bedenke, und sehe die unberührte Reinheit der Natur, dann überkommt mich oft ein heißes und sehnendes Verlangen, nach den Leben, die mir in unendlicher Manigfaltigkeit noch bevorstehen. Die tausend mal tausend Tode, die wir organische Seinsformen, zu durchlaufen haben, sie sind nicht schlimmer, als die tausend mal tausend Geburten, die jeden von uns noch harrend erwarten.

/etwa 3, teilweise überschriebene, Zeilen unleserlich gemacht/ -

Mein Glaube an die Götter, kam in jener Zeit in arge Bedrängnis. Die von ihnen befohlenen Flammen des 10. November 1938 ließen mich stutzen. Aber ich hatte mit der exekutiven Tätigkeit ja nichts zu tun gehabt. Jetzt aber war ich mitten drin.

Ab dem 21. Dezember 1939.

Wenn dem Menschen nachhaltig etwas gegen seinen Strich geht, dann wird er krötig. Und das plötzliche Herausreißen aus dem Kreise der Meinen, ging gegen mein Wollen. Freilich Hunderttausenden ging es in jener Zeit ebenso. Denn Krieg war im Lande. Und niemand wurde gefragt ob es ihm passt oder nicht. Auch ich hatte nur zu gehorchen, aber die Dienstleistung im Geheimen Staatspolizeiamt war mir lästig genug. Wie hatten wir im Sicherheitsdienst bisher überheblich auf die Angehörigen der Sicherheitspolizei gesehen, wir dünkten uns besser als jene. Und jetzt war ich einer derselben. Freilich, auch die Hunderttausende

 

                    /150-151/                    AE: 105

und später die Millionen wurden nicht lange gefragt, wo und bei wem sie zu dienen wünschten. Sie wurden befohlen und hatten ihren Dienst gehorchend zu schieben.

Einer(sic) der ersten dienstlichen Fragen Müllers, war die Angelegenheit meiner Übernahme in das Beamtenverhältnis.

/zweieinhalb Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber: Nun, ich hatte nichts gegen Beamte oder gegen das Beamtentum im allgemeinen. Aber wie soll ich das einmal ausdrücken, ohne irgend jemanden „auf den Schlips zu treten“. Man muß wissen, daß mein Vorgesetzter ein sogenannter „Nur-Beamter“ war. Reichskriminalpolizeidirektor. Da kann man nicht gut sagen, wissen Sie, ich habe kein Interesse an einer Übernahme in den Beamtenstand, weil ich mir dann vorkäme, als würde ich in eine verstaubte Mottenkiste gesetzt werden und Ellbogenschoner würden hinfort meine begerenswertesten(sic) Weihnachtsgeschenke sein. Und dieser Zustnad würde dauern, bis ich mein fünfundsechzigstes Lebensjahr erreicht hätte und damit reif für die endliche Pensionierung geworden wäre. Auf ein solches „Lebenslänglich“ möchte ich nicht gerne eingehen. – Man sollte einen Tiger nicht reizen, denn die Vorsicht ist eine Tugend. Und ich hatte es an dieser Tugend ohnedies, weiß Gott, oft genug fehlen lassen. Daher sagte ich, daß ich von mir aus mein diesntliches Verhältnis zur Truppe nicht aufgeben möchte; zumal nicht jetzt, während der Kriegszeit. Dies klang auf alle Fälle gut und gab mir die Hoffnung, aus der schreibtischgebundenen Behördenluft inees Tages bei gutem Wind und Glück wieder verschwinden zu können. Mir ging die Versetzung nach Berlin, sehr gegen meinen Strich./

Und im Verdruß mit mir selbst verbrachte ich meine Tage. Es gelang damals zu meiner Freude nicht, mich aus meinem militanten Verhältnis zu lösen und in den Beamtenstand zu überführen. Die Gründe lagen wohl darin,d aß ich von der Personalabteilung des Sicherheitsdienstes nicht freigegeben wurde. So ist es auch unter anderem mit zu verstehen, daß ich von meinem Ausführungsrecht, /fast zwei Zeilen unleserlich gemacht/ als Referent an einer Behörde keinen Gebrauch machte, sondern mir meine Weisungen stets einholte; ein Recht, daß(sic) mir zustand und daß ich hinfort für mich in Anspruch nahm. Daher konnte ich mich nie irren, so trug ich auch keine Verantwortung, und so erregte ich auch nicht den Neid jener schon lange dienenden Beamten, die längst schon gerne Referenten geworden wären. –

 

Nun, die Auswanderung ging den normalen Weg: Zahlenmäßig wurde sie infolge der Kriegsläufte zwar immer geringer.

 

                    /152-153/                    AE: 106

Dessen ungeachtet nützte ich jede Möglichkeit, um sie im Rahmen der bestehenden Verordnungen und Erlaße zu fördern.

Die Deportationsangelegenheiten waren ein einziges großes Chaos geworden, durch das niemand mehr durchschaute. Nur Beschwerden kamen; von allen Ecken und Enden.

/Zusatz von Seite gegenüber: Mit einem Wort, ich traf die miserabelsten Zustände an. Jeder hatte so seinen Privatdeportationsplan, nachdem er glaubte, für seinen Gaubereich im Sinne des „Führerbefehls“ als erster die Vollzugmeldung machen zu müßen.

Die Provinzspitzen der neuen deutschen Ostgebiete kümmerten sich den Teufel darum, ob solches Vorgehen zu Stockungen und Schwierigkeiten im Generalgouvernement führen mußte und daß die deutsche Reichsbahn bei diesem Durcheinander ihren Fahrplan längst schon nicht mehr einhalten konnte. Und am meisten hatten darunter und mit Recht, diejenigen zu klagen die da gemäß der Befehle von höchster Stelle deportiert wurden./

Meine Aufgabe war es also, jetzt erst einmal durch Koordinierung der Transporte, diese aufgetretenen Mißstände abzustellen. /am Rand Ziffer 25/ Sie wurden auch sehr bald abgestellt, soweit das überhaupt nur möglich war. Die Durchführung der Transporte, waren nicht der Durchführung der Deportation gleichzusetzen. Hierfür waren gemäß den Himmler- und Heydrich´schen Befehlen, andere Dienststellen beauftragt. Auch die Planung oblag nicht meinem Referat; ebensowenig die Leitung der Deportation, sowie die Auswahl der zu deportierenden Personen, ihre Konzentrierung und ihre Behandlung. Die Tatsache, daß ich mit der Koordination der Deportationstransporte betraut wurde, beweist keine besondere Machtvollkommenheit, die mir übertragen wurde, sondern belegt, daß ich auf ausdrücklichen höheren Befehl Heydrichs tätig, und dem Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, unterstellt wurde. /am Rand Ziffer 26/

 

Wenn jemand etwas koordinieren soll, dann muß er in der Regel zuerst einmal alle an den Handlungen Beteiligten, „unter einen Hut bringen“ um ihnen eine arbeitsmäß9ige Ausrichtung zu geben. Dies tat

 

                         /154/                     AE: 107

auch ich. Zum 8. Januar 1940 wurden alle an den Transporten beteiligten Dienststellenvertreter zu einer Besprechung nach Berlin befohlen. An der grundsätzlichen, Bestehenden Befehlsgebung durfte nichts geändert werden. Aber keine Dienststelle konnte durch die neuen Anweisungen, die ich jetzt in transportmäßiger Hinsicht zu erlassen hatte, künftig ohne vorherige Genehmigung durch mein Referat, Züge in Gang setzen. Natürlich, Berlin war weit und wenn ich sage, es konnte niemand mehr ohne Erlaubnis einen Transport durchführen, dann war dies zwar auch die Regel, die eben da und dort trotz allem immer mal wieder durch eine Ausnahme bestätigt wurde. Denn die örtlichen Gauleiter und Reichsstatthalter oder die Oberpräsidenten der Provinzen, unterstanden nicht den Befehlen des Reichssicherheitshauptamtes. Im Gegenteil, diese Stellen waren erlaßmäßig sogar berechtigt, den in ihrem Hoheits- oder Befehlsbereich tätigen Staatspolizeistellen oder anderen Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD Weisungen zu erteilen, denen diese nachzukommen hatten. Oft und oft war diese merkwürdige Regelung eine quelle des Ärgers und der Grund zahlreicher Unzukömmlichkeiten.

Aber es lag mit im Funktionellen des doppelt- und dreifachen Kontrollsystemes. Aus all diesen Überlegungen heraus befahl Heydrich zu einer Zentralkonferenz zum 30. 1. 1940, zu der diesmal die örtlichen Dienststellenleiter

 

                         /155/                     AE: 108

und Einheitschefs geladen wurden. Er umriß ihnen das gewaltigste Völkerwanderungsprogramm der Neuzeit, und übermittelte die Befehle Himmlers, welche dieser in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums gab. Wiederholte die bisher schon befohlenen Zahlen und Personengruppen, ergänzte diese durch 30.000 Zigeuner und befahl erstamls die Deportierung von etwa 1000 Juden aus dem Altreichsgebiet; aus Stettin, nach dem Generalgouvernement.

Genau 14 Tage gab er Zeit; zu diesem Termin mußte diese Deportation beendet sein. Der Grund hierfür war, daß die örtlichen Stellen, von denne ich vorhin sprach, idese Deportation durchgeführt wissen wollten, denn dadurch gedachten sie das lokale Wohnungsnotübel zu lösen und hatten daher im Einvernehmen mit Himmler diese Deportation besprochen.

Die Leitung all dieser Unternehmungen, lag bei Stellen, welche meinem Referat übergeordnet waren. Ich hatte lediglich mit dem Reichverkehrsministerium die Fahrplanerstellung und was damit zusammenhängt zu bearbeiten, nachdem mir sowohl von den Deportierungsbehörden als auch von den Aufnahmeämtern des Generalgouvernements die hierfür notwendigen Unterlagen eingesandt wurden. Es ist dies zwar nur ein einziger Satz; aber welche Fülle von Schwierigkeiten, Arbeit und Überredungskünste, Vertröstungen und Mahnungen zur Geduld, Appellationen an die Vernunft und auch scharfes Durchgreifen zur Übelabstellung diese Tätigkeit verlangte, dies alles

 

                    /156-157/                    AE: 109

zeigt dieser eine Satz nicht an. Ein jeder der örtlichen Verantwortlichen wollte als erster seine Deportationsarbeiten beendet wissen; ohne jede Rücksichtnahme. /am Rand Ziffer 27/

Er war ein strenger Winter; trotzdem mußten die Deportationen durchgeführt werden. Keiner der Befehlsgeber ließ etwa verlauten, diese Vorhaben bis zum Anbruch des Frühjahrs aufzuschieben; zu einer ahreszeit etwa, welche alleine schon durch die besseren klimatischen Verhältnisse einen großen Teil vieler Schwierigkeiten in Fortfall gebracht hätte. Es ist heute leicht reden, „der Eichmann hat die Deportationen durchgeführt. Er ist der Verantwortliche.“ /Zusatz von Seite gegenüber: Im Nachhinein ist es immer leicht das Maul aufzureißen und einfach mit Behauptungen irgendwo hinein zu poltern. Dies war schon zu allen Zeiten in der Geschichte so gewesen. Und hätten wir gesiegt, dann hätten eben jene, die heute von einer federführenden Zuständigkeit nichts mehr wissen wollen, noch vernehmlicher ihre Verdienste um die „Führerbefehldurchführung“ in alle Welt hinausposaunt, als sie dies damals schon taten. So aber mußte eine neue „Masche“ gefunden werden. Und die hieß: „Eichmann“; 1 ½ Jahrzehnte lang. Man sehe sich das Ergebnis, in der Literatur, kurz in der gesamten Publizistik bis zum Beginn des Kreuzverhöres, dem ich unterzogen wurde an. Da erst konnte ich zum ersten Male, den verlogenen Herrschaften in ihre Hinterteile „treten“, so wie sie es auch verdienten“. Aber es wäre ein Wunder, wenn meine gerechte Abwehr schon Erfolge zeitigen würde. Trotzdem: es ist mir ein Trost aus tiefstem Grunde, denn „den letzten beißen immer die Hunde“./

Ich kann diesen Nichtwissern nur empfehlen, sie mögen es einmal versuchen, mit dem Dienstgrad und als Hauptmann, einem Dutzend Generalen und einem weiteren Dutzend Provinzhoheitsträgern und hohen Beamten, entgegenzustellen. Da würden sie ihre Wunder erleben. Noch dazu in einer Zeit, wo jene sich an das Blitzkriegstempo gewöhnten. Noch dazu in meiner Stellung als Referent, bar jeder Sondervollmacht; eben nur als Referent, wie der Name es alleine schon besagt. Und dies alles, bei einer bewußten Dezentralisierung der Grundbefehle durch Himmler. Wäre ich damals Himmlers Referent gewesen, dann freilich hätte ich ein anderes Durchschlagsvermögen an den Tag legen können. So war ich ja nicht einmal der alleine schaltende Referent eines

 

                    /158-159/                    AE: 110

der etwa 12-14 Himmler´schen Hauptamtchefs, sondern nur der eines Amtchefs, welcher seinerseits wieder dem Hauptamtchef unterstellt war. Die Dokumente zeigen dies in aller Klarheit auf. Aber selbst schon die damaligen Geschäftsverteilungspläne zeigen die Richtigkeit meiner Darstellung in aller Deutlichkeit.

/9 Zeiten gestrichen, noch lesbar: Natürlich nach 1945, wollten gerade die örtlichen Stellen und die Zentralinstnzen welche seinerzeit so verbissen die Zuständigkeiten versuchten und diese auf hundersten Besprechungen wie die Löwen verteidigten, von solche Dingen nichts mehr wissen. Heute schreiben wir 1961; und es ist mir nur ein Trost aus tiefstem Grunde: den Letzten beißen immer die Hunde./

/ersetzt durch Text von Seite gegenüber: Über den Umfang der Dezentralisation der exekutiven Tätigkeit gibt ein Fernschreiben, daß(sic) ich am 30. März 1940 an den Inspekteur der Sicherheitspolizei und das SD nach Posen richten mußte, beredtes Zeugnis.

„Betrifft: Technisches Vorgehen bei der Aussiedlung der Wolhyniendeutschen. Verschiebung von etwa 120.000 Polen.

Vorgang;: Ohne.

Ich bitte in einem Bericht das technische Vorgehen und die vorgesehene Abwicklung der Ansiedlung der Wolhyniendeutschen im Warthegau, in allen Einzelheiten mitzuteilen.“

 

Die Voraussetzung dieser Aussiedlung war die von Himmler befohlene Aussiedlung der Polen. Ich, der ich den Fahrplan mit dem Reichverkehrsministerium erledigen sollte, kannte nicht einmal ein einzhiges Detail; und dies im März 1940. –

Daraufhin entschied dann nach Erhalt eines diesbezüglichen Aktenvermerkes das Reichsverkehrsministerium, daß die Reichsbandirektion Posen, auf 48stündigen Abruf, die notwendigen Zuge zur Verfügung stellt.

Am Rand Ziffer 28/

 

Im März 1940 wurde wieder einmal eine sachliche und personelle Umsolidierung des Reichssicherheitshauptamtes, vorgenommen. Ich hatte ab dieser Zeit das Dezernat innerhalb des Geheimen Staatspolizeiamtes, welches sich mit Judenangelegenheiten beschäftigte, mit zu übernehmen, das heißt, es wurde meinem Referat mit eingegliedert. Nicht daß ich dadurch für sämtliche Judenangelegenheiten des Reichssicherheitshauptamtes zuständig geworden wäre, sondern eben nur für diejenigen des Amtes IV. Es gab solche

 

                         /160/                     AE: 111

noch im Amt II, im Amt III und auch im Amt VII, desselben Reichssicherheitshauptamtes. Ja auch die Ämter V und VI beschäftigten sich damit, soferne ihr Aufgabengebiet am Rande damit berührt wurde.

                    ________

 

Im Nichtvorhandensein einer jüdischen Eigenstaatlichkeit sah ich das Problem Nummer 1. Nicht bin ich vermessen genug, damit etwa behaupten zu wollen, daß diese meine „geniale“ Erkenntnis etwa plötzlich des Übels Wurzel entdeckt, und ich damit den Stein der Weisen in´s Rollen gebracht hätte. Nein, solches ist akkut(?) und bekannt bereits seit dem achten Jahrzehnt unserer Zeitrechnung und zog sich durch alle zwanzig Jahrhunderte hindurch.

     Aber in tausend und mehr Verhandlungen mit den jüdischen Funktionären hörte ich stets wiederkehrend den Jammer nach eigenem Land. Ob man mir´s glaubte oder nicht, soll mich nicht stören und ist mir egal, aber ich war froh und tatenlustig, als ich von meinen Vorgesetzten, nach dem polnischen Feldzug, die Zustimmung bemerken konnte, gemäß meinem Vorschlag den Juden einen der vier künftigen Distrikte in denen dann das Generalgouvernement unterteilt war, zum jüdischen Siedlungsgebiet freizugeben. Mir schwebte ein Protektoratsstatus ähnlich dem der Slowakei war; nicht dem von Böhmen und Mähren.

 

                         /161/                     AE: 112

Es war mir klar, so etwas geht nicht von heute auf morgen, solches muß werden und braucht seine Zeit. Außerdem war zerschlagen jedes friedensmäßige organisatorische Leben in polnischen Landen; dazu kam das Durcheinander der Himmler´schen Völkerwanderung vom Osten nach Westen und von West nach Ost; chaosmehrend durch den Ehrgeiz örtlicher Machthaber.

Mein damaliger Vorgesetzter, der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und das SD in Prag, war von Heydrich mit der Durchführung des von mir mit jüdisch-politischen Funktionären wie Dr. Löwenherz, Stonfer(?) und Edelstein geborenen Planes beauftragt worden. Niskr am San, war das vorläufige Sprungbrett. Pionieren gleichend sollten vorläufig die ersten zweitausend von hier aus, nach vorgefaßtem Plane, Aufnahmemöglichkeiten für Nachkommende schaffen.

Und als die ersten Züge ausgeladen waren, Menschen und Material, Handwerker und Ärzte, Baustäbe und Verwaltungsleute, da haute der inzwischen zum Generalgouverneur bestellte „Polenfrank“, in das Kontor und machte mit einem Befehl alles wieder zunichte. Er war mit seiner Gegenvorstellung zu Hitler gelaufen und dieser schloß sich ihm nunmehr an.

     Damit war diese Hoffnung entschwunden, denn

 

                    /162-163/                    AE: 113

Frank´s politisches Ziel war die Entjudung seines Befehlsbereiches. Der damalige Befehlshaber der Sicherheitspolizei und das SD in Krakau, mit dem Zuständigkeitsbereich Generalgouvernement teilte mir mit, Frank habe Befehl gegeben, mich bei Betreten des Generalgouvernements festzunehmen. Abgesehen von der Unsinnigkeit einer solchen Weisung, denn kein örtlicher Befehlshaber der Sicherheitspolizei konnte einen Referenten des Reichssicherheitshauptamtes festnahmen, es sei denn er hätte dazu den Befehl von Müller, dem Chef des Amtes IV, von Heydrich dem Chef der Sicherheitspolizei u. d. SD, wie Himmler dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei /Zusatz von Seite gegenüber: vom zuständigen Militärbefehlshaber/ oder von Hitler dem Staatschef und Reichskanzler; trotzdem: Frank war der „alleinige Diktator“ in seinem Generalgouvernement.

                         _________

 

Kaum war in Compiegne die Unterschriftstinte des Waffenstillstandsvertrages zwischen Deutschland und Frankreich trocken geworden, gebar ich nach dem Fiakso von Nisko am San, die Ausgrabung des alten „Madagaskarprojektes“. Eine Möglichkeitsverwirklichung war nunmehr gegeben. Jedenfalls arbeitete ich den Plan einmal aus. Heydrichs Ehrgeiz kam mir hierbei zu statten. Möglich, daß er sich schon, als Gouverneur dieser Insel sah. Nebenbei, versteht sich; unter Beibehaltung seiner bisherigen, mächtigen Stellung.

 

                    /164-165/               AE: 114

Ich selbst konnte ja Himmler oder Hitler dieses Projekt nicht zum Vortrage bringen. /etwas mehr als 1 Zeile unleserlich gemacht/ Und Heydrich´s Verlangen, seine Finger in außenpolitische Dinge zu stecken, war allseits bekannt. Auch hier schwebte mir vor ein Protektorat. Der Anfangsstatus war mir ziemlich belanglos! Ich hatte diesbezüglich auch keinerlei Einfluß. Die Zeit nur konnte Rat und Endgültiges schaffen. Und nun aber, da Hitler seine Genehmigung zu Madagaskar erteilte, da fing das Rennen der anderen Stellen des Reiches an. Jeder beanspruchte ressortbedingte Federführung und Primat, an der Bearbeitung dieses für ihn neuartigen Falles. Und eh ich mich richtig versah, hatte ich es mit zwanzig und mehr Referenten zu tun. Und ein jeder hatte sein „wenn“ und sein „aber“, so wie seine Vorgesetzten es ihm befahlen. Es kam eine Gemeinschaftsarbeit zustande, die nicht im Sinne der Anfangsvorstellung lag.

Aber wie gesagt, die Zeit würde Rat und den entdültigen Status erst schaffen. Mein diesbezüglicher Kummer war nicht sehr groß, denn ich persönlich gedachte die Dinge der Insel an Ort und Stelle zu steuern. Dazu hatte ich mir bereits die Genehmigung meiner Vorgesetzten erwirkt. Es wäre bestimmt kein Konzentrationslager geworden. Und sieben Millionen Rinder auf dieser Insel, waren ein beruhigender Schatz /Zusatz von Seite gegenüber: mit einer der landwirtschaftlichen Ausgangsbasen/, mit dem alleine man schon viel anfangen konnte. Bis hoch in das Jahr 1941 arbeitete ich an der Realisierung.

 

                    /166-167/                    AE: 115

     Aber der weitere Verlauf des Krieges und die politische Radikalisierung machten den Plan durch Hitlers Gebot, dann ein Ende. /am Rand Ziffer 29; weitere anderthalb Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber: mich packt noch heute, wie damals, ein unbändiger Zorn, wenn ich an die verdammte Kopflosigkeit, Starrköpfigkeit und torheit unserer eigen(sic) Machthaber von ehemals denke. Aber nicht nur diese alleine waren es.

Natürlich sind meine Projekte von damals für die Ohren aller Polen und Franzosen nicht wholklingend. Aber man stelle sich einmal einen dampfkessel vor, der durch unsinnige Hezmethoden über den zulässigen Atmosphärendruck weiter geheizt wird. Es wird immer weitergeschürt; der Kessel wird zerreißen, wenn ich keiner um das Ventil kümmert.

Mit dem Heizen hatte ich nichts zu tun. Auch der Dampfkessel unterstand nicht meiner Kontrolle. Jedes Ministerium hatte hier seine eigenen „Kesselinspektoren“ und keiner, der da gesagt hätte, daß es so nciht weiter gehen könne. Ich hatte dazu keine Möglichkeit, denn ich gehörte nicht zu dem Gremiuzm der „Inspektoren“. Ich versuchte mich mit dem Ventil zu beschäftigen, um eine Ausreichmöglichkeit zu finden. Ob sie gut oder schlecht war, darüber hatte ich keine Möglichkeit zu befinden. Mir kam es darauf an, eine Explosion zu verhindern. Mochten sich dann später Berufenere als ich, mit einer endgültigen Normalisierung befassen. Ein Provisorium, dies war das Maximum dessen, was ich vorschlagen und ersinnen konnte. Und außer den wenigen damaligen jüdischen Funktionären hatte ich nicht einen, der heutigen Schreier und Wortverdreher, die mir dabei halfen.

Aber was sage ich: „halfen“; Schwierigkeiten und Ungelegenheiten hatte man mir bereitet.

Jawohl, ich scheue mich nicht das Kind beim Namen zu nennen; denn die war die Tatsache!/               - - - - - - - -

 

Schon gleich zu Beginn des Jahres 1941 berief die Abteilung Ie des Reichsministerium des Innern, zu einer wichtigen Besprechung. Sämtliche daran interessierten Instanzen des Reiches wurden dazu geladen. Im Wesentlichen handelte es sich um die Eingliederung neu zum Reich gekommener Personenstände, in die Reichsbürgergesetzordnung. Einen ersten diesbezüglichen Vorschlag des Ministerium des Inneren, hatte Hitler verworfen. Einen neuen, schärferen, hatte diese Abteilung nunmehr entworfen. Dieser Verordnungsentwurf trat dann am 25. Okrober, als 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, in Kraft.

Er verkündete die Ausbürgerung sämtlicher Juden bei Überschreitung der Reichsgrenze, und Einziehung ihres Vermögens, zugunsten des Reiches. /am Rand Ziffer 30/

Noch im gleichen Jahre erfolgte ein weiterer einschneidender Schritt; nämlich die Kennzeichnung der Juden. Ein Stern aus gelbem Stoff; sichtbar zu tragen. Frank, der Staatssekretär für das Sicherheitswesen in Böhmen und Mähren machte den Antrag, die Reichskanzlei und das Innenministerium wurden bemüht und Goebbels als Reichs-

 

                         /168/                     AE: 116

minister für Volksaufklärung und Propaganda erwirkte bei Hitler den Auftrag für die Kennzeichnung der Juden, im Reichsgebiet und in Böhmen und Mähren. Am 15. September 1941 trat diese Verordnung in Kraft. Zwei Jahre vorher, am 23. November, hatte Frank sie für das Generalgouvernement schon befohlen.  /am Rand Ziffer 31/    ______

                   

                         -(14)-

Am 21. August 1939 fuhr Ribbentrop nach Moskau um auf Hitlers Befehl, den Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion zu unterschreiben. Aber am 22. Juni 1941 setzten sich deutsche Divisionen aus ihren Bereitstellungsdämmen(?) heraus, zum Angriff gegen die Sowjets in Bewegung. Genau daß(sic), was Hitler in seinem Buch, der politischen Führung des Reiches während des ersten Weltkrieges vorwarf, als Fehler; genau dies, tat er nun selbst. Und damit vernichtete er sich und sein Reich. Auch Bismarck´sche Lehren waren für ihn diesbezüglich ohne Belang.

Ich weiß es noch heute, wie ich damals mit Kameraden den Pakt mit Rußland feierte; mit Bier und mit Wein, so war es der Brauch. Und ich weiß noch heute die Gefühle, die mich beherrschten, als ich von den Vorbereitungen hörte, zum Krieg gegen die Sowjets. Es gab auch in der SS zwei nach außen nie in Erscheinung getretene gefühlsmäßige Richtungen. Eine politisch links empfindende und eine extrem rechts tendierende Ein-

 

                    /169-170/                    AE: 117

stellung. Meine gefühlsmäßigen politischen Empfindungen, lagen links /Zusatz von Seite gegenüber: das Sozialistische mindestens ebenso betonend wie das Nationalistische/. Und unsere Meinung damals war, daß er Nationalsozialismus und der Kommunismus der sozialistischen Sowjetrepubliken eine Art „Geschwisterkinder“ seien. Und es mag auch sein, daß diese Einstellung besonders dem österreichischen SS-Angehörigen lag. Denn seine damaligen Feinde waren nicht Sozialdemokratie und Kommunismus; dies wurden durch die österreichische Aristokratie genau so bekämpft wie auch er; diese hatte um jene Zeit die Führungsstellen in den „Heimwehren“ inne und ihre Kampfangsage galt den Natioanlsozialisten, Sozaildemokraten und Kommunisten, gleichermaßen. Ja, es gab Zeiten, wo sich die Anhänger dieser zwei Richtugnen durch Burgfrieden und gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Kampf gegen ihren Hauptwidersacher, einig waren. Keinesfalls aber sich gegenseitig verrieten und schlechtestenfalls „Gewehr bei Fuß“ standen, wie man zu sagen pflegte.

Mag sein, daß diese Einstellung der Linkstendenz seinen Anfang in jener Zeit nahm, wie dem immer auch sei, sie war jedenfalls vorhanden.

Und der 22. Juni 1941 sah uns mißmutig und unzufrieden. Aber wir gehorchten, wie der Eid es befahl.

 

                         /171/                     AE: 118

/erster Abschnitt gestrichen, noch lesbar: Die ??? bei Minsk und Bialystok waren längst geschlagen. Die Beuteaufräumekommandos hatten ihre Tätigkeiten bereits gründlich beendet. Und nur noch etliche Dutzend halbausgeschlachteten Panzer standen in den Feldern der ausgeklungenen Schlacht./

 

Im Herbst des Jahres 1941 teilte mir mein vorgesetzter Amtchef mit, daß ich mich gemäß Befehl Heydrichs, bei ihm zu melden hätte.

Wurde man zu Heydrich befohlen, dann war eins gegen tausend zu wetten, daß vorerst stundenlanges Warten im Vorzimmer einem bevorstand. Der verschobene Stundenplan des Terminkalenders gehörte zu den Tagtäglichkeiten des Vielbeschäftigten. Ähnlich erging es mir auch mit den häufigen Vorsprachen bei meinem amtchef, wenngleich die Wartezeit hier auch nicht annähernd so lang war, als die, beim Chef der Sicherheitspolizei selbst. Es war klar, Ranghöhere rangierten immer zuerst, wie spät sie auch kommen mochten, und sie lange der dienststellenmäßig Geringere, schon wartete. Genau so war es, wenn Besucher aus der Ferne plötzlich aufkreuzten. Nun, dies war alles verständlich. Und nach dem Motto: „Die Hälfte seines Lebens, wartet der Soldat vergebens“, ergab man sich mit Gleichmut in sein Warteschicksal. 

Da mein Verhältnis zu den Adjutanten ein kameradschaftlich-freundliches war, half stets ein Gläs´chen Wein oder Armagnac über die

 

                         /172/                     AE: 119

Langeweile des Wartezimmer hinweg und Haustratsch mit dem Adjutanten verkürzte die Zeit. Aber alles hat einmal ein Ende. Ich meldete mich gehorsamst, wie befohlen, zur Stelle.

„Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen. Globocnigg(?) hat vom Reichsführer seine diesbezüglichen Weisungen erhalten. Er soll demnach dazu die Panzergräben benützen. Ich möchte wissen, was er macht und wie weit er gekommen ist. Fahren Sie zu ihm und berichten Sie mir über daß(sic), was Sie gesehen und gehört haben.“

Damit war ich entlassen.

Ich muß´te mir erst einmal den Begriff „physische Vernichtung“ ordentlich durch den Kopf gehen lassen, um die ganze Bedeutung ermessen zu können. /1 Zeile unleserlich gemacht/ Etwas Unbekanntes, Neues, Ungewohntes. Bisher Nichtgehörtes, mußte ich verdauen. Ein Blitz aus dem eben noch fröhlichen Geplauder mit dem Adjutanten.

Obwohl Heydrich ruhig sprach; nicht das üblich Nervös-Laute, daß(sic) ihn sonst auszeichnete. Donnerwetter sagte ich nur, dies ist allerhand. Und mit diesen Gedanken stieg ich ein Stockwerk höher, um mich bei Müller zu melden.

Ich teilte ihm den erhaltenen Befehl mit, aber er schien ihn schon zu kennen, denn seine Bemührungen galten dem Unterschreiben

 

                         /173/                     AE: 120

des Marschbefehles, den sein Adjutant für mich schon ausgestellt hatte.

Ich fuhr los. Üble Vorstellungen über daß(sic), was ich zu sehen bekommen würde, im Kopfe. Der einzige Trost war meine Feldflasche, die ich mir mit einem Liter Rotwein gefüllt hatte. Sie war mit braunem Filz überzogen, wie eben Feldflaschen überzogen zu sein pflegen und nur am Gewicht und am Schwinden meiner Vermutungsschilder(?), merkte ich, daß ich sie mir irgendwo in einem der Flecken die ich mit meinem Fahrer druchfuhr, wieder auffüllen lassen müßte.

So kam ich nach Lublin.

Am nächsten Tage fuhr ich mit einem Adjutanten Globocniggs zu der Stelle, über die ich berichten sollte.

Globocnigg war um jene Zeit SS Brigadeführer und Generalmajor der Polizei. Seine Dienststellung war die eines SS- u. Polizeiführers des Distriktes Lublin im Generalgouvernement. Er unterstand dem Höheren SS- u. Polizeiführer im Generalgouvernement und Staatssekretär für das Sicherheitswesen, in der Regierung des Generalgouverneuer in Krakau, SS Gruppenführer und General der Polizei, Krüger. Er und damit seine vier SS- u. Polizeiführer, waren Himmler unmittelbar untergeordnet. So viel also zum Personellen.

Nach etwa zwei Stunden Fahrt, es mögen auch nur anderthalb Stunden gewesen sein, kamen wir zu einer Waldlichtung, an der zur rechten Straßenseite ein Bauernhäus´chen stand.

 

                         /174/                     AE: 121

Dort hielt der Wagen.

/gestrichen: Eichmann    Fortsetzung folgt:   15-8-61./

Wir wurden von einem Ordnungspolizisten mit aufgekrempelten Hemdärmeln, offenbar bei der Arbeit selbst mit Hand anlegend, empfangen. Die Art seiner Stiefel und der Schnitt seiner Reithose, deutete auf einen Offizier. Bei der Vorstellung wußte ich, daß ich es mit einem Hauptmann der Ordnungspolizei zu tun hatte. Der Name ist mir in den Nachkriegsjahren lange Zeit entfallen gewesen. Erst durch die Literatur, erinnnerte ich mich wieder. Sein Name war Wirth.

Meine Vorstellungsbilder, waren traumhaftschrecklich gewesen und die Wirkung machte sich in innerer und sicher auch äußerer Beklemmung bemerkbar. Es ging mir in den letzten Tagen so, wie ich es aus meiner Schulbubenzeit her kannte, wenn ich ein schlechtes Zeugnis nach Hause zu tragen hatte. Je länger der Heimweg war, desto besser. Also ging ich auf langsamg geschaltet, im Zeitlupentempo nach Hause und zwecks Zeitstreckung studierte ich sämtliche Schaufenster der Geschäfte, mit doppelter Gründlichkeit, um den Augenblick der Übergabe meines Zeugnisses, so lange hinauszuzögern, wie eben noch möglich. /Anmerkung der Schreibkraft: denn ein schlechtes Zeugnis wurde mit brutalen Schlägen und Demütigungen geahndet/

Zwar konnt ich jetzt meine Schulbuben-

 

                         /175/                     AE: 122

manieren nicht zur Anwendung bringen. Ich konnte meinem Fahrer nicht sagen, er solle nur mit Traktorengeschwindigkeit fahren. Er jagte auf guten Straßen mit seinen achtzig Stundenkilometern und manchesmal auch mehr dahin und auf den schlechten Fahrstrecken, entsprechend gedrosselt. Heute und gestern versuchte ich es eben mit Rotwein und ablenkenden Gesprächen.

 

Besagter HauptmannWirth also, führte uns auf einen kleinen Waldweg zur linken Seite der Straße und da standen unter Laubbäumen zwei kleinere Bauernhäuser. Ich kann nich nicht mehr mit Sicherheit erinnern, ob dort im Augenblick unseres Besuches gearbeitet wurde, aber Wirth erklärte uns seinen Auftrag.

Demzufolge hatte er sämtliche Fenster und Türen hermetisch zu verschließen. In den Räumen würden nach Arbeitsbeendigung Juden kommen, welche durch die auspuffgase eines russischen U-Bott-Motors, die in diese Räume geleitet würden, getötet werden.

Das war alles, was er zu sagen hatte.

Von Panzergräben war nichts zu sehen. Juden oder Leichen sah ich keine. Und ich muß sagen, ich fühlte mich sehr erleichtert; denn das Hören und Sprechen ist stets etwas anderes als Tun

 

                         /176/                     AE: 123

oder Sehen. Dies wird jedermann mir bestätigen. Und das alte Soldatensprichwort, daß nichts so heiß gegessen wird, als es gekocht wurde, beruhigte mich doch sehr und ich weiß heute noch, daß mir auf der Rückfahrt in der Entspannung der Nerven der Rotwein und die Zigaretten besonders bekömmlich waren. Denn wenn ich es damals rückschauend betrachtete, was wurde im Laufe der Jahre nicht schon alles befohlen und dann widerrufen. Ich nahm das Vergasen einfach nicht ernst. Nach Berlin zurückgekehrt, machte ich meine Meldung Müller und Heydrich.

Kommentarlos wurde sie zur Kenntnis genommen.

Heydrichs nervöse Art und sein kurzes militärisches Verhalten Untergeordneten gegenüber, sein hoher Rang und seine enorme Dienststellung, ließen keinerlei persönliche Fragestellungen zu.

     Anders war es bei Müller. In seiner bajuwarischen, gemütlicheren Art, ließ es es zu, daß man persönliche Anliegen, Frangen und Wünsche jederzeit vorbrignen konnte, die er auch vom anfang bis zum Ende geduldig anhörte und nie unterbrach. Aber selten bekam man darauf eine Antwort. Die Regel war ein sofortiges Einschwenken auf irgendwelche dienstlichen Obliegenheiten, so, als ob Wünsche oder Persönliches nie Gegenstand des Vortrages gewesen wären. Nie wußte man, woran

 

                         /177/                     AE: 129

man war. Das einzige, welches zu Erwarten stand, tat sich kund durch ein „ja,ja!“, verbunden mit einem dünnen, väterlichen Lächeln. Gerade so, als wolle er sagen, ja mein Lieber, ich verstehe dies alles, aber da können wir gar nichts machen.

Müller selbst rührte sich in all den Jahren, in denen ich unter ihm zu arbeiten hatte, nur ganz selten von seinem Schreibtisch weg; das heißt, er nahm keinen Urlaub, war fast nie krank und machte selten eine Dienstreise. Er arbeitete bis spät am Abend und selbst dann trug ihm sein Fahrer Aktentaschen, voll von Arbeitsmaterial in den Wagen, die er in seiner Privatwohnung noch durchnahm.

Es liegen bei den Dokumenten der israelischen Anklage unter anderen, zwei Fernschreiben vor, die Müller selbst zu später Stunde des „Heiligen Abends“, unterschrieb. Sonntage und Feiertage arbeitete er rastlos durch.

Nicht nur ich, auch andere Zeugen können bekunden, daß er sich in buchstäblich alle Vorgänge, von auch nur einiger Bedeutung, ja selbst Einzelfälle betreffend, weisungsgebend persönlich einschaltete, sobald sie seine Amtszuständigkeit betrafen. /am Rand Ziffer 32/ Ich selbst war wöchentlich mindestens zweimal bei ihm zur Rücksprache. Entweder befohlen, oder ich suchte darum nach. Im Laufe der Zeit wurden die Tage so

 

                         /178/                     AE: 125

zur Routine, daß man ohne zu übertreiben, von festgesetzten Tagen und Stunden sprechen konnte. Und wen ich jedesmal nur 25 Akten mitnahm, um mir die Weisung des Chefs einzuholen – es waren aber meistens mehr – dann kann ich mir überschlagsmäßig ausrechnen, daß es im Laufe der Jahre zirka 10.000 bis 15.000 Vorgänge waren, zu denen entweder er selbst die Weisung beziehungsweise den Befehl gab, was zu veranlassen sei, und den Rest seinerseits seinem Chef zur Weisungseinholung unterbreitete. Denn Müller selbst war keine besonders entschlußfreudige Natur. Eher war er der vorsichtige, ängstliche Bürokrat. Und er verlangte auch von seinen Referenten die sture Einhaltung der bürokratischen Vorschriften. Dies alles wird ebenfalls bestätigt von dem Mann, der ihn besser kennen mußte als viele andere, jenem SS-Standartenführer und Regierungsdirektor, der gegen Kriegsende eine Zeitlang der papiermäßig amtliche Vertreter Müllers war und seine diesbezüglichen Feststellungen in einer Zeugenaussage niederlegte.

     Eines steht fest, Müller war einer der Männer, welche stets bestens über alle Vorkommnisse unterrichtet waren. Er hatte nicht nur die Funktion als Chef des Geheimen Staatspolizeiamtes, sondern auch die des Generalgrenzinspekteurs inne.

                         --------

 

                    /179-180/               AE: 126

Es muß Januar 1942 gewesen sein, daß mir Müller den Befehl gab, nach Kulm /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/ bei Posen zu fahren und ihm Bericht über die dort in Durchführung befindlichen Tötungen an Juden, zu machen.

Ich muß sagen, daß meine Besorgnisse, Furchtbares zu sehen, diesmal nicht so arge waren, als im vergangenen Herbst. Wenngleich ich in den Berichten, die innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes als Geheimumlauf zirkulierten, viel und laufend von Erschießungen im Osten inzwischen gelesen hatte. Aber ich hatte es nicht angeordnet, ich hatte es nicht zu bearbeiten, ich konnte es auch nicht beeinflussen oder abstellen; ich konnte es mir nicht einmal als Wirklichkeit so richtig vorstellen, denn ich hatte es auch noch nie gesehen. Einen Augen- oder Tatzeugen hattte ich nicht gesprochen. Ich wurde also, im damaligen Warthegau angekommen, von einem Beamten der dortigen Staatspolizeistelle nach Kulm gelotst.

Was ich allerdings jetzt dort zu sehen bekam, dies war das Grauen schlechtweg. /Zusatz von Seite gegenüber: Und meine Vorstellung, ich könnte ähnlich gut davonkommen, wie letzten Herbst bei Lublin wurde durch die gräßlichste Wirklichkeit, die ich je sah, gewandelt./ Ich sah nackte Juden und Jüdinnen in einen geschlossenen Omnibus ohne Fenstern, einsteigen. Die Türen wurden zugemacht und der Motor angelassen.

 

                         /181/                     AE: 127

Das Auspuffgas entströmte aber nicht in´s Freie, sondern in das Innere des Wagens, Ein Arzt im weißen Kittel, machte mich auf ein Guckloch beim Fahrersitz aufmerksam, wodurch man in das Innere des Wagens sehen konnte und forderte mich auf, den Vorgang anzusehen.

Das konnte ich nicht mehr. Mir fehlten auch die Worte, meine Reaktion zu diesen Dingen wieder zu geben, denn es war alles zu Unwirklich. Ich glaube, daß ich mich selbst in jenem Augenblick gar nicht mehr bewußt unter Kontrolle hatte. Ich war auch nicht fähig gewesen, den Befehl Müllers, die Zeit der Tötung zu stoppen, durchzuführen. Ich hatte darauf vergessen gehabt; und wäre auch physisch nicht fähig dazu gewesen. Dann setzte sich dieser Omnibus in Bewegung. Ich selbst wurde zu einer Art Waldwiese gefahren und als ich dort ankam, bog auch schon dieser Omnibus ein, er fuhr an eine ausgehobene Grube; die Türe wurde aufgemacht und heraus purzelten Leichen; in die Grube hinein. Eine über die andere. Das war ein schauriges Inferno. Nein, es war ein Superinferno. Eben sah ich sie noch lebendig. Nun waren sie samt und sonders tot. Und dann sprang ein Zivilist in die Grube, kontrollierte die Münder und brach mit einer Zange die Gold-

                         /Zusatz: Fortsetzung siehe Seite 128/

 

                    /182-184/               AE: 128, a-b

zähne aus. –

/Siehe Seite 128a und b/  128a

Wenn ein Mensch plötzlich vor eine Sache gestellt wird, die er sich in seiner Grauenhaftigkeit auch nicht im Ungefähren vorher hatte ausmalen können, trotzdem er mit einigen Worten auf ungeheure Geschehen vorbereitet wird und sich mit üblen Vorstellungsbildern bereits herumzuplagen hatte, dann tritt ein Zustand ein, der von einem Nichtpsychologen nur sehr schwer wieder gegeben werden kann.

Ich weiß noch, daß ich mich in die Haut meines Handrückens zwicken mußte, um festzustellen, daß ich wach bin, daß das, was ich sehe, Wahrheit ist, und daß ich nicht nur träume.

Ich kann mich erinnern, als man mich an jenem Maiabend in Buenos Aires überfallen hatte, dreißig Meter von meiner Wohnung entfernt, Füße und Hände zusammenband und mich mit einem Personenwagen auf eine Quinta brachte, in ein Pyjama steckte und mich mit den Füßen an ein Bett fesselte, nachdem mir die Augen verbunden waren; da zwickte ich mich ebenfalls in die Haut meines Handrückens, um festzustellen was nun eigentlich daß(sic) ist, träume ich, oder hat sich daß(sic), was ich mir eben einbilde, wirklich zugetragen.

So ähnlich, erging es mir auch damals. Ich selber hatte mit den Dingen nichts zu tun. Meine mir befohlene Aufgabe war, nur zu sehen und darüber zu

                         128b

berichten. Ich weiß nicht, ob wenn man mit solchen Dingen als Befehlender oder Ausführender zu tun hat ebenfalls solche Art Lähmungserscheinungen oder Einbildungen Platz greifen, aber mein Realitätsbewußtsein war irgendwie völlig verändert. Es kam eibnem Hin- und herklettern vom noch Denkbaren, zm Unwirklichen gleich; eine verschobene Welt, in der ich nur Wellen sah, auf denen sich alles bewegte.

Aber dann fällt mir plötzlich ein, na mußt doch mal kontrollieren, ob dies alles Wahrheit ist; der Zwickschmerz bestätigts dann. Es ist merkwürdig und erstaunlich, in welche Situationen ein Mensch kommen kann, und früchterliche Vorstellungskomplexe beherrschten mein Wachsein und verließen mich selbst nicht im Schlafe /anderthalb Zeilen unleserlich gemacht, die folgenden Zeilen in veränderter Schrift/. Ob nicht auch mangelnde Civilcourage mit einer der Gründe waren, daß man dies alles mitmachen konnte; dies frug mich einer der Richter, während des Prozesses gegen mich. Dies ist richtig, und träfe auch zu und ich sagte ihm etwa, Civilcourage habe das deutsche Offizierskorps nicht gekannt. Es ist wahr; und das Wort selbst besagt es ja förmlich schon.

Pflicht; Befehlserfüllung; Gehorsam und Treue! Aber Civilcourage kam im Dienstreglement nirgends vor.

Es ist eigentlich sehr bedauerlich muß ich sagen.

              

/zurück auf Seite 128/

Ich fuhr nach Berlin.

Ich hatte nur Müller zu berichten. Nach der Meldung sagte ich ihm, ich hätte nur eine andere Dienstverwendung, dafür sei ich nicht der richtige Mann. Rein nervlich halte ich solches nicht aus; das sei keine politische Lösung! Diesmal antwortete er mir: Der Soldat an der Front kann sich auch nicht aussuchen wo er gerne kämpfen möchte. Er hat doch seine Pflicht zu tun, wo man ihn hinstellt.

                    ________

 

Kamen mir bislang schon öfter Bedenken, ob das Tun der Götter selbst bei größter Nachsicht noch als Götterhandeln zu bezeichnen wäre, dann hatte ich als der Weisheit letzter Schluß mir stets noch sagen können, mit Ausnahme der Flammen vom 10. November 1938, hast Du ja noch gar nichts von all dem Greuel gesehen. Es sind alles Berichte. Teils waren es Hörensagenberichte, teils freilich dienstliche Berichte. Aber zwischen dem Buchstaben und dem Bild war es eben ein gewaltiger Unterschied. Besonders dann, wenn man – wie ich – damit ja dienstlich gar nicht befaßt ist. Und auch Müller hatte es nicht befohlen; auch er hätte es nicht abzustellen vermocht.

/ca. 1 Zeile durchgestrichen, neu geschrieben/

Jetzt aber diente ich Götzen; dies wurde mir klar.   

 

                         /185-186/               AE: 129

/5 Zeilen durchgestrichen, ersetzt durch Text auf Seite gegenüber:

Alles daß(sic), für welches ich mich tatsächlich begeistern konnte, eine Lösung des Problems auf politischer Basis zu suchen und zu finden, daran mitarbeiten zu können, zum Whole beider Parteien, war in mir zerbrochen worden. Von dem Schaurigen selbst, will ich gar nciht weiter sprechen, denn meine an sich sensible Natur revoltiert beim Anblick von Leichen und Blut.

Und dabei wäre es ein Leichtes, ein Kinderspiel geradezu gewesen, im Vergleich zu der jetzt befohlenen Gewaltlösung, zumindestens ein Provisorium einer politischen Lösung zu schaffen; es hätte ja nichts Endgültiges zu sein brauchen. Während eines Krieges begnügt sich jeder oft nur mit einer Teillösung der Probleme, wenn es eben nicht anders geht. Der Frieden brächte schon automatisch Klärendes, Festes.

Wie hatte ich mir, von meiner Warte aus, den Kopf zerbrochen, um nach Auswegen zu suchen.

Zu eienr solchen Gewaltlösung aber hatte ich von mir aus wahrhaftig nichts dazu beigetragen und ich konnte meine Hände, wie weiland Pontius Pilatus in Unschuld waschen. Aber wem konnte selbst dieses dienen?

Wer den Tiger reitet, kann jedoch nicht mehr absteigen./

Dabei war mein Vaterland in Not. Der rieg gegen Rußland und Angland in vollem Gange. Und am 11. Dezember 1941 hatte Deutschland den USA den Krieg erklärt. Alles unvorstellbar. Der Befehl Müllers: Dort habe ich meine Pflicht zu tun, wohin ich gestellt würde. Ein aussuchen gibt es für den Soldaten nicht. –

Ausweglos; längst schon war ich für die Dauer des Krieges, gleich den anderen Angehörigen des Sicherheitsdienstes, zur Kriegsdienstleistung /ca. 2 Zeilen gestrichen/ verpflichtet worden. Da wurde man nicht gefragt; es war eine Verfügung von Oben!

Vielleicht hätte ich, wenn ich den Befehl bekommen hätte, zu töten oder Tötungen zu befehlen, sagen können: nein, es kann mir niemand befehlen, Zivilisten zu töten, wenn diese sich nicht aktiv gegen die Kriegsgesetze vergangen haben. Aber ich bekam ja soclhe Befehle nie. Jemand, der in einem Einsatzkommando war und Tötungsbefehle bekam, der hätte die Möglichkeit gehabt; ob mit Erfolg oder ohne bleibt dahingestellt.

 

                    /187-188/               AE: 130

Einige wenige Fälle sind nachweisbar, wo es den betreffenden Ansuchenden gelungen ist, sich von der Befehlsausführung entbinden zu lassen. Ich weiß nicht utner welchen Umständen, denn ich hörte darüber, selbst erst in Israel. Aber wie dem auch sei. Ich saß in Berlin hinter dem Schreibtisch und hatte nichts diesbezügliches zu befehlen.

Mir fehlte zu einem Ansuchen um Versetzung mit der Hoffnung auf Erfolg jede entsprechende Untermauerung. Ich hatte es ja eben wieder erlebt gehabt. Genau wie schon einmal im Spätherbst 1939. /Zusatz von Seite gegenüber:

Ab meiner Versetzung zur Geheimen Staatspolizei unterstnad ich erst recht dem Zwang.

Äußerlich durfte ich mich dagegen freilich nicht in Form von Disziplinlosigkeiten hinreißen lassen. Innerlich stand ich gegen Zwang und Druck und nahm, den Rahmen der befohlenen Subordination nicht verlassend, auch in Worten dagegen Stellung.

Es ist klar, ohne Erfolg; denn mein unmittelbarer Vorgesetzter, dem ich solches vortrug, stand ja selbst auch unter dem Zwang und Druck. Ja, wahrscheinlich mehr noch als ich selbst. Denn der Grad seines Wissens an Geheimvorgängen, war sicherlich ungleich größer als meiner. In dem Maß ich die Nutzlosigkeit einer persönlichen Opposition gegen diesen Druck erkannte, in dem Maße fügte ich mich, nach dem Prinzip des Gummiballes diesem Zwang, und erkannte ihn schließlich als eine Art Gesetzmäßigkeit, der ich mich nicht zu entziehen vermochte, an. Ich lebte in einem Zustand, in dem man sich mit dem Neuen schwer zurecht fand, denn es kämpften in mir die Produkte genossener Erziehung, mit dem Totalitätsanspruch der neuen, freiwillig gewählten Führer. Freilich, im Augenblick dieser Wahl, ahnte ich nicht ihre umfassenden Forderungen an meine Gesamtperson; an meine physische und psychische Persönlichkeit.

Und so konnte ich schließlich froh sein, wenn ich mir, alles in allem, doch noch eine gemäßigte – bürgerliche Form und Art, die sich niederschlagsmäßig in meiner Tätigkeit darbot, bewahrte. Denn ich lebte in einer Umgebung, in der die Ästhetik der Toleranz dahin schwand, wie der Schnee in der Märzsonne.

Ich hatte es innerlich dazu gebracht, daß ich (Fortsetzung nächste Seite im 2. Drittel)/  nicht einmal für meinen tagtäglichen Bürokram in der Aktenbearbeitung Entscheidungen zu treffen brauchte. Wegen jedes Detailfalles, stand mir jederzeit der Weg zu meinem Amtchef offen. Persönlichen inneren Belastungen konnte ich dadurch aus dem Wege gehen. Ich ging diesen Weg seit meiner, gegen meinen Willen befohlenen Versetzung. Meine diesbezügliche Gepflogenheit war referatsbekannt und darüber hinaus. /anderthalb Zeilen unleserlich gemacht/ Hatte ihn mein Chef entschieden, dann selbstverständlich traf ich die angeordneten sicherheitspolizeilichen Vorkehrungen. Dazu war ich ja eidlich verpflichtet.

So gerne ich im Nachrichtendienst tätig war,

                              Fortsetzung siehe Seite 131!

 

                    /189-190/                    AE: 131

so lästig war mir der exekutive Teil des Polizeidienstes.

So sehr ich die Befehlsgebung der deutschen Reichsregierung aus Sorge um das Reich, mit stets pessimistischerer Betrachtung beobachtete, egal ob es sich um die mir unnötig erscheinenden Serien der Kriegserklärungen handelte, oder um Befehle im Hinblick auf die Judenfrage, mmir blieb in anbetracht meines Dienstgrades als SS-Oberstleutnant und meiner Dienststellung als Referent, als Befehlsempfänger also, nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Die Verantwortung hatten die verantwortlichen politischen Führungsstellen und die örtlichen und sachlichen Befehlsgeber dieser Reisspitzen zu tragen.

Ich war eingespannt, und konnte auf legalem Wege nicht anders marschieren; gleich tausenden anderen Oberstleutnanten. Mochten die anderen Tun(sic), was sie glaubten; ich konnte sie nicht hindern; ich hatte es auch nicht zu verantworten.

Meine Aufgabe war es, meinem Fahneneid getreu zu bleiben und wie ich es eben wieder gehört hatte, meine Pflicht dort zu tun, wohin der Befehl mich stelle.

/3 Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber:

Aber eines erkannte ich jetzt mit aller Deutlichkeit, daß das „handeln müßen“ nach einem dem Menschen innewohnenden Sittengesetz für mich schwer, wenn nicht unmöglich wurde, bedingt durch die Gesetze des Krieges, denen ich unterworfen war und die mich willen- und wollensmäßig, entgegen meiner inneren Auffassung, banden und unfrei machten.

Freilich erkannte ich dieses bereits ab der Zeit meiner Versetzung zum Geheimen Staatspolizeiamt, im spätherbst 1939; jedoch nicht mit der jetzigen erschreckenden Deutlichkeit. Denn ich lebte bis zum Herbst 1941 in dem Wahn einer politischen Lösungsmöglichkeit. Daß solches eine Wahnvorstellung meinerseits war, dies mußte ich nunmehr erkennen.

Und ich erkannte auch, daß sich die damaligen Führer des Reiches um sittliche Forderungen nicht kümmerten; schon gar nicht um Kantßsche Auffassugnen von den Dingen. Sie scherten sich den Teufel darum. Ihre Einstellung glat alleine nur noch dem Augenblick und selbst da versagten sie infolge Plan- und Ideenlosigkeit, und verloren im sinnlosen Hin und Her, jede Initiative des Handelns auf dem Sektor der Kriegsführung.

Aber auch auf der anderen Seite, auf der Seite verschiedener Führungsmitglieder der verschiedenen damaligen Feindseiten, kann man keinesfalls für sich in Anspruch nehmen, etwa ethisches Wollen, für sich gepachtet zu haben.

Die Politik ist und bleibt eine ganz gewöhnliche Hure.   (Fortsetzung siehe Seite 131a und b)!

 

                         /192/                     AE: 131a

Nicht daß ich heute etwa dem verlorenen Kriege nachtrauern würde. Ich stehe seit langem über meiner diesbezüglichen Nachkriegseinstellung.

     Mein einziges Wollen wäre, Kriege und deren unausbleibliche Folgen, unmöglich zu machen. Aber wenn ich die Dinge von damals beschreibe, dann muß ich mich rückversetzend zu ihnen einfinden. Ich muß sie gleichsam noch einmal erleben und durchleben, damit ich sie hier wiedergeben kann.

Ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkt daß der Krieg dem deutschen Volk ursprünglich aufgezwungen worden ist. Wirtschafts und Konkurrenzneid standen hier Pate. Ich bin mir aber dessen nicht sicher, daß er unvermeidbar gewesen wäre, hätte unsere eigene Regierung ein anderes Verhalten gezeigt. Sicher bin ich mir hingegen, daß der Krieg seine Ausweitung durch Dummheit und Verkennung aller Realitäten seitens unserer eigenen Führung erfuhr; dies kommt noch zu allem übrigen dazu. –

Und so teilte sich das deutsche Volk nach und nach in mehrere Gruppen, zusätzlich zu denen, welche ohnedies schon bestanden.

Diejenigen, deren Ausrichtung und Einstellung rein trieblich bedingt war; ihre Problemstellung war einfach und umkompliziert.

Diejenigen, welche äußerlich wohl mitgingen und eidgetreu den Befehlen gehorchten; innerlich aber Distanz nahmen, aus Gründen die ich eben schilderte. Und drittens diejenigen, welche sich nunmehr sowohl innerlich, als auch äußerlich distanzierten, ja sabotierten. 

/folgende Zeile angefangen, gestrichen/

 

                         /193/                     AE: 131b

Die Konsequenz dieser Uneinheitlichkeit bei den Befehlsempfängern fand letztlich in einem geringeren Durchstehvermögen seinen sichtbaren Ausschlag. Daran ändert auch nicht die haltung der Zivilbevölkerung in den Zentren der Bombenschlachtfelder und nichts der Opfermut einzelner Divisionen und Armeen; auch nichts änderte daran die sture eidgetreue Einstellung der Kriegsmarine und Fliegergeschwader. Es griff allenthalben, nach und nach, eine Dekonzentration, eine Zerstreuung Platz, als genaues Spiegelbild, des Verhaltens der Führung des Reiches. Sie glaubte in ihrer Überheblichkeit, in Zeiten des Krieges Maßnahmen durchführen zu können, die unter normalen Zuständen unmöglich gewesen wären und bedachte – von allem sonstigen jetzt einmal absehend – nicht die unausbleiblichen psychologischen Folgen.

Ich gehörte nicht zu der Gruppe, die scließlich zu einem „20. Juli 1944“ führte; ich gehörte nicht zu der rohesten Gruppe, deren innere und äußere Einstellung gleich blieb. Ich zählte zu jenen, die äußerlich gehorchten, nichts taten was sie mit ihrem geleisteten Eid in Konflikt brachten(sic) und ehrlich und aufrichtig dienten und ihre befohlene Pflicht erfüllten. Durch die innere Einstellung jedoch kam es zu einer Art Persönlichkeitsspaltung; ein Zustand der hinderte. Ein Zustand, der jeden Schwung und jeden Elan töten mußte. Ein Zustand, unter dem der einzelne mehr litt als er jemals zugeben wollte, oder zugab. Und er betäubte sich selbst, durch „Pflicht“ und „Eid“; und „Treue“ und „Ehre“.

/S. /191/ war plaziert gegenüber Seite 131a, dort allerdings kein Verweis darauf. Der gestrichene Abschnitt im unteren Drittel ist teilweise noch lesbar: … in der bloßen Existenz der Gattung Mensch zu erblicken, besser gesagt, ich zweifelte in solchen Momenten daran, daß die Natur einen solchen je erwog. Dann aber mußte ich solche Gedanken wieder verwerfen, denn die Gesetzmäßigkeit der Natur kennt nicht den Zufall und kennt nicht gewollten Verderb. Wir Menschen sind es ausschließlich selbst, die dem Natürlichen in´s Handwerk pfuschen wollen./

/zurück auf Seite 131, nach 3 unleserlich gemachten Zeilen:/

Aber abgesehen davon gleichgültig, was es für ein Staat ist: Verräter und Befehlsverweigerer, Saboteure und Selbstverstümmler erfahren in Zeiten des Krieges,

 

                         /194/                     AE: 132

seitens der Staatsführung jene Behandlung, /2 Zeilen unleserlich gemacht/ die auf Fahneneidbruch steht.

Mir ist auch nicht bekannt geworden, daß sich daran selbst nach 1945 etwas geändert hätte und die auch nach diesem Jahre vorgekommenen Verbrechen an der Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und andere Greuel, sind Leion. Und dies trotz Magna Carta, UNO und anderen Sicherungsbestimmungen. Menschliche Unzulänglichkeit, heute und gestern, wohin man auch sieht. Nichts hat sich geändert.

Aber nicht die Taten unserer seinerzeitigen Machthaber will ich damit beschönigen. Ich diene in dieser Arbeit niemandem; und ich beschönige nichts. Wie ich überhaupt durch meine Erfahrung jeden besonderen Obrigkeitsrespekt verloren habe.

/Abschnitt von 10 Zeilen unleserlich gemacht/

Fürwahr, ich schreibe zu niemanden Lob und mir ist es egal, ob meine arbeit gelesen, egal, ob sie gelobt oder verdammt wird.

/2 Zeilen unleserlich gemacht/

Ich will nur warnen. Und warnende Worte sind weder Honig noch Milch. Sie sind dürr und trocken wie die Dornenbüsche der Pampa, oder wie bleichende Knochen in der Wüste.

                    ______________

 

                    /195-196/                    AE: 133

/auf S. 195 oben steht nur: großer Absatz!/

    

Die Leute selbst, die ich an den Stellen der Tötung oder mit Vorbereitungsarbeiten zu dieser sah, waren durch die Einschaltung der „Kanzlei des Führers“ zur Verfügung gestellt worden.

Der Oberdienstleiter Brack von dieser Kanzlei, dessen Name in einigen Dokumenten, welche während des Prozesses gegen mich, auch aufscheint, hatte diese Angelegenheit mit Himmler selbst direkt geregelt. Er hatte die Tötung der Geisteskranken durchzuführen gehabt und bot nach Beendigung seiner Tätigkeit das Personal, welches ihm zur Verfügung stand Himmler an, worauf Brack dieses Globotnigg zur Verfügung stellte. Wirth war urspränglich Beamter der mittleren gehobenen Laufbahn, an einer Kriminalpolizeistelle im Südwesten des Reiches. Ich sah ihn in der Uniform eines Offiziers der Ordnungspolizei und während des Prozesse zeigte mir mein Verteitiger(sic) eine Photographie, die ihn als SS-Sturmbannführer wiedergab. Wirth leitete die Vergasungstötungen im Befehlsbereich Globocniggs.    

 

In Kulm wiederum, hing in dieser Sache der Gauleiter und Reichsstatthalter Greiner persönlich. Er korrespondierte diesehalb mit Himmler. /am Rand Ziffer 33/ Bothmann, der Leiter der Vergasungsstelle Kulm, kam ebenfalls aus dem Euthanasiestab Bracks, von der „Kanzlei des Führers“, genau wie Wirth.

 

                         /197/                     AE: 134

Aber auch das Reichssicherheitshauptamt war den Tötungen durch Auspuffgase direkt beteiligt, wie dies während des Prozesses vorgelegte Dokumente einwandfrei bewiesen haben. Aber es war nicht das Amt IV, welches hier seine Finger drin hatte, sondern das Amt II. Ein ganzes Bündel an Schriftverkehr liegt hier vor. Diese Omnibusse wurden für den vorgesehenen Zweck durch das Amt II, entsprechend umgebaut und dann zu den Einsatzgruppen nach dem Osten geschick. Dies besagen die Dokumente mit aller Deutlichkeit.    

 

Es wird mit nie erklärlich werden, warum Müller mich mit einer sturen Gleichförmigkeit in jener eit von Ort zu Ort der Tötungen schickte, obgleich er meine jeweilige Verfassung nach Rückkehr zur Berichterstattung kannte. Obgleich er wußte, daß mit eben derselben Sturheit meinerseits die Bitte um Transferierung kam, obzwar auch ich wußte, daß mit eben derselben Automatik nicht darauf eingegangen wurde. Müller hatte sicher mit den Gaswagen persönlich nichts zu tun. Und wen ein zeitweiliger formeller Zwischenvorgesetzter auf dem Dienstweg zwischen mir zu Müller, mit Namen Hartel, nach 1945 in Nürnberg sagte, Müller habe ihn nach dem Osten geschickt, um „hart“ zu werden, und als er Kommandos zum Erschießen aus persönlichen oder nervlichen Gründen nicht übernehmen konnte, ihm    

 

                    /198-199/                    AE: 135

erklärt, er müße eigentlich nicht „Hartel“, sondern „Weichel“ heißen, so kann ich dies nur schwer glauben.

Unter Ausrichtung auf diese Aussage, frug mich der Generalstaatsanwalt im Kreuzverhör, ob Müller mich auf Grund meiner Berichterstattung nicht auch statt „Eichmann“ mit „Weichmann“ bezeichnet habe; ich mußte diese Frage verneinen.

Müller hat auch diesen Einsatzgruppen nicht die Tötungsbefehle gegeben; diese Befehlsgebung nahm Heydrich vor, wie aus den Aussagen der Einheitschefs ganz klar hervorgeht. Nie gab mir Müller irgendwelche Befehle für die Kommandos die zu besuchen er mir befahl. Nichts anderes als zu seiner persönlichen Unterrichtung wurde ich in Marsch gesetzt. Wie gesagt, es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, warum er mich dazu ausersah, wo es Dutzende konstitutionell robustere Naturen als mich, gab.

/Zusatz von Seite gegenüber: Ich will meinen ehemaligen Vorgesetzten weder entlasten, noch belasten mit Dingen, von denen ich nichts Genaues weiß. Eine Entlastung ist bei seinen gehabten Zuständigkeiten ohnehin nicht möglich und eine Belastung überlasse ich den Dokumenten denn da steht alles viel genauer verzeichnet, so genau, wie es mir nach inzwischen vergangenen rund 20 Jahren, nicht mehr möglich ist, die Dinge wieder zu geben./

Aber es hat auch keinen Zweck über solche Dinge heute nachzudenken; Geschehenes kann man nicht ungeschehen machen. Ich bekam den Befehl und hatte die Berichterstattungsreisen anzuführen(?).

Daher schicke ich mich zur Schilderung der nächsten Inmarschsetzung meiner Person nach Minsk an.

Es war um dieselbe Zeit, etwa Januar 1942, als ich die Weisung erhielt ihm über die Vorgänge in der genannten

 

                         /200/                     AE: 136

Stadt zu berichten. Es war bitterkalt und ich trug einen langen, gefütterten Ledermantel und nahm mir die entsprechende Alkoholreserve mit, denn ohne dieser konnte ich diesen Befehlen nur unter stetigem Sinnieren nachkommen. Der Alkohol aber schuf einige Betäubung. Es ist klar, daß der Grad, nie zur Trunkenheit heranlangen durfte, denn ich fuhr ja in Uniform mit Fahrer, in einem Polizeifahrzeug. Aber es ist erstaunlich, welche Alkoholmengen der Mensch bei aufgepeitschten Nerven braucht, um sie einigermaßen in Rand und Band zu halten. Freilich wäre Schnaps besser gewesen als Rotwein, aber Schnaps trank ich nur, wenn Wein nicht erhältlich war.

Ich kam an einem Abend an. Und am nächsten Tag hatte ich mich verspätet. Die mir genannte Stunde war längst überschritten, so kam ich erst zur Stelle, als die letzte Gruppe erschoßen wurde.

Als ich den Exekutionsort anfuhr, knallten die Schützen in ununterbrochenem Dauerfeuer in eine Grube vom Ausmaß mehrere großer Zimmer. Sie schossen mit Maschinenpistolen. Angekommen sah ich eine jüdische Frau mit einem kleinen Kind in den Armen in der Grube. Ich wollte das Kind herausreißen, aber da zerschlug eine Kugel den Kopf des

 

                    /201-202/                    AE: 137

Kindes. Mein Fahrer wischte mir vom Ledermantel kleine Gehirnstücke. Ich stieg in meinen Wagen. –

Berlin, sagte ich meinem Fahrer. –

Ich aber trank Schnaps, als sei es Wasser. Ich mußte trinken.

Ich mußte mich betäuben.

Und ich dachte an meine eigenen Kinder; um jene Zeit hatte ich zwei.

Und ich dachte über den Unsinn des Lebens nach.

/3 Abschnitte unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber:

Und ich fand keine Ordnung mehr, im Wollen und Willen des Waltens. Es war unsagbar schwer, in diesem Chaos überhaupt noch an etwas zu glauben./

 

                    /203-204/                    AE: 138

Und ich stellte mir vor, als sei daß(sic), was die christlichen Konfessionen mit Hölle bezeichnen, nicht etwas Künftiges, mit dem sie die Menschen verwarnen, sondern es konnte nur so sein, daß wir uns samt und sonders bereits in dieser „Hölle“ befanden.

/gute 12 Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber:

Es war die einzige Erklärung.

 

Glaube und Liebe; Ethik, Ästhetik; die ganze Erziehung; alle Sorge und Hoffnung legten die Eltern in ihr hinein.

Das denkende Hirn machte sodann den eigenen Versuch der Vorstellungsformung im Rahmen der passenden Möglichkeit. Es fand dazu untere anderem die Brücke und Hilfe, in Kant. /6 Zeilen bis Ende der Seite unleserlich gemacht/

 

                         /205/                     AE: 139

Wie konnte ich all dieses einpassen und in Gleichklang bringen, zu dem was ich sah? Es war zum verzweifeln.

Aber die Überlegungen gingen noch weiter.

Der Grund meines innneren Anschlußes an die Partei, war das Unrecht. Es war das Diktat von Versailles. Und jetzt brachten wir selber das Unrecht in vielfacher Form. Das Oberhaupt des Staates persönlich befahl es.

Meine eigenen Gerichtsherren und der höchste Gerichtsherr der SS- und Polizeigerichtsbarkeit, befahlen dies alles, und sie befahlen auch mir.

/11 Zeilen unleserlich gemacht/

 

Und hier versuche nun einer mal Ordnung zu machen und all diese vielen, divergierenden Komponenten auf eine innerlich beruhigende Resultante zu bringen. Es ist ein Ding der Unmögkeit(sic).

                         /206/                     AE: 140

In solche ein inneres Gestrüpp brachte einen die damalige Reichsführung. Im Nachhinein ist es für Dritte immer leicht reden. Aber was hätten sie selbst in einer solchen Lage getan?

Ist der Motor eingeschaltet und sind die Wellen gekuppelt, dann müßen die Räder laufen, egal ob der Schlauch, die Seele des Reifens, platzt, egal ob selbst der Reifen zerfetzt wird, sie müßen laufen, und wenn es nur noch auf zerschlagenen Felgen dahingeht; solange, bis der Motormann anderen Sinnes wird, oder der Wagen zum Teufel geht.

Mit einem solchen Rade bin auch ich vergleichlich; sind viele vergleichlich. Aus eigener Kraft kann solch ein Rad nicht abspringen, selbst wenn es merkt daß bei dem Motormann nicht mehr alles in Ordnung sein kann.

Dies ist das Los der Befehlsempfänger. Nun ich´s nicht ändern konnte, tat ich das einzige, was ich tun konnte. Gehorsam führte ich die mir erteilten Befehle aus. Wäre Frieden gewesen, dann wäre es leichter für mich meine Lage zu ändern, im Vergleich zu dem totalitären Anspruch des Staates, auf die Person, die er in Kriegszeit erhebt; gleichgültig, was er befiehlt.

                    _______________

                         /207/                     AE: 141

                    -(15)-

     Ich muß nun abermals zeitlich wieder etwas zurückschalten, und nocheinmal das Jahr 1941 beleuchten.

Die von Himmler befohlenen Deportationen erstreckten sich von zeitweiligen Unterbrechungen abgesehen auch in dieses Jahr hinein. Aus Ostpreußen, und zwar aus jenem neu zu dieser Provinz hinzu gekommenen Kreisen, aus dem Warthegau, ja auch sogar aus Wien.

Ich habe ein Fernschreiben vor mir liegen, welches am 13. Februar 1941 an alle Staatspolizeistellen außer Wien ausging, und von mir unterschrieben wurde.

Es heißt darin u.a.:

„Betrifft: Evakuierung der Juden aus Wien in das Generalgouvernement. In Anbetracht der besonders gelagerten Verhältnisse in Wien, hat der Führer die Evakuierung der in Wien ansäßigen Juden angeordnet.

Die Staatspolizeistelle Wien hat (bereits) am 1. Februar 1941, eine Verfügung erlassen, nach der Juden, die in Wien ihren ständigen Wohnsitz haben, das Gaugebiet Wien nicht verlassen dürfen.“

 

Diese Hitlerverfügung hatte sich gemäß einer Aussage Baldur von Schirachs, des ehemaligen Gauleiters von Wien, anläßlich einer Vorsprache, die er bei Hitler hatte, ergeben. Daher auch konnte die Staatspolizeistelle Wien – Gauleiter, Reichsstatthalter und Oberpräsidenten hatten gegenüber ihren örtlichen Stellen Weisungsrecht – eine

 

                         /208/                     AE: 142

Sperrverfügung für ihren Zuständigkeitsbereich erlassen, ehvor noch das Reichssicherheitshauptamt hiermit befaßt wurde. /am Rand Ziffer 34/

     Aber am 15. März mußten bereits sämtliche Evakuierungstransporte aus den eingegliederten deutschen Ostgebieten, bzw. Wien, in das Generalgouvernement eingestellt werden. Die Operationsabteilungen des deutschen Generalstabes, wünschten für ihre Aufmarschpläne gegen Rußland in den Bereitstellungsräumen, freie Hand zu haben, und durch keinerlei sonstige Transportbewegungen gestört zu werden.

Müller unterzeichnete den entsprechenden Einstellungsrunderlaß. /am Rand Ziffer 35/

 

     Im Juli 1941 schickte Göring, in seiner Eigenschaft als Reichsmarschall, als Beauftragter für den Vierjahresplan und als Vorsitzender des Ministerrates für die Reichsverteitigung(sic), an Heydrich eine Bestallungsurkunde, die ihn ermächtigte alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht, für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa zu treffen. Er wünschte diesbezüglich in Bälde einen Gesamtentwurf vorgelegt zu erhalten. /am Rand Ziffer 36/

     Die Bemühungen Heydrichs, den euroäischen Auftrag zu erhalten, hatte(sic) insoferne ihre Schwierigkeiten, als sein diesbezüglicher Nebenbuhler, der deutsche

 

                    /209-210/                    AE: 143 a

Reichsaußenminister, auf diesem Gebiete ohne jeden Zweifel, seine nicht abzusprechenden federführenden Zuständigkeiten nachweisen konnte. Es hatte zwischen Heydrich und Ribbentrop ohnedies schon genügend Mißtrauen gegeben, seit der Madagaskarplan wieder einmal aktuell wurde. /Zusatz von Seite gegenüber: 143a

Obwohl mir aus eigener Erfahrung bekannt ist, wie sehr die Zentralinstanzen bemüht waren, auf ihrem Gebiet auch sämtliche Zuständigkeiten im Falle einer Madagaskar-Verwirklichung in ihre Hände zu behalten, so habe ich nie etwas davon gehört, daß der Chef der „Kanzlei des Führers“, Philip Bouhler, zum gouverneur dieser Insel vorgeschlagen worden wäre, noch daß irgend jemand aus der Kanzlei des Führers, hier unmittelbare diesbezügliche Wünsche oder Hoffnungen hatte. Es war dieses ausschließlich ein Kampf zwischen Heydrich und Ribbentrop. Die anderslautende Darstellung des Oberdienstleiters Brack von der "Kanzlei des Führes“, die er im Jahre 1947, in Nürnberg abgab, ist sicherlich nur aus Verteitigungsgründen(sic) abgegeben worden. Hingegen weiß ich mit Sicherheit, daß es insbesonders die „Kanzlei des Führers“ war, welche laufend Verschärfungspunkte eingebaut wissen wollte und daß sie es war, welche meine ursrpngliche Madagaskar-Konzeption umkrempelte. Bouhler hat im Mai 1945 in Zell a/See im Salzburgischen (Österreich) Selbstmord begangen und Brack wurde 1948 in Landsberg hingerichtet./

Heydrich jedenfalls brachte seine Zuständigkeitsrechte für diese Madagaskarlösung durch eine schriftliche Versicherung der hierfür zuständigen Reichsspitze, Göring, zu erhalten und bekam sie.

Von der diesbezüglichen Idee Heydrichs, bis zur vollzogenen Unterschrift, vergingen Monate. Es ist falsch, annehmen zu wollen, daß derartige Vollmachten gewissermaßen im Schnellverfahren so zwischen Tür und Angel erledigt wurden. Heydrich mußte hier erst seinen Boden präparieren.

Wochen später erst, wurde das Madagaskarprojekt durch den deutschen Botschafter in Paris, Abetz, der neue Vorschläge machte, endgültig zu Grabe getragen. Doch davon soll später die Rede sein, wenn ich auf Frankreich zu sprechen komme.

Aber diese Göring´sche Formulierung paßte auch afu den neuen Pariser Vorschlag, os daß sie keinerlei Änderung zu erfahren brauchte.

Offiziell wurde das Madagaskar-Projekt erst Anfang 1942 zu den Akten gelegt.

Im Herbst 1941, genauer gesagt, ab Oktober, wurde das Deportationsprogramm, welches

 

                         /211/                     AE: 144

durch die militärischen Operationsvorbereitungen zum Feldzug gegen Rußland unterbrochen werden mußten, von oben wieder angekurbelt und die Wiederinangriffnahme befohlen.

Die erste Welle bestand aus zusammen 20.000 Juden aus Berlin, Wien, Prag, Köln, Hamburg, rankfurt, Düsseldorf und Luxemburg.

Mein Referat erhielt die Deportierungsstätten, die Zahlen der aus diesen Bereichen zu deportierenden uden, und den Termin genannt. Es wurde befohlen wer deportiert werden mußte und welche Personenkategorien nicht evakuiert werden durften. Himmler selbst befahl sogar den Umfang des zuzulassenden Gepäckes. Als Aufnahmeort hieß es, besetzte russische Gebiete oder Litzmannstadt; eine Konzession an die fahrplantechnisch zustüändige Behörde, also an das Reichsverkehrsministerium. Es war dies das erste und auch gleichzeitig letzte mal, daß eine solche Möglichkeit zugelassen wurde. In alle Zukunft wurde dann stets nur noch eine einzige Zielstation befohlen.

Denn folgendes trug sich zu:

Kurz ehvor der Befehl zur Vorbereitung zu dieser ersten großen Judendeportation – wenn von der Deportation aus Stettin Anfang 1940 abgesehen werden soll - ergangen war, kam ich aus dem Befehlsbereich Globocnigg, aus Lublin zurück. Ich sah dort die Vorbereitungen

 

                    /212-213/                    AE: 145

zur Judentötung. Ich hatte auch von den Erschießungen in den besetzten russischen Gebieten gelesen. Wenngleich ich der Annahme war, daß den Juden aus dem Reich nicht das gleiche Schicksal zugedacht wurde, - ich glaubte dies aus dem Inhalt der befohlenen Richtlinien zu entnehmen -, so wußte ich aber ganz bestimmt, daß im Großghetto Litzmannstadt, bisher von solchen Dingen überhaupt noch keine rede war. Also wurden die Fahrpläne für Zielstation Litzmannstadt zurecht gemacht, und seitens des Reichsverkehrminiseriums erstellt.

Dem voraus aber mußte die Einverständniserklärung des zuständigen Hoheitsträgers über Litymannstadt eingeholt werden. Ich verhandelte mit dem zuständigen Mann des Regierungspräsidenten Übelhör /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/. Mit welchen kleinen Tricks ich sein halbes oder dreiviertel Einverständnis erzielte, weiß ich heute nicht mehr. Es ist wahr, daß ich den alleine darüber verfügenden Regierungspräsidenten persönlich nicht aufsuchte, da mir seine ablehnende Einstellung, Juden aufnehmen zu wollen, bekannt war.

Der Fahrplan war fertig; vielleicht war sogar schon ein Zug in das Ghetto angekommen, ich weiß dies heute auch niciht mehr; da schrieb Übelhör ein geharnischtes Fernschreiben an das Reichsinnenministerium und andere Zentralinstanzen, beschwerte sich über

 

                         /214/                     AE: 146

mich, daß ich wie durch „Roßtäuscher oder Zigeunermethoden“ überfahren hätte und verlangte Einstellung der Transporte und meine Bestrafung.

Die Sache ging bis zu Himmler, nachdem sich auch das Heeresoberkommando auf Seite des Regierungsprasidenten mit einschaltete, da es für die Rüstungsindustrie angeblich bangte, welche im Ghetto aufgezogen wurde; sie verlangten, die Juden sollten nach Warschau transportiert werden. Himmler schrieb dem Oberkommando, daß es dabei bleibe und Heydrich teilte dem Regierungspräsidenten mit, daß die Juden nach Litzmannstadt kämen, und daß ferner eine Bestrafung meiner Person nicht erwogen werde, da ich Befehl hatte.

Aber wie gesagt, in Zukunft wurde mir nie wieder die Wahl zwischen einigen Zielstationen überlassen, sondern sie wurden in der knappen militärischen Form, wie das übrige auch, befohlen. (am Rand Ziffer 37/

 

Ende Oktober bereits folgte solch ein nächster Befehl, nämlich 50.000 Juden aus dem Gebiet des Großdeutschen Reiches einschließlich dem Protektorat Böhmen und Mähren in die Gegend von Minsk und Riga zu schaffen. Die Akion sollte bis Ende November abgeschlossen sein. /am Rand Ziffer 38/ Aber einmal begann sie verspätet und die Zahl betrug 30.000

 

                         /215/                     AE: 147

Hier also wurden neben der Anzahl, Deportationsgebiete, und Termin innerhalb welcher die Deportation durchgeführt sein muß, auch das Aufnahmegebiet genauest befohlen. Es war dies die zweite große Evakuierungswelle aus dem eigentlichen Reichsgebiet. Ich habe im Quellenverzeichnis auch ein Dokument mit angeführt, welches als Beweisstück der Anklage dem Gericht vorgelegt wurde, und sich unter anderen mit dieser Deportation befaßt, aber ich muß dazu sagen, daß mich der Inhalt desselben befremdet, so wie ich es schon bemerkte, als ich die Gründung des Theresienstädter Ghettos behandelte. Denn erstens zeigt das Dokument keinen Briefkopf auf, keine Buchnummer, kein Signum, keine Unterschrift oder Dienstsiegel. Wer es geschrieben hat, ist also nicht ersichtlich.

 

Bei dieser Gelegenheit komme ich auf ein anderes merkwürdiges Dokument zu sprechen. Das sogenannte „Wetzel-Schreiben“. Dr. Wetzel war Amtsgerichtsrat. Er machte in den Jahren 1941 auf 1942 im Rosenberg´schen Ostministerium Dienst, in einer juristischen Abteilung. Es existiert ein Dokumentensatz, der folgendermaßen aussieht:

Eins.)     ein handschriftlicher Entwurf

Zwei.)   ein maschinengeschriebener Klartext

Drei.)     ein maschinengeschriebner Entwurf

Vier.)     ein maschinengeschriebenes Schreiben an eine Dienststelle des Ostministeriums.

  Keines der vorgenannte Dokumente trägt eine Unterschrift oder Signum.

 

                    /216/                     AE: 148

Der Briefentwurf, Entwurf und Klartext gehen zurück auf den handschriftlichen Entwurf. Demzufolge hätte Dr. Wetzel mit dem Oberdienstleiter Brack von der „Kanzlei der Führers“ verhandelt, wegen der Vergasung der Juden. Es steht nicht so deutlich geschrieben, aber es ist der unmißverständliche Sinn.

Es sind einige Wortlücken freigelassen, manche Wortreste nur angedeutet. Ich weiß nciht, wie das Original dieses Entwrufes aussieht, ich hatte nur eine nicht immer deutliche Ablichtung vor mir. Aber unschwer ist unter dem Vergrößerungsglas zu erkennen, daß niemals mein Name und Dienstgrad, sowie Dienststelle geschrieben sind, wie dies der Klartext dann plötzlich verzeichnet. Ich habe es vor Gericht als ein einwandfreies Falsifikat, wenigstens soweit es mich betrifft, bezeichnet und die Empfehlung anheimgestellt, das Original oder die Ablichtung durch einen Fachmann untersuchen zu lassen. Abgesehen davon, habe ich nie über solche Dinge verhandelt.

Auf diese Art hatte sich die Literatur in den letzten 1 ½ Jahrzehnten dieser Sache angenommen und man konnte dann lesen wie: „ Vorschlag Eichmann, Vergasung der Juden, u.ä.m.“

So also kommen Märchen zustande. /der folgende Satz, einschließlich einiger Wörter auf der neuen Seite, unleserlich gemacht/

 

                         /217/                     AE: 149

Die israelische Polizei hat mir fairerweise diesen handschriftlichen Entwurf ebenfalls vorgelegt; ohne diesen hätte ich heute keine Möglichkeit gehabt, die zwar nicht signierten, gesiegelten oder unterschriebenen Schreiben, welche eben nur maschinengeschriebene Entwürfe darstellen, zu entkräftigen, insoweit es sich um meine Person handelt. /am Rand Ziffer 39/

Es kann nicht anders sein, als daß irgend jemand, lange ehvor die israelischen Behörden diese Dokumente besaßen – ich nehme an, in den ersten Nachkriegsjahren – zu solch einer merkwürdigen Handlung schritt.

 

/die ersten 3 Zeilen des neuen Abschnitts gestrichen, noch lesbar: Heydrich hatte bekanntlich durch Göring im Juli 1941 die Vollmacht erhalten, die europäische Judenfrage „in einer den/

 

Heydrich hatte von Göring den Auftrag, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine Gesamtlösung der Judenfrage, im deutschen Einflußgebiet in Europa zu treffen.

Als Auftakt plante er eine Besprechung mit allen Staatssekretären, der in Frage kommenden Zentralinstanzen.

Himmler hatte zwar für die besetzten russischen Gebiete gemäß des Hitler-Befehles, den ich aus Heydrichs Munde vernahm, die physische Vernichtung der Juden bereits seit Monaten anlaufen lassen. Und eben hatte ein Spezialkommando im Warthegau auch schon damit angefangen. Auch Globocnigg

 

                         /218/                     AE: 150

bereitete, im Generalgouvernement die Vernichtung der Juden gemäß der Befehlsgebung Hitler-Himmler, vor.

Der Madagaskarplan war tot. Und am 20. Januar 1942 fand unter Heydrichs Vorsitz im Gebäude der „Internationalen-Kriminalpolizeilichen-Kommission“, Am Großen Wannsee bei Berlin die Mehrmals verschobene Besprechung statt.

Ich hatte mit einer Stenotypistin das Protokoll zu erledigen, nachdem ich schon Wochen vorher, Heydrich, das für seine Rede benötigte zahlenmäßige Unterlagenmaterial besorgen mußte.

Der Staatssekretär des Reichsinnenministeriums, Dr. Stuckart, der sonst so vorsichtige und abwägende Beamte, ging an diesem vormittag sehr forsch an das Werk, indem er knapp und formlos erklärte, die „Zwangssterilisierung“ und die gesetzlich noch zu erlassende Anordnung „Mischehen sind geschieden“, sei die einzige Lösungsmöglichkeit des Mischehen- und Mischlingsproblems.

Auch Luther vom Auswärtigen Amt, der äußerst aktive Unterstaatssekretär Ribbentrops, brachte zu Heydrich(sic) Staunen seine Wunschliste vor, aus der die Bedenkenlosigkeit des Auswärtigen Amtes, Deportationen aus den beeinflußten Ländern Europas durchzuführen, klar hervorging.

 

                              /219/                     AE: 151

Der Staatssekretär Bühler trug Sorge, man könne bei dieser Gelegenheit das Generalgouvernement, in dessen Regierung er saß, stiefmütterlich behandeln und bat darum, mit dem Generalgouvernement zu beginnen. Denn einmal seien die Juden seines Gebietes als Seuchträger zu bezeichnen und zum anderen stünden weder arbeitseinsatzmäßige Gründe, noch Transportschwierigkeiten einer Umsiedlung hindernd im Wege.

          Es nahmen ferner teil, der Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes SS-Gruppenführer Hoffmann, Gauleiter Dr. Meyer, der Präsident des Volksgerichtshofes, damals als Staatssekretär für das Reichsjustizministerium, Dr. Freisler, der bevollmächtigte Vertreter der Parteikanzlei und andere mehr.

          Seitens der Polizei waren außer Heydrich und Müller als Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, noch die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Schöngarth nd Dr. Lange vertreten.

Dachte Heydrich, durch eine wohlgesetzte Rede überzeugend wirken und wie die Praxis es bislang zeigte, gegen allfällige Bedenken und Vorbehalte Stellung nehmen zu müßen, so konnte auf dieser Konferenz das gerade Gegenteilige festgestellt werden. In seltener Einmütigkeit und freudiger Zustimmung, forderten diese Staatssekretäre ein beschleunigtes Durchgreifen. Und es war die sachbearbeitende, federführende Prominenz, welche sich zur Beschlußfassung hier versammelt hatte. Und ihre Entscheidungen waren endgültig,

 

                              /220/                     AE: 152

denn sie waren von ihren Ministern und Chefs, bevollmächtigt, nicht nur bindendes Einverständnis zu erklären, sondern teilweise sogar, über von Heydrich Erhofftes, hinauszugehen. Und es wurde eine offene, unverblümte Sprache gesprochen.

Wenn ich so, als Protokollant dieser seinerzeitigen Staatssekretärbesprechung, hier in Israel erstmalig die Aussagen der verschiedenen an dier Konferenz teilgenommenen Größen studierte, die sie nach 1945, in eben derselben Sache von sich gaben, und wenn ich ferner die Aussagen ihrer Chefs in jenen Zeiten lese, dann muß ich nur sagen, daß es ebenfalls zum Staunen ist, wie wenig Mut diese ehemaligen Befehlsgeber, aufbrachten. Und solchen Kadetten hatte man Gehorsam bis in den Tod geschworen!

Es waren in Wahrheit doch alles kleine, billige, armselige Geister ohne jeden Charakter. Geister, denen lediglich das Lametta ihrer hohen Dienstgrade oder die Durchschlagsmöglichkeit ihrer Dienststellung, in den Tagen ihres Glanzes, das nötige Auftreten und die Haltung verlieh. Aber hätte ich dies alles schon damals im Herbst 1939 erkannt, es hätte mir solches ebenso wenig genützt, wie auch anderen. Die Zivilisten in den Ämtern, freilich, die

 

                         /221-222/                    AE: 153

hatten es leichter Der Uniformträger hatte nur zu gehorchen. /am Rand Ziffer 40/

Das Protokoll dieser Konferenz war lang, obgleich ich das Unwesentliche nicht einmal hatte stenographieren lassen.

Heydrich arbeitete mit seinem Blaustift und ließ zum Schluß nur noch einen Extrakt gelten; den hatte ich zu bearbeiten und er wrude dann nach weiteren mancherlei Änderungen durch Heydrich, an die nichtsicherheitspolizeilichen Teilnehmer der Konferenz, als „Geheime Reichssache“ zur Absendung gebracht.

Die von Stuckart abgegebenen Erklärungen, er plädiere für Zwangsscheidung und Zwangssterilisierung waren neue Tatbestände, in einer Schärfe, wie sie selbst Heydrich überraschen mußten. Die Art und Weise der bürokratischen Bearbeitung im Hinblick auf die Detailregelung war noch unklar. Es wurde daher seitens der Konferenzteilnehmer besprochen, daß in Zeitkürze eine Besprechung der Sachbearbeiter der zuständigen entralinstanzen in den Räumlichkeiten meines Referates, in der Kurfürstenstraße 116, stattzufinden habe. Sie hätte ebenso gut im Amte II des Reichssicherheitshauptamtes /Zusatz von Seite gegenüber: als die für juristische Dinge zuständige Dienststelle der Sicherheitspolizei – und wie die okumente es zeigten, sich auch mit Judenangelegenheiten befaßte, die mit Juristerei kaum oder schon gar ncihts mehr zu tun hatten - / stattfinden können; obzwar sie in der Prinz-Albrechtstraße reichlich wenig Platz hatten. Die Wannseekonferenz selbst wurde aus diesem Grunde auch nicht in der Heydrich´schen Zentrale der Albrechtstraße abgehalten. Außerdem fanden in jener Zeit umfangreiche Umbauten im Innern

 

                              /223/                     AE: 154

des Hauses statt. Es war ja ein Haus mit hundert Winkeln und Ecken, noch aus der alten Kaiserzeit stammend, und für einen modernen Behördenapparat kaum noch geeignet. Den Diensträumen der Amtchefs, insonderheit aber denen des Chefs der Sicherheitspolizei, wurden durch Innenarchitekten der Stil der neuen Zeit aufgeprägt. Ich fand ihn schön, weil er einfach und sauber war.

Diese Besprechungen hätten ebenso gut aber auch im Innenministerium oder in der Parteikanzlei, dem Auwärtigen Amt, oder selbst wieder am Wannsee stattfinden können. Warum Heydrich gerade meine Dienststelle dazu bestimmte, weiß ich nicht. Aber er bestimmte es jedenfalls so. Denn daß ich sachlich nicht damit befaßt worden bin, zeigt die erste diesbezügliche Sitzung am 6. März 1942. Weder ich, noch irgendeiner der Angehörigen meines Referates, hatte daran teilgenommen. Das Besprechungsprotokoll mit der Anwesenheitsliste, zeigte dies deutlich. Der für diese Fragen zuständige Referent im Reichsministerium des Innern, Regierungsrat Dr. Fledscher erläuterte im einzelnen die Meinung seines Staatssekretärs, bezüglich seines am 20. Januar gemachten Vorschlages.

Es war eine reine Angelegenheit der Juristen des Innenministerium, der Parteikanzlei, des Auswärtigen Amtes, der Reichskanzlei, des Rassepolitischen Amtes der NSDAP, des Rasse und

 

                              /224/                     AE: 155

Siedlungshauptamtes, des Amtes II des Reichssicherheitshauptamtes, des Propagandaministeriums und der anderen zentralen Behörden.

Diese Besprechung endete mit dem Einverständnis aller Anwesenden, jedoch Beschlüße wurden nicht gefaßt, da die Teilnehmer ja nur Referenten, ohne Entscheidungsbefugnisse waren.

Am 27. Oktober des gleichen Jahres fand eine weitere Besprechung statt, mit ungefähr demselben Teilnehmerkreis. Diesmal war auch ich zugegen und mit mir, einige Herren meines Referates. Auch anläßlich dieser Besprechung wurde lediglich geredet; gelöst wurde ichts. Die Protokolle zeigen es einwandfrei auf.

Es war und blieb auch jetzt eine Angelegenheit der Juristen. Mein Dezernat hatte den bürokratischen Kram der Protokollerstellung und der Einladung zu besorgen. Es ist auch ganz klar; Aufgabe der Polizei ist es nicht, Erkenntnisse zu gebären, oder Sterilisationsmaßnahmen durchzuführen, auch nit den Gesetzestext im Hinblick auf Zwangsscheidung zu erbrüten. Dies ist Aufgabe der zuständigen Ministerien, der verschiedenen zentralen Behörden und Ämter. Niemals aber Angelegenheit der Polizei.

Auch in dieser Konferenz, /2 Zeilen einschließlich eines Wortes auf der folgenden Seite unleserlich gemacht/

 

                              /225/                     AE: 156

wurden die Ergebnisse der Planung der Staatssekretäre weder geändert, noch weiterentwickelt.

Das Ergebnis auch dieser Konferenz war nicht die Anordnung der Durchführung der geplanten Maßnahmen. Es kam überhaupt nie dazu. Es hatte sich irgendwie totgelaufen. Auch war ich weder mit der Planung noch mit der Durchführung von Sterilisationsmaßnahmen befasst; es wurden auch keine Maßnahmen zur Geburtenverhinderung festgelegt. Das Protokoll selbst läßt darüber hinaus keinerlei Schluß zu, daß beispielsweise ich aktiv an dieser Besprechung teilgenommen hätte.  /am Rand Ziffer 41/

/anderthalb Zeilen unleserlich gemacht/

Ich lese in Reitlingers „Endlösung“, im siebenten Kapitel, auf Seite 195: „… Tatsächlich hat sich in diesem Allerheiligsten der Endlösung – wo nicht einmal die Gestapo ohne Bewilligung Zutritt hatte – ein Zusammenstoß zwischen den Zivilisten und der SS zugetragen. Gottfried Boley, der Hans Lammers und die Reichskanzlei vertrat, erklärte in Nürnberg, daß einige der Anwesenden dem Machtanspruch der Gestapo entgegentraten, besonders als einer von Eichmanns Bluthunden ausgeplaudert hatte, daß die Gestapo Verzeichnisse der Halbjuden führe, um sie des heimlichen Abhörens von feindlichen Rundfunksendungen und ähnlicher Dinge beschuldigen zu können.“ (Reitlingers Quellen: Prozess XI No 2419, XI NG 2586-J und No 2419 Affidavit Gottfried Boley)

Ich kann dazu nur sagen,

                              /226/                     AE: 157

daß bei den Besprechungen stets größte Einigkeit herrschte. Bezüglich der ersten Sitzung weiß ich es nicht aus eigener Erfahrung, bestimmt aber im Hinblick auf die zweite Konferenz. Und man kann es mir auf das Wort glauben, daß wenn es zu einem Zusammenstoß auf meiner Dienststelle zwischen den beteiligten Instanzen gekommen wäre, ich das Recht des „Hausherren“ in Anspruch genommen haben würde, die Ordnung hätte ich sicher sofort wieder hergestellt. Aber nichts, rein gar nichts derartiges passierte.

Und als weiteren Beweis dafür, daß Herr Boley offensichtlich nur ein flotter Erzähler war, noch dieses:

Ein Legationsrat vom Auswärtigen Amt schrieb an das Reichssicherheitshauptamt, zu meinen Händen, oder Vertreter im Amt, am 17. Februar 1943, also 3 ½ Monate später, ich mochte eine listenmäßige Erfassung der im Deutschen Machtbereich ansäßigen fremden Staatsangehörigen „jüdischer Rasse“ vornehmen.

Darauf teilte ich ihm am 24. Februar fernmündldich mit: „daß es mir nicht möglich ist, der vorgetragenen Bitte des Auswärtigen Amtes zu entsprechen, da die listenmäßige Erfassung dieser Personen nicht kriegsentscheidend sei, und ich daher kein Personal für diese Arbeiten abstellen kann.“

Am 26. Februar kam ein weiterer Brief des Auswärtigen Amtes an meine Dienstbehörde, in der(sic) es u.a. heißt:

 

/227-228/                    AE: 158

„… Die von Ihnen mündlich vorgetragenen Argumente erscheinen daher zur Begründung der Ablehnung der vom Auswärtigen Amt vorgetragenen Bitte nicht ausreichend.“ /am Rand Ziffer 42/

/ein paar Wörter gestrichen, ersetzt durch Text von Seite gegenüber: Das Auswärtige Amt hatte also, wie man sieht das Recht und die Befugnisse/ der Polizei ohne weiteres solche Auflagen zu machen; und es erhellt dies auch ein weiteres Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 27. Februar 1943 an seine Dienststelle in Brüssel mit: „… Das Auswärtige Amt teilt dem Reichssicherheitshauptamt jeweils mit, wenn gegen die Anwendung der allgemeinen Judenmaßnahmen auf fremde Staatsangehörige keine Bedenken bestehen. Dies ist hinsichtlich der italienischen Juden noch nicht geschehen. Es ist jedoch nach Ablauf des 31. März hiermit zu rechnen.“ /am Rand Ziffer 43/

Ich hatte eigentlich vorgehabt, diese Schreiben des Auswärtigen Amtes erst später zu behandeln, aber durch die Boley´sche Aussage – auf die ich gleich wieder zurückkommen werde – nahm ich sie jetzt schon vor und muß damit gleich noch eine andere Urkunde besprechen, auf die man in anbetracht der Tatsache, daß ich zehn Jahre in Argentinien lebte, große Bedeutung legte. Es ist ein von mir „im Auftrage“ unterschriebenes Fernschreiben vom 27. Januar 1944, herausgegeben als Runderlaß, mit der Weisung, alle Juden argentinischer Staatsangehörigkeit festzunehmen und sie in das Interniertenlager Bergen-Belsen (nicht

 

                         /229-230/                    AE: 159

zu verwechseln mit dem Konzentrationslager Bergen-Belsen) zu überführen.

          Ich weiß nicht, wann Argentinien damals Deutschland den Krieg erklärte, es ist auch völlig unwichtig, obzwar ich glaube, daß sie diese Maßnahme auslöste. Ich habe dazu den Befehl gehabt, eine solche Weisung, „im Auftrage“ ausgehen zu lassen. Aber was wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß solches auch nicht mein Amtchef, oder der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, anordnen konnte, sondern das Auswärtige Amt, wie solches dessen angeführtes Schreiben vom 27. Februar 1943, einwandfrei bestätigt. /am Rand Ziffer 44/

/Zusatz von Seite gegenüber: Man sieht also, daß es richtig ist, wenn ich sagte, die Polizei selbst hat nichts zu „gebären“, sondern sie bekam von den Ministerien ihre Weisungen./

Und um auf die Boley´sche Erzählung zurückzukommen: Wenn also dem Auswärtigen Amt solche Schwierigkeiten bereitet werden mußten gezüglich der Anlegung von Listen bestimmter Judenkategorien, dann wird man es mir wohl glauben, daß wir 3 ½ Monate vorher, also zur Zeit der Herbstkonferenz ganz bestimmt keine Verzeichnisse der Halbjuden gehabt haben können.

Es wurde eben damals in Nürnberg recht viel geschwätzt, was den Tatsachen nicht entsprach. /weiterer Zusatz von der Seite gegenüber: Der Legationsrat Dr. Grell bestätigte dies auch noch im Jahre 1961, in einer Zeugenaussage in Deutschland./ Nun gut, Boley war auch kein Befehlsgeber. Wer will es ihm verübeln. Dokumente lagen um jene Zeit kaum vor. Also konnte man munter drauf los reden.

 

                         /231-232/                    AE: 160

/gleich oben auf der Seite Zusatz von gegenüber, Seite 160a:

Richtig ist, daß wenn Einzelerhebungen befohlen wurden, diese auch polizeilicherseits durchgeführt wurden. Und wenn solche von besonderer „Reichswichtigkeit“ waren, hatte diese Eruierungstätigkeit auch vom Referat des Richssicherheitshauptamtes geführt zu werden. Ich erinnere mich noch der vielen Arbeit, welche ich mit einer ganz besonders geheim zu haltenden Ermittlungstätigkeit hatte, nämlich die Abstammung der „Diätköchin des Führers“, zu bearbeiten. „Mit größter Beschleunigung unter Beteiligung eines möglichst geringsten Personenkreises“ so lautete der Befehl.

Das Ende vom Lied war, daß die Diätköchin, nach den Nürnbergergesetzen, „zweiunddreißigstel“ Jüdin war.

Das war damals dermaßen aufregend, daß mein Chef sämtliche in dieser Angelegenheit angelaufenen Akten, samt Nebenakten von mir verlangte. Ich habe nie mehr etwas darüber gehört. Nur das eine, daß Hitler kurz vor seinem Tode seine „Diätköchin“ ehelichte. Es war Eva Braun./

Und weil ich schon dabei bin, Aufklärungen zu geben noch dieses: Die Bemerkung Reitlingers „… wo nicht einmal die Gestapo ohne besondere Bewilligung Zutritt hatte..."“stammt auch aus Zeugenaussagen aus der Zeit, kurz nach dem Kriege, wo einige ängstliche Herren glaubten, sich mit solchen Hinweisen eine Art Alibi zu verschaffen. Ich kann dazu nur bemerken, daß wenn Herren wie Boley, einer der „Teilnehmer von elf Ministerien und Ämter“(Reitlinger „Endlösung“ Seite 195) Zutritt hatten, diesen auch alle Angehörigen der Sicherheitspolizei haben mußten, ja darüber hinaus kamen ja im Rahmen des allgemeinen Parteienverkehrs alle möglichen Personen zu Vorsprachen und Auskunftseinholung, egal ob es der damalige Pfarrer Grber war, der heutige Probst zu Berlin, der solches selbst noch während des Prozesses gegen mich hier in Israel als Zeuge der Anklage bestätigte, daß er auf meiner Dienststelle zwecks Interventionen war, oder die hunderte und aberhunderte von anderen Personen, Juden und Nichtjuden. Ich kann ruhig sagen Tausende mögen es in all den Jahren gewesen sein. Von den Reisepaßantragstellern zwecks auswanderung ganz zu schweigen, denn dieses hörte im Oktober 1941 auf, weil Himmler das Verbot der Judenauswanderung erlassen hatte.

Aber man kann sich dieserhalb ja auch beim damaligen evangelischen Oberkirchenrat oder

 

                              /233/                     AE: 161

bei dem „ständigen Geschäftsführer der Fuldaer Bischofskonferenz“ erkundigen, der häufig bei mir vorsprach. Er war damals im Bischofsrang. Ferner beweisen hier als Dokumente vorliegende Geschäftsverteilungspläne, daß ich ab einer gewissen Zeit nicht einmal mehr mit meinem Referat alleine in dem Dienstgebäude in der Kurfürstenstraße untergebracht war, sondern zwei weitere Referate, mit denen ich nichts zu tun hatte, dort ebenfalls eingewiesen wurden. /am Rand Ziffer 45/

Also, wie man sieht, es wurde wirklich das Blaue vom Himmel herunter geschwätzt; und wollte ich alles, was die Publizistik an derartigem Kohl für bare Münze nahm, aufklärend bearbeiten, dann müßte ich einige Sekretäre zur Verfügung haben.

Zu den staatspolizeilichen Tätigkeiten des Amtes IV, des Reichssicherheitshauptamtes, ganz besonders aber mein Referat betreffend, muß ich generell feststellen, daß das Erkennen wer zu behandeln ist und was zu unternehmen ist, nicht seitens des Amtes IV fixiert wurde. Soweit es sich um Volkstums- oder Rassefragen handelte, waren dies innerhalb der Sicherheitspolizei und des SD, vornehmlich das Amt III, unter Umständen gegebenenfalls auch das Amt VII; ferner das Rassepolitische Amt der NSDAP, das Rasse und Siedlungshauptamt, das Reichsinnenministerium das Auswärtige

 

                              /234/                     AE: 162

Amt, die Parteikanzlei, die Reichskanzlei, der Reichsführer SS, und viele andere mehr. Hier wurde alles federführend bedacht, besprochen, aufgestellt, genehmigt; von den Chefs der zentralen Instanzen verabschiedet unter Beteiligung aller daran interessierten Stellen, um dann als Weisugnen, Richtlinien und Verordnungen, dem Amte IV des Reichssicherheitshauptamtes, zur polizeilichen Durchführung zugeleitet.

Wie in allen Ländern, so hatte auch in Deutschland die Polizei diesbezüglich nicht aus sich heraus entscheidend zu bestimmen, sondern sie hatte ihre Weisungen und Befehle, denen gemäß sie verfahren mußte.

Ich maße mir mangels Durchschau nicht an, hier für das ganze Geheime Staatspolizeiamt zu sprechen; insoweit aber es sich um meine ehemalige Tätigkeit in diesem Amte handelt, und bezüglich des Sektors, den ich zu bearbeiten hatte, kann ich dies um so bestimmter tun. Etwa eintausendsechshundert Dokumente, welche mir in Israel vorgelegt wurden, zu denen ich Stellung hame und die zu einem großen Teil dem Gericht als Beweisstücke, sowohl seitens der Anklage, als auch druch die Verteitigung(sic) eingebracht wurden, erhärten diese meine Feststellung, ohne jeden Zweifel.

 

                              /235/                     AE: 163

Im Frühjahr 1942 erhielt ich von meinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Generalleutnant der Polizei, Müller den Befehl nach Auschwitz zu fahren und ihm über das Vorgehen des Kommandanten des Konzentationslagers Auschwitz, gegen die Juden, zu berichten. –

Höß, der Kommandant sagte mir, daß er mit Blausäure, töte. Runde Pappfilze waren mit diesem Giftstoff getränkt und wurden in die Räume geworfen, worin die Juden versammelt wurden. Dieses Gift wirkte sofort tötlich.

Die Leichen verbrannte er auf einem Eisenrost, im Freien.

Er führte mich zu einer flachen Grube, worin eine große Anzahl von Leichen gerade verbrannt wurden.

Es war ein grauenhaftes Bild, daß(sic) sich mir darbot. Nur durch dem(sic) Rausch und die gewaltigen Flammen gemildert.

Er benützte zur Verbrennung irgend ein Öl.

Ich nehme davon Abstand, auch hier wiederum meine damaligen Gedanken und Überlegungen zu schildern, den(sic) einmal möchte ich nicht einen allfälligen Vorwurf hören, daß es im Nachhinein billig wäre, dieserhalb Konstruktionsversuche zu machen und zum anderen hatten ja meine Versetzungsgesuche keinerlei Erfolg, so daß mir in diesen Dingen ein Beweisantreten nicht leicht ist. Wenngleich

 

                         /236-237/                    AE: 164

mir meine Verteitigung(sic) mitteilte, daß der Zeuge Dr. Stöttel in Österreich, sich dessen gut entseinne, daß ich dauernd um Versetzung zur allgemeinen Polizeiverwaltung nachsuchte.

So war es auch.

/Weiterer Abschnitt auf Seite gegenüber, gestrichen, aber noch lesbar: Und zum dritten nehme ich an dieser Stelle deswegen jetzt keine weitere Stellung, da ich an einem anderen Punkt meiner Betrachtungen auf das Grundsätliche der Sache noch zu sprechen komme./

Erbärmlich sind die Unwahrheiten, welche Höß über mich nach 1945 aussagte. Aber sie sind als solche, zum Teil durch seine eigenen Aussagen, da er an anderer Stelle, anders berichtete, leicht zu erkennen, macht man sich die Mühe seine Aussagen zu studieren, dazu die Literatur und die Dokumente als Vergleichsmaterial benützend.

So sagte Höß beispielsweise, ich wäre bereits im Juni 1941, kurz nach dem Besuch Himmlers in Auschwitz, bei ihm gewesen, und von mir habe er alle Einzelheiten über die Tötungsmöglichkeiten erfahren. Er spricht, daß ich ihm über das Vergasen mittels Auspuffgase gesprochen habe. Aber daß es eine solche Möglichkeit überhaupt gibt bzw., eine solche in den Köpfen /mehrfach korrigiert, schließlich auf Seite gegenüber verdeutlich: einiger/ SS u. Poliezi enerale schwirtte, erfuhr ich selbst ja zum erstenmal im Spätherbst 1941, als ich bei dem damaligen Generalmajor der Polizei Globocnigg war, der dem General der Polizei und der Waffen SS Krüger, unmittelbar unterstellt gewesen ist. Wenn Höß weiter sagt, daß ich ihm Einzelheiten über die Deportationspläne mitgeteilt hätte; dann kann solches

 

                         /238-239/                    AE: 165

allerfrühestens um den 20. 3. 1942 gewesen sein, denn um diese Zeit genehmigte der Staatssekretär Weizsäcker /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/ im Auswärtigen Amt zum ersten mal Deportationen aus Frankreich. Freilich hatte der deutsche Botschafter in Paris, Abetz, dieserhalb bei Hitler und Himmler, vorgebohrt gehabt; aber davon erfuhr auch ich erst im Spätherbst 1941, zum ersten mal. Der erste Deportationsbefehl aus dem Westen, also aus Frankreich und Belgien und Holland, größere Kontingente betreffend, den Himmler über den Amtchef IV erteilte, lag in meinem Referat erst kurz vor dem Juni 1942 vor.

Höß hatte die ersten Versuchsvergasungen in Auschwitz aber bereits am 23. Sept. 1941 gemacht, wie aus seinen eigenen Aussagen hervorgeht. Als ich zum ersten mal nach Auschwitz kam, lief die Vergasung bereits. Höß verbrannte die Leichen auf Eisenrosten. Und eben darüber was Höß treibt hatte ich Müller ja zu berichten; dies war ja der Grund, warum er mit den Befehl gab, nach Auschwitz zu fahren.

Nach eigener Aussage hatte Höß aber mit dem Verbrennen auf Eisenrosten erst im Sommer 1942 begonnen.

Er erwähnt dann ferner, ich hätte ihm gegenüber von Erschießungen im Osten gesprochen. Solches aber hatte ich

 

                              /240/                     AE: 166

zum erstenmal im Winter 1941/42 erlebt.

Ich selbst entsinne mich noch, in Auschwitz blühende Blumen in Gärten, gesehen zu haben. Es muß also Hochfrühjahrszeit gewesen sein.

Höß hat sich um ein ganzes Kalenderjahr, bezüglich meines ersten Besuches – gelinde gesagt – geirrt.

Müller hat mir keinerlei Befehle übergeben, die ich ihm etwa hätte überbringen sollen. Auch keine andere Person gab mir solche oder ähnliche anweisungen.

Ich selbst habe ihm nie einen Vorschlag über die technische Durchführung einer Vergasung gemacht; im Gegenteil, ich war heilfroh, wenn ich von solchen Sachen nichts hören und sehen brauchte.

Ich hatte weiter nichts mit diesen Dingen zu tun, als jene elenden Befehle auszuführen, die mir mein Chef erteilte, weil er über alle diese Maßnahmen präzise informiert sein wollte.

Höß unterstand auch nicht dem Reichssicherheitshauptamt, sondern – wie die Dokumente es haarscharf beweisen – den SS-Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt. Er bezog daher auch von dort seine Befehle.

Seine unmittelbaren Vorgesetzten waren der SS-Obergruppenführer und

 

                         /241-242/                    AE: 167

General der Waffen SS, Pohl und der SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen SS, Glücks.

Im übrigen wurde durch Aussagen von Zeugen, wie auch durch eigene Erklärung des Dr. Sigmund Rascher, Leiter der ärztlichen Experimente der Luftwaffe, einem englischen Hauptmann Payne-Best gegenüber von Rascher zugegeben, daß er die Gaskammern erfunden habe, und solches in Auschwitz vorlegte.

Hätte ich dieserhalb ach nur im Geringsten mich seinerzeit gewissermaßen mitarbeitend bemerkbar gemacht, dann wäre es mehr als sicher, daß ich von vielen anderen Personen diesbezüglich in den Prozessen nach 1945, genannt worden wäre. Es blieb Höß und zum Tiel Wisliceny vorbehalten, sich solcher unwahrer Behauptungen, auf diesem Gebiete, zu bedienen. /am Rand Ziffer 46/ Dabei benütte Höß zur besseren Glaubwürdigkeit, Untermalungen aus meinem privaten Leben, beziehungsweise Erläuterungen über meine Einstellung, Charkter(sic) und dergleichen.

Ganz allgemein gesagt, er versuchte hier die Verantwortung für die Geschehnisse von dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, dem er angehörte, auf die Diensthstellen des Chers der Sicherheitspolizei und des SD, zu verlagern und bediente sich hierbei insonderheit meiner Person.

/Zusatz von Seite gegenüber: Es ist ein Unfug, ein SS-Hauptamt gegen das andere ausspielen zu wollen. Natürlich habe ich selbst heute licht reden, denn ich brauche mich ja nur auf die Unzahl der zur Verfügung stehenden Dokumente berufen. Heute gewinnt man diesbezüglich ein klareres Bild, als in den Jahren 1945 bis 1948/

Es erhebt sich letztlich noch die Frage, warum Müller mich, einen

 

                              /243/                     AE: 168

seiner Referenten, für diese Reisen aussuchte und sie nicht selbst unternahm. Nun, dies mag einmal daran gelegen haben, daß Müller sich kaum von seinem berliner Büro fortbegab. Er saß wie die Spinne im Netz und die Stärke seiner Stellung beruhte vor allen Dingen darauf, daß er über alles und jedes, bestens informiert war. Zum anderen aber hätte es wie eine Einmischung des Reeichssicherheitshauptamtes in die Angelegenheiten des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes ausgesehen, hätte er als Amtchef des RSHA, diese Fahrten selbst gemacht. –

 

Die Auswirkungen der Wannseekonferenz, oder wie sie damals amtlich nieß, der Staatssekretärbesprechung am Wannsee, auf die besetzten oder beeinflußten Gebiete in West-, Süd- und Nordeuropa, schilder der zweite Teil dieser Arbeit.

Aus dem Reichsgebiet ausschließlich dem Protektorat Böhmen und Mähren, mußten die Deportationen, gemäß der Himmler´schen Befehlsgebung, jetzt mit größter Beschleunigung durchgeführt werden.

Im Generalgouvernement, besorgten dies die örtlichen Behörden der Regierung des Generalgouverneurs.

Waren Schwierigkeiten mit dem Reichsverkehrsministerium zu verzeichnen, daß(sic) infolge Waggonmangel oft nur schwer oder gar-

 

                         /244-245/                    AE: 169

nicht nachkommen konnte dann setzte Himmler, seinen Feldadjutanten und Chef des Persönlichen Stabes den General der Waffen SS Wolff in Marsch, diese Angelegenheiten mit dem Staatssekretüär im Reichsverkehrsministerium Dr. Ganzenmüller, zu erledigen.

In einem Schreiben Ganzenmüllers an Wolff vom 28. 7. 1942 heißt es:

„Unter Bezugnahme auf unser Ferngespräch vom 16. Juli, teile ich Ihnen folgende Meldung meiner Generaldirektion der Ostbahnen (Gedob /Schreibung auf Seite gegenüber verdeutlicht/) in Krakau zu Ihrer gefälligen Unterrichtung mit:

Seit dem 22. 7. fährt täglich ein Zug, mit je 5000 Juden von Warschau über Malkimia nach Treblinka, außerdem wöchentlich ein Zug mit 5.000 Juden von Przemysl nach Belzek. Gedob steht in ständiger Fühlung mit dem Sicherheitsdienst in Krakau. Dieser ist damit einverstanden, daß die Transporte von Warschau über Lublin anch Sobibor /Schreibung auf Seite gegenüber verdeutlicht/ (bei Lublin) solange ruhen, wie die Umbauarbeiten auf dieser Strecke, die Transporte unmöglich machen (ungefähr Oktober 1942).

Die Züge wurden mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement vereinbart. SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, SS-Brigadeführer Globocnigg, ist verständigt.“

 

Darauf antwortete Wolff am 3. August 1942,

 

                              /246/                     AE: 170

an Ganzenmüller:

„Für Ihr Schreiben vom 28. Juli 1942 danke ich Ihnen – auch im Namen des Reichsführers – herzlich. Mit besonderer Freude habe ich von Ihrer Mitteilung Kenntnis genommen, daß nun schon seit 14 Tagen täglich ein Zug mit je 5000 Angehörigen des auserwählten Volkes nach Treblinka führt und wir doch auf diese Weise in die Lage versetzt sind, diese Bevölkerungsbewegung in einem beschleunigtem(sic) Tempo durchzuführen. Ich habe von mir aus mit den beteiligten Stellen Fühlung aufgenommen, so daß eine reibunslose Durchführung der gesamten Maßnahmen gewährleistet erscheint. Ich danke Ihnen nochmals für die Bemühungen in dieser Angelegenheit und darf Sie gleichzeitig bitten, diesen Dingen auch weiterhin Ihre Beachtung zu schenken.“ /am Rand Ziffer 47/

In Treblinka und Belzek hatte Globocnigg auf Befehl Himmlers und Krügers, Vergasungslager errichtet. Solche und ähnliche Dokumente waren freilich in den ersten Zeiten der Nachkriegsprozesse nicht immer gleich zur Hand. Daher konnte man isch in Nürnberg getrost auf mich ausreden. Heute ist solches nicht mehr möglich. Diese beiden Dokumente sind in Himmlers eigenem Kommadostab aufgefunden worden. Denn das Schreiben Ganzenmüllers ist das Originalschreiben, während die

 

                              /247/                     AE: 171

Wolff´sche Antwort darauf ein von diesem signierter Durchschlag des Schreibens an Ganzenmüller ist. –

Alles Grundsätzliche wurde höeren Ortes ausgearbeitet; und tauchten selbst bei untergeordneteren Arbeiten einmal Schwierigkeiten auf, sofort wurden diese von den Befehlsgebern selbst unmittelbar untereinander, und persönlich behoben.

Nur nach 1945, da schob man solches fleißig auf die seinerzeitigen Befehlsempfänger, da atten die ehemaligen Chefs mit solchen Fragen selbstverständlich gar nichts zu tun, und sie wußten überhaupt von solchen Dingen nicht das Geringste. „Nachher sollte es sich um einen Schimmel und nicht um einen Rappen gehandelt haben.“

Im März 1942 klate das Reichsverkehrsministerium über Unzuträglichkeiten, bei der Benutzung der Örtlichen Verkehrmittel, durch Juden. Es befaßte sich mit einer Neuregelung betreffend der Benutzung der Verkehrsmittel durch Juden, und beabsichtigte diese den Behörden seines Bereiches bekannt zu geben, womit der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, einverstanden war. Es bedeutete dies eine weitere Einschränkung, im Vergleich zu einigen bereits herausgegebenen Erlaßen. Zur einheitlichen Linienwahrung mußte nunmehr ein allgemeiner Polizeirunderlaß folgen. Hier hatte mein Dezernat die Wünsche des Reichsverkehrsministerium und des Reichspostministeriums entgegen-

 

                         /248-249/                    AE: 172

zu nehmen und Heydrich unterzeichnete dann am 24. März 1942 den Ergänzungserlaß.  /am Rand Ziffer 48/

/Zusatz von Seite gegenüber: Überall im damaligen deutschen Machtbereich herrschte im Jahre 1942 gewissermaßen Hochbetrieb. Rückschauend könnte man fast in Versuchung geraten zu sagen, es würe wie bei einem Bauern gewesen, der Grobes Wetter ahnend noch schnell seine Ernte unter Dach und Fach zu bringen, sich bemüht.

Dazu kam der Tod Heydrichs Anfang Juni 1942 als Folge eines Bombenattentates auf ihn, der die Reichsspitzen in einer bisher ungeahnten Aktivität, auf dem Gebiet der Deportierungen und sonstiger Endlösungsmaßnahmen zeigte.

Hitler, goebbels, Himmler, das auswärtige Amt, die Gauleiter, die Staatssekretäre für das Sicherheitswesen, die Parteikanzlei und wie die befehlenden Zentralen alle heißen haben mögen, legten eine unerhörte Durchschlagskraft und ein fanatisches Wollen, mit persönlicher Detailanordnung und laufenden höchstpersönlichen Kontrollen an den Tag. - /

 

Auf Grund eines Erlaßes Hitlers vom 7. Oktober 1942, dem eine Weisung Hitlers vom 18. August voranging, wurde Himmler die verantwortliche Führung der Partisanenbekämpfung im Generalgouvernement übertragen.

Im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe erließ Himmler folgende Anordnung:

„Die Kreishauptmannschaft Zamosc wird zum ersten deutschen Siedlungsbereich im Generalgouvernement erklärt.

Der Bereich soll die neue gesicherte Heimat werden für

Eins.)     Umsiedler aus Bosnien;

Zwei.)   Gefährdete volksdeutsche Umsiedler aus den besetzten Ostgebieten;

Drei.)     Volksdeutsche und Deutschstämmige aus dem übrigen Generalgouvernement, die zur Behebung ihrer jetzigen Notlage, aus sicherheitspolizeilichen Gründen in diesen Bereich umgesiedelt werden müßen.

Vier.)     Sonstige Umsiedlergruppen.

Die Gesamtleitung bei der Durchführung dieser Aufgabe liegt in den Händen meines Vertreters im Generalgouvernement, des Höheren SS- u. Polizeiführers im Generalgouvernement, Staatssekretär für das Sicherheitswesen, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, Krüger,

 

                         /250/                     AE: 173

 

in Zusammenarbeit mit meinen Hauptämtern.

Die notwenigen Aussiedlungen von Polen aus dem Bereich führt mein Vertreter im Generalgouvernement in seiner Eigenschaft als Staatssekretär für das Sicherheitswesen durch.

Am 11. Oktober informiert der Leiter der Umwandererzentralstelle Litzmannstadt, die in Zamosc eine Nebenstelle gemäß dem Befehl Himmlers eingerichtet hatte und für die Dauer ihrer Tätigkeit dem Höheren SS- u. Polizeiführer im Generalgouvernement unterstellt war, meinen Vertreter in meinem Referat in einem Erfahrungsbericht über die, durch das Rasse- und Siedlungshauptamt vorgenommene, Einteilung der zu deportierenden Polen in Wertungsgruppen.

Gemäß einem Befehl Himmlers vom 3. Oktober und einem weiteren vom Anfang November, wurde bestimmt, daß die zur Wertungsgruppe I und II, durch das Rasse- u. Siedlungshauptamt eingestuften Polen, durch eine Außenstelle dieses Hauptamtes in Litzmannstadt zur Eindeutschung zu gelangen haben. Die arbeitsfähigen Angehörigen der Wertungsgruppe III, wurden nach Berlin verbracht, um dort die in der Rüstungsindustrie beschäftigten Juden abzulösen und die arbeitsfähigen Angehörigen der Wertungsgruppe IV, wurden in das Konzentrationslager Auschwitz abbefördert. Die zu den Wertungsgruppen IIII und IV gehörenden Altersgruppen bis zu 14 Jahren und ab 60 Jahre und die Nichtarbeitsfähigen der Gruppen wurden im Generalgouvernement in sogenannte „Rentendörfer“ untergebracht und zwar

 

                         /251/                     AE: 174

 

in den Distrikten Warschau und Radom. Sie erhielten dort pro Familie Wohnung und je Famalie(sic) ½ Hektar Land zugeteilt. Himmler hatte zuerst die Altersgrenze der zu Evakuierenden von 10 bis 60 Jahre festgelegt, ließ sich aber dann durch den Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes Müller, überzeugen, daß das Alter von 10 auf 14 Jahre hinaufgelegt werden müße.

     Das von mir geleitete Referat hatte bei diesen Aktionen den Befehl erhalten für die, gemäß den bestehenden Anweisungen nach Berlin und nach auschwitz zu deportierenden Polen, beim Reichsverkehrsministerium die Fahrplanangelegenheiten zu erledigen. Durch die „Rasse- u. Siedlungshaupt-Wertungsgruppen III und IV, ergaben sich die Zahlen und damit die Anzahl der Transportzüge. Die Bestimmung der zu deportierenden Personengruppen und die Zielbestimmung der Deportation lag nicht bei meinem Referat, ebensowenig der Pransport selbst oder die Übergabe. /am Rand Ziffer 49/

Himmler persönlich gab, wie üblich, so auch hier, bis in Einzelheiten hinab, selbst Anweisungen, an die in Frage kommenden Behörden.

                    -----------

Auf Befehl Heydrichs mußten im März 1942 weitere 55.000 Juden aus dem Altreich und dem Protektorat Böhmen und Mähren sowie aus der Ostmark deportiert werden. Es ist ein Dokument der Staatspolizeistelle Düsseldorf über eine diesbezüglich in meinem Referat stattgefundene Besprechung erhalten geblieben. Ich hatte Befehl den Besprechungsteil-

 

                    /252-253/                    AE: 175

 

nehmern zu eröffnen, daß SS-Gruppenführer Heydrich die Leiter der Staatspolizeistellen persönlich für die Durchführung der Richtlinien verantwortlich mache.

Des weiteren hatte ich ihnen mitzuteilen: „Damit einzelnen Stapostellen der Versuchung, ihnen unbequeme ältere Juden mit abzuschieben, nicht weiter ausgesetzt sind, sei zur Beruhigung gesagt, daß diese im Altreich verbleibenden Juden höchstwahrscheinlich schon im Laufe dieses Sommers bzw. Herbstes nach Theresienstadt abgeschoben würden, daß als Altersghetto vorgesehen sei. Diese Stadt würde jetzt geräumt und es könnten vorläufig schon 15-20.000 Juden aus dem Protektorat dorthin übersiedeln. Dies geschieht, um nach außen das Gsciht zu wahren“.

/Zusatz von Seite gegenüber: Es war eine der von Himmler befohlenen Tarnungsvorschriften. Und wenn nach 1945 verschieden „Zeugen“ behaupteten, daß ich es gewesen wäre, der sie „hinter das Licht“ geführt habe, so ist dieses Dokument der schlüßigste Beweis dafür, daß ich es ganz bestimmt nicht tat, sondern von mir aus ohneVerschleierung und Tarnung die Dinge so weiter gab, wie mir dies befohlen wurde./

Der berichtschreibende Beamte der seinerzeitigen Staatspolizeistelle Düsseldorf, teilte seinem Chef ferner mit daß „das sogenannte Sonderkonto WS dem Referat IV B 4 des Reichssicherheitshauptamtes (also meinem Referat) zur Verfügung stünde, da nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, das Reichssicherheitshauptamt an das Vermögen der Juden nicht mehr heran kann. Um diesem Fond ausreichend Gelder zur Verfügung zu stellen, wird geboten, die Juden in nächster Zeit zu erheblichen „Spenden“ für das „Sonderkonto W“ anzuhalten.“

Nun hier hat der damalige Beamte die Angelegenheit – wie man zu sagen pflegte – „in den falschen Hals bekommen“.

Auch ich war sehr erstaunt, als man mich

 

                         /254/                     AE: 176

 

in Israel nach einem „Sonderkonto W“, daß(sic) von meinem Referat geführt hatte sein sollen, befragte. Erst die im Laufe der Zeit eingehenden Dokumente, schufen auch hier Klarheit.

Die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz wurde auf Betreiben der Abteilung I, des Reichsministeriums des Inneren im November 1941 erlaßen und machte die Aberkennung der Staatsangehörigkeit der Juden und die Einziehung ihres Vermögens zugunsten des Reichsfiskus bekannt. Die Einziehung nahmen die jeweils zuständigen Oberfinanzpräsidenten vor.

Die jüdischen Organisationen unterhielten weiterhin ihre Konten bei ihren Banken, zur Bestreitung organisationseigener Auslagen.

Nachdem den Juden nun ohnehin ihr Vermögen enteignet wurde, kamen die Juristen des Reichssicherheitshauptamtes oder auch irgendwelcher „Staatsplizeistellen dahinter, daß „Spenden“ für ihre jüdischen Organisationen, durch den Gesetzgeber nicht verboten waren. Also, wurden sie zu solchen „Spenden“ aufgerufen. Denn hatte der Fiskus einmal das gesamte Vermögen, dann ar es schwer und zeitraubend, auf dem Wege der Antragstellung bei den zuständigen Finanzbehörden hier wieder Gelder locker zu machen.

Zum Zwecke der Einzahlung solcher Spenden, eröffneten die jüdischen örtlichen

 

                         /255/                     AE: 177

 

Organisationen dann bei ihren Banken ein „Sonderkonto W“, von dem diese Organisationen nach vorheriger Freigabebescheiderteilung durch ihre zuständige Geheime Staatspolizeistelle, Abhebungen vornehmen konnten. Das Geld diente sodann der Bezahlung der jüdischen Funktionäre, sowie der Angestellten und sonstigen Hilfspersonals, Unterstützung, Krankenbehandlung, alle weiteren sachlichen Bedürfnisse und auch Bezanhlung der Transportkosten bei der Deportation. Dies letztere war die eigentliche Veranlaßung, daß den Juristen, welche auf diese Art „Gesetzeslücke“ draufkamen, seitens der Chefs, diese Angelegenheit genehmigt wurde. Weder ich persönlich, noch sonst jemand meines Referates hat – wie die Dokumente es einwandfrei beweisen – mit diesem „Sonderkonto W“ etwas zu tun gehabt.   /am Rand Ziffer 50/

 

Auch gegen das dunkelhäutige Volk der Zigeuner, aus nicht geklärten fernen Landen stammend, wurden sicherheitspolizeiliche Aktionen im Rahmen der „Blutschutzgesetzgebung“ durchgeführt. Ich hatte gemäß Befehl hier den Teil zu bearbeiten, welcher mir zugewiesen war: Fahrplanerstellung.

Anläßlich der „Heydrich-Besprechung“ vom 30. Januar 1940 übermittelte Heydrich den mit der Umsiedlung bzw. Deportation beauftragten,

                         /256/                     AE: 172

 

eingeladenen örtlichen Befehlsgebern, den Befehl Himmlers, unter anderem auch 30.000 Zigeuner in das Generalgouvernement zu deportieren. Weder ich och mein Dezernat war auch hier für ihre Konzentrierung, noch für deren Festnahme oder Einweisung in ein Konzentrationslager zuständig.

Nur anläßlich der bereits geschilderten ersten Deportationswelle im Jahre 1941, als mir zum ersten und gleichzeitig letzten male zwei verschiedene Zielstationen zur Fahrplanerstellung zur Verfügung standen, „schickte“ ich neben den 20.000 Juden auch 5.000 Zigeuner, statt in Gegenden, von denen ich hörte oder gelesen hatte, daß dort vernichtet würde oder Vorbereitungen hierfür getroffen würden, nach Litzmannstadt. Die Beschwerdeführung des Oberpräsidenten Übelhör in dieser Angelegenheit gegen mich, habe ich bereits geschildert.

Ich war weder für die Umsiedlung, noch für die Erfassung verantwortlich. Ich führte auf Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei lediglich die Fahrplanmäßigen Agenden bezüglich der Transporte der Zigeuner aus dem Reichgebiet durch.

Der ehemalige Kriminalbeamte Fritz Friedel sagt in seiner schriftlichen Erklärung am 12. Juni 1949, im Gefähgnis zu Bialystok folgendes:

„Bereits vor 1933, war in München eine Zentrale für Zigeuner errichtet worden.

 

                         /257/                     AE: 179

 

Von dieser Zentrale war vorgeschrieben, daß sämtliche Zigeuner listenmäßig zu erfassen und zu registrieren seien. Beauftragt hiermit waren die damaligen Landeskriminalpolizeistellen, die Zigeunerkarteien zu führen hatten. Nach 1933 erging von der Zigeunerzentrale Anordnung, die Zigeuner strenger zu kontrollieren und in Strafrückfällen in Konzentrationslager einzuweisen. Dann erging m. Erinnerung nach im Jahre 1943 von Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) des Reichssicherheitshauptamtes, Berlin, ein Erlaß, demzufolge sämtliche igeuner festzunehmen und als asoziale Elemente in ein Konzentrationslager einzuweisen waren.“

Sowei der Bericht dieses Kriminalbeamten. Nun, im Jahre hat er sich offensichtlich geirrt, denn es war nicht 1943, sondern wie die Dokumente es beweisen, im Jahre 1940/41.  /am Rand Ziffer 51/

 

Wie sehr sich die damalige höchste SS-Führung in Detailangelegenheiten persönlich bearbeitend, einhängte zeigt ein Schreiben meines Chefs, des Amtchefs IV, Müller, an den schon erwähnten General der Waffen SS und Chef des Persönliches Stabes des Reichsführers SS, vom 17. Sept. 1942. Dieser hatte Müller in Evakuierungsangelegenheiten von Juden welche als Arbeiter bei einer Erülgesellschaft(sic) tätig waren, telephonisch gesprochen, mit dem Ziel der Vermeidung einer Arbeitsunterbrechung bei dieser Gesellschaft und daher Koppelung

 

                    /258-259/                    AE: 180

 

der Deportation mit der Zurverfügungstellung von Ersatzkräften.

/auf Seite gegenüber war Zusatz vorgesehen, gestrichen, aber noch lesbar:

Egal, ob es kleinere Einzelfälle waren oder ob es sich um Waggonerstellung für Hunderttausende handelte, auf alle Fälle zeigten die Herren damals eine erstaunliche Aktivität – eine Aktivität, von der manche nach 1945 nichts mehr wissen wollten, daß sie je von ihnen an den Tag gelegt wurde./

 

Ich sagte, daß ich mich an die Aufgaben hielt, die durchzuführen gemäß dem Geschäftsverteilungsplan und der Zuständigkeitsbegrenzungen, meine mir befohlene Pflicht war. Stur lehnte ich in all den Jahren alles, was da sonst noch so herangetragen wurde ab.

Freilich kamen alle möglichen Stellen mit den ausgefallensten Wünschen und Anträgen. Von meinem damaligen Amtchef muß ich sagen, daß er mich – wenn ich von den Dienstreisen zu den todesfeldern, zu denen er mich schickte, absehe – im allgemeinen von zusätzlichen Aufträgen verschonte /3 Zeilen unleserlich gemacht/ und darüber hinaus Akten, die ich ihm mangels Zuständigkeit anläßlich der Rücksprachen übergab, geduldig und stets ohne Vorwurf, quasi als Irrläufer, auch übernahm. Dies muß ich sachlich und nüchtern feststellen. Er hatte für bürokratische Notwendigkeiten vollstes Verständnis; denn er war der geborene Bürokrat und mich hatte er im Laufe der Jahre dazu gebracht.

Eines Tages, am 16. Nov. 1942 bekomme ich mit dem Posteingang ein Schreiben des „Persönlichen Stabes des Reichsführers SS“, betreffend des Aufbaues einer Sammlung von Skeletten in der Anatomie Straßburg. Und da

 

                         /260/                     AE: 181

 

konnte ich folgendes Merkwürdige lesen:

„Der Reichsführer SS hat angeordnet, daß dem Direktor der Anatomie Straßburg, SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Hirt, der zugleich Leiter einer Abteilung des Institutes für wherwissenschaftliche Weckforschung im Amt Ahnenerbe ist, für seine orschungen alles Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Im Auftrage des Reichsführers SS bitte ich deshalb, den Aufbau der geplanten Skelettsammlung zu ermöglichen. Wegen der Einzelheiten wird sich SS-Obersturmbannführer Sievers, mit Ihnen in Verbindung setzen.“

 

Eine Woche später schickt der Persönliche Stab an den genannten Sievers eine Abschrift des vorgenannten Schreibens zur Kenntnisnahme.

Für so etwas war ich nicht zuständig. In den reichlich vorhandenen Dokumenten, liegt auch keinerlei Reaktion meinerseits vor. Wie schon so oft; man richtete zwar an mich Schreiben über Schreiben, aber es findet sich nirgends eine Antwort oder Stellungnahme meinerseits. Dies bemerkte auch einer der Richter in dem Prozess gegen mich.

Ich konnte ja gar nichts anderes tun, als – mangels Zuständigkeit, - die Akte meinem Chef zu übergeben. Was er damit machte, entzog sich meiner Kenntnisnahme.

In den Nürnberger Prozessen, war (Fortsetzung siehe umseitig!)

 

                         /261/                     AE: 181a

 

auch ein Tagebuch Sievers, Gegenstand der gerichtlichen Erörterungen. Da steht unter dem 28. April 1943: „Reichssicherheitshauptamt IV B, SS-Sturmbannführer Günther. Untersuchungen jetzt möglich.“ Dies war Sievers Eintragung über ein am gleichen Tage, um 10.45 Uhr geführtes Telephongespräch mit Günther. Also hat es sechs Monate gedauert, bis Müller sich der Sache, über Günther entledigte. Hierzu ist die Zeugenaussage des ehemaligen Regierungsdirektors Huppenkotlen(?) interessant, der sowohl kurz nach 1945, als auch im Jahre 1961 u.a. sachlich und trocken feststellte, daß es zu Müllers Gepflogenheiten gehörte, über den Kopf des Referenten hinweg, irgend einen Referatsangehörigen mit Sonderaufträgen zu betrauen. Der so Betraute hatte seinem Referenten gegenüber bezüglich eines solchen Sonderauftrages selbstverständlich keine Berichterstattungspflicht, sondern in der Regel war er Allen gegenüber dem zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn solche Aufträge unter „Geheime Reichssach“ liefen.

Günther gehörte zu meinem Referat.

Am 21. Juni 1943 schrieb mich Sievers abermals an. Er nimmt Bezug auf ein Schreiben meines Referates vom 25. 9. 1942 und wiederholte zwischenzeitliche persönliche Besprechungen und teilte mit, daß die Arbeiten im Konzentrationslager Auschwitz am 15. 6. 43 wegen der Seuchen-

 

                         /262/                     AE: 182

 

gefahr beendet seien. Ein SS-Hauptsturmführer Dr. Bruno Beger habe sie durchgeführt. Er schreibt weiter: „Insgesamt 115 Personen, davon 79 Juden, 2 Polen 4 Innerasiaten und 30 Jüdinnen sind bearbeitet worden. Diese Häftlinge sind z. Zt. Getrennt nach Männern und Frauen in je einem Krankenhaus des Konzentrationslagers Auschwitzuntergebracht und befinden sich in Quarantäne.

Zur weiteren Bearbeitung der ausgesuchten Personen ist nunmehr eine sofortige Überweisung an das Konzentrationslager Natzweiler erforderlich, was mit Rücksicht auf die Seuchengefahr in Auschitz, beschleunigt durdhgeführt werden müßte. Ein namentliches Verzeichnis der ausgesuchten Personen ist beigefügt.

Es wird gebeten, die entsprechenden Anweisungen zu erteilen.“

Nun, auch dieses Schreiben wurde von mir nicht beantwortet, sondern gemäß der bestehenden Weisung, als unzuständig dem Amtchef übergeben.

Denn es hatte über Verlegungen einzig und alleine das SS-Wirtschafts- u. Verwaltungshauptamt zu entscheiden und zwar dessen Amtsgruppe D, nämlich die „Inspektion für das Konzentrationslagerwesen“ unter dem SS-Gruppenführer u. Generalleutnant der Waffen SS, Glücks. Es heißt da u.a. in den Richtlinien dieser „Inspektion“: „Verlegungen in andere Lager, vor allen Dingen in Stufe III beim Reichssicherheitshauptamt bzw. Reichskriminal-

 

                         /263/                     AE: 183

 

polizeiamt zu beantragen, gibt es nicht. Verlegungen werden grundsätzlich nur von hier verfügt.“

Also, ein ganz klarer und einwandfreier Fall von Unzuständigkeit meinerseits; und Müller kann m.E. nur das eine getan haben, den Vorgang an Glücks abzutreten. Anders ist es bürokratisch nicht denkbar. Von mir jedenfalls ist auch auf dieses Schreiben keine Reaktion erfolgt.

Und anläßlich des Prozesses gegen Sievers in Nürnberg erklärte dieser: „ich sagte schon, daß Himmler, Wirth in Straßburg besucht hat. Ich war bei diesem Besuch nicht zugegen. Wie mir Hirth dann mitteilte, sollte er sich auf Weisung von Himmler mit Glücks unmittelbar in Verbindung setzen und sich allenfalls meiner Vermittlung bedienen, wenn er nicht selbst nach Berlin kommen konnte.“

Sievers wurde nun von seinem Verteitiger(sic) gefragt, ob der Inspektion für das Konzentrationslagerwesen, Glücks der Befehl Himmlers schon vor der Rücksprache Sievers mit Glücks bekannt war. Darauf antwortete er: „Ja, der Befehl Himmlers lag bei Glücks bereits vor, als ich auf Bitte Wirth´s mit Glücks sprach.“

Er wird dann weiter gefragt, warum denn ein derartiges Schreiben an mich noch notwendig war, wenn Glücks diesen Befehl schon kannte. Es ist dies eine Völlig klare und logische Frage des Verteitigers(sic). Darauf gab Sievers eine Antwort, die deutlich

 

                         /264/                     AE: 184

 

erkennen läßt, daß der damalige Angeklagte Sievers sich mit allen Mitteln aus der Affaire, in der er durch seine Ahnerben-Geschichte und gegenständlich durch seine Schreiben steckte, zu ziehen bestrebt war. Dies ist menschlich verständlich.

Aber es scheiterte eben daran, weil von mir nichts vorlag, infolge der Nichtbearbeitung bzw. Abgabe der Akten an meinen Vorgesetzten.

Müller und Glücks verhandelten direkt. Beide waren Amtchef; beide waren Generalleutnant; der eine der Polizei, der andere der Waffen SS.

Nun, ich habe angefangen diese Angelegenheit zu schildern und will zum Abschluß dieser traurigen Sache noch das Ende beschreiben: Sievers schreibt am 5. Sept. 1944 an den Persönlichen Stab des Reichsführers SS, zu Händen von SS-Standartenführer Ministerialrat Dr. Brand: „Gemäß Vorschlag vom 9. 2. 42 und dortiger Zustimmung vom 23. 2. 42 wurde durch SS Sturmbannführer Prof. Dr. Hirth die bisher fehlende Skelettsammlung angelegt. Infolge Umfang der damit verbundenen wissenschaftlichen Arbeit sind Skelettierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen. Hirth erbittet im Hinblick auf etwa erforderlichen Zeitafuwand für 80 Stück Weisungen, falls mit Bedrohung Straßburg rechnen ist, wegen der Behandlung der im Leichenkeller der Anatomie befindlichen Sammlung.

Er kann Entfleischung und

 

                         /265/                     AE: 185

 

damit Unkenntlichmachung vornehmen, dann allerdings Gesamtarbeit umsonst und großer wissenschaftlicher Verlust für diese einzigartige Sammlung, weil danach Hominalabgüsse nicht mehr möglich wären. Skelettsammlung als solche nicht auffällig. Weichteile würden deklariert, als bei Übernahme Anatomie durch Franzosen, hinterlassene alte Leichenreste, und zur Verbrennung gegeben. Erbitte Entscheidung zu folgenden Vorschlägen:

1.)    Sammlung kann erhalten bleiben.

2.)    Sammlung ist teilweise aufzulösen.

3.)    Sammlung ist im Ganzen aufzulösen.

Sievers

SS-Standartenführer.“

 

Ich bin kein Jurist, kenne auch den ganzen Vorgang zu wenig. Aber eines dokumentiert Sievers durch sein eigenes Fernschreiben hier, daß der Vorschlag von ihm, bzw. Seinem Amt seinerzeit gemacht wurde, solch eine Skelettsammlung anzulegen. Und ich stehe auf dem Standpunkt, wenn man schon so etwas vorschlägt, dann muß man auch nachher den Mut haben, es einzugestehen und nicht versuchen, die Sache auf „kleinere Leute“ abzuwälzen.

Aber ich habe die Wahrnehmung gemacht, daß von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit zunehmender Dienstgradhöhe, die Abwälzungsbereitschaft eine stets größere wird.   /am Rand Ziffer 53/

 

                    /266-267/                    AE: 186

 

Im Anschluß an das eben Geschilderte, muß ich mich mit einer anderen makaberen Angelegenheit befassen.

Die Einsatzgruppen im Osten, und die Kommandos der SS- u. Polizeiführer im Generalgouvernement, sowie das Kommando welches Himmler mit dem Reichsstatthalter Greiner im Warthegau angesetzt hatte, hinterließen zahlreiche Massengräber. Diese sollten nunmehr im Hinblick auf das Vorwärtsdrängen der Roten Armee verwischt werden; das heißt die Leichen sollten ausgegraben und verbrannt werden.

Der SS-Standartenführer Blobel /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/ erhielt dazu den Befehl. Er war bis Ende 1941, Chef eines Sonderkommandos der Einsatzgruppe C, unter dem Befehl des SS-Brigadeführers und Generalmajors der Polizei Dr. Dr. Rasch /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/, im Bereich der 6. Armee des Generalfeldmarschall von Reichenau /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/, tätig. Er wurde dann gemäß seiner eigenen Aussage nach Berlin strafversetzt und „erhielt im Herbst 1942 die Aufgabe als Beauftragter Müllers sich in die besetzten Ostgebiete zu begeben und die Spuren der Massengräber die von den Hinrichtungen der Einsatzgruppen stammten, zu verwischen. Diese Aufgabe hatte er bis zum Sommer 1944.“ /Abführungszeichen gestrichen, Übergang von Zitat zu Referat unklar/

Diese Angaben habe ich einer eidesstattlichen Erklärung Blobels vom 6. Juni 1947, die er in Nürnberg abgab, entnommen. Zu Blobels Kommando gehörten etwa 4-6 SS-Männer, die aus seinem früheren

 

                  /268/                     AE: 187

Einsatzkommando stammten.

Bis zum Mai 1941 war er Führer des SD-Abschnittes für Düsseldorf. Von Beruf war er Architekt.

Da er nun Müller unmittelbar unterstellt war, hatte er diesem laufend und direkt zu berichten, bzw sich bei ihm zu melden. In einem Hause neben der Dienststelle, in der mein Referat untergebracht war, mußten in einem der Stockwerke gemäß Befehl des Amtchefs IV für durchreisende Gäste stets einige freie Zimmer zur Verfügung gehalten werden. In solchen wohnte Blobel mit seiner Begleitung dann, wenn er zur Berichterstattung nach Berlin kam. Aus diesem Grunde ließ er sich auch seine Privatpost an meine Dienstanschrift kommen. Man könnte sagen, daß der Mann meines Referates, welcher die Hausaufsicht führte, ihn wirtschaftlich zu betreuen hatte. Und da dieser Mann neimenaden wirtschaftlich betreuen durfte, es sei denn, er hätte von mir, oder meinem Vertreter, dazu den Befehl erhalten, ist es richtig, wenn es heißt, daß Blobel von meinem Referat wirtschaftlich betreut wurde. Damit sich keine falsche Auffassung einschleicht, möchte ich den Zusatz machen, soweit es sich um die privaten-persönlichen Bedürfnisse, als da sind Wohnung, Privatpost, Lebensmittelmarken, handelt. Dies war alles.

Schon ein Versuch des Standartenführers Blobels, der Hauswache des Dienstgebäudes in der Kurfürstenstraße 116, Befehle zu erteilen,

 

                    /269/                     AE: 188

 

führte zu einem Zusammenstoß mit ihm und einer dienstlichen Beschwerde meinerseits, denn kein Referatsfremder durfte der Wache dienstliche Weisungen geben. Dies war eine allgemein gültige Regel und beweist, daß der Standartenführer Blobel nicht zu meiner Dienststelle gehörte. Selbstverständlich konnten die im selben Hause untergebrachten anderen Referenten, dieser Hauswache Befehle erteilen; aber auch ein solcher war Blobel nicht. Wäre mir dieses Kommando unterstanden, oder auch nur Teile desselben, oder hätten Angehörige meiner Dienststelle zu diesem Kommando gehört, dann hätte Blobel diess ganz sicher anläßlich der vielen Verhöre oder während des Prozesses gegen ihn, an irgendeiner Stelle zum Ausdruck gebracht. Er war aber nach seinen eigenen Worten „Beauftragter des SS-Gruppenführers Müller“. Er unterstand daher ihm direkt und niemanden anderen.   /am Rand Ziffer 54/

Es blieb dem Berater für Judenfragen bei der deutschen Gesandtschaft in der Slowakei, dem SS-Hauptsturmführer Wisliceny vorbehalten, neben seinen zahlreichen Unwahrheiten, auf welche man sich in Nürnberg geeinigt hatte, weitere zusätzliche, über mich zu erfinden darunter auch die Behauptung, Blobel wäre mir unterstanden, bzw. ich hätte ihm sachliche Anweisungen erteilt.

Blobel selbst, für den solches doch sicherlich eher entlastend gewirkt hätte, straft aber Wisliceny Lügen. Es verlohnt sich auch

 

                              /270/                     AE: 189

 

nicht, näher auf das Wisliceny´sche Gerede einzugehen, denn es ist sowohl von meiner Verteitigung(sic), als auch von mir, im Laufe des Prozesse gegen mich, an hand der vorliegenden damaligen amtlichen Unterlagen aufgedeckt worden.

Ich finde es auch gar nicht mehr der Mühe wert, weitere diesbezügliche Worte über ihn verlieren, denn es charakterisiert ihn zur Genüge, was er in einem mehreren handgeschriebenen Ausführungen der seinerzeitigen mordamerikanischen Besatzungsmacht vorschlug. Er entwickelt dieser darin seinen Plan, wie man am besten meiner Person habhaft werden könnte. Er hatte mehrere Vermutungen über meinen damaligen aufenthalt.

Solche Vorschläge ausgerechnet von Wisliceny unterbreitet, haben irgendwie einen Schönheitsfehler, ganz bestimmter Art. Schließlich war er ja einmal mein vorgesetzter Abteilungsleiter in Judenangelegenheiten, im SD-Hauptamt gewesen.

Er schlug also eine etwa sechs Wochen dauernde Suchaktion unter seiner Beteiligung vor. Während dieser Zeit sollte meine Frau über mich verhört werden, meine damaligen Kameraden, die schließlich auch seine waren, des weiteren alle meine Verwandten und Bekannten, soweit Wisliceny über sie Bescheid wußte.

In „loyalster Weise“ trug er der nordamerianischen Besatzungsmacht seine diesbezügliche Hilfe beziehungsweise Mitarbeit an und „er war fröhlich wie eine Lerche“, heißt es in einem nordamerikanischen Bericht. /am Rand Ziffer 55/

 

                              /271/                     AE: 190

 

                                   -(16)-

Es scheint mir von Bedeutung zu sein, einmal einen ganz bestimmten Teil der damaligen nationalsozialistischen Terminologie zu streifen. Durch die laufenden Tarnungsbefehle Himmlers, wurden verschiedene Worte und Begriffe im Laufe der Zeit so vieldeutig, das daß (sic) z.B. was mit den Insassen eines Transportzuges wirklich geschah nur die Stelle mit absoluter Sicherheit wußte, die solche Transportzüge an der Zielstation zu übernehmen hatte.

Die Befehle, was tatsächlich zu geschehen habe, gingen von den Befehlsgebern direkt an die durchführende Stelle.

Natürlich kannte man die Einstellung der Befehlsgebung in genereller Hinsicht, soweit man an den Gesamtarbeiten irgendwie mit eingespannt war.

Ich sprach von „man“. Damit sind alle Zentralbehörden in Berlin und alle Behörden der mittleren Instanzen, soweit sie an den Deportations- und sonstigen sicherheitspolizeilichen Arbeiten mittelbar oder unmittelbar, federführend oder auch nur am Rande mitbeteiligt, eingeschaltet waren, zu verstehen.

Aber genau gewußt, was beispielsweise mit dem Transport aus dort und dort, geschah, oder geschehen wird, ob die Transportteilnehmer getötet wurden, ob sie in einem Konzentrationslager verbleiben, oder ob sie zur Arbeitsleistung in eine der Rüstungsindustrien kamen, alles dieses wußten diese Stellen nicht. Auch ich selbst

 

                              /272/                     AE: 191

 

habe solches nie und zu keiner Stunde gewußt. Es war auch von mir in keinerlei Weise abhängig oder zu beeinflußen. Genau so wenig, wie ich oder andere Stellen solches im Hinblick auf die Deportationsbefehlsgebung hätten tun können.

Dies alles hatten sich die Befehlsgeber ausschließlich selbst vorbehalten.

Solche Worte der Tarnung waren unter anderen

„Sonderbehandlung“;

„Abwanderung nach dem Osten“;

„Arbeitseinsatzverbringung nach dem Osten“;

„Evakuierung nach dem Osten“;

„Endlösung der Judenfrage“ usf.

Niemand außer der Letzstelle(sic), wußte, ob die wahre Bedeutung des Wortes in Anwendung gebracht wurde, oder ob Himmler, oder das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (Inspektion für das Konzentrationslagerwesen) oder der Chef der Sicherheitspolizei – dieser jedoch auch nur in selteneren Fällen – in Abweichung der genannten Wortgebilde, hierfür, der Letzstelle(sic) das Wort „töten“, befahl.

Himmler befahl dem Chef der Sicherheitspolizei ein bestimmtes Kontigent, aus einem bestimmten Territorium, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, nach einem bestimmten Zielort zu deportieren. Und das SS-Verwaltungs- u. Wirtschaftshauptamt erhielt von ihm Befehl, was mit den Deportierten zu geschehen hat.

Dies ergibt sich eindeutig aus den Dokumenten.

 

                              /273/                     AE: 192

 

Schon das Wort „Sonderbehandlung“, ganz allgemein als „töten“ aufgefaßt, hat in Wirklichkeit die verschiedensten Definitionen, beziehungsweise Auslegemöglichkeiten gehabt.

So zum Beispiel anläßlich der von Hitler und Himmler befohlenen Polendeportation; hier verstand man unter „Sonderbehandlung“ folgendes:

Das Rasse und Siedlungshauptamt erkannte, wer zu den von diesem Amt aufgestellten Wertungsgruppen I bis IV einzuordnen sei. Himmler oder sein jeweils örtlicher Vertreter, der Höhere SS- und Polizeiführer, entschied, was mit den einzelnen Wertungsgruppen zu geschehen habe; nämlich,

Eins.)     zum Arbeitseinsatz in das Reich;

Zwei.)   zur Deportation aus den neuen Ostgebieten in das Generalgouvernement;

Drei.)     Aufteilung in Rentendürfer im Generalgouvernement.

Vier.)     In das Konzentrationslager Auschwitz, oder

Fünf.)    Eindeutschungsfähig.

 

Dies alles fiel unter dem(sic) Begriff „Sonderbehandlung“.

Es sind noch Vordrucke, bzw. Formulare des Rasse- u. Siedlungshauptamtes erhalten geblieben, in denen es heißt:

„Betrifft: „Sonderbehandlung“ – (Name) Bezug: Erlaß des Reichsführes SS-S IV D 2 ……. Hierdurch erfüllt der Obengenannte

                              /274/                     AE: 193

 

in rassischer Hinsicht die Voraussetzungen, die an einzudeutschende Fremdvölkische gestellt werden müßen. Er gilt als eindeutschungsfähig.“

 

Ein anderes Formblattbeispiel:

„Betrifft: „Sonderbehandlung“ – (Name)

Hierdurch erfüllt der Obengenannte in rassischer Hinsicht nicht die Voraussetzungen, die an einzudeutschende Fremdvölkische gestellt werden müßen. Er gilt als nicht eindeutschungsfähig.   /am Rand Ziffer 56/

 

Es ergib sich zweifelsfrei, daß das Wort „Sonderbehandlung“ in solchen Fällen, mit „Tötung“ nicht das Geringste zu tun hat. Das Wort wurde hier ohne Zweideutigkeit, also ohne eine Tarnungsabsicht, für eine außergewöhnliche Behanldung einer Personengruppe gewählt, die nach einer Befehlsgebung Himmlers, in verschiedene Kategorien eingeteilt wurde; gleichgültig ob „eindeutschungsfähig“ oder nicht,wurde diese Musterung als „Sonderbehandlung“ bezeichnet.

 

Wenn ich solches heute schreibe, dann ist es mir als spräch ich vom Geschehen aus fernen, unwirklichen Welten. Ja, der Mensch kann es in seiner Torheit zu ganz unwahrscheinlichen Überheblichkeitsleistungen bringen. -

 

                              /275/                     AE: 194

 

Ein anderes Beispiel, aus den Richtlinien des Chefs der Sicherheitspolizei u. des SD, nach denen die sogenannten Kriegsdelikte zu bearbeiten waren. Sie stammen vom 26. Sept. 1939, und es heißt da:

 

„Sonderbehandlung“ (Exekution)

… Sonderbehandlungen werden grundsätzlich bei II A bearbeitet, mit Ausnahme von Fällen, der Sonderbehandlung gegen Geistliche, Theologen und Bibelforscher, für die II B zuständig ist.“  /am Rand Ziffer 57/

 

Hier also heißt „Sonderbehandlung““ ganz einwandfrei „töten“. Solche Fälle entschied – die Richtlinien weisen ausdrücklich darauf hin – Himmler persönlich.

 

Zwei weitere Beispiele:

„Betrifft: „Sonderbehandlung“ von Juden.

Bezug: Bericht v. 6. 5. 42 – II B 2

Der Reichsführer SS- und Chef der Deutshcen Polizei aht angeordnet, daß die in vorstehenden genannten Bericht näher bezeichneten Juden (es folgen sieben Namen) im Ghetto Neuhof, in Gegenwart ihrer Rassegenossen aufzuhängen sind.“

 

„Betrifft: „Sonderbehandlung“ von Juden.

Bezug: Bericht v. 27. 3. 42 – II B 2

Auf Anordnung des Reichsführers SS

 

                              /276/                     AE: 195

 

und Chef der Deutschen Polizei, ist die von dort gegen die Juden (es folgen vier Namen) vorgeschlagene Sonderbehandlung, druchzuführen.“

 

In beiden Fällen handelte es sich um Fernschreiben des Reichssicherheitshauptamtes an eine Staatspolizeistelle, die den Antrag auf Sonderbehandlung stellte. Das Reichssicherheitshauptamt war in disen Fällen nichts anderes, als die Stelle, welche solche Anträge befehlsgemäß an Himmler weiter zu leiten hatte und seine jeweilige Anordnung an die antragstellende Behörde durchgab.

Auch hier ist ganz einwandfrei unter „Sonderbehandlung“, töten zu verstehen.

/am Rand Ziffer 58/

 

Die Deportationstransporte liefen unter dem Betreff wie: „Endlösung der Judenfrage“, „Sonderbehandlung“, „Evakuierung nach dem Osten“, so wie es befohlen wurde. Alle par(sic) Monate kamen diesbezüglich neue Weisungen.

          Sie gingen nach Auschwitz, dem Generalgouvernement, nach Riga oder in den Warthegau. Hier war „Sonderbehandlung“, „Endlösung“, „Evakuierung“ usf. nicht gleich zu setzen dem Worte „töten“, denn es erfolgte sowohl Arbeitseinsatz, als auch Tötung.

Himmler selbst befaßte sich ganz persönlich mit der Tarnung.

 

                              /277/                     AE: 196

 

Einen Bericht des Inspekteurs für Statistik, Dr. Korherr, über den zahlenmäßigen Stand der Judenangelegenheiten in Europa, über Deportationen, Sterblichkeitsziffern und Auswanderungszahlen vom Frühjahr 1943, bestätigt Himmler im April desgleichen Jahres an den Chef der Sicherheitspolizei mit den Worten, daß er diesen Bericht aus Tarnungsgründen für spätere Zeiten für gut halte; im übrigen wünsche er daß nach dem Osten evakuiert werde, was überhaupt nur menschenmöglich ist. Er verlangte nur noch Berichte mit zwei Zahlen, die ihm jeden Monat vorzulegen seien: Zahl der in dem Berichtsmonat deportierten Juden und die Zahl der in den einzelnen Ländern noch vorhandenen Juden.

 

                         -(17)-

Als eine der Folgen des Todes Heydrichs, den eine gegen ihn geschleuderte Bombe am 29. Mai 1942 in einem Vorort von Prag traf, wurde das Dorf Lidice in Böhmen, dem Erdboden gleich gemacht; seine Beowhner wurden entweder erschoßen oder deportiert.

Etwa hundert Kinder aus diesem Dorf wurden gemäß einem Befehl des Höheren SS- u. Polizeiführers für Böhmen und Mähren, Generalleutnant der Polizei, K. H. Frank, durch das Rasse und Siedlungshauptamt, Nebenstelle Prag, zur Umwandererzentralstelle nach Litzmannstadt, deportiert.

 

                              /278/                     AE: 197

 

Diese Kinder hatte man in Eindeutschungsfähige und Nichteindeutschungsfähige unterteilt. Die ersteren wurden in das Kinderheim „Brocken“ überführt und bezüglich der nichteindeutschungsfähigen Kinder schrieb der damalige Leiter der litzmannstädter Umwandererzentralstelle an alle möglichen Dienststellen, mit der Bitte um Weisung, was mit diesen zu geschehen habe.

Auch mein Referat schrieb er an.

Mein Dezernat war für echische Angelegenheiten nicht zuständig. Trotzdem hatte Günther der „Ständige Vertreter“ von mir, aus einem Grunde, den ich mangels jedweder Zuständigkeit nicht einzusehen vermag und ihn auch nicht erklären kann, der Umwandererzentrale geantwortet, daß die nicheindeutschungsfähigen(sic) Kinder, an die Staatspolizeistelle Litzmannstadt zu übergeben seien, die weiteres veranlaßen werde.

 

Die Anklage beschuldigte mich nun, ich hätte diese Kinder der Sonderbehandlung zuführen lassen und sie seien getötet worden.

          Es ist eine jener aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen gegen mich, denn ich habe mit der gesamten Angelegenheit überhaupt nichts zu tun gehabt.

Weder mit der Deportation, noch mit irgend einer Weisung, was mit den Kindern geschehen soll.

Die Kinder sollten auch gar nicht getötet

 

                              /279/                     AE: 198

 

werden und wurden auch nicht getötet. Sie sollten gemäß dem Wissen des damaligen SS-Obersturmbannführer Krumeg(?), dem Leiter der Umwandererzentrale in Litzmannstadt, laut seiner Zeugenaussage vom 6. Juni 1961, einem Polentransport in das Generalgouvernement angeschlossen werden.

Und nach einer eidesstattlichen Erklärung der Frau Waltraut Elise Freiberg, welche vor dem Notar Dr. Kurt Merling in Bremen am 21. Juni 1961, abgegeben wurde, befanden sich noch am 20. Januar 1945 in einem Heim in Puschkau (ehem. Gen. Gouv.), etwa dreißig Kinder aus Lidice.

Für die mir seitens der Anklage vorgeworfenen Handlungen, hat die anklagebehörde keine Beweise erbringen können. /am Rand Ziffer 59/

 

Abgesehen davon, daß ich mich selbstverstänldich meiner Haut zu wehren gehabt habe, wenn mir Dinge zur Last gelegt werden, mit denen ich nichts zu tun hatte, ist es ein erschütterndes Bild und unsagbar traurig,wenn man so sieht welches Unheil die Ausgeburt des Krieges über die Menschheit bringt. Alle, die gesamte Kriegsgreuel ist im höchsten Maße beschämend; auch ich schäme mich über alle Maßen, egal ob ich damit zu tun hatte oder nicht.

 

                              /280/                     AE: 199

 

Es wird allmälig(sic) wirklich Zeit, daß dem Menschen endlich der Schutz gegen machtlüsterne Ehrgeizlinge zuteil wird, der solches Geschehen unmöglich macht; denn deren akute Gefährlichkeit ist im Zeitalter der nuklearen Maßenvernichtungsmittel größer denn je. Und bei Fortdauer des jetzigen Zustandes ist die Zukunft der Menschheit unheilschwanger, jederzeit bereit neuen gewaltsamen Tod, neue Tränen und neues Leid zu gebären und damit neuen Grabeshauch über die Menschheit zu bringen.

Und die das Leid zu tragen haben, werden genau wie bisher die Unbeteiligten, und letzten Endes ebenso die Befehlsempfänger sein und bleiben.

Und wenn wir Jetzigen schon zu beschränkt waren, eine Änderung herbeizuführen, dann sollten unsere Kinder aus unserem Unverstand die Lehren ziehen und den Schritt zur Anpassung, an die menschlichen Wünsche tun. Es wäre ein Schritt nach vorwärts; wir Alten gingen auf dem Gebiet des menschlichen Zusammenlebens, höchstens einem solchen zurück. Uns hat der Mut dazu offenbar gefehlt. Die Jugend der Völker muß sich einig werden. Die organisatorischen Erstvoraussetzungen bestehen ja in Form der tausende von Jugendverbände.

Setzt Euch zusammen und werdet eins! Dann schafft den Eigenstaatlichkeitsgedanken mit den partikularistischen Hoheitsrechten

 

                         /281-282/                    AE: 200

 

und den gesamten politischen Anhang ab. Schafft Euch statt dessen eine zentral regierende Körperschaft, zum Nutzen und Wohle aller Völker der Erde.

/Zusatz von Seite gegenüber:

Eine solche Körperschaft mit allen notwendigen übernationalen Regierungsvollmachten auszustatten, bedarf selbstverständlihc einer Überwindung instanzieller und ideeller Hemmungen. Auch sind die Zuständigkeitsverlagerungen, mit gewissen Anfangsschwierigkeiten zweifelsohne verbunden.

Aber zugegeben, Mord und Vernichtungsbefehle mögen unter Aufwand geringerer Hemmungen und Schwierigkeiten seitens der Staatsführung erteilt werden können, so bleibt immer noch die Frage offen, ob es sich nicht lohnt, selbst allergrößte Schwierigkeiten, egal welcher Natur, dann in Kauf zu nehmen und an ihrer Bereinigung zu arbeiten, wenn dadurch Friede, Freude und Glück unter die Menschen gebracht werden kann.

Bisher hörte man stets von Blut, Schweiß und Tränen./

Und wenn eine solche Renaissance das männliche Geschlecht nicht schafft, er wäre möglich, denn es hat leider auf diesem Gebiete nur Unheil gebracht, dann sollen die Frauen es versuchen. Denn sie sind in Wahrheit die Erhalter und Bewahrer des Lebens. Man kann zu ihrem Können auf diesem Gebiete jedenfalls mehr Vertrauen haben, als zu den abgenützten diesbezüglichen Künsten der Männer.

Es heißt, die Frauen ließen sich von den Gefühlen leiten, wohingegen wir Männer uns den Vernunftsstandpunkt zu eigen machen wüßten. Abgesehen davon, daß ich von einer Vernunft auf dem Gebiete der Politik ohnedies bis jetzt nichts gemerkt habe, frage ich mich, was etwa dagegen spräche, wenn weibliche Gefühlsbestimmtheit, einmal den männlichen Unvernunftsstandpunkt auf diesem Gebiete ablösen würde. Schlechter und schlimmer kann es niemals werden; hingegen hätte die Menschheit die Aussicht, daß es sehr wahrscheinlich besser würde.

 

                              /283/                     AE: 201

 

Da habe ich vor mir wieder solch ein Beispiel männlicher „Vernunft“ liegen. Es ist ein Schreiben des Chefs des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, an Himmler, vom April 1944.

 

„Reichsführer!

Ich übersende hierbei eine Karte des Reichsgebietes mit dem Generalgouvernement, den Ostlanden und den Niederlanden, in welchem nach dem Stand vom 31. 3. 1944, alle Konzentrations- und Arbeitslager eingezeichnet sind.

Es bestehen jetzt:

Im Reichsgebiet -----------------    13 Konzentrationslager

Im Generalgouvernement -------    3    - -

Im Ostland ------------------------     3    - -

In den Niederlanden ------------     1    - -

                            __________

                         Total 20 Konzentrationslager

 

Außerdem werden folgende Arbeitslager unterhalten:

Im Reichsgebiet -----------------    130 Arbeitslager

Im Generalgouvernement ------      3   - -

Im Ostland ------------------------   30   - -

In den Niederlanden -------------      2   - -

                         __________

                           Total 165 Arbeitslager

 

Zu Eickes Zeiten gab es insgesamt 6 Lager; jetzt 185!

                              Heil Hitler!

                              Gez. Pohl

                              SS-Obergruppenführer und

                                   General der Waffen SS.“

/am Rand Ziffer 60/

 

                         /284-285/                    AE: 202

 

Bei dem genannten Eicke, handelt es sich um den Vorgänger von Glücks, dem Inspekteur für das Konzentrationslagerwesen. Im Jahre 1941, bekam der SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen SS, Eicke, Befehl, eine Fronteinheit zu übernehmen. „Eickes-Zeiten“ hörten demnach 1941 auf. Ab dieser Zeit, bis zum April 1944, wurden 179 Konzentrations- und Arbeitslager neu errichtet.

 

Ulrich von Hutten /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/, wo sind deine Tage!

Wahrlich, es ist wirklich keine Lust mehr zu leben. Es ist mir unglaublich und erklingt mir unwahrscheinlich, daß ich selbst mitten drinn in all disem Geschehen stand.

Wenn solche Zustände wenigstens mit dem Jahre 1945 aufgehört hätten zu bestehen; aber wieviele Konzentrationslager mag es wohl heute geben?

 

                         -(18)-

/ Bemerkung auf Seite gegenüber:

Falls die auf Seite 202 bis 204 von -Anfangszeichen- bis –Endzeichen- geschrieben(sic) Zeilen besser in Fortfall kommen sollen, dann bittte streichen./

Über eines freue ich mich, daß es mir ein Schicksal ermöglicht hat, über all solche Dinge noch frei und frank reden und nicht etwa vom Hörensagen, sondern erlebnisbedingt, aus eigener Anschauung heraus, diese Dinge niederschreiben zu können.

Aus keiner persönlichen Verbitterung heraus, kommen meine Worte, denn ich habe gelernt ich selbst zu erkennen und in dem Maße ich mich erkannte, sah ich auch

 

                              /286/                     AE: 203

 

die Fehler, welche ich machte.

Kant setzte dieses Selbsterkennen zur Vorbedingung meiner Grundhaltung, zu meinem praktischen Bewußtsein; und auch Sokrates, jener Weise der Antike, macht dieses Selbsterkennen zu etwas Primären, zu einer zu stellenden Voraussetzung schlechtweg, für alle meine ausrichtung auf die ethischen Werte.

Aber was nützt mir in der Praxis die ganze Selbsterkenntnis und alle schönen Lehren verstorbener und lebender Weisen, wenn die jewielige Staatsknute mich unter Vormundschaft stellt.

 

Als Schüler gröhlten wir vor etwa vierzig Jahren, zum Leidwesen unserer Professoren,

 

„Ihr Leut vernehmt die Moritat,

Die sich einst zugetragen hat;

Er war vor rund zwotausend Jahr,

Islauverhar, Islauverhar.

 

Da war in Griechenland zu seh´n,

Die wunderschöne Stadt Athen;

Dort lebt zur Zeit des Perikles,

Sokrates, Sokrates.

 

Auf Markt und Straßen blieb er steh´n,

Wo Mann und Weib vorüber geh´n;

Sprach jeden an O anthrope,

Gnothise, gnothise.

 

                         /287-288/                    AE: 204

 

Die Gendarmerievon Athen

Fand dieses Treiben gar nicht schön;

Drum packt ihn eines Tag´s am Arm,

Ein Gendarm, ein Gendarm.

 

Der schleppt auf das Disterichon,

Den altersschwachen Mann davon;

Und dorten sprach der Staatsanwalt,

Macht´s ihn kalt, macht´s ihn kalt.

 

In einer finsteren Kerkernacht.

Da ward er endlich umgebracht;

Mit einem Becher Schierlingssaft,

Ekelhaft, ekelhaft.“

 

Ja, auch dieser Weise mußte sein Leben der menschlichen Unvernunft und Einsichtslosigkeit hingeben.

Auch er vermochte sich gegen die Staatsgewalt nicht anders durchzusetzen, als durch seinen Opfertod.

Die von seinen Freunden erwirkte Fluchtmöglichkeit ausschlagend, verwieß(sic) er auf die gesetzlichen Bestimmungen; er empfahl ihnen, nach seinem Tode den Göttern einen Hahn zu opfern und trank den Becher aus. Soweit die Geschichte, wie sie auf uns kam. Ich war kein Sokrates; ich war auch kein Giordano Bruno.

/Zusatz von Seite gegenüber: Und selbst einem Geist von dem Format eines Platon gelang es nicht, den tyrannen Dionysios von seiner staatspolitischen Linie abzubringen und statt dieser, platon´sche Staatsführungsvorstellungen zu praktizieren./

 

                              -(19)-

Auf Weisung des deutschen Reichsaußenministers von Ribbentrop, fand am 3. u. 4. April 1944 in Krummhübel, eine Arbeitstagung der Judenreferenten der deutschen Missionen

 

                         /289-290/                    AE: 205

 

in Europa statt. Sie wurde beschickt von zwei Gesandten, zehn Doktoren, einigen Legationsräten, Konsulen, Regierungsräten und anderen. Der Gesandte Prof. Dr. Six übergab nach der Begrüßung, den Vorsitz an den Gesandten Schleier /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/. Dieser sprach nun in seinem Eröffnungsreferat über „Aufgaben und Ziele der antijüdischen Auslandsaktion“. Ihm schloß sich Dr. Six über „Die politische Struktur des Weltjudentums“ an. Es folgte weiter ein Vortrag des Legationsrates Dr. von Thadden /Schreibung des Namens auf Seite gegenüber verdeutlicht/: „Judenpolitische Lage in Europa, Übersicht über den Stand der antijüdischen Exekutivmaßnahmen“.

 

Der Gesandte Dr. Six stellte fest, daß das Judentum in Europa seine biologische und gleichzeitig seine politische Rolle ausgespielt habe; die physische Beseitigung des Ostjudentums entziehe dem Judentum die biologischen Reserven. Nicht nur in Deutschland, auch international, müße die Judenfrage zu einer Lösung gebracht werden.

 

Der Legationsrat von Thadden schloß seine Ausführungen an die Vertreter der Missionen mit der Bitte der Unterdrückung jeder, auch antijüdisch getarnten Propaganda, die geeignet ist, die deutschen Exekutivmaßnahmen zu hemmen oder zu behindern. Ferner, Vorbereitung des Verständnisses in allen Völkern, fßür Exekutivmaßnahmen gegen das Judentum. Des weiteren laufende Berichterstattung über die Möglichkeit, auf diplomatischen

 

                              /291/                      AE: 206

 

Wegen, verschärfte Maßnahmen gegen das Judentum in den einzelnen Ländern zur Durchführung zu bringen. Und letzlich(sic), laufende Berichterstattung über Anzeichen für Gegenaktionen des Weltjudentums, damit rechtzeitig Gegenminen gelegt werden können.

Es wurde davon Abstand genommen, die von dem Referenten vorgetragenen Einzelheiten über den Stand der Exekutivmaßnahmen in den einzelnen Ländern, in das Protokoll aufzunehmen, da dieselben geheim zu halten seien.

Es folgten schließlich noch etwa zwanzig weitere Referate, welche von den einzelnen Tagunsteilnehmern gehalten wurden.   /am Rand Ziffer 61/

 

Diese Dokumente sind mir – ich gehörte nicht zu den Tagungsteilnehmern – mit den anderen Unterlagen aus jener Zeit, hier in Israel vorgelegt worden und waren ebenfalls Gegenstand der Erörterungen während des Prozesses.

 

Ja, wenn ich gleichzeitig dazu die Zeugenaussage von Prof. Dr. Six, die er im Jahre 1961 in Deutschland gemacht hat, lese und dazu die Zeugenaussagen des ehemaligen Legationsrates Dr. von Thadden, aus den Jahren kurz nach dem Waffenstillstand von 1945, dazu ferner einige der hier in Israel gegenständlichen Unterlagen aus der Korrespondenz Dr. Six mit dem Führer des damaligen SD-Oberabschnittes Donau und

 

                              /292/                     AE: 207

 

andere, dann muß ich schon sagen: merkwürdig; sehr merkwürdig ist dies alles. –

 

Ich hatte mit dem Legationsrat Dr. von Thadden in den Jahren bis 1945, sehr viel, man könnte sagen, laufend zu tun gehabt. Denn er war eine Zeitlang Referent im Auswärtigen Amt gewesen. Ein lebhafter Aktenverkehr verband über unsere unmittelbaren Vorgesetzten, sein Referat mit dem meinen. Hunderte solcher Dokumente liegen heute noch vor.

Persönlich war Herr von Thadden eine liebenswerte Erscheinung; gemäßigt, ruhig, bürokratisch-trocken. Nur eines verstehe ich nicht, wie er frank und frei in Nürnberg behaupten konnte, er habe von den Tötungen überhaupt nichts gewußt, er müße schon sagen, daß der SS-Obersturmbannführer Eichmann, ihn nach Strich und Faden belogen habe und wie er jetzt feststellen müße, sogar sehr geschickt.

Dabei hatte er aber im April 1944 über eben dieselben Angelegenheiten so Eindeutiges vorzutragen gehabt, daß dasselbe nicht einmal in das Protokoll der Tagung Aufnahme finden konnte.

Es ist mir bekannt, daß Lügen gerne und Vorzugsweise entstehen, wenn man gefragt wird. Und nach 1945 wurde sehr viel gefragt. Ich trage Herrn von Thadden auch persönlich nichts nach.

Ich stelle nur fest, durch solches und Ähnliches, hat sich dann zwangsläufig

 

                              /293/                     AE: 208

 

über meine Person eine Vorstellung herauskristallisiert, als sei ich in Wahrheit der treibende und mit hauptverantwortliche Faktor an den Maßnahmen gegen die Juden gewesen. Eine Vorstellung, die allerdings anläßlich des Prozesses gegen mich erschüttert wurde, und von vielen Uneingeweihten staunend zur Kenntnis genommen werden mußte, kurz eine Annahme, welche Schiffbruch erlitt.

Es sind solche Vorstellungen, die sich da breit machen konnten, die Folge, daß ich bei manchen der seinerzeit in Nürnberg in Haft Gehaltenen, gewissermaßen zum „deus ex machina“ avancierte. In ihrer Misere hatten sie plötzlich erkannt, daß, indem sie alles auf mich abladen – weil ich ja nicht erreichbar war – sich ihre eigene damalige Situation nur verbessern konnte.

 

Prof. Dr. Six war eine Zeitlang im SD-Hauptamt mein Vorgesetzter gewesen, wenn ich von einem zwischen mir und ihm noch eingeschalteten Abteilungsleiter und einem Hauptabteilungsleiter, absehen will. Er war außerdem um jene Zeit Dekan der „Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Verlin“; aber dies sagte ich ja schon einmal. Dr. Six war äußerst scharfsinnig und intelligent; ihm ein „X für ein U“ vorzumachen, war unmöglich. Wenn ich von meiner „nach 1945er Warte aus“ die Dinge so recht besehe, dann muß ich sagen, daß das „Auslandswissenschaftliche“ der Krumhübler Konferenz, es bestätigt,

 

                              /294/                     AE: 209

 

daß es mit seiner Intelligenz eigentlich so recht betrachtet auch nicht recht viel weiter bestellt sein konnte, als bei mir. Denn sie hat uns beiden einen gar argen Streich gespielt kommt mir vor. Freilich, um keinerlei Mißverständnis aufkommen zu lassen, verfügte ich nur über jenen „Hausgebrauchsgrad“ an Intelligenz, der mir eben so zukam; mich dieserhalb mit einem ehemaligen Dekan messen zu weolln, erscheint mir frivol. Dieses beeile ich mich hinzu zu setzen. Und ich hätte das ganze Kapitel „Intelligenz“ kaum berührt, hätte Dr. Six dieses nicht in seiner Zeugenaussage im Jahre 1961, von sich aus angeschnitten. Aber wie dem immer auch sei, ich denke, wir hätten beide besser daran getan, uns mit anderen Dingen zu beschäftigen, als mit der damaligen „Weltanschauung“. Und ich meine dies nicht im Hinblick auf den heutigen wirtschaftlichen Status, mit dem man gewissermaßen als Folgeerscheinung vorlieb nehmen muß – obzwar ich mich bezüglich meiner äußeren Lage in den letzten zehn Jahren in Argentinien keinesfalls beklagen möchte, was mir umso leichter fällt, da ich persönlich ohnedies nie ein besonderes Verhältnis zum Geld oder Geldeswert gehabt habe – sondern ich denke bei der Vergleichsziehung zwischen damals und heute, an einen ethischen Gewinn, den man in einem direkt proportionalen Verhältnis zu den inzwischen erreichten Lebensjahren hätte für sich buchen können, hätte man nicht teils aus eigener Torheit, teils umständebedingt, ein jahrelanges „geistiges Vacuum“ zu durchlaufen gehabt.

 

                         /295-296/                    AE: 210

 

Aber auch Dr. Six trage ich persönlich nichts nach; ich mochte ihn als Mensch, in der Zeit, da er mein Vorgesetzter war, gerne leiden.

Die Zeugenaussage von Prof. Dr. Six, bezüglich des Versuchenkönnens, sich von Einsatzgruppen zu distanzieren, beziehungsweise davon los zu kommen, unter Hinweis darauf, daß es ihm selbst ja auch gelungen sei, hat den Generalstaatsanwalt veranlaßt, in dem Verfahren gegen mich, darauf Bezug zu nehmen.

Auch die Aussage des Herrn Von dem Bachzelewski – ehemals General der Polizei – daß die Möglichkeiten gegeben waren, sich einem Auftrag durch Versetzungsgesuch zu entziehen, geht meines Erachtens, soweit es meine Person betrifft, an den(sic) Kern der Sache vorbei.

Ich kennen Hernn Von den Bach-Zelewski nicht persönlich, ich habe aber über ihn stets nur Gutes und Lobenswertes, als Mensch, gehört.

Ich denke nun, daß mir beide Herren recht geben, wenn ich sage, daß es ein gewaltiger Unterschied ist, wenn sich ein General der Polizei oder ein Amtchef im Reichssicherheitshauptamt von etwas zurückziehen will, oder ob einer ihrer Referenten bei ihnen mit solch einem Ansuchen vorstellig wird.

/Gestrichenes ersetzt durch Zusatz von Seite gegenüber: Versetzungsgesuche, die konnte man freilich machen, da hinderte einem(sic) niemand daran, aber ich denke und da braucht/ man kein Wort mehr darüber zu verlieren, weil solche eben abschlägig beschieden wurden. Besonders dann, wenn der betreffende Referent ja ohnehin keiner Einsatzgruppe angehört, niemanden

 

                              /297/                     AE: 211

zu töten hat, keine Befehle dazu zu geben braucht, ja nicht einmal die Deportationsbefehle von sich aus anzuordnen hat. Wenn solch ein Referent beispielsweise im Reichssicherheitshaupamt, hinter dem Schreibtisch seinen Dienst macht – und trotzdem um Versetzung einkommt – oder wenn er nach Ungarn zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD versetzt wird und damit sowohl diesem, als damit auch dem Höheren SS- u. Polizeiführer, der gleichzeitig sein Gerichtsherr ist, unterstellt wird. Oder wenn sich ein Referent von einem Oberabschnitt zu einem Unterabschnitt, sagen wir zum Beispiel nach Linz a/Donau, versetzen lassen will. Da heißt es bei negativem Ausgang des Ansuchens doch nur „gehorchen und weiterdienen“. Denn die Antworten lauten doch dann jedesmal ungefähr so: „Was wollen Sie denn, Sie haben doch nichts weiter als Ihre verwaltungsmäßige aktenarbeit zu erledigen. Kein Mensch verlangt von Ihnen, daß Sie töten sollen oder Befehle dazu geben. Außerdem leben wir inmitten eines der gewaltigsten Kriege. Da haben auch Sie Ihre Pflicht zu erfüllen; und zwar dort, wo Sie hingestellt werden. Es kann sich während eines Krieges niemand aussuchen, wo er gerne zu kämpfen wünscht.“

Genau solches hörte man dann.

Stimmt es meine Herren? Hand auf´s Herz! Ich will für mich dadurch gar nichts erreichen; außerdem ist die Beweisaufnahme in dem

                              /298/                     AE: 212

 

Prozess gegen mich längst abgeschlossen.

Es soll lediglich der Wahrheit dienen; und dem ein oder anderen kleinen Dienstgrad von ehemals, die Möglichkeit geben, sich darauf berufen zu können. Ich denke und dies kann mir niemand verwehren, dabei in erster Linie an meine eigenen Referatsangehörigen von damals.

Ich kann diese Betrachtungen abrunden, mit einer Erklärung, welche Prof. Dr. Six anläßlich seiner Zeugenaussage im Jahre 1961 abgab, in der es u.a. heißt, daß schließlich für jeden von uns noch die Möglichkeit bestand, sich zu erschießen, falls dem Ansuchen um Versetzung, nicht stattgegeben wurde. Dieses stimmt!

Ich habe es offenbar übersehen, mich zur richtigen Zeit zu erschießen; bueno und in logischer Auslegung dieser Alternative, habe ich eben heute die Konsequenzen zu tragen.

 

Dr. Six hatte es für sich erreicht, von einer Einsatzgruppe weg zu kommen. Er hatte es wie gesagt als einer der sieben Amtchefs des Reichssicherheitshauptamtes auch leichter. Er tauschte seinen Platz in der Sicherheitspolizei mit dem eines Gesandten im Auswärtigen Amt. Aber trotzdem sieht er sich im April 1944, als einer der Maßgeblichen, auf der Krummhübler Konferenz wieder.

                    (Fortsetzung siehe Seite 215)!

 

                         /299-300/               AE: 213-214

 

/Die beiden Blätter sind nicht beschrieben, mit großen Xen versehen; das erste davon trägt recht oben den Vermerk: Nummer existiert nicht –

schräg über die Seite steht: Irrtümlich ausgelassen, durch einen Zusatz welchen ich später einbaute./

                              /301/                     AE: 215

 

Nicht er war der Initiator, sondern sein Reichsaußenminister dies ist klar, und geht aus den Dokumenten hervor. Aber auch er hatte selbst als Gesandter, zu gehorchen und daß(sic) zu machen, was ihm angeordnet wurde.

Um wievieles mehr an Gehorsam hatte ein Referent zu leisten. –

Himmler hatte im Oktober 1943 vor seinen SS-Gruppenführern, also vor seinen SS-Generälen, in Posen eine Rede gehalten. Unter anderen Punkten, behandelte er das Kapitel „Gehorsam“.

Er führte aus:

„Gehorsam wird im soldatischen Leben morgens, mittags, und abends gefordert und geleistet. Der kleine Mann gehorcht auch immer oder meistens. Gehorcht er nicht, so wird er eingesperrt.

Schwieriger ist die Frage des Gehorsams bei den höheren Wurdenträgern in Staat, Partei und Wehrmacht, auch hie und da in der SS. Ich möchte hier etwas klar und deutlich aussprechen:

Daß der kleine Mann gehorchen muß, ist selbstverständlich. Noch selbstverständlicher ist es, daß alle hohen Führer der SS, also das ganze Gruppenführer-Korps, vorbilder des bedingungslosen Gehorsams sind. -------- In dem Augenblick aber, in dem der betreffende Vorgesetzte oder der Reichsführer SS – das kommt ja für das Gruppenführer-Korps in den meisten Fällen in Frage -

 

                              /302/                     AE: 216

 

oder gar der Führer entschieden und den Befehl gegeben hat, ist er auch durchzuführen, nicht nur dem Wort und dem Buchstaben nach, sondern dem Sinne nach. Wer den Befehl ausführt, hat dies zu tun als getreuer Walter, als getreuer Vertreter der befehlsgebenden Gewalt. Wenn Sie zuerst glaubten, dies wäre richtig und jenes wäre nicht richtig oder sogar falsch, dann gibt es zwei Möglichkeiten.

Wenn einer glaubt, er könne die Befolgung eines Befehles nicht verantworten, dann hat er das ehrlich zu melden: ich kann es nicht verantworten, ich bitte mich davon zu entbinden. Dann wird wohl in den meisten Fällen der Befehl kommen: Sie haben das doch durchzuführen.

Oder man denkt: der ist mit den Nerven fertig, der ist schwach. Dann kann man sagen: Gut, gehen Sie in Pension. Befehle müßen aber heilig sein.“

/am Rand Ziffer 62/

 

Das hört sich nun ganz schön an. Aber wenn man bedenkt, daß es sich ja hier um SS-Generäle handelt, auf welche Himmler diese, seine Worte münzte, dann sieht es schon anders aus. Bezüglich der kleineren Dienstgrade heißt es ja auch: er hat zu gehorchen; wenn nicht: einsperren. Ja, es ist eben genau daß(sic), was ich sagte: unsere damaligen Chefs hatten es in dieser Hinsicht einfacher. Außerdem ist

 

                              /303-304/               AE: 217

 

es eine alte militärische Erfahrung, seit Generationen: je weiter dienstgradmäßig herunter, desto rücksichtsloser und strenger, „wird mit ihnen Schlitten gefahren“. -------

/weiterer Abschnitt von 6 Zeilen unleserlich gemacht/

 

                              -(20)-

Der Mensch unserer Tage insonderheit der Stadtmensch lebte und lebt in der Hast und der Hetzjagd, im tagtäglichen Kampf um seine Existenz. Diese Arbeiterei und Plackerei, der er zur Versorgung seiner selbst und der seiner Angehörigen unterworfen wurde /Zusatz von Seite gegenüber: oft genug unter Umständen, die ihn rein nervlich bis an den Rand des gerade noch Erträglichen treiben,/ ist zur eigentlichen Inhaltsfülle seines Daseins geworden. Und mit zunehmender Dichte der Erdbevölkerung wird dieser Daseinskampf in zunehmendem Maße rücksichtsloser und brutaler.

Er läßt ihm zur Sammlung geister(?) Werte, an denen er sich innerlich aufrichten könnte stets weniger Zeit und Muße. Ja, darüber hinaus wird es ihm, infolge seines abgekämpften Zustandes in physischer und psychischer Hinsicht, stets schwerer, überhaupt noch ein Interesse für eine solche Wertesammlung, aufzubringen. Dafür wird an Stelle solcher Verlangen ein potenzierter Egoismus, verbunden

 

                              /305/                     AE: 218

 

mit einer pessimistischen Grundeinstellung zu den Dingen des Daseins, und wenn er es je noch bedenken sollte, zu den dingen überhaupt, allwaltend.

          Eine auf dieses Milieu abgestimmte staatliche oder prarteiliche Propaganda, wird hier stets ihre Erfolge zeitigen.

In Deutschland beispielsweise vegetierte zur Zeit des Werdens der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ ein Millionarbeitslosenheer, mehr schlecht als recht, dahin.

Die verschiedenen politischen Strömungen mit ihren demagogischen Aufrufen, werden dem Individuum mittels einer psychologisch spezialisierten Propagandamaschinerie aufgedrängt, und beeinflußt schließlich dessen sittliche Grundhaltung durch Richtungsabdrängung in das von Partei oder Staat gewünschte Denken und Tun.

Die ursprüngliche Verschiedenheit der Gesinnung, den Einzelcharakteren entsprechend, wird in eine Norm gebracht, wird ausgerichtet; soll gleichgeschaltet werden. Damit aber geht die Voraussetzung einer individuellen Gesinnungsethik verloren und an seine Stelle tritt eine staatliche oder parteiliche „Massenethik“, besonderer Eigenart.

Das Individuum kann jetzt allenfalls wohl noch unterscheiden und entscheiden, was wertvoll und was gemäß seiner Einstellung und seinem Empfinden nach den allgemein gültigen sittlichen

 

                    /306/                     AE: 219

    

Werten zuwiderläuft, aber er kann dem eigenen Denkresultat oder seinem eigenen Empfinden dann keinen sichtbaren Ausdruck mehr verleihen, wenn der Totalitätsanspruch einmal staatlich-exekutiven Charakter angenommen hat, ohne persönliche, leibliche Gefahr auf sich zu nehmen; ja, selbst solch ein Opfer wird keine Änderung des befohlenen Allgemeinzustandes herbeiführen.

 

/2 Zeilen unleserlich gemacht/

Der Handlungsfreiheit kann nur noch in jenen Bahnen Ausdruck verliehen werden, deren Richtung und Ziele der Staatsführung genehm ist. Und anstatt daß die menschlichen Triebwerte im Hinblick auf ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen untereinander, zugunsten der moralischen Werte eine Unterordnung erfahren, ist es gerade umgekehrt. Mit eine der Konsequenzen ist dann schließlich, daß an Stelle der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte anderer Völker, das Recht gesetzt wird, welches dem eigenen Volke alleine nützen soll, ohne Beachtung der Lebensnotwendigkeiten und des Lebens anderer Gemeinschaften, ja sogar auf Kosten dieser.

Solange dieser Zustand nicht geändert wird, gibt es unbarmherzig weiterhin Katastrophen im Völkerleben, so sicher wie das Amen in der Kirche. Und der Parlamentarismus verstecke sich nicht hinter der Tröstung, daß solches doch nur in

 

                              /307/                     AE: 220

 

totalitären Staaten möglich wäre und das(sic) diese alleine die auslösenden Ursachen wären. Die geschichte gibt darauf ganz eindeutige Auskunft.

                              __.__

 

/1 Abschnitt von 9 Zeilen unleserlich gemacht; danach dieselben drei Abschlußzeilen wie unten, gestrichen/

 

Des Schicksals Walten stellte mich in´s Sein, in´s Leben: als Mensch.

Und ihm entschwinde ich, gleich der Reise eines Wanderers in der Nacht.

Ein jeder hat auf diesem Gleise vieles, daß(sic) Schmerzen und auch Kummer macht.

                                   Ende des Teiles I

                                   Adolf Eichmann

                                         6 – 9 – 61

                         /308-309/                    AE: 221

 

/die erste Seite ist leer, auf die Rückseite des Blattes sind etliche dreistellige Zahlen gekritzelt, offenbar Seitenberechnungen des ersten Manuskriptteiles/

 

                              /310/

 

                         Quellen zum Teil I

/1/  Dok. 1182

/2/  Dok. 1451 (T 107)

/3/  Dok. 5

/4/  Dok. 1168

/5/  Dok. 2, 38

/6/  Dok. 462 (T 110)

/7/  Dok. 77

/8/  Dok. 505 (T 115)

/9/  Dok. 1508

/10/  Dok. 1512, 1516, 1515  /daneben notiert, gestrichen: Dazu die Löwenherz-Aktennotitzen, es sind deren glaublich 30. Aber die Nummern (Staatsanwalt No) fehlen mir. Man muß sie hier einsetzen. Aber nur die vor 1945 von ihm geschriebenen./

                   Dok. 1139

          Dok. 1129 bis 1138

          Dok.   1139, 1140

 

/11/  Dok. 1169

/12/  Dok. 1139

/13/  Dok. 1571 (N 33)

/14/  Dok. 1171, 1176  /daneben notiert gestrichen: und die Löwenherz-Aktennotitzen, (diejenigen, welche vor 1945 geschrieben wurden.)/

 

/15/  Dok 91

        Dok 108  /gestrichen, noch lesbar: Ich weiß nicht auswendig, ob es genau No 91 oder 61 ist. Bitte nachsehen./

        Dok. 784.

/16/  Dok. 1129.

/17/  Dok. 296.

/18/  Dok. 1193,

/19/  Dok 889, 1236, /gestrichen: 1557/ 541, 172 (Seite 7),

/20/  Dok. 192, 1181, 1557,

/21/  Dok. 1194, 1058, 550, 855, 1197.

/22/  Dok. 1397, 1396, 1087,

/23/  Dok. 1398,

 

                              /311/

 

               Quellenverzeichnis zum Teil I.

                    (Fortsetzung)

 

/24/  Dok. 1588, 36, 51, 554, 921.

/25/  Dok. 1399

/26/  Dok. 1398

/27/  Dok. 1485, 468, 1405, 1403, 1485, 14, 1458, 1488, 1461, 1400,

/28/  Dok. 1486, 1487

/29/  Dok. 172

/30/  Dok. 728, 738

/31/  Dok. 503, 197, 1064, 948, 1027

/32/  Dok. 874,

 

/33/  Dok. Poliakow „schwarz“ Seite 197 (Poliakov Dok. No 246)

 

/34/  Dok. IMT XIV, S. 467 (Aussage Schirach´s vor dem Intern. Milit.

 Tribunal)

      Dok. IMT XIV, S. 560

          Dok. 1634

          Dok. 1462, 1407, 1408.

 

/35/  Dok. 1395

/36/  Dok. 461

/37/  Dok. 1247, 1248, 1545, 1544, 1446, 504, 1193, 406, 1197, 42

/38/  Dok. IMT XXIII Seite 534, PS-3921

          Dok. 1193 (Seite 2), 138, 139.

 

/39/ Dok. hat Dr. Servatius. Wetzel´sches Handschreiben, samt den Entwürfen und Klartext. Die Nummern habe ich nicht; müßen besorgt werden, da die Sache wichtig und interessant ist.

 

                              /312/

 

/40/   946, 890, 1101, 465, 947, 74, 597.

/41/   841, 842, 876, 446, 877, 1206, 106, 878

/42/   174

/43/   701

/44/   389

/45/   1588, 36, 51

/46/   „Der Kommandant von Auschwitz“

          „Captain Payne-Best, the ?? Incident, London 1950, S. 186 u. 227.“

          „Die Zeugenaussagen des SS-Richters Morgan, in Nürnberg“

          Wdie Zeugenaussagen Höß in Nürnberg und in Polen“

          „Filip Friedmann, This was Oswiccim“

          „Bayle, Croix Gammee contre Cadmee(?)“

 

/47/   Dok. 1253

         Dok. 1537

 

/48/   Dok. 1174

/49/   Dok. 285, 1411, 1412, 287, 286, 1413, 289, 284,

/50/   Dok. 119, 728, 738, 739, 187, 1175 

/gestrichen, noch lesbar: (Die Dokumente „Sonderkonto W“ müßen noch angeführt werden. Ich kenne die Nummern nicht!)/

 

/51/   Dok. 1505, 468 (Seite 4 u 6), 1248

/52/   Dok. 1498,

/53/   Dok. 46, 913 (Seite 4), 175 (Seite 2)  912 (Seite 5775/76)  914, 874.

/54/   Dok. 843

 

                              /313/                     AE: 4

 

/55/   Dok. 773, 6, 29, 500, 235, 129, 395

/56/   Poliakov (rot) Seite 301 u. 302

/57/   Dok. 410

/58/   Dok. 1254, 1255

/59/   Dok. 865, 866, 867, 868, 869, 936, 937, 938, 939, Dok. N 19., und Aussage Krumez Antsgericht Frankfurt a/Main v. 6. 6. 1961.

 

/60/   Dok. 558

/61/   Dok. 168, 506; Zeugenaussagen: Six 1961 in Deutschland

                                 v. Thadden 1945-1948 in Nürnberg

                                 und 1961 in Deutschland

/62/   Dok. 150

 

/314/

Götzen        Teil II.

Inhalt

Quellenverzeichnis ………………………………. 20 Seiten

Teil II. (Seite 1 – 193  und 2 Seiten (1a, 1b.) als „Eingang“

(unterteilt in 15 Abschnitte)

194 Seiten (einhundertneunzig und sechs als laufende Blattzahl.

Adolf Eichmann /Unterschrift/

6 – 9 – 61

 

/315/

 

II. Teil

 

/316/

AE 1A=1a,

Teil II

-          1 –

Wenn in den letzten 15 Jahren, Publizisten in Wort oder Schrift, sich mit meiner Person beschäftigten, dann kann man beim Studium der Veröffentlichungen die Wahrnehmung machen, daß es hier zum Beispiel heißt: ja, eine Beteiligung Eichmann´s an den Massakern im Osten behaupten zu wollen, erscheint wohl abwegig, aber er war der Verantwortliche für die Lösung der Judenfrage in allen von Deutschland besetzten oder beeinflußten übrigen Gebieten Europas.

Nun, nachdem ich darauf in den Mittelpunkt solcher Beschreibungen gestellt wurde, ist es für mich nicht ganz einfach, gerade über das Kapitel West- Nord- Süd und Südosteuropa zu sprechen, ohne bei schier jedem Satz in die persönliche Verteidigungsstellung zu gehen. Solches aber langweilt. Auf der anderen Seite aber, scheint es doch auch wieder selbstverständlich, daß jemand, der für etwas nicht verantwortlich war, also nicht der Drahtzieher, Initiator oder der Befehlende war, wohl aber dessen beschuldigt wird, daß sich ein solcher also, gegen falsche Beschuldigungen zur Wehr setzt; denn sonst ergäbe es ja ein falsches Bild. Ich habe daher die beste und zugleich einfachste Lösung gefunden, in

 

/317/

AE 1B 1b

der Form, als ich glaube, daß es hier für die Erziehung eines objektiven Bildes das Beste ist, weitgehend die damaligen amtlichen Dokumente selbst, mit ihren eigenen Worten sprechen zu lassen. Dadurch wird erreicht, daß selbst jede mögliche Unterstellung etwa, ich sei mit “Aalglätte oder Doppelzüngigkeit” an die Beschreibung der Materie herangegangen, von vorneherein verunmöglicht wird. Eine solche Betrachungsweise, die ich mit persönlichen Erinnerungen und Meinungen illustriere, scheint mir ein recht wahrheitsgetreues und anschauliches Bild zu vermitteln, just daß, was der Leser ja wissen will, nämlich: was war denn nun wirklich damals das. Was ist wahr und was ist Geflunker. Und der Leser selbst wird es sein, der sich abschließend eom klares Urteil über das Tatsächliche an dem Geschehen bilden kann.

 

/318/

AE 1

I

II. Teil

-          2 –

A.   Frankreich

Am 21. Juni 1940 wurde in dem historischen Spreisewagen der “Internationalen Schlafwagengesellschaft” in Campiegna der Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart.

Am 3. Aug. 1940 teilt der damalige ReichsaußenministerJoachim von Ribbentrop, dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Berlins, folgendes mit. (1) Hitler habe gemäß seinem Vorschlag den bisherigen Gesandten, Abetz, zum Botschafter ernannt und ihm für Frankreich u.a. folgende Aufgaben übertragen:

Eins.)     Beratung der militärischen Stellen in politischen Fragen.

Zwei.)   Ständiger Kontakt mit der Vichy-Regierung und ihren Beauftragten im besetzten Gebiet.

Drei.)     Beratung der Geheimen Feldpolizei und Geheimen Staatspolizei bei der Beschlagnahme politisch wichtiger Dokumente.

Vier.)     Sicherstellung und Erfassung des öffentlichen Kunstbesitzes, ferner des privaten und vor allem jüdischen Kunstbesitzes auf Grund besonderer hierzu erteilter Weisungen.

Ferner hatte Hitler ausdrücklich angeordnet, daß ausschließlich Botschafter Abetz für die Behandlung aller politischen Fragen im besetzten und unbesetzten

 

/319/

/gegenüber S. 2/

 

Bemerkung für die Zensur:

Diese schriftstellerische Arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen gewogen werden. (Unterschriftskürzel)

 

/320/

AE 2

Frankreich verantwortlich ist.

Weiter teilt Ribbentrop mit, daß der Botschafter die Weisungen zur Durchführung seiner Aufgaben von ihm erhalte und ihm ausschließlich hierfür verantwortlich sei.

Dies war eine Bestellung mit ungeheuren Vollmachten: Und so nimmt es nicht Wunder, daß Abetz bereits in einer Besprechung am 17. Aug. 1940 anregt, die Militärverwaltung in Frankreich möge anordnen, daß mit sofortiger Wirkung keine Juden mehr in das besetzte Frankreich hereingelangen. Ferner verlangte er die Vorbereitung zur Entfernung aller Juden aus dem besetzten Gebiet und schließlich die Prüfung, ob das jüdische Vermögen im betzten Gebiet enteignet werden kann. (2)

Der Chef der Militärverwaltung im besetzten Frankreich hatte diese Angelegenheiten nun von der bürokratisch-administrativen Seite aus zu bearbeiten.

Um die gleiche Zeit hat das Auswärtige Amt in Berlin, den Persönlichen Stab des Reichsführeres SS, um Stellungnahme zu der Anfrage Abetz, über antisemitische Maßnahmen, die als Grundlage dienen könnten, später auch die Juden aus dem nichtbesetzten Frankreich zu entfernen. (3)

Und am 20. Sept. 1940, beeilte sich Heydrich unter dem Briefkopf “Der Reichs-

/321/

AE 3

Führer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Aktenzeichen 5-IVD6-776/40 gRs.”, dem Anfrager, SA Standartenführer, Gesandten Luther, die Antwort zu geben.

Er habe keinerlei Bedenken gegen die Durchführung der von Abetz geplanten Maßnahmen und sei auch mit deren Erledigung durch die französischen Behörden einverstanden.

Abetz aber ging bereits einen Schritt weiter als wie es bisher gesehen hatten, denn er verlangte die Meldepflicht der im besetzten Gebiet ansäßigen Juden, die Kenntlichmachung der jüdischen Geschäfte und die Einsetzung von Treuhänder für jüdische Vermögschaften, deren Besitzer geflohen waren. (4)

Eine entsprechende Einschaltung der in Frankreich stationierten deutschen Sicherheitspolizei aber – so meinte Heydrich – sei empfehlenswert.

Und am 1. Oktober 1940 ergeht ein weiterer Vorschlag von Abetz in 19 facher Ausfertigung, an die verschiedensten Zentralbehörden, indem er in Zukunft für das besagte Gebiet Frankreich, Kollektivausbürgerungsverfahren für näher genannte jüdische Personengruppem durchgeführt wissen will. Er meint abschließend, daß diese angeregt Maßnahme nur als erster Schritt zur Lösung des Gesamtproblems anzusehen sei. (5)

 

 /322/

AE 4

Die französische Regierung in Vichy hatte inzwischen in der Person von Xavier Vallat, einen “Kommissar für Judenfragen” ernannt. Dieser sprach am 3. April 1941 in der deutschen Botschaft in Paris vor. Abetz berichtete an das Auswärtige Amt, wie folgt:

“Damit in einer späteren Stufe “auch die alteingesessenen” durch die gleichen Maßnahmen wie die ausländischen und neu naturalisierten Juden erfaßt werden können, ist schon jetzt ein Gesetz notwendig, daß den französischen Judenkommissar ermächtigt, “alteingesessene” Juden, die gegen die spezialen und nationalen Interessen der französischen Nation verstoßen haben, zu “ausländischen” zu erklären.”

Er habe Xavier Vallat geraten, seiner Regierung in Vichy, ein solches Gesetz vorzuschlagen. (6)

Bereits am 4. Okt. 1940 hatte die französische Regierung ein Vichy einen eigenen Judenstatut erlassen, in dem u.a. die Unterbringung jüdischer Ausländer in besonderen Konzentrationslagern vergesehen war; und mit Erlaß IVD6-229/40 v. 30 Okt. 1940 des Reichsführers SS–Chef der Sicherheitspolizei u. des SD, wurde die Errichtung besonderer Konzentrationslager für die Juden deutscher, österreichischer, ?loslowatischer und polnischer Staatsangehörigkeit,angeordnet.

Dieses teilte der Beauftragte des Chefs der

 

/323/

AE 5

Sicherheitspolizei u. des SD, für Belgien und Frankreich, mit dem Sitz Paris, Dr. Knochen, dem Chef der Militärverwaltung Frankreich, am 28. Jan. 1941, mit. (7)

Ich habe hier an Hand der Dokumente einen kurzen Abriß des legislativen Fundamentes, welches zur Behandlung der Judenfrage in Frankreich geschaffen wurde, aufgezeigt. Weder ich, noch mein Dezernat trat bisher dabei in Erscheinung. Es wurde durch andere Dienststellen bearbeitet. Der in meinem Referat kurze Zeit dienstlich tätig gewesene SS-Hauptsturmführer Dannecker, wurde gemäß Befehl meines Amtschefs seiner Tätigkeit im Reichssicherheitshauptamt enthoben und als Refernt dem Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei, nach Paris versetzt.

Inzwischen war gemäß einer Anordnung Görings die Auswanderung von Juden aus dem Raum des „Großdeutschen Reiches“, auch während des Krieges, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten, verstärkt durchzuführen. Und da um jene Zeit nur ungenügende Ausreisemöglichkeiten, besser gesagt, Einwanderungsbewilligungen, zur Verfügung standen, würde eine Auswanderung von Juden aus Belgien und Frankreich, diese wenigen Möglichkeiten weiterhin schmählern. Daher sei eine Auswanderung aus diesen Gebieten zu verhindern.

 

/324/

AE 6

Abschließend wird auf die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage hingewiesen. Dies wurde am 20. Maai 1941, allen Staatspolizeistellen, den Behörden in Frankreich, den SD-Dienststellen, sowie dem Auswärtigen Amt in Berlin, mitgeteilt. Ein Sachbearbeiter von mir hatte dieses Schreiben, gemäß eines Disposition meines Amtschefs om Reichsicherheitshauptamt, aufgesetzt; ich hatte dem Sachbearbeiter (IVB4b) die Richtpunkte des Chefs diktiert.

Mein damaliger mir unmittelbar vorgesetzter Chef, der SS-Gruppenführer und Generalleutnant, der Polizei Heinrich Müller, muß einige Tage krank oder dienstlich unterwegs gewesen sein – eine Tatsache, welche zu den allergrößten Raritäten zählte – denn sein damaliger Vertreter Schellenberg, unterschrieb diesen Runderlaß. Jener Schellenberg, der dann später nach der Ausbootung von Canaris, zu unumschränkten Herren der Deutschen Spionage und Contraspionage, kurz „Abwehr“ genannt, werden sollte. (8)

 

Ich schnitt eben das Wort „Endlösung der Judenfrage“ am. Um jene Zeit war gemäß meiner Erinnerung, unter diesem Begriff der bereits unter meiner Mitwirkung fertiggestellte „Madagaskarplan“ noch zu verstehen, der diesen „Betreff“ führte und über den an anderer Stelle dieser Arbeit

 

/325/

AE 7

ausführlicher berichtet ist. Die nun folgenden Zeilen, werden zeigen, wie dieser Plan – abgesehen von der späteren militärischen und politischen Lage, durch welche er überholt wurde – torpediert worden ist.

Ein Legationrat Dr. Zeitschel war in Paris zur Betreuung der dort befindlichen Diplomaten angestellt worden. Dies teilte Abetz dem Militärbefehlshaber in Paris mit. Dieser Dr. Zeitschel machte am 22. Aug. 1941, eine Aufzeichnung für den Botschafter Abetz. In dieser heißt es, daß die fortschreitende Eroberung und Besetzung der weiten Ostgebiete, das Judenproblem in ganz Europa in kürzester Zeit zu einer engültigen, befriedigenden Lösung bringen könnte. Man müßte dort ein besonderes Territorium für sie abgrenzen. Durch einfache militärische Befehle könnten die Juden der besetzten Gebiete wie Holland, Belgien, Luxemburg, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, in Massentransporten in das neue Territorium abtransportiert werden und den übrigen Staaten nahegelegt werden, dem Beispiel zu folgen. Der Madagaskarplan sei zwar an sich nicht schlecht, dürfte aber auf unüberwindliche Transportschwierigkeiten stoßen, da die Welttonnarge zu anderen Dingen wichtiger gebraucht würde, als große Mengen von Juden auf den Weltmeeren spazieren zu fahren. Ganz abgesehen davon, daß ein Transport von

 

/326/

AE 8

1e Millionen jahrelang dauern würde.

Er schlägt dem Botschafter Abetz nun vor, diese Angelegenheit dem Reichsaußenminister vorzutragen, damit dieser sich mit dem bereits ernannten Minister für die Ostgebiete, Rosenberg, und dem Reichsführer SS Himmler zusammensetze, um die ganze Sache in dem von ihm vorgeschlagenen Sinn zu prüfen.

Das Transportproblem der Juden in die Ostgebiete würde selbst während des Krieges durchzuführen sein.

Er bitte weiter, bei dieser Gelegenheit auch besonders zu betonen, daß in Frankreich nicht genügend Lager zu Interniereung zur Verfügung stünden und man sich infolgedessen mit allen möglichen Gesetzen und sonstigen Vorschriften durchhelfen müße, die doch im Ganzen gesehen, nur vorübergehende und nicht duchrgreifende Maßnahmen seien.

Schließlich schlägt er Abetz vor, dieses Problem auch dem gerade jetzt für Judenfragen sehr empfänglichen Reichsmarschall Göring, nahezubringen, da er sicher in seiner augenblicklichen Einstellung und nach seinen Erfahrungen des Ostfeldzuges, eine starke Stütze in der Durchführung der entwickelten Idee sein könnte.

Soweit Dr. Zeitschel.

Nun, dies mußten freudige Klänge in den Ohren des Reichsaußenministers von

 

/327/

AE 9

Ribbentrop gewesen sein. Behaglich war ihm sicherlich nicht zu Mute bei dem Gedanken einer federführenden Einschaltung des aktiven Heydrich mit seinen außenpolitischen Ambitionen; im Falle Madagskar. Schlimm genug für Ribbentop war schon, daß ausgerechnet Heydrich mit dem Posten eines „Stellvertretenden Reichsprotektors“ für Böhmen und Mähren betraut wurde. Und Heydrichs Machthunger war grenzenlos. Dabei war Heydrich schlau, raffiniert und in seinem Sinne, von einer architektenähnlichen Konstruktosität beselt; sehr im Gegensatz zu Ribbentrop. Jedenfalls muß Abetz auf willige und freudige Aufnahme gestoßen sein, denn kurze Zeit später, oder war es zur selben Zeit fiel der Madagaskarplan als integrale Lösung.

Und für Frankreich selbst hatte Abetz, anläßlich seiner Anwesenheit im Hauptquartier die Genehmigung Himmlers erhalten, daß schon jetzt alle in den in Frankreich befindlichen Konzentrationslagern einsitzenden Juden nach dem Osten deportiert werden können, sobald dies die Transportmittel zulassen.

Dieses Ergebnis teilt Dr. Zeitschel am 8. Oktober 1941 dem Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD für Belgien und Frankreich, zu Händen Danneckers, mit. (Fälschlicherweise heißt es in dem Dokument „Obersturmbannführer

 

/328/

AE 10

Dannecker. Ich kann versichern, daß Dannecker nie über den Dienstgrad eine SS-Hauptsturmführers (Hauptmann) hinauskam und die den Dienstgrad eines SS-Obersturmbannführers (Oberstleutnant) innehatte).

Er bittet, nachdem es ihm also gelungen sei in deser Richtung die prinzipielle Einwilligung Himmlers zu erreichen, nicht locker zu lasen und alle paar Wochen einen Bericht nach Berlin loszulassen, mit der dringenden Bitte, baldmöglichst die Juden vom besetzten Frankreich abzuschieben. (9)

Damit also war die Befehlsgebung zur Deprotation von Juden aus Frankreich erreicht. Die Polizei bekam die entsprechenden Weisungen und hatte zu gehorchen. Was hätte es beispielsweise genützt, wenn ein Einzelner etwa hätte verlauten lassen, nein, ich will nicht. Die SS- u. Polizeigerichtsbarkeit wäre eingeschritten und an seine Stelle hätte ein anderer die Arbeit weiter zu führen gehabt.

Der Militärbefehlshaber in Paris drängelte, der Botschafter drängelte und dieses Drängeln hatte der Beauftragte des Chefs der Sicherheitspolizei u. des SD entgegenzunehmen. Denn Himmler hatte genehmigt.

Sobald es die Transportmittel zulassen.

 

/329/

AE 11

Wann lassen sie es zu?

Paris bedrängte das Reichssicherheitshauptmat. Mein Chef, der Amtschef des Amtes IV, befahl die Verhandlungsaufnahme mit dem zuständigen Dezernat des Reichsverkehrsministeriums. Der Reichsführer SS, Himmler, und der Chef der Sicherheitspolizei u. des SD, Heydrich, bestimmten den Personenkreis, bestimmten die Ausnahmen, bestimmten die Zielstation im Osten, bestimmten die Gepäckkilogrammgrenze; alles im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und anderen, politischen Zentralinstanzen, unter Angleichung an die erster Deportierungswellen von Juden aus dem Altreichsgebiet, Österreich und dem Protektorat Böhmen und Mähen, im Herbst 1941.

Kein Dezernent im Reichsverkehrsministerium hätte sagen können, wir haben keine Züge, die Transportlage erlaubt es nicht. Alles zusammen war ein bürokratisches Räderwerk, in dem ein Rädchen ein das andere greift.

Die Triebräder der Hauptwellen waren im Falle Frankreich, Dr. Zeitschel, Abetz und Ribbentrop; ferner Himmler und Heydrich.

Es ist keine Theorie.

Die Dokumente beweisen es.

 

/330/

AE 12

Die Deportationen aus Frankreich liefen an.

Am 23. Oktober 1941 befahl Himmler in seiner Eigenschaft als Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, die Einstellung, besser gesagt, die Verhinderung der Auswanderung von Juden mit sofortiger Wirkung. Die Evakuierungsaktionen hatten davon unberührt zu bleiben. (10)

Die Deportation wurde jedoch um die Wende des Jahres 1941/42, infolge des Weihnachtsurlauberverkehrs noch einmal verschoben. Dies teilte der Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, Müller, am Heiligen Abend des Jahres 1941 um 23 Uhr dem Beauftragten des C.d.S. für Frankreich und Belgien mit. /10 Zeilen gestrichen, unleserlich/ (11)

Am 28.2.1942 bekam ich Befehl, der Dienststelle Paris auf deren Anfrage vom 27.2.1942, mitzuteilen, daß

 

/331/

AE 13

tausend Juden sofort nach Beendigung einer im Augenblick im Gang befindlichen Fahrplanbesprechung deportiert werden können. (12)

Aber es gab offenbar immer noch Schwierigkeiten, denn die Bürokratie aller Länder arbeitet eben in einem bürokratischen Tempo. Befehlsgemäß hatte ich für den 4.3.42 eine Judenreferenten-Besprechung in Berlin, abzuberaumen gehabt. In dieser hatte der zuständige Referent des Beauftragten des Chefs der Sipo u. des SD in Paris, neuerlich auf die Dringlichkeit einer sofortigen Deportierung hingewiesen. Auftragsgemäß hatte ich ihm eine Abnahme für den Monat März 1942 zuzusagen (13) /2 gestrichene Zeilen/ und bekanntzugeben, daß vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung durch Heydrich, schon jetzt mit der französischen Regierung in Verhandlungen wegen Abschubs von fünftausen Juden nach dem Osten eingetreten werden könne. Weisungsgemäß habe es sich dabei zunächst um männliche, arbeitsfähige Juden, nicht über 55 Jahre alt zu handeln. Ferner sei dafür zu sorgen, daß die Juden französischer Staatsangehörigkeit, vor dem Abschub oder spätestens am Tage der Deportation ihre Staatsange-

 

/332/

AE 14

hörigkeit verlieren, und die Vermögensabwicklung müße gleichfalls erledigt sein. (14)

Hier spuckte die von der Abteilung I des Reichsinnenministeriums ausgekochte 11. Verordnung zum Reichsbürgerschaftsgesetze, in den Köpfen meiner Vorgesetzten herum.

Als Deportierungsbeginn war gemäß Fahrplanregelung durch das Reichsverkehrsministerium der 23.3.1942 vorgesehen. (15)

Nachdem durch die Initiative des Staatssekretärs für das Sicherheitswesen in Böhmen und Mähren, Ritt. Frank und dem Reichsminster für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels die Kennzeichnungspflicht für Juden für das Gebiet des „Großdeutschen Reiches einschließlich Böhmen und Mähren“ bei Hitler erwirkt war, gingen die Stellen der besetzten Gebiete daran, nunmehr auch die Juden dieser Gebiete der Kennzeichnungspflicht zu unterwerfen.

Der Militärbefehlhaber in Frankreich erließ die vom Auswärtigen Amt, Berlin, genemigte Verordnung am 7. Juni 1942. Gleichzeitig damit erfolgte seitens des Höheren SS- u. Polizeiführers in Frankreich, dem Vertreter Himmlers für dieses Gebiet, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Oberg

 

/333/

für Juden ein Verbot, öffentliche Einrichtungen zu betreten und an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

/Der Höhere SS- u. Polizeiführer war gemäß einem Befehl Hitlers, einzusetzen und war noch nicht lange Zeit im Amte gewesen.Doch versprach man sich seitens des Militärbefehlshabers, wie auch seitens der Stellen der örtlichen Sicherheitspolizei durch diese neue Regelung eine günstige Auswirkung im Hinblick auf die Endlösung der Judenfrage – gestrichen/. (16)

 

 

/334/AE 15

II

Ich sagte schon, daß der Beginn der Deportierung aus Frankreich zum 23.3.1942 vorgesehn war und im wesentlichen auch eingehalten werden mußte. Sehr aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist ein Fernschreiben des Chefs des deutschen Sicherheitspolizei für Frankreich, Dr. Knochen, an mein Referat vom 20.3.1942, worin er mir mitteilt, daß der Militärbefehlshaber endgültig mitgeteilt habe, daß er seinerseits keine Bewachungsmanschaften für die Deportierung der ersten tausend Juden aus Campiègne, bzw. Drancy, stellen könne. Er bittet daher mit dem deutschen Oberkommando des Heeres diese Frage der Transportbegleitmannschaften zu regeln, da dieses ja auch den Befehl zu Inhaftierung und Deportierung dieser Juden über das Hauptquartier Hitlers erwirkt habe. Als Transportabgang wurde jetzt der 28.3.1942 genant. (17)

Es ergibt sich daraus, daß neben Dr. Zeitschel – Botschafter Abetz – Reichsaußenminister v. Ribbentrop auch das Oberkommando des Heeres, für den Beginn, bzw. Das Anlaufen der Deportierungen aus Frankreich, verantwortlich ist.

Freilich mußte letzten Endes das Auswärtige Amt seine Zustimmung zu solchen Deportierungen aus dem Ausland geben; zwar war es in diesem Falle eine lediglich formelle bürokratische Notwendigkeit, da ja sein Chef persönlich, also Ribbentrop, das Einverständnis dazu gegeben hatte. (18)

/335/

AE 16

Am 26. Jan. 1942 teilte Himmler dem Inspekteur für das Konzentrationslagerwesen, dem damaligen Generalmajor der Waffen SS Gläcks, mit, daß er sich darauf einzurichten hätte 100.000 männliche und 50.000 weibliche Juden in den Konzentrationslagern aufzunehmen. Große wirtschaftliche Vorhaben seien in nächster Zukunft zu verwirklichen. Sein Chef der Gegeral der Waffen SS, Pohl, würde ihn im einzelnen unterrichten. (19) Und am 1. Februar 1942, schuf Himmler innerhalb der Konzentrationslagerleitung, eine straffere organisatorische Führung. Er ernannte Pohl zum Hauptamtchef des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, dem Glücks als Chef der Inspektion, als Chef der Amtsgruppe D, unterstellt war. (20)

Befehlsgemäß mußte ich für den 11.6.1942 wieder einmal eine Besprechung in Berlin anberaumen, zu der ich die Judenreferenten aus Paris, Brüssel und Den Haag, auf dem Diesntweg, zu laden ahtte. Glücks hartte inzwischen Aufnahmevorbereitungen in Auschwitz getroffen und Himmler befahl die Deportation von 100.000 Juden aus Frankreich, 15.000 aus den Niederlanden und 10.000 aus Belgien.

Gemäß Himmlers Weisung war Grundbedingung, daß die Juden zwischen 16 und 40 Jahre alt sind, wobei er 10 % nichtarbeits-

 

/336/AE 17

fähige Juden tolerierte. Ab 13.7. 1942 sollten diese Transporte gefahren werden und zwar wöchentlich deren drei. (21)

Als Himmler diesen Befehl seinem Chef der Sicherheitspolizei u. des SD erteilte lebte dieser noch. Aber am 29. Mai 1942 wurde er durch eine Bombe, verletzt. Sieben Tage später erlag er seinen Verwundungen.

Heydrich war tot. Himmler selbst übernahm die Leitung seines Reichssicherheitshauptamtes und sollte sie bis anfang Januar 1943 beibehalten. Erst um diese Zeit wurde Dr. Kaltenbrunner zum Nachfolger Heydrichs in sein Amt eingeführt.

Der Tod Heydrichs löste allenthalben verschärfte Aktionen auch gegen die Juden aus. Himmler befahl nunmehr, in Abweichung seines ursprünglichen Befehles, sämtliche Juden, ohne Rücksicht auf Altersgrenzen und Geschlecht zu deportieren. Und zwar sobald als möglich; sowohl aus dem besetzten, als auch aus dem unbesetzten Teil Frankreichs. Ich selbst wurde auf Befehl meines Amtchefs Müller nach Paris in Marsch gesetzt, um diesen Himmler-Befehl zu überbringen. (22)

Der von Dannecker am 1.7.1942, nach seinen Notitzen von ihm in Paris abdiktierte Vermerk, weist zwar eine Reihe von bürokratischen Unmöglichkeiten und Mängeln auf, so

 

/337/ AE 18

beispielsweise der „Kopf“ (RSHA=Reichssicherheitshauptamt, IV B4, in Verbindung mit dem Ort „Paris“ gibt es nicht). Der Vermerk ist weder beglaubigt noch gesiegelt. Es ist werder meine, noch Danneckers Unterschrift.

Jedoch sinngemäß erkläre ich ihn als ungefähr richtig wiedergegeben.

 

Längst schon war Dr. Knochen in Paris zum SS-Standartenführer und Oberst der Polizei befördert worden und seine Dienststellung war die eines Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD, in Frankreich. Nach dem Himmler Befehl, sämtliche Juden aus Frankreich zu deportieren, wurden seitens der örtlichen Stellen in Paris die Kontakte mit den französischen Stellen aufgenommen insenderheit mit dem französischen Polizeichef Darquier de Pellepoix und dessen Vertreter Laguay. Mit dem Chef der Judenkartei in der Präfektur Paris, Direktor Tulard; ferner mit dem Vertreter des Präfekten Seine, Direktor Garnier; dem Direktor der antijüdischen Polizei Schweblin u.a.m. (23)

Das Unausbleibliche nach einer solch scharfen Befehlsgebung von höchster Stelle, trat ein.

Die Deportationen begannen im großen Stil.

 

/338/AE 19

Am 10.7.1942 teilte Paris meinem Dezernat mit, daß 4000 jüdische Kinder bei der Verhaftungswelle auftreten würden und verlangte dringende Fernschriftliche Entscheidung darüber, ob die Kinder der abzutransportierenden staatenlosen Juden,vom 10. Transport ab, mit abgeschoben werden können. Elf Tage später erhielt ich seitens meines Vorgesetzten Befehl, Paris mitzuteilen, daß, sobald der Abtransport in das Generalgouvernement wieder möglich ist, diese Kinder deportiert werden müßen.

Ich hatte um jene Zeit selbst drei kleine Kinder. Mehr möchte ich hier an dieser stelle nicht sagen. (24)

 

Und wieder einmal mußte ich zu einer Arbeitstagung an die Judensachbearbeiter des Auslandes, Einladungen ergehen lassen, und zwar für den 28.8.1942. Der Grund hierfür war Himmlers Befehl den Abschub der staatenlosen Juden bis Ende des Kalenderjahres 1942 abzuschließen und als Endtermin für die Deportation der übrigen Juden hatte er Juni 1943 angeordnet.

In diesem Zusammenhang ist eine der berüchtigten Rademacherischen handschriftlichen Notitzen auf einem solchen Ladungsschreiben an den SS-Hauptsturmführer Richter, Bukarest,

 

/339/AE 20

-          welche über das Auswärtige Amt zu leiten waren – bemerkenswert.

Er schreibt hier, daß siche die Tagung mit technischen Fragen der Lagerführung beschäftige und fast ausschließlich aus zwei Besichtigungen von Lagern bestünde.

Die Phantasiererei des Legationsrates Rademacher vom Auswärtigen Amt bestätigt am deutschsten ein Vermerk, den ein SS-Unersturmführer Ahnert, für seine Vorgesetzten in Paris gefertigt hat und worin er die Besprechungspunkte geanu schildert. Der Vermerk datiert vom 1. Sept. 1942. Die einzige Stelle, welche etwas mit „Lagern“ zu tun haben könnte, ist jener Punkt, indem es heißt, daß ich die Tagungsteilnehmer ersuchte, „den Ankauf der durch den Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag, bestekkten Baracken sofort vorzunehmen. Das Lager soll in Rußland errichtet werden. Der Abtransport der Baracken könne so vorgenommen werden, daß von jedem Transportzug 3 – 5 Baracken mitgeführt werden.“ Ich habe hier einen Befehl meiner Vorgesetzten weiter gegeben. Offenbar hörte Rademacher irgend etwas und reimte sich eine Notitz nach seiner Art, zusammen. (25)

 

/340 – 341/ AE 21

Himmler schrieb im Dezember 1942 an meinen Amtchef Müller: „Ich ordne an, daß von den jetzt in Frankreich noch vorhandenen Juden °ebenso von den ungarischen und rumänischen Juden° /Einfügung von Seite 340/ alle diejenigen, die einflußreiche Verwandte in Amerika haben, in einem Sonderlager zusammen zu fassen sind. Dort sollen sie zwar arbeiten, jedoch unter Bedingungen, daß sie gesund sind und am Leben bleibem. Diese Art von Juden sind für uns wertvolle Geiseln. Ich stelle mir hierunter eine Zahl von rund 10.000 vor.“ (26)

 

So aber war der bisherige Ablauf in Frankreich. Jeder drängte, und jedermann in den verschiedenen Zentralinstanzen, so er mir eine eingermaßen einflußreiche Stellung innehatte, wollte seine „Lauterkeit als nationalsozialistischer Amtsstelleninhaber“ durch Antreiben und Vorschläge im Hinblick auf „Lösung der Judenfrage“ unter Beweis stellen.

Den Druck, der dann von oben kam, mußte die Polizei aushalten. Sie wurde einfach befallen; ihr wurden Termine gestellt. Allen ging es zu langsam; alles fand die verzapfte polizeiliche Bürokratie für zu langatmig. Die Polizei, welche den gesamten Mist, der in den Zentralnstanzen zusammengebraut wurde, dann durchzuführen hatte. Aber so war es und so wird es wohl auch /immer – gestrichen/ bleiben. Daher sage ich,

 

/342/ AE 22

daß der Polizeidienst, zumal den Dienst in einer politischen Plozei, das Schlimmste ist, womit einem das Schicksal strafen kann. Es nützt auch gar nichts, wenn man etwa sagen würde, daß wenn jedermann seine Finger aus einer politischen Polizei ließe, es eben keine gebe. Solange es den Befehl gibt, in Verbindung nit dem herrschenden System im Zusammenleben der Völker, solange wird es auch politische Polizeien geben. Trotz Cartas, UNO, nur trotz Tod und Teufel.

 

Nun, ich will nicht jetzt fortfahren zu schildern, wie die Dinge weiter liefen. Zuvor nur noch dies: wäre ich anstatt Befehlsempfänger, Befehlsgeber gewesen, wäre ich anstatt Adolf Eichmann, nun sagen wir einmal nur Dr. Zeitschel, dann würde ich nicht in der Lage sein, auch nur eine Zeile aus dem ganzen grausigen Geschehen zu berichten; denn bei jedem Wort müßte ich die Anklage hören „Du bist der Schuldige“. Und die Feder würd sich in meiner Hand streuben. Aber ich habe, /Zeile gestrichen/, weder solche noch ähnliche Vorschläge gemacht. Daher kann ich jenes, was geschah auch berichten. Dies fiel mir gewissermaßen so nebenbei gerade ein. Und wenn gleich solche Gedanken eingentlich in ein anderes Kapitel dieser Arbeit gehörten, so nahm ich mir trotzdem nicht die Mühe, es

 

/343/ AE 23

sorgsam abwägend an seine, eigentlichen Platz festzunageln, de der Meinung, daß wer dies alles lesen will, ohnedies von selbst an diese Stelle kommt.

Es ist ein Vermerk der Beamten der Dienststelle das Befehlshabers der Sicherheitspolizei u. des SD, Paris, vom 9.9.1942, erhalten geblieben. In diesem lesen wir: „Nach dem vom Reichsführer SS vertraulich bekannt gegebenen Plan sollen die von Deutschland besetzten Gebiete bereits bis zur Mitte des Jahres 1943 judenfrei sein.“ (27)

Und der nunmehrige Unterstaatssekretät im Auswärtgen Amt zu Berlin, Luther informiert am 24. 9.1942 seinen Staatssekretär v. Weizsäcker, daß ihm der Reichsaußenminister eben telephonisch die /folgende – gestrichen/ Weisung erteilt habe, daß die Evakuierungen der Juden aus den verschiedensten Ländern Europas möglichst zu beschleunigen seien. Luther hatte Ribbentrop kurz über die im Gange befindlichen Judendeportationen aus der Slovakei, Kroatien, Rumänien und den besetzten Gebieten Vortrag gehalten. Der Reichsaußenminister – so fährt Luther in seiner Dienstnotitz fort -, habe angeordnet, daß das Auswärtige Amt nunmehr an die bulgarische, an die

 

/344/ AE 24

ungarische und an die dänische Regierung herantreten soll, mit dem Ziel, die Judendeportationen aus diesen Länadern in Gang zu setzen.

Nur bezüglich Italien habe sich der Reichsaußenminister das Weitere selbst vorbehalten; denn diese Frage solle entsprechender zwischen Hitler und Mussolini, oder zwischen den Außenministern Deutschlands und Italiens, persönlich besprochen werden. (28)

Inzwischen hatte sich nämlich nicht nur die Haltung Frankreichs bezüglich der weiteren Judendeportationen versteift, sondern auch – und ganz besonders – seitens Italien wurden dem diesbezüglichen Wollen der Deutschen Reichsregierung, die größten Schwierigkeiten in die Wege gelegt.

Auf die von Himmler befohlene völlige Entjudung aller besetzten Gbiete, bis Mitte 1943, schickte sein östlicher Vertreter in Frankreich, der Höhere SS u. Polizeiführer , /Zeile gestrichen/, an Himmler ein Fernschreiben, in dem er ihm die besonderen Schwierigkeiten der Regierung Laval und die Einstellung Pétain‘s, schilderte; insbesonderlich im Hinblick auf eine Deportation von Juden mit französischer Staatsangehörigkeit. Die Haltung Italiens war für

 

/345/ AE 25

die französische Regierung gleichsam das Fanal.

Himmler schloß sich auch - wenigstens rein äußerlich – der durch Oberg? Dargelegten Auffassung an und verfügte, daß zunächst keine Juden französischer Staatsangehörigkeit festgenommen werden dürften. Damit war eine weitere Deportation in größerem Stil zunächst nicht möglich.

Himmler hatte augenscheinlich seinen eigenen „Entjudungsbefehl“ zurückgenommen; aber wie gesagt, nur augenscheinlich.

Er hatte um jene Zeit, es sit der September 1942 noch immer die Leistung seines Reichsicherheitshauptamtes selbst in Händen und er befürchtete ein Ausbreiten einer versteifenden Haltung in der Judenfrage auf die anderen europäischen Länder, insoweit sie unter deutschem Einfluß standen. (29)

Er schickte daher nun seinen höchsten militärischen Dienstgrad über den er befahl, den SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst der Polizei, Daluege, zur Klärung der Situation nach Paris und Marseille. Vor allem konnte er sich an Ort und Stelle über eine neue Note der italienischen Regierung an Laval, dem Ministerpräsidenten der Vichy-Regierung,

/346/ AE 26

informieren, in der die Italiener den Franzosen mitteilten, daß sie zwar keine Einwendungen gegen Maßnahmen französischerseits, in den von Italien besetzten Gebiet, betreffend die Juden französischer Staatsangehörigkeit machen, daß sie aber ihre Hände von den Juden ausländischer Staatsangehörigkeit weg zu lassen hätten.

Dies mußte Laval naturgemäß in große Schwierigkeiten bringen. Er brachte dies den deutschen Stellen offiziell zur Kenntnis und bat sie um entsprechende Unterstützung.

Der Bericht Dalueges an Himmler liegt nicht vor; aber der Inhalt ist nicht sehr schwer zu erraten. Im übrigen werden die nächsten Seiten, die nun folgende Aktivität in genügendem Maße aufzeigen.

Neben dieser Informatinsreise des Generalobersten Daluege, schrieb der Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD Paris, am 13. Jan. 1943 an meinen Amtchef Müller und bat ihn, Himmler möglichst umgehend von dieser Methode der Itliener in Kenntnis zu setzten; und er schloß mit der Feststellung, daß beim derzeitigen Stand der Dinge nicht damit gerechnet werden könne, daß in den nächsten Zeiten Juden französischer Staatsangehörigkeit überstellt werden können. (30)

 

/347/ AE 27

So also hatten sich die Dinge seit dem Schreiben des Höheren SS- u. Polizeiführers in Frankreich an Himmler, vom 26. Sept. 1942, versteift. Auch der an der deutschen Botschaft unter dem Botschafter Abig diensttuende Gesandte Schleier, berichtet am 23. Jan. 1943, an das Auswärtige Amt, daß eine grundsätzliche Bereinigung der Judenfrage nur durchgeführt werden könne, wenn es gelingt, die Italiener auf die Linie der deutschen Judenmaßnahmen zu bringen und er erbitttet Drahtanweisungen über weitere Behandlung der Angelegenheit. (31)

Der Schwerpunkt der Deutschen sicherheitspolizeilichen Dinge in dieser Hinsicht auch der des Auswärtigen Amtes, wird nun vorübergehend nach Rom verlegt.

Ein Geheimbericht des französischen Präfekten in Nizza, den dieser nach Vichy, an seinen Ministerpräsidenten gerichtet hat, gelangt zur Kenntnis der deutschen Sicherheitspolizei in Paris und Dr. Knochen schickt ihn an Müller ebenfalls mit der Bitte um umgehende Vorlage an Himmler, da er außerordentlich aufschlußreich für die Haltung der Italiener in der Judenfrage sei. (32)

In diesem Zusammenhang ist es interessant, die damalige offizielle Lesart der italienischen Haltung zu hören. Der Befehlshaber der IV. Italienischen

 

/348/ AE 28

Armee, hatte den zuständigen französischen Stellen mitgeteilt, „die italienische Regierung gestatte nicht, daß Personen, die sich einer anti-italienischen oder anti-deutschen Propaganda hingeben könnteb, ihrer Aufsicht entzogen würden.“ Dies teilte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr. Knochen, am 3. Februar 1943, dem deutschen Oberbefehlshaber West, über den Militärbefehlshaber in Frankreich, mit. Und er bemerkte, daß auf eine Entfernung aller Juden aus allen Grenz- und Küstendepartements des neubesetzten Gebietes, aus dringenden Sicherheitspolizeilichen Gründen bestanden werden müßte und bat um Intervention bei dem italienischen Oberbefehlshaber in Südfrankreich. (33)

Inzwischen wurde seitens des Auswärtigen Amtes die deutsche Botschaft in Paris mobil gemacht und zur ersten offiziellen Fühlungnahme beim ital. Außenministerium veranlaßt. (34)

Auch ich wurde durch meinen Amtchef Heinrich Müller nach Paris in Marsch gesetzt, um Knochen, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei, die Weisung ui überbringen, ungeachtet aller Schwierigkeiten, die Deprtierung aller Juden französischer Staatsangehörigkeit durchzuführen. Ich überbrachte dies, gemäß Befehl meiner Vorgesetzten. Nichts zeigt deutlicher, meine

 

/349/ AE 29

Rolle als Nachrichtenübermittler, als der sofort nach meiner Auftragerledigung von Dr. Knochen an Müller gerichtete Brief vom 12.Febr. 1943. Er nimmt auf meine Mitteilung Bezug, nimmt ferner Bezug auf seine verschiedenen Berichte in dieser Angelegenheit, geht sodann auf die möglicherweise entstehenden Komplikationen in politischer Hinsicht ein und teilt mit, falls die Deportationen befohlen werden sollten, damit zu rechnen sei, daß das französische Staatsoberhaupt Pétain, sich dagegen stellen würde und sie verbeitet. Um die Maßnahmen für Gesamtfrankreich durchzuführen, sei Voraussetzung, daß auch im italienisch besetzten Gebiet, die Maßnahmen durchgeführt werden dürfen. (35)

Nun folgen einige aufregende Stunden. Sowohl im Reichsicherheitshauptamt, als auch im Auswärtigen Amt.

Ribbentrop selbst, der sich persönlich die Regelung der Frage in Italien vorbehalten hatte, wurde lebendig. Er teilte dem Chefadjudanten beim Reichsführer SS – Himmler, dem General der Waffen SS Wolff, am 24. Februar 1943, morgens mit, daß die Reichsführung SS, ihm unverzüglich Mitteilung aller ihrer Wünsche, die Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten betreffend, machen möge. Diese sollten in Rom be-

/350/ AE 30

sprochen werden. Er wünschte alle Einzelheiten mitgeteilt zu haben, damit in eingehender Besprechung mit Mussolini, eine klare, konkrete Regelung erzielt werden könne. Es wurde ferner gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß diese Antwort „uns noch am 24. Februar, vormittags in Rom zugehet“. Dies schrieb der Gesandte Sonnleithner, aus dem Sonderzug Ribbentrops, „Westfalen“, der sich bereits auf dem Wege nach Rom befand.

Noch am gleichen Tage wurden dem Sonderzug die Wünsche durch Fernschreiben gesandt. Ich hatte sie nicht bearbeitet, also müßen sie von Müller an das Ausw. Amt gegeben worden sein; außerdem scheint es gemäß den Dokumenten so, als sei ein Teil der Wünsche auch direkt von Himmler durchgegeben worden. Nämlich „Judenmaßnahmen in Italien, gleich wie in Deutschland“. Ferner, daß „Judenmaßnahmen im neubesetzten Franreich und in Griechenland von den italienischen Militärbefehlshabern in diesen Gebieten, nicht weiter sabotiert werden sollen“.

Außerdem wurde nach dieser ersten Reakiondas Reichssicherheitshauptat ersucht, seine Wünsche noch zu konkretisieren und diese am 25. Februar, dem Auswärtigen amt zu übermitteln. Bisher spielte sich dies alles innerhalb der

 

/351/AE 31

Regionen meiner Vorgesetzten ab. Aber im Auswärtigen Amt, wurde der damalige Schabearbeiter, Legationsrat von Hahn seites seiner Vorgesetzten entsprechen „getreten“, die vermaledeite „Konkretisierung“, endlich herbeizuzaubern, auf die Ribbentrop in Rom wartete. Nun einen Himmler konnte man nicht treten, meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Generalleutnant der Polizei wollte man wohl auch nicht über Gebühr hetzen. Aber da gab es ja im Reichssicherheitshauptamt noch den Obersturmbannführer Eichmann; den konnte man wohl treten. „Weisungsgemäß teile ich Ihnen mit, so schrieb mir Hahn, mittel Schnellbrief am 25. Frebr., durch Boten überbracht, daß der Herr Reichsaußenminister heute morgen erneut sich nach dem Verbleib der von Ihnen in Aussicht gestellten Konkretisierung der Wünsche der Reichsführung SS, zur Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten, erkundigt hat.

Der Gesandte Bergmann hat die Übermittlung dieser Angaben für heute abend zugesagt.“ –

Ich mußte ja selbst auf die „Konkretisierung“ warten, die meine Vorgesetzten zusammen brauten. Ich konnte auch nichts weiter tun, als das Auswärtige amt, gemäß den erhaltenen Terminen, zu vertrösten.

 

/352/AE 32

Schließlichbekam ich diese mit dem Befehl für die Reinschrift und Vorlage wecks Unterschrift durch Müller, Sorge zu tragen.

Sie bestanden aus einem alten Schreiben Himmlers an Ribbentrop v. 29. Jan. 43; hier schrieb er unter u.a., daß das Verbleiben der Juden im italienischen Machtbereich für viele Kreise in Frankreich und in ganz Europa der Vorwand wäre, in der Judefrage leiser zu treten, weil darauf hingewiesen würde, daß nicht einmal unser Achsenpartner Italien, in der Judenfrage mitginge.

Ferner wurden gemäß der Bitte des Gesandten Bergamnn einige der wichtigsten Fälle in dieser Angelegenheit angeführt.

So, eine Mitteilung des Beauftragten des franzäsischen Polizeichefs Bousquet, an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris, mit dem Inhalt der Note, welche die italienische Regierung dem franz. Ministerpräsidenten Laval überreicht hat.

Ferner den Bericht Marcel Ronaix, Missionsbeauftragter bei Laval, den dieser nach einer Dienstreise, Laval erstattete, u.ä.m-

Müller unterschrieb die Reinschrift und das Schreiben ging am 25. Februar 1943 an das Auswärtige Amt aus. (36)

Unterschriftkürzel

 

/353/AE 33

Ich erhielt nun Befehl, unter Bezugnahme auf das Fernschreiben Dr. Knochens an Müller, vom 13.1.1943, indem er meldete, daß der Generaloberst der Polizei Daluege, in Paris und Marseille zur Information war, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei Paris, mitzuteilen, daß sein Fernschreiben inhaltsgemäß dem Auswärtigen Amt mitgeteilt wurde und Ribbentrop mit Mussolini, die Haltung Italiens zur Judenfrage zur Sprache bringen werde.

Der deutsche Botschafter v.Mackensen in Rom, erheilt im weiteren Verlauf der Dinge den Auftrag, Mussolini am 18. Mürz 1943 eine Aufzeichnung Ribbentrops zu überreichen und zwei Tage später wurde ihm unter anderem, im auftrage Mussolinis mitgeteilt, daß der „vom Duce persönlich als besonders energische bekante“ Polizeiinspekteur Lospinoso, den Befehl erhalten habe, die gegeständlichen Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. (37)

Genauere Angaben über die Tätigkeit dieses neuen Mannes, vermittelt ein Fernschreiben meines damaligen Chefs, Müller, an Knochen Paris, vom 2.4.1943. Darin gibt er Bericht un Aweisung wie folgt: „Während meines Aufenthaltes in Rom am 27.3.43, habe ich im Auftrage des Reichsführers SS, sowohl mit dem deutschen Botschafter, als auch mit dem Chef der

 

/354/AE 34

italienischen Polizei, die Judenfrage in dem neubesetzten französichen Gebeit besprochen. Die italienische Polizei hat auf Grund einer klaren und energischen Anweisung des Duce, den Generalinspekteur der italienischen Polizei Lospinoso und als dessen Vertreter, den Vizequestor Luceri, mit einigen Mitarbeitern, in das von Italien besetzte Gebiet entsandt, um in engster Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei, die Judenproblem wie sie insbesondere zu Zeit aufgetaucht sind, im deutschen Sinne einer Regelung zuzuführen.

Generalinspekteur Lospinoso befindet sich bereist seit einigen Tagen in Frankreich. Ich gebe hiervon Kenntnis, mit der Bitte, mit Lospinoso sofort Verbindung aufzunehmen und zu erforschen, mit welchen Aufträgen er versehen ist. Ich bitte um Mitteilung.“

Jetzt beginnt die Suche nach dem Generalinsekteur der italienischen Polizei. Knochen muß an Müller Fehlanzeige durchgeben und dieser sieht sich genötigt, am 9.4.43 abermals persönlich einzugreifen, indem er den Polizeiattaché bei der deutschen Botschaft in Rom veranlaßt, beim italinischen Polizeichef zu erwirken, daß Lospinoso entweder nach Berlin kommt, oder sich unmittelbar persönlich mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei,

 

/355/AE 35

Paaris, in Verbindung setzt.

Auch ich wurde mit der Lospinoso-Suchaktion befasst, indem ich Befehl erhielt, dem zuständigen Referenten im Auswärtigen Amt, Legationsrat Dr. von Thadden, die Wünsche meines Chefs, zu übersenden. Sie gipfelten darin, auch das Auswärtige amt möge sich in die Suchaktion mit einschalten. Mackensen, der deutsche Botschaften in Rom wird erneut in Trab gesetzt; er schlägt vor, daß sich der zuständige italienische Polizeiführer mit dem zuständigen deutschen Polizeiführer treffen mögen. Als Termin nannte er den 18. Mai, in der Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei u. des SD in Paris Avenue Foche 72.

Aber selbst am 24. Mai muß der Befehlshaber dem Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes berichten, daß auch die italienische Botschaft in Paris weder über Lospinoso noch über seine geplante Reise Auskunft zu gben in der Lage ist; und er bittet nochmals bei der italienischen Regierung anzufragen, ob überaupt noch mit dem Besuch gerechnet werden kann.

Die Sache klärte sich aber am 1. Juni 1943 insofern auf, als die italienischen Stellen anläßlich des letzten Besuches v. Mackensen im italienischen Außenministerium, „eine derartige Zusammenkunft für zur Zeit als unzweckmäßig erachten“. (38)

 

/356/AE 36

Inzwischen tat sich in Frankreich etwas anderes. Laval, sowie der neue Justizminister Cabolde hatten einen gesetzentwurf unterzeichnet, nachdem alle seit dem 10.8.1927 naturalisierten Juden, für staatenlos erklärt wurden. Dieses Gesetz wurde mit den italienischen Behörden besprochen und am 30.6.1943 wurde mit Bosquet, dem französischen Polizeichef vereinbart, wie die betreffenden Juden, schlagartig mit dem Tage der Verkündung des Gesetzes festzunehmen seien.

Dr. Knochen forderte von Müller die Abstellung von mindestens 250 Sicherheitspolizei zusätzlich, für die Dauer von 10 Tagen welche die französische Sprache einigermaßen beherrschen müßten.

Müller antwortete postwendend; die Wiederingangsetzung der Aktion sei zwar erfreulich, zumal Himmler gerade in diesen Tagen eine Beschleunigung der Arbeiten verlangt habe, aber er müße leider mitteilen, daß er zusätzlich lediglich 4 Mann, abzustellen in der Lage wäre, und er verwies auf die, dem Höheren SS- u. Polizeiführer in Frankreich, zur Ver?gung stehenden Polizeikräfte,von denen jener, Kontingente abstellen möge. (39)

 

/357/AE 37

Dafür konnte am gleichen Tage, nämlich am 2. Juli 1943, der Höhere SS- u. Polizeichef  SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Oberg an Kaltenbrunner und Himmler die Nachricht durchgeben, daß der französ. Polizeichef Bousquet ein Vichy den Besuch von Lospinoso empfing, der ihm mitteilte, daß er sich z.Zt. mit der Konzentrierung von 60.000 Juden ausländischer Staatsangehörigkeit, im italienischen Operationsgebiet befaße. /1 ½ Zeilen gestrichen/ Nach Bousquet, habe sich Lospinoso ihm gegenüber geäußert, daß die Deutschen sehr hart in der Durchführung der Maßnahmen gegen die Juden seien, die Franzosen härter als die Italiener, während Italien eine humane Lösung anstrebe.

Himmler verfügte, diese Meldung des Höheren SS- u. Polizeiführers, dem Reichsaußenminister zu übermitteln. (40)

Auf Weisung seiner Vorgesetzten suchte der Legationsrat im Auswärtigen Amt, Dr. von Thadden, am 16.10.43, meinen Chef, SS-Gruppenführer Müller auf, wegen der technischen Ddurchführung der Judenfrage in den neubesetzten Gebieten und führte dabei aus, daß das Auswärtige amt, nach den Erfahrungen

 

/358/AE 38

in Dänemark besonderes Interesse daran habe, daß Judenaktionen in anderen Gebieten mit ausreichenden Mitteln und ausreichender Vorbereitung durchgeführt würden, damit schwere politischen Komplikationen im Rahmen des Möglichen vermieden würden. Müller meinte dazu, auch das Reichssicherheitshauptamt habe aus den Erfahrungen von Kopenhagen vieles gelernt. Der Zeitpunkt jedoch, zu dem ausreichenden Polizeikräfte zur Verfügung stünden, um die in den besetzten Gebieten notwendigen Judenaktionen schlagartig durchzuführen, würde für die Dauer des Krieges wohl nicht mehr kommen. Man könne daher nur mit den zur

Verfügung stehenden Mitteln das Beste herausholen, was bei dieser Aktion möglich sei, um die befohlenen Aktionen durchzuführen. Zu dem bisher von italienischen Truppen besetzten Gebiet Frankreichs meinte er, daß die beschleunigte Durchführung einer Aktion ein sicherheitspolizeiliches Problem erster Ordnung seu, dessen Lösung trotz der beschränkt zur Verfügung stehenden Kräfte sofort in Angriff genommen werden müße. (41)

/gestrichen – Hitler hatte auf Vorschlag Rosenbergs angeordnet, in den besetzten Gebieten Bibliotheken, ?, Logen und sonstige weltanschauliche und kulturelle Einrichtungen aller Art nach entsprechendem Material zu durchforschen und sicherzustellen.

 

/359/AE 39

Ebenfalls Kulturgüter „Die im Besitz oder Eigentum von Juden herrenlos oder nicht einwandfrei zu klärender Herkunft waren“.

Mit der Durchführung dieser Aufgabe wurde der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg beauftragt und im Zuge dieser Erfassung wurden auch die Möbel und sonstigen Einrichtungsgegenstände aus jüdischen Wohnungen ebenfalls sichergestellt und diese für die besetzten Ostgebiete zu dortigen Verwendung abgefahren.

Auf Vortrag des Reichsleiters Rosenberg hatte Hitler durch Schreiben des Reichsministers und Chef  der Reichskanzlei vom 31.12.41, hierzu seine Zustimmung gegeben.

½ Zeile unleserlich./

 

/360/AE 40

- 3 -

Holland:

Es fing mit 400 Judenan, welche in das Konzentrationslager Mauthausen, in Oberösterreich liegend, deportiert wurden.

Der Generalkommisar für das Sicherheitswesen für die besetzten niederländischen Gebiete hatte die Verfügung erlassen. Es war dies der Höhere SS u. Polizeiführer beim Reichskommisar für die besetzten niederländischen Gebiete; sein Dienstgrad und Mane war: SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Rauter. Der Reichskommisar jener Zeit, war Dr. Seyss Inquart, der ehemalige österreichische Regierungschef, zur Zeit der Wiedervereinigung Österreichs mit den Deutschen Reich im Jahre 1938. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes, beim Reichskommisar, ein Gesandter Bene, teilte seiner Berliner Zentrale mit, daß die Deportation aus Anlaß der Niederschlagung eines SA-Mannes verfügt wurde und der Gesandtschaftsrat Mohr, ergänzte tags darauf, dam 26. Februar 1941, diese Meldung seines Chefs mit dem Bemerken, daß auch eine deutsche Patronille im Amsterdamer Judenviertel mit Giftstoffen bespritzt worden sei.

Die Folge dieser Deportation war ein Sympathiestreik verschiedener öffentlicher Einrichtungen im Amsterdam.

Im Juni desselben Jahres wurde aber

 

/361/AE 41

noch etwa 260 Juden in ein Konzentrationslager ans Holland verbracht. Am 5. Nov. 1941 benötigte der Legationsrat Rademacher vom auswärtigen Amt, eine Stellungnahme des Reichssicherheitshauptamtes, zur Frage der weiteren Behandlung der in deutschen Konzentrationslagern einsitzenden niiederländischen Juden. Er benötigte sie zur Beantragung der von der Schwedischen Gesandtschaft als Schutzmachtvertretung der Niederlande, eingereichten diesbezüglichen Verbahnten.

Der Hauptanlaß hierzu war der, daß dem Jüdischen Rat von Amsterdam mitgeteilt wurde, es seien bisher über 400 dieser Häftlinge verstorben.

Rademacher schrieb daher an Müller, daß das Auswärtige Amt zwar grundaätzlich auf dem gleichen Standpunkt wie das Reichssicherheitshauptmat stehe und es befürworte seinerseits die Reppressalien-Maßnahmen gegen Juden als Urheber der Unruhen, aber es möge Sorge dafür getragen werden, daß bei der Mitteilung der Todesfälle möglichst nicht der Eindruck entstehe, die Todesfälle ereigneten sich jeweils in bestimmten Tagen. (42)

Im Juni 1942 wurde die Kenzeichnung der Juden angeordnet, der alsbald weitere Beschränkungsauflagen, wie nächtliches Ausgehverbot, Verkehrsmittelbenutzungsverbot, Berufseinschränkungen usf., folgten. (43)

 

/362/AE 42

Der Vertreter des Auswärtigen Amtes beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, machte eine Vorlage bei seiner Berliner Zentralinstanz, mit dem Vorschlag, sämtliche niederländischen Juden ihrer Staatsbürgerschaft für verlustigt zu erklären. Dementgegen hielt das Auswärtige Amt unter dem 20. Juli 1942, es für wünschenswert, durch eine Verordnung des Reichskommissars, die niederländische Judengesetzgebung dadurch der des Reiches anzupassen, daß mit sofortiger Wirkung alle niederländischen Juden die ihren Aufenthalt im Ausland haben, oder ihren Wohnsitz nach dem Ausland verlegen, Analog der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941, ihre Staatsbürgerschaft verlieren. (44) Wobei es unerheblich sie, ob der in Frage kommende Jude aus freiem Antrieb das Land verlassen hat, oder deportiert wurde. Dieses wurde durch den Unterstaatssekretär Luther, dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt v. Weizsäcker am 10. August 1942 mit der Bitte um Weisung vorgelegt und von diesem genehmigt.

Schon am 29. Juli 1942 meldete der Vertreter des Auswärtigen Amtes in Den Haag, Gesandter Bene, daß die ersten beiden Deprtationstransporte ohne irgendwelche Schwierigkeiten abgegangen seien und der Höhere SS u. Polizeiführer (Rauter) daher

 

/363/AE 43

die Absicht habe, diese Organisation so zu fördern, daß wöchentlich bis zu 4.000 Juden abgefahren werden sollten. (45)

Am 24. Sept. 1942 erfogte der erste große Zwischenbericht des SS-Gruppenführers und Generalleutnant der Polizei Rauter, in Form eines persönlichen Schreibens an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler. Er schreibt u.a.

„Bis jetzt haben wir mit den strafweise nach Mauthausen abgeschobenen Juden, zusammen 20.000 Juden nach Auschwitz in Marsch gesetzt. In ganz Holland kommen ungefähr 120.000 Juden zur Abschiebung. Im Einvernehmen mit dem Reichskommissar schiebe ich aber auch alle jüdischen Teile der Mischehen ab, sofern aus diesen Mischehen keine Kinder hervorgegangen sind. Es werden dies ca. 6.000 Fälle sein. Ich will versuchen, anstatt 2 Züge je Woche, deren 3 zu erhalten. 30.000 Juden werden ab 1. Oktober abgeschoben. Ich hoffe, daß wir bis Weihnachten auch diese 30.000 Juden weg haben werden, sodaß dann im ganzen 50.000 Juden, also die Hälfte, aus Holland entfernt sein werden.

Am 15. Oktober wird das Judentum in Holland für vogelfrei erklärt. Jeder Jude, der irgendwo in Holland angetroffen wird, wird in die großen Judenlager eingezogen. Es kann also kein Jude, der nicht privilegiert ist, sich mehr in Holland sehen lassen.

 

/364/AE 44

Gleichzeitig beginne ich mit Veröffentlichungen, wonach Ariern, die Juden versteckt gehalten oder Juden über die Grenze verschoben oder Ausweispapiere gefälscht haben, das Vermögen beschlagnahmt und die Täter in ein Konzentrationslager überführt werden; das alles, um die Flucht der Juden, die in großem Maße eingesetzt hat, zu unterbinden. Das Judenlager Westerbork ist bereits ganz fertig, das Judenlager Vught wird am 10. – 15. Oktober vollendet sein.

Heil Hitler, Ihr gehorsamt ergebener Rauter.“

Himmler schrieb auf die erste Seite dieses Geheimberichtes, „sehr gut“. (46)

Im April des darauffolgenden Jahres berichtete der Regierungsrat Zöpf, (Referent beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD, Den Haag, Generalmajor der Polizei Dr. Harster) an mein Referat nach   Berlin, daß von den ursprünglich gemeldeten 140.000 Juden, inzwischen 68.300 Juden das Land verlassen haben. Und zwar 6.000 durch Auswanderung und Landesflucht; 4000 in reichsdeutsche Konzentrationslager; 300 nach Theresienstadt und 58.000 in 60 Sonderzügen nach dem Osten. (47)

Es ist ein Vermerk des SS-Brigadeführers und Generalmajor der Polizei Dr. Harster, vom 6.5.1943 erhalten geblieben, worin festgehalten ist, daß Himmler

 

/365/AE 45

wünscht, daß in diesem Jahre an Juden nach dem Osten abtransportiert wird, was menschenmöglich ist. Da im Westen ein Bunawerk durch Luftangriff zerstört wurde, soll ein neues Bunawerk in Auschwitz aufgebaut werden. Daher wurde vor allem in den Monaten Mai und Juni eine Höchstzahl von Juden aus dem Westen benötigt. Anzustreben sei für den Monat Mai die Ziffer von 8.000 (aus Holland). Zugvereinbarungen werden vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag, mit dem Reichssicherheitshauptamt getroffen.

Sämtliche portugisischen Juden (Sephardim) sind in einer Sonderbaracke des Lagers Westerbork zusammenzufassen, damit sie dort durch SS-Gruppenführer Rauter und dem Führer des Rasse- und Siedlungshauptamtes auf ihre Abstammung geprüft werden können. Der Reichsführer SS beabsichtigt, in Deutschland ein Lager für ca. 10.000 Juden französischer, belgischer und niederländischer Staatsangehörigkeit zu errichten, die wegen ihrer Beziehungen zum Ausland als Druckmittel zurückgestellt werden sollen. Gegebenenfalls sollen sie später zum Austausch gegen deutsche Heimkehrer, auswandern dürfen. (48)

 

/366/AE 46

Dem Auswärtigen Amt wird durch seinen Vertreter in Den Haag, am 29.6.43, gemeldet, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag in einem Geheimbericht an seinen Reichskommissar, diesem mitteilt, daß inzwischen der Hunderttausenste Jude das Land verlassen hat. (49)

Noch im gleichen Jahr informiert Dr. Harster dem Vertreter des Auswärtigen Amtes in Den Haag, daß der Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, im Einverständnis mit Himmler bestimmte, daß die in den Niederlanden in Mischehe lebenden Juden, bei Nachweis der Unfruchtbarkeit, vom Tragen des Judensternes befreit werden. Die Sterilisierung wird von jüdischen oder niederländischen Ärzten durchgeführt, wobei dem leitenden Arzt beim Höheren SS- i. Polizeiführer, die Prüfung der Unfruchtbarkeit obliege.

Dazu habe ich ergänzend festzustellen, daß diese Nachricht damals auch im Reichssicherheitshauptamt wie eine Bombe platzte, ein Novum, welches bislang alleine dastand und bis zum Ende des Krieges nicht nachgeahmt wurde. (50)

Am 28. Februar 1944, wendet sich der Reichskommissar Seyss-Inquart persönlich an den Chef der „Kanzlei des Führers“, an den Reichsleiter Bormann.

 

/367/AE 47

Ein mächtiger Mann jener Zeit, ein Mann von entscheidendem Einfluß auf Hitler. Ein Mann, der von allen respektiert wurde; einschließlich Himmler, Goebbels, Göhring usf. Er teilte ihm also mit, daß zwar die Juden aus dem niederländischen Volkskörper aus…ieren seien, aber offen noch die Frage der Juden in Mischehen wäre. Er sagte, daß sie in Holland zwar weiter gegangen wären als im Reichsgebiet und auch diesen Juden die Sterntragepflicht auferlegt hätten und daß er auch angeordnet habe die jüdischen Mischehenpartner, kinderloser Mischehen, nach dem Osten zu deportieren, daß seine Sicherheitspolizei auch einige hundert solcher Fälle behandelte, aber dann von Berlin den Auftrag bekam, diese Abtransporte nicht weiter durchzuführen. Daher verblieben ihm einige tausend dieser Juden im Lande und hiermit würde das Poblem der Mischehen aufgeworfen. Dasselbe sei aber grundsätzlicher Art und deshalb wende er sich an ihn. Im gleichen Sinne habe er auch an Himmler geschrieben. Im einzelnen führte er vier „Lösungsmöglichkeiten“ an.

Aber es scheint sich daran nicht allzuviel geändert zu haben, denn der Gesandte Bene gibt zum Juli1944,

/368/AE 48

wieder einen seiner regelmäßigen halbjahresberichte an das Auswärtige Amt, und teilt mit, daß die Judenfrage für die Niederlande als gelöst bezeichnet werden könne. Er gibt die Zahl der Deportierten mit 113.000 aan; 4.000 Juden seien verstorben; 2.500 seien zu Mischlingen bzw. Zu Ariern erklärt worden; in Mischehe leben etwa 8.600; in den Niederlanden untergetaucht etwa 9.000; in den Lagern befänden sich 3.600 evangelische Juden, Protektionsjuden, 44 türkische Juden und in Frankreich 11 argentinische Juden. Zusammen, 140.711. (51)

/369/AE 49

- 4 -

Belgien:

Himmler hatte um den 11. Juni 1942 befohlen, 10.000 Juden aus Belgien nach Auschwitz zu deportieren. Die deutsche Militärverwaltung beabsichtigte, den gewünschten Abtransport durchzuführen und der Leiter der Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Brüssel teilte am 9. Juli seiner Berliner Zentrale mit, daß der Militärverwaltungschef gegenwärtig im Hauptquartier sei, um die Angelegenheit mit Himmler zu erörtern. Es seinen gewisse Bedenken geltend gemacht worden, jedoch glaube die Militärverwaltung dann ihre Besorgnisse zurückstellen zu können, wenn eine Deportation von Juden mit belgischer Staatsangehörigkeit vermieden werden könne; denn für Zwangsmaßnahmen würden die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht ausreichen. (52)

Himmler hatte sich den Vorschlägen des Chefs der Militärverwaltung angeschloßen und am 24. Sept. konnte Bargen, der Vertreter des Auswärtigen Amtes in Brüssel melden, daß bis zum 15. Sept. insgesammt 10.000 staatenlose Juden evakuiert wurden. Und bis Ende Oktober hoffe die Deutsche Sicherheitspolizei in Belgien, etwa 20.000 des in Frage kommenden Personenkreises

 

/370/AE 50

abtransportieren zu können. (53) Also hatte die Vorsprache des Chefs der Militärverwaltung im Himmlers Hauptquartier eine Verdoppelung der ursprünglich befohlenen Anzahl zur Folge gehabt. Jedoch – wieder ein Bericht Bargen an des Auswärtige Amt vom 11. Nov. 1942 - ? besagt, daß bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt 15.000 Juden deportiert wurden. Es hätten sich auf Grund der Judenverordnung des Militärbefehlshabers vom 28.10.1940, rund 42.000 Juden über 16 Jahre, gemeldet. Davon waren 38.000 nichtbelgische Staatsangehörige. Insgesamt dürften sich nach seiner Schätzung 52.000 bis 55.000 Juden, einschließlich der nichtmeldepflichtigen Kinder, in Belgien gemeldet haben. In der letzten Zeit seien illegale Abwanderungen nach Frankreich und nach der Schweiz festgestellt worden und er schätze vorsichtig, wenn er sage, daß nach der Schweiz 3.000 bis 4.000 Juden abwanderten. (54)

Nun griff der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Luther ein und richtete am 4. Dez. 1942 an die Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Brüssel einen Erlaß in dem es u.a. heißt:

„Wenn heute sich das in Belgien verbliebene Judentum über die Anordnungen des Militärbefehlshabers hinwegsetzt, ferner mit allen Mitteln versucht, seinen

/371/AE 51

jüdischen Charakter zu verwischen und sich damit in schwer zu säubernde Schlupfwinkel verkriechen, und wenn schließlich bereits Ansätze zur Beteiligung dieser Juden am aktiven Widerstand gegen die Besatzungsmacht festgestellt werden, dann sollte ein energisches Zugreifen eine weitere Ausbreitung dieses Gefahrendherdes verhindern.

Ich darf daher bitten, im Benehmen mit vom Militärbefehlshaber die Möglichkeiten zu erwägen, die getroffenen Maßnahmen, nunmehr auf alle Juden in Belgien auszudehnen und diese bis zur möglichen Durchführung der Transporte, in Sammellager zusammenzufassen. Einzelfragen bezüglich Ausnahmebehandlung von Juden in Mischehen, solchen christlicher Konfession, oder mit Kindern, könnten im Benehmen mit der Sicherheitspolizei gelöst werden.

Eine durchgreifende Säuberung Belgiens von den Juden, muß fruüher oder später auf alle Fälle erfolgen.“ (55)

Weisungsgemäß hatte Bergen in Brüssel diese Angelegenheit mit vom Militärbefehlshaber, dem Militärverwaltungschef und dem örtlichen Chef der Sicherheitspolizei besprochen. Aber er mußte seinem neuen Chef nach Berlin mitteilen, daß eine Abbeförderung der Juden

 

/372/AE 52

nach Meinung der Militärverwaltung vor dem Frühjahr 1943 infolge Mangel an Eisenbahnwagen nicht aufgenommen werden könne.

Inzwischen aber würden die Vorbereitungen für die weitere Abbeförderung getroffen und die ausländischen Juden in einem Lager zusammengezogen. Infolge Lagermangel aber könne man alle Juden nicht zusammenziehen. Da bei Wiederaufnahme der Deportation auch die Abbeförderung der etwa 4.000 Juden belgischer Staatsangehörigkeit beabsichtigt sei, dürften die Absichten der Militärverwaltung mit den Wünschen des Auswärtigen Amtes übereinstimmen. (56)

Und noch einmal ermahnt der Unterstaastsekretär Luther in einem weiteren Schreiben vom 25. Jan. 1943 seine Brüsseler Dienststelle, indem er darauf aufmerksam hin weist, daß von vornherein darauf zu achten sei, bei der Zusammenfassung der in Belgien ansäßigen Juden in Lagern, nicht nur Juden ausländischer Staatsangehörigkeit, sondern auch die belgischen Juden mit zu verhaften seien.

Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt eine Durchschrift dieses Schreibens. Es wird darin bemerkt, daß gebeten wird, „auch von dort das Entsprechende zu veranlaßen“. Was sollte da noch viel zu veranlassen sein. Andere hatten ja alles bis in das Kleinste schon veranlaßt. (57)

Unterschritfkürzel

 

/373/AE 53

Am 9. April 1943 teilte Himmler dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Kaltenbrunner folgendes mit:

„Das Wichtigste ist mir nach wie vor, daß jetzt an Juden nach dem Osten abgefahren wird, was überhaupt nur menschenmöglich ist. In den kurzen Monatsmeldungen der Sicherheitspolizei will ich lediglich mitgeteilt bekommen, was monatlich abgefahren worden ist und was zu diesem Zeitpunkt noch an Juden übrig blieb.“ (58)

Diesen Himmler-Erlaß mußte das Reichssicherheitshauptamt an alle Stellen der sicherheitspolizei und des SD ausgehen lassen.

Und so liest man in einem „Einsatzplan“ der Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei in Brüssel vom 1. Sept. 43, daß in der Nacht vom 3. zum 4. September erstmalig die vom Reichssicherheitshauptamt geforderte Erfassung der belgischen Juden für den Osteinsatz, mit einer Großaktion begonnen wurde. (59)

 

/375/AE 54

- 5 -

Italien

Die Dokumente – zum Teil bereits im Kapitel „Frankreich“ besprochen – zeigten einmal die Haltung Italiens zur Judenfrage ganz klar, und sie zeigten aber zum anderen ebenso klar, welche Persönlichkeiten des verflossenen nationalsozialistischen Regimes, hier federführende Rollen spielten. Sie zeigten ferner die Bemühungen der ehemaligen deutschen Reichsregierung, eine Änderung der italienischen Einstellung, zu erzwingen. Im Wesentlichen gelang dies erst gegen Ende 1943. –

Der Gesandte Moelhausen telegraphiert am 6. Oktober 1943 an Ribbentrop, daß der SS-Obersturmbannführer Kappler in Rom – er unterstand gewissermaßen als Kommandeur der Sicherheitspolizei in Rom, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizie in Italien, Generalmajor der Polizei Dr. Harster, mit dem Sitz in Verona – von Berlin einen besonderen Auftrag erhalten habe. Er sollte die in Rom wohnenden achttausende Juden festnehmen lassen und nach Oberitalien bringen, wo sie lequidiert werden sollten. Der Stadtkommandant von Raom, General Stahel, teilt dem Gesandten Moelhausen mit, daß er diese Aktion nur dann zulassen werde, wenn sie im Sinne des Reichsaußenministers läge.

 

/375/AE 55

Er persönlich sei der Ansicht, daß es besser wäre, die Juden zu Befestigungsarbeiten heranzuziehen und gemeinsam mit Kappler, wollte er dies dem Generalfeldmarschall Kesselring, vortragen. (60)

Am 9.10. gab Ribbentrop zur Antwort, daß auf Grund einer Anweisung Hitlers diese 8.000 Juden in das Konzentrationslager nach Mauthausen, als Geiseln gebracht werden sollen. (61)

Zu dem Vorgang sagt Kappler als Zeuge unter Eid, am 27. Juni 1961 im Militärgefängnis zu Gaeta (Italien) aus, daß er keinerlei Kenntnis von der Existenz eines solchen Telegrammes Moelhausen an Ribbentrop gehabt habe: Er habe dieses Telegramm erstmals anläßlich seines Prozesses im Jahre 1948 gesehen, bzw. Von dessen Existenz, Kenntnis erhalten.

Wohl erinntert sich Kappler, an ein Telegramm, unterschrieben von Himmler, in dem er auf die Notwendigkeit bestand, die Judenfrage auch in der Stadt Rom zu lösen. Er erinnerte sich ferner daran, daß er bei dieser Gelegenheit zum ersten Male den Begriff „Endlösung der Judenfrage“ kennen lernte. Dieser Ausdruck war ihm jedoch neu und es gelang ihm nicht, ihn zu enträtseln. Zu jener Zeit kreuzte bei ihm ein SS-Hauptmann Dannecker auf, und er hatte eine Vollmacht, zur

 

/376/AE 56

Durchführung einer Judenrazzia. Diese Vollmacht war von dem General der SS (Polizei), Müller, unterzeichnet. (62)

Meinen Namen hatte Kappler, nach seiner Zeugenaussage, erst nach 1945, durch die Presse gehört, auch habe er weder Post noch Instruktionen erhalten, welche meine Unterschrift getragen hatten.

 

Anläßlich einer informativen Besprechung zwischen Müller und Dr. von Thadden am 16.X.1943, sagte Müller dem Legationsrat des Auswärtigen Amtes, daß er sich den Argumenten des Auswärtigen Amtes keinesfalls verschließe, die gerade in Italien, insbesondere im Hinblick auf die Stellung der katholischen Kirche für eine schlagartige Aktion sprächen. Aber die vorhandenen Kräfte reichten nicht aus, um eine solche in ganz Italien durchzuführen. Man werde daher gezwungenermaßen mit der Aufrollung der Judenfrage unmittelbar hinter der Frontlinie beginnen und schrittweise nach Norden weitertreiben. Legationsrat Dr. v. Thadden bemerkte dazu in seiner Vortrags-Notiz für seinen Staatssekretär, daß Müller offensichtlich auch seinerseits gewisse Sorge habe, wegen der praktischen Durchführung des Hitler-Befehls, betreffend der Festnahme von 8.000 Juden in Rom. (63)

In der Tat hatte die roemisch-katholische Kirche in Rom, durch den Bischof

 

/377/AE 57

Hudal, sich mit einem Schreiben an den Stadtkommandanten von Rom, General Stahel gewandt, und gegen die Verhaftungen von Juden italienischer Staatsangehörigkeit heftig Stellung genommen, mit dem Wunsche, daß in Rom und Umgebung diese Verhaftungen sofort eingestellt werden mägen, da der Papst sonst öffentlich dagegen Stellung nehmen wird.

Die Kurie sei deshalb besonders betroffen, weil sich die Vorgänge sozusagen „unter den Fenstern des Vatikans abgespielt haben“, bestätigte die Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl.

Eine abschrift dieses Schreibens gelangte seinerzeit auszugsweise, vom Auswärtigen Amt, auch an mein Dezernat. (64) Jedenfalls leitete ich es sogleich an meinen Chef weiter.

Aber all dessen ungeachtet hatte inzwischen die italienische Regierung ein Gesetz verkündet, daß alle Juden in Italien in Konzentrationslager zu übernehmen sind.

Gleichzeitig stellte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin fest, daß die von Himmler in Italien befohlene Aktion, zur Erfassung der italienischen Juden zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt habe. Die von den verschiedenen Seiten erfolgten Einsprüche hätten die erforderlichen Schritte solange hinausgezögert, bis die Mehrzahl der Juden sich hatte verstecken können. (65)

 

/378/AE 58

Wagner, der Nachfolger des wegen angeblichen Intrigenspiels in ein Konzentrationslager eingelieferten Unterstaatssekretärs Luther, schreibt am 14. Dezember 1943 an den Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes Müller, „daß der deutsche Botschafter Rahn, angewiesen wurde, der Faschistischen Regierung die Genugtuung der Reichsregierung über das so unbedingt notwendige Gesetz, betreffend Rückführung aller Juden in Italien in Konzentrationslager, auszudrücken. Wohingegen die Auslieferung der in den Lagern zusammengefaßten Juden zur Evakuierung in die Ostgebiete nicht zweckmäßig erscheine. Ein derartiger Antrag soll vielmehr aus taktischen und politischen Gründen solange zurückgestellt bleiben, bis die Erfassungsaktion der Juden durch die italienischen Organe abgeschlossen sei; denn das Auswärtige Amt glaube auf Grund seiner Erfahrung annehmen zu müßen, daß im anderen Falle der Erfolg der Erfassungsaktion, wesentlich beeinträcktigt, wenn nicht gar vereitelt würde.

Bei den in den letzten Monaten gezeigten mangelnden Eifer italienischer Dienststellen zur Durchführung der von Mussolini befohlenen antijüdischen Maßnahmen, hielte es das Auswärtige Amt für dringend wünschenswert, daß die Durchführung der Maßnahmen nunmehr

 

/379, 380/AE 59

laufend von deutschen Beamten überwacht wird. Daher erscheine der Einbau eines Teiles der zur Zeit zum Einsatzkommano Italien gehörenden Kräfte getarnt als Berater, in den italienischen Apparat angezeigt und notwendig.“

Abschließend bittet das Auswärtige Amt, das Einsatzkommando Italien entsprechend zu verständigen und dem Hauptsturmführer Dannecker zu veranlassen, wegen des etwaigen Einbaues von Beratern, mit dem Bevollmächtigten des Reiches, Botschafter Rahn, oder seinem Vertreter, unmittelbar Fühlung zu nehmen. (66)

 

Anläßlich seines Plädoyers in dem Prozeß gegen mich in Jerusalem, im Jahre 1961, sagte der israelische Generalstaatsanwalt unter anderem, daß viele Schriftsteller ihre bisher herausgegebenen Werke auf Grund der in dem Prozess ge… und gewonnenen Erkenntnisse einer Überarbeitung unterziehen müßten. Ich bin genau derselben Meinung. Ich selbst bin ebenfalls daran interessiert, daß dort, wo man bedenkenlos einfach meine Person als den Verantwortlichen herausgestellt hatte, - ganz einfach lediglich als das Resultat einer Konstruktion, einer Mutmaßung, und diese als bare Münze wiederspiegeln ließ, - auf Grund der Prozesserkenntnisse nunmehr die geschichtliche Wahrheit niederschlagsmäßig, fest-

 (/379/)

stellen möge.

Diesen meinen Wunsch wird wohl jedermann verstehen; denn ich bin ja schließlich und endlich keine Herostratennatur.

Ich selbst habe mich daher bei der Abfassung dieser Arbeit bemüht, mich dort ganz esonders streng an die seinerzeitigen amtlichen Dokumente zu halten, wo ich mich szs. mit dem sachlichen Geschehen befaßte.

Ich habe in den Zeilen dieses Buches mich in der Hauptsache auf die Dokumente beschränkt, die das Linienführungsmäßige behandeln.

Die Fülle der Nebendokumente, in denen meine Person natürlich auch stets eine gewisse Rolle spielt, habe ich bei dieser Betrachtung außer acht gelassen, da sie infolge des steten Wiederholens des sachlichen Inhaltes einmal und zum anderen deswegen, weil ihnen keine grundsätzliche Bedeutung zuzumessen ist, die etwa neue Gesichtspunkte ergeben könnten, auf den Leser ermüdend wirken würden.

Eine Gesamtbehandlung, einschließlich der kleinsten   Details, muß wohl wissenschaftlichen Spezialbehandlungen vorbehalten bleiben.

 

/381/AE 60

Norwegen:

Am 17. November 1942, wurde von der norwegischen Regierung ein Gesetz über die Anmeldepflicht der Juden erlassen. Damit war die Möglichkeit einer allgemeinen Erfassung, mit dem Ziel der Abschiebung der Juden aus Norwegen gegeben worden.

Diese norwegischen Bestimmungen waren bedeutend umfassender, als die deutschen Judengesetze. So wurden in Norwegen auch solche Personen, welche der Abstammung nach Mischlinge sind, und in Deutschland als Mischlinge behandelt wurden, rechtlich grundsätzlich wie Juden behandelt.

Im November 1942, wurden aus Norwegen 532 Juden und im Februar 1943, 158 Juden nach Auschwitz deportiert.

Seitens des Reichssicherheitshauptamtes wurde der Befehlshaber der Sicherheitspolizei beim Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete darauf hingewiesen, daß gewisse jüdische Personengruppen, darunter auch jüdische Mischlinge, die nicht als Juden gelten, nicht deportiert werden dürfen. (67)

 

/382/AE 61

-          7 -

Dänemark:

Das Auswärtige Amt teilte unter dem 17. September 1943, dem Reichsbevollmächtigten in Dänemark, Dr. Best mit, daß Ribbentrop ihn ersuche, Vorschläge zu unterbreiten, über die Art der Durchführung des Abtransportes der Juden aus Dänemark. Dies sei eine im Prinzip beschlossene Angelegenheit und insbesondere möge er sich Gedanken darüber machen, wieviel Polizeikräfte er dazu benötige. (68)

Vier Tage später machte der Gesandte von Grundherr, im Auswärtigen Amt zu Berlin, seinem Staatssekretär eine Vorlage, in der er festhält, daß der neu in Kopenhagen eingetroffene Befehlshaber der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer und Oberst der Polizei Dr. Mildner, gegen den Abtransport der Juden aus Dänemark Stellung genommen habe und sich mit Genehmigung von Dr. Best, an Himmler ? gewandt habe. (69) Mildner selbst sagte dazu in einer Erklärung am 22. Juni 1945, unter Eid: „ich flog sofort nach Berlin, um dem Chef der Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner persönlich Vortrag zu halten. Der Chef war abwesend. Ich ging zum Amtchef IV, SS Gruppenführer Müller, der in meiner Gegenwart ein Blitz-Fernschreiben an Himmler im Sinne meines Vortrages diktierte, kurz nach meiner Rückkehr nach Kopenhagen traf über den Chef der Sicherheitspolizei,

 

/383/AE 62

Dr. Kaltenbrunner, der definitive Befehl Himmlers ein: „Die Judenaktion ist sofort durchzuführen.“ (70)

Noch am 1. Oktober um 18,30 Uhr, erhielt der Bevollmächtigte des Deutschen Reiches in Dänemark ein Schreiben König Christians X.; Best sandte diesen um 19,30 Uhr, am gleichen Tag, an den Reichsaußenminister. Es war um 20, 10 Uhr im Auswärtigen Amt. Das Schreiben des Königs lautete:

„Exzellenz, obwohl die vollziehende Gewalt gemäß der mir am 29. August d.J. überbrachten Mitteilung des Herrn Befehlshabers der deutschen Truppen in Dänemark auf die deutsche Wehrmacht übergegangen ist, ist es mir jedoch – nachdem ich mit einem Vernehmen bekannt gemacht worden bin, wonach man Deutscherseits beabsichtigen sollte, Schritte gegen die Juden in Dänemark zu unternehmen, - nicht nur aus menschlicher Sorge für die Bürger meines Landes, sondern auch aus der Furcht vor den weiteren Konsequenzen in den künftigen Beziehungen zwischen Deutschland und Dänemark daran gelegen, Ihnen gegenüber hervorzuheben, daß Sondermaßnahmen hinsichtlich einer Gruppe von Menschen, die seit mehr als 100 Jahren die vollen bürgerlichen Rechte in Dänemark genießen, die schwersten Folgen werden haben können. Christian X.“

 

/384/ AE 63

Dr. Best gibt Ribbentrop sodann einen Bericht über die Lage, besonders in Hinblick auf dem vom Militärbefehlshaber der deutschen Truppen in Dänemark verhängten Ausnahmezustand und schließt mit den Worten: „Die Aktion beginnt heute um 21,50 Uhr.“ (71)

Es wurden insgesamt nicht mehr als 284 Juden erfaßt. Mein Vertreter im Referat IV B4, des Reichsicherheitshauptamtes SS-Sturmbannführer Günther hatte von dem Amtchef IV, SS-Gruppenführer Müller, Befehl erhalten mit einigen beamten nach Dänemark zu gehen, um den abtransport nach Theresienstadt in die Wege zu leiten.

Dr. Best, der Reichsbevollmächtigte, berichtete am 5. Oktober an das Auswärtige Amt, daß die Leitung der Judenaktion in Dänemark einheitlich in der Hand des Befehlshabers der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer Dr. Mildner lag, der alle Anordnungen für die Durchführung erteilte. Er teilte weiterhin mit, daß es richtig sei, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei angeordnet habe, daß verschlossene Wohnungen nicht aufgebrochen werden sollten. (72)

In diesem Zusammenhang ist eine eidesstattliche Erklärung des ehemaligen Legationsrates des Auswärtigen Amtes Dr. von Thadden vom 16. April 1948, gegeben in Nürnberg, interessant, nachder ihm mein damaliger „Ständiger Vertreter“

 

/385/AE 64

im Dezernat, eben der besagte SS-Sturmbannführer Günther, im Anschluß an die „Dänemark-Aktion“ mitgeteilt habe, diese sei vermutlich von der Gesandtschaft in Kopenhagen sabotiert worden. Ich hätte bereits an Himmler berichtet und werde den Kopf des Saboteurs fordern. Nähere Angaben über die Art der Sabotage habe Günther verweigert, nur beilaäufig erwähnt, das Verbot, verschlossene Wohnungen zu öffnen. – Solches ist wie man aus Best´s eigenen Berichten gesehen hat, blanker Unsinn. Herr von Thadden ist hier zweifellos einer Täuschung zum Opfer gefallen. (73)

Recht friedlich und höflich und kein Wort über eine erfundene Sabotage, verhandelte ich gemäß Befehl meines Chefs, dem Generalleutnat der Polizei Müller, am 3. November 1943, in Kopnehagen mit dem Reichsbevollmächtigten Dr. Best, um Vorschläge entgegenzunehmen, die darin gipfelten, daß Juden über 60 Jahre nicht mehr festgenommen und deportiert werden, daß Halbjuden und Juden in Mischehe freigelassen und nach Dänemark zurückgebracht werden und daß die aus Dänemark deportierten Juden in Theresienstadt bleiben und von Vertretern der dänischen Zentralverwaltung und des dänischen Roten Kreuzes besucht werden können. Da ich keinerlei

 

/386/AE 65

Entscheidungen zu treffen befugt war, versprach ich Dr. Best, diese Angelegenheit meinem Chef im Reichssicherheitshauptamt vorzutragen, und die Vorschläge an ihn weiterzuleiten.

Der sehr vorsichtige Dr. Best erkundigte sich noch am gleichen Tage beim Auswärtigen Amt, ob die Sache den besprochenen Weg genommen habe. Und Wagner konnte ihm bereits kurz darauf berichten, daß dem so sei. (74)

/387/AE 66

-          8 –

Slowakei

Der erste deutsche Gesandte in der Slowakei war Manfred von Killinger. Seine hauptsächliche Aufgabe war, die erste politisch-organisatiorische Ausrichtung der jungen slowakischen Regierung, im Hinblick auf die Zielsetzung der deutschen Außenpolitik in die Wege zu leiten.

Er war es auch, welcher das „Berater-System“ zur Einführung brachte. Und in einem Bericht über die politische Lage in der Slowakei an das Auswärtige Amt vom 13. Aug. 1940, bemängelte er, daß die Berater noch nicht angelaufen seien, da der größte Teil noch nicht eingetroffen wäre. (75)

Im September gibt sein Bericht Aufschluß über die Lage des Judentums in der Slowakei. Eine slowakische Regierungsverordnung v. 18.4.1939, legte fest, wer dem Gesetz nach als Jude anzusehen sei. Er kündete dem Auswärtigen Amt ferner Material über den Stand des jüdischen Gesamtvermögens in der Slowakei an, welches zur Zeit der Berichterstattung gerade von den slowakischen Behörden festgestellt würde. Nach offizieller Schätzung lebten um jene Zeit in der slowakischen Republik, 90.000 Juden. (76)

Nachfolger v. Killingers, welcher als Gesandter nach Rumänien abging, war Ludin. Unter seiner Amtsführung komplettierte

 

/388/AE 67

sich auch das Berater-Corps; darunter auch der Berater für Judenfragen, SS-Hauptsturmführer Weisli?eng.

In einer anzahl von Erlaßen, und Vereinbarungen zwischen dem Reichsaußenminister und Himmler, sowie zwischen deren Hauptamtchefs, wurde die Stellung sowohl der Polizeiattachés, als auch der Berater genauest festgelegt.

Ausnahmslos waren die Berater den Polizeiattachés als Gehilfen zugeteilt, und ihnen auch unmittelbar unterstellt. Beide kamen aus dem Reichssicherheitshauptamt und wurden zur Dienstleistung im Ausland zu den Botschaften oder Gesandtschaften, versetzt.

Die Polizeiattachés unterstanden bezüglich ihrer Tätigkeit im Ausland grundsätzlich nur dem jeweiligen Missionschef und in dessen Abwesenheit, dem jeweiligen Vertreter. Dies Attachés hatten, gemäß den Abkommen, dienstliche Aufträge des Missionschefs auszuführe. Allfällige Weisungen der Dienststellen des Reichsführers SS, mußten ihnen über das Auswärtige Amt, durch die Hand des Missionschefs zugeleitet werden, der damit die politische Verantwortung für die außenpolitische Zweckmäßigkeit dieser Weisungen übernahm, denn er konnte ja von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen. /eine Zeile gestrichen/. (77)

/389/AE 68

Aus dieser Sachlage heraus wird es beispielsweise verständlich, wenn das Reichssicherheitshauptamt einen Berater zu einer Besprechung nach Berlin ladet, der Missionschef sich dazu aber erst die Genehmigung seitens des Auswärtigen Amtes einzuholen hatte; und nach deren Erteilung sodann der Berater der Ladung erst Folge leisten konnte. (78)

Am 8.u. 9. Juli 1941 fuhren auf Einladung des Gauleiters von Oberochbenen, der Berater für Sozialpolitik und der, für Judenfragen, von der Pressburger Gesandtschaft, nach Ostober?klawien um dort Judenarbeitslager zu besichtigen. Sie wurden von mehreren hohen Beamten des slowakischen Innenministeriums und des Zentralwirtschaftsamtes begleitet. Dieser Besuch von Seiten der Gesandtschaft sehr befürwortet, da ähnliche Einrichtungen in der Slowakei geschaffen werden sollten. (79) Denn Ludin konnte seiner Berliner Zentrale am 22. Oktober berichten, daß das slowakische Innenministerium keine Ausweisung der Juden aus dem Gebiet der Slowakei beabsichtige, sondern eine interne Zusammenziehung der juden an bestimmten Orten innerhalb der Slowakei anstrebe. Es handele sich hierbei um die vom deutschen Berater angeregte Bildung von Ghettos, nach dem Vorbild des Generalgouvernements. (80)

 

/390/AE 69

Aber mitten in diese Vorbereitungen hienein, platzte eine Aufforderung des Unterstaatssekretärs Luther, vom Auswärtigen Amt, daß im Zuge der Maßnahmen zur Endlösung der Judenfrage Europas, die Deutsche Reichsregierung bereit sei, sofort 20.000 junge, kräftige slowakische Juden auzunehmen und nach dem Osten zu verbringen, wo Arbeitseinsatzbedarf besteht. /zwei Zeilen gestrichen/

Der Gesandte Ludin bekam am 16. Februar 1942 den Auftrag, das Einverständnis der Slowakischen Regierung herbeizuführen.

Und eine Handnotiz auf dem im Auswärtigen Amt, nach 1945 aufgefunden Durchschlag, des an Ludin gerichteten Fernschreibens lautet: „Slowakische Regierung, Vorschlag mit Eifer aufgegriffen. Vorarbeiten können eingeleitet werden.

Auch Himmler scheint sich selbst mit in diese Angelegenheit eingemengt zu haben; jedenfalls schreibt Luther an eine andere Stelle hierüber, anläßlich eines europäischen Gesamtberichtes. (81)

Im April 1942 machte der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Obergruppenführer und General der polizei und der Waffen SS, Heydrich, der gleichzeitig auch die Position eines „Stelvertretenden Reichsprotektors für Böhmen und Mähren“ innehatte, dem slowakischen Ministerpräsidenten Tuca, einen Besuch. Einmal war es

 

/391/AE 70

ein Höflichkeitsbesuch, den ein benachbarter Regierungschef dem anderen abstattete und zum anderen war es Heydrichs Wunsch, die angeschnittenen Judendeportationsangelegenheiten, anzukurbeln und vorwärts zu treiben.

Auch nun wurde seitens meines Vorgesetzten befohlen, mich für eine Dienstreise nach Pressburg vorzubereiten und das Auswärtige Amt kündete diese bereits am 13.März 1942, seiner Gesandtschaft in Pressburg an. Ich sollte im Auftrag des Chefs der Sicherheitspolizei, Vorbesprechungen zur Evakuieurng von 20.000 Juden aus der Slowakei, nach der inzwischen erzielten diesbezüglichen Übereinstimmung zwischen Auswärtigen Amt – Gesandtschaft – Slowakischen Regierung, mich den zuständigen Stellen in Pressburg, führen. (82)

Nun, da der Hauptamtchef Heydrich selbst fuhr, war es überflüßig geworden, mich mit den deutschen Wünschen nach der Slowakei in Marsch zu setzen. Erst Ende Mai hatte ich sowohl weitere Wünsche meines Chefs, als auch ein Handschreiben Heydrichs, an dem slowakischen Ministerpräsidenten, im Zusamenhang mit der gegenseitigen Absprache, dem deutschen Gesandten Ludin zu übermitteln gehabt.

Hier wurde ich seitens des deutschen Gesandten in freundlicher Form genötigt, dem slowakischen Innenminister Mach, den ich noch dunkel aus den Jahren meines Wiener Aufenthaltes her kannte, als er noch lange kein

 

/392/AE 71

slowakischer Innenminister war, auf dessen, inzwischen an die Gesandtschaft ergangener Einladung an mich, mit ihm gemeinsam zu Abend zu essen, keine Absage zu geben.

Selbst Wisliceng mußte in einer seiner vielen Erklärungen nach 1945 zugeben, daß man mich zu einer solchen Annahme nötigen mußte. In der Tat, ich ging all solchen Dingen aus dem Wege, wann immer sich mir zum „Ausdemwegegehen“ die Möglichkeit bot.

Nun ja, zwar war es eine private Einladung und das Essen war sicherlich nicht schlecht; und Mach und ich kegelten, mal „alle Neune“, mal „Fahrkarte“, indessen Ordonnanzen labende Getränke und Rauchzeug boten. Aber noch am frühen Abend teilte mir Mach mit, daß er eben aus Prag die Nachricht erhalten habe, daß gegen Heydrich eine Bombe geworfen wurde. Ich blieb noch eine Weile, während der nunmehr laufend weiter Mitteilungen über das Attentat kamen und furh schließlich noch in selbiger Nacht nach Prag.

Es war der 29. Mai 1942.

Einige Tage später war Heydrich tot. Was mit dem Brief geworden ist, den ich Ludin gab, weiß ich nicht.-

 

/393/AE 72

Eine Aufzeichnung Luthers vom 29. März 1942 gibt kund, daß gemäß Mitteilung von Ludin, der slowakische Staatsrat die Evakuierung der Juden aus der Slowakei positiv entschieden habe. Ein Mitglied des Staatsrates habe zwar opponiert, aber ein Bischof habe daraufhin eine sehr positive Rede gehalten. Daraufhin sei der Vorschlag, der Evakuierung zuzustimmen, einstimmig angenommen worden. Eine Einschränkung wurde gemacht, nämlich die, daß bis zu einem bestimmten Stichtag getaufte Juden, auszunehmen seien.

Ferner teilte der Gesandte Ludin an Luther noch mit, daß drei Evakuierungstransporte bereits abgegangen seien und die weiteren ohne Verzögerung folgen würden. Und sobald die ersten 20.000 Juden evakuiert seien, könne nit der Evakuierung der restlichen rund 70.000 Juden begonnen werden.

Luhter verfügte, daß hiervon der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, umgehend zu benachrichtigen ist. (83)

Und Anfang Mai 1942 schrieb Luhter an Ludin, daß die Reichsregierung bereit sei, im Laufe des Monates Mai weitere 20.000 arbeitsfähige Juden – von den angekündigten 70.000 insgesamt, - aus der Slowakei abzunehmen und nach dem Osten zu verbringen. Die Einzelheiten würden wie bisher geregelt. (84)

Unterschriftskürzel

 

/394/AE 73

Einen genauen Überblick über die Angelegenheit vermittelt ein Schreiben meines damaligen „Ständigen Vertreters“ als Referent IV B4, im Reichsicherheitshauptamt, SS-Sturmbannführer Günther an den Legationsrat Rademacher im Auswärtigen Amt, vom 15. Mai 42. Demnach wurden vom 25. März bis 29. April 42, die ersten 20.000 Juden aus der Slowakei nach Auschwitz abgefahren, und am 4. Mai 1942 hatte die Abtransportierung von weiteren 20.000 Juden, nach Lublin eingesetzt. Die Bereitstellung von rollendem Material durch die Slowakische Regierung erleichterte die technische Durchfährung der Evakuierung erheblich, da es der Deutschen Reichsbahn auf Grund der angespannten Verkehrslage nur schwer möglich wäre, die erforderlichen Sonderzüge zur Verfügung zu stellen. (85)

Ludin teilte am 26. Juni 42 mit, daß die Weiterführung der Depotation, bedingt durch kirchliche Einflüße auf einen „Toten Punkt“ angelangt sei. Ministerpräsident Tuca wünsche jedoch sie fortzusetzen und bittet die Reichsregierung durch scharfen, diplomatischen Druck, um Unterstützung; Ludin bat um Weisung, ob er in dieser Richtung verfahren könne.

Daraufhin beeilte sich Staatssekretär Weizsäcker in einem Telegramm an Pressburg zu erwiederen, daß die von Tuca erbetene diplomatische Hilfe in der Weise gegeben werden könne, daß Ludin das slowakische Staatsoberhaupt aufsuche und ihm gegeüber

 

/395, 396/AE 74

zum Ausdruck bringe, daß die Einstellung der Deportierung, in Deutschland überraschen würde.

In einer Besprechung mit Tuca am 30. Juni rät Ludin kompromisslos, zu einer 100%igen Lösung. Zwar hatte erst kürzlich der päpstliche Pronuntius Msgr. Burzio, den slowakischen Ministerpräsidenten aufgesucht, um im Auftrage des Heiligen Stuhles gegen die Fortsetzung der Deportation zu protestiern. Er habe jedoch den Protest erst gar nicht entgegengenommen, da es in dieser Hinsicht für ihn eine höhere Instanz gäbe, als den Papst, nämliche seinen, Tuca‘s, Beichtvater. Dieser habe ihn gefragt, ob er die Judenaussiedlung als im Interesse seiner Nation liegend, vor seinem Gewissen verantworten könne. Als Tuca diese Frage bejahte, soll der Beichtvater keinen Einwand gegen diese Maßnahmen erhoben haben. Dies erzählte Tuca dem Gesandten Ludin. (86)

Der Reichsaußenminister v. Ribbentrop, verwarf am 21.7.1943 den Vorschlag von Weizsäcker und ließ Ludin mitteilen, daß SS-Oberführer Dr. Veesenmayer in nächster Zeit den Staatspräsidenten Dr. Tiso aufsuchen werde und ihm bei dieser Gelegenheit die Sache bezüglich der Judenaussiedlung vorzutragen habe. Und am 22. Dezember 1943 konnte Dr. Veesenmayer melden, daß Tiso persönlich dafür die

 

/397/AE 75

Gewähr bieten würde, daß die Aktion so rasch wie möglich zur Durchführung und zum Abschluß gebracht würde. (87) –

Inzwischen aber kam es im Jahre 1944 zu einem allgemeinen Aufstand in der Ostslowakei und in dem Verlauf der Niederschlagung desselben wurde deutscherseits zu scharfen Maßnahmen geschritten.

Es kam zu einer Vereinbarungen zwischen dem Gesandten Ludin und dem inzwischen in der Slowakei installierten Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr. Witiska einerseits und der slowakischen Regierung andererseits. Demnach waren die deutschen Stellen mit einer Konzentrierung und Bewachung der Juden auf slowakischem Gebiet einverstanden.

Am 4. Oktober 1944 intervenierte der slowakischen Ministerpräsident bei Ludin, er habe gehört, daß man ohne die slowakische Regierung zu verständigen, daran ginge, die Juden aus der Slowakei abzutransportieren. Daraus aber würden sich zweifellos diplomatische Schwierigkeiten ergeben. Ludin sagte ihm, daß die Judenfrage jetzt auf alle Fälle radikal gelöst werden müße und er den Rat gäbe, im Falle von Schwierigkeiten einfach darauf hinzuweisen, daß die Reichsregierung vom slowakischen Staat eine radikale Lösung verlange. Das Auswärtige Amt feilte den Rat Ludins dann noch etwas feiner aus, indem

 

/398/AE 76

es formulierte, daß die starke Beteiligung der Juden an den Aufständen und Partisanenbewegungen im Interesse der Sicherheit des slowakischen Staates, eine Radikallösung der Judenfrage unumgänglich notwendig mache. Und soferne es im Interesse der Stellung der slowakischen Regierung unbedingt erforderlich sei, könne hinzugefügt werden, daß das Reich im Zuge der auf Wunsche der slowakischen Regierung erfolgenden Partisanenbekämpfung, auch seine Hilfe bei der Lösung der Judenfrage gewährt habe. (88) –

Am 6. Oktober 1947, gab der ehemalige Gesandte Ludin u.a. folgende eidesstattliche Erklärung, vor der Untersuchungsbehörde in Bratislava ab: „Ich kann angeben, daß die Judendeportationen im Jahre 1942 über auftrag des Auswärtigen Amtes stattgefunden haben. Ich persönlich habe den diesbezüglichen Auftrag im Jahre 1942 erhalten. 1942 sind dann etwa 60.000 Juden aus der Slowakei deportiert worden. Die letzte Judenaussiedlung ging durch den Befehlshaber der Sicherheitspolizei.“ (89)

/399/

AE 77

-           9 –

Griechenland:

Der deutsche Militärbefehlshaber Saloniki-Ägäis hatte im Einvernehmen mit dem griechischen Generalgouverneur von Mazedonien am 7. Juli 1942 eine Anordnung über den Arbeitseinsatz von Juden zu Ausbau der Straße Saloniki – Katerim – Larissa – erlassen. (90)

Am 3. Januar 1943 flog gemäß einem Befehl des Amtchefs IV im Reichssicherheitshauptamt, Generalleutnant der Polizei Müller, mein Vertreter, SS Sturmbannführer Günther nach Soloniki, um dort Verhandlungen in Judenangelegenheiten zu führen. Der Unterstaatssekretär Luther schrieb an seinen Gesandten Altenburg nach Athen, „daß Günther selbstverständlich mit ihm tätig werden darf.“ (99)

Derselbe Günther teilte am 25. Januar 1943 dem Auswärtigen Amt mit, daß, nachdem die erforderlichen Besprechungen zur Durchführung von Evakuierungsmaßnahmen aus dem Raum von Saloniki, mit dem Bevollmächtigten des Deutschen Reiches in Griechenland, dem deutschen Generalkonsul in Saloniki und der Heeresgruppe, sowie dem Militärbefehlshaber Saloniki Ägäis, geführt wurden, eine Abordnung des bei der Deutschen Gesavdtschaft in Pressburg diensttuenden Beraters für Judenfragen, erforderlich sei. Es wurde um Einverständnis gebeten.

/400/ AE 78

Eine dementsprechende Weisung des Auswärtigen Amtes an Pressburg, ging am 5. Februar 1943, aus. (92)

Am 6. Februar 1943, erließ der Militärbefehlshaber Saloniki – Ägäis, durch seine Militärverwaltung, eine Kennzeichnungs- und Ghettoisierungsverordnung. Er richtete diese anordnung an die jüdische Kultusgemeinde zu Saloniki, „Kraft der dem Befehlshaber Saloniki – Ägäis verliehenen Rechtsbefugnisse“. –

Eine weitere Anordnung derselben Stelle vom 13. Febr. 43, besagt, daß der Präsident der Jüdischen Kultusgemeinde zu Saloniki, alle Juden im gesamten Bereich des Befehlshabers Saloniki – Ägäis zu betreuen habe. Am selben Tage ordnete der Militärbefehlshaber durch seine Militärverwaltung ferner an, daß Juden nicht befugt seien, ihren Wohnsitz ohne Erlaubnis zu verlassen. „Zuwiderhandelnde werden auf der Stelle erschossen.“ Straßenbahnen und andere Verkehrsmittel seien für Juden verboten, ebenso verboten sei die Benutzung von Fernsprechern, das Betreten von Straßen und öffentlichen Plätzen sowie der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, nach Einbruch der Dunkelheit.

Am 15.6.43 teilt der Militärbefehlshaber Saloniki – Ägäis an den Generalgouverneur von Mazedonien mit, daß gemäß einer höheren Weisung, das Eigentum an dem gesamten jüdischen Vermögen,

 

/401/

AE 79

welches sich in seinem Befehlsbereich befunden hat oder noch befindet, dem griechischen Staat, vertreten duch den Generalgouverneur von Mazedonien, zu Eigentum übertragen wurd. (93)

 

Wisliceng ist inzwischen in Saloniki eingetroffen und ist dort gemäß den verwendeten Dienstsiegeln einem anderen Befehlshaber unterstellt; nämlich dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, der funktionell seinerseits wieder dem deutschen Militärbefehlshaber Saloniki – Ägäis unterstellt ist.

Auf Grund der Erlaße des Militärbefehlshabers, gibt nun Wisliceng die Ausführungsbestimmungen dazu bekannt. Wie groß die Judenkennzeichen zu sein haben, wer als Jude dem Gesetze nach zu gelten hat, usf. (94)

Die Flucht eines Einzeljuden veranlaßte am 21. März 1943 den Militärbefehlshaber anzuordnen, daß 25 Juden als Geiseln festgenommen würden. Bei geringster Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebenen Verpflichtungen, würden diese erschossen werden. Ferner dürfen Juden auch innerhalb des Ghettos, nur zwischen 10 Uhr und 16 Uhr ihre Häuser verlassen. Zuwiderhandelnde werden sofort erschossen; Deutsche und griechische Polizeikommandos würden diese Anordnung besonders streng überwachen. (95)

 

 

 

/402/

AE 80

In Saloniki befanden sich etwa 55.000 Juden. Der weitaus größte Teil von ihnen, wurde deportiert.

Aus einem Runderlaß des Auswärtigen Amtes an die deutschen Missionen in Budapest, Lissabon, Rom, und Ankara vom 30. April 1943 ist zu ersehen, daß zwingende militärische und sicherheitspolizeiliche Gründe, allgemeine Maßnahmen gegen Juden auch auf das von deutschen Truppen besetzte nordgriechische Gebiet, auszudehnen, notwendig machen. (96)

Wer allein über Ingangsetzung oder Einstellung von Judendeportationen entschied, und wer die taktischen Belange dabei beobachtete, zeigt ein telegramm des deutschen Gesandten Neubacher, aus Athen an das Auswärtige Amt vom 27. Nov. 1943. „Bitte bei Chef des Reichssicherheitshauptamtes anzuregen, daß mit Abtransport hiesiger Juden noch zugewartet wird. Es haben sich von ca. 8.000 Juden über Aufforderung des Sicherheitsdienstes, ca. 1.200 gemeldet; die übrigen sind geflüchtet oder halten sich verborgen. Nach Abtransport der Juden, die sich gemeldet haben und die wahrscheinlich das uninteressanteste Kontingent darstellen, besteht überhaupt keine Aussicht mehr, an diejenigen heranzukommen, die für uns politisch wesentlich interessanter sind als die gemeldeten.


/403,404/

AE 81

Der Höhere SS- u. Polizeiführer und Chef des Sicherheitsdienstes sind derselben Ansicht. Erbitte Bescheid an mich in Belgrad und an Höheren SS- u. Polizeiführer nach Athen.“

Neubacher war um jene Yeit der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amtes für den gesamten Südosten.

Dieses Telegramm leitete mir der Referent in der Abteilung DIII des Ausw. Amtes, Legationsrat Dr. von Thadden, mit der Bitte, um entsprechende Stellungnahme des Chefs des Reichsicherheitshauptamtes, General der Polizei und der Waffen SS, Dr. Kaltenbrunner, zu.

Herr v. Thadden versah das nach 1945 aufgefundene Doppel seines Schnellbriefes an mich, am 4. Dez. 1943 mit einer Handnotitz, die besagt, daß er mit mir die Sache besprochen habe und ich ihm mitgeteilt hätte, daß Kaltenbrunner die Angelegenheit inzwischen direkt mit den Beteiligten, telephonisch erledigt habe und der Abtransport daher durchgeführt werde.

Auch dieses Beispiel zeigt andererseits, daß mein Referat in den Dingen, im Reichssicherheitshauptamt, die eines Nachrichten- und Befehlsübermittlers war. Im Gegensatz von Presse und Literatur, sowie mancher unwahrer, sogenannte Zeugenaussagen, habe ich nie etwas anderes behauptet. (97)

/405, 406/ AE 82

-           10 –    Jugoslawien:

Am 10. April marschierten die deutschen Truppen in Zagreb ein und am 12. April wurde Belgrad besetzt. Im Verbande der Truppen war ebenfalls eine Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD eingegliedert. Ihr Befehlshaber war der SS-Standartenführer und Oberst der Polizei Dr. Fuchs. Dieser Einsatzgruppe unterstanden zwei Einsatzkommandos, eines in Agram unter dem SS-Sturmbannführer Beisner, das zweite in Begrad, unter SS-Sturmbannführer Kraus. Nach Einrichtung einer deutschen Gesandtschaft in Agram, unter dem Gesandten Kasche, wurde dieser, der SS-Sturmbannführer Helm als Polizeiattaché zugeteilt. (98) Der jugoslavische Raum war in drei Regionen aufgeteilt worden. Der slovenische Teil, von welchem einige Kreise dem Reichsgebiet einverleibt wurden; Kroatien, welches zu einem selbstständigen Staate proklamiert wurde und das von deutschen Truppen besetzte Serbien.

Eins.)    Slovenien:

Heydrich erhielt über Himmler Befehl, umgehend mit der „Bereinigung der Volkstumsfragen“ in dem neu zum Reich gekommenen Gebieten im Südosten, zu beginnen. Es handelte sich im wesentlichen um die Evakuieurng von 260.000 Slowenen nach Serbien; es war dies eine ursprünglich befohlene Zahl, die soweit ich mich glaube erinnern zu können, auch nicht annähernd erreicht wurde.

Ich erhielt um jene Zeit den Befehl,

 

/407/

AE 83

Einladungsschreiben zu einer am 6. Mai 1941 in Marburg anberaumten Besprechung unter dem Vorsitz Heydrichs, an sämtliche deutschen Zentralinstanzen auszusenden. So an das Auswärtige Amt, Reichswirtschaftsministerium, Reichinnenministerium, Beauftragten für den Vierjahresplan, Reichsfinanzministerium, Kanzlei des Führers, Rasse- und Siedlungshauptamt, Reichsverkehrsminsterium u.a.m.

Die Tätigkeit der Evakuierung lief unter den Auspizien des Reichsführers SS u. Chef der Deutschen Polizei, als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums. Das Konferenzziel war, daß alle beteiligten Zentralinstanzen nach dem Aussiedlungsgebiet ihre Vertreter zur Hitler – Befehl – Durchführung abzustellen haben und dort die ihnen obliegenden Ressortarbeiten an Ort und Stelle zu erledigen.

Meine Aufgabe war es für die laufende Berichterstattung von „oben nach unten“ und umgekehrt Sorge zu tragen.

Die Aussiedlungsbestimmungen selbst, war eine Angelegenheit des Amtes III, des Reichssicherheitshauptamtes, sowie die des Rasse- u. Siedlungshauptamtes. (99)

Zwei.)   Serbien:

Am 11. Mai 1941 ergeht seitens des Militärbefehlshabers in Serbien, eine Einladung zur Besprechung über Judenangelegenheiten,

 

/408, 409/

AE 84

an den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien, Generalkonsul Neuhausen, an dem Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes in Serbien, den Gesandten Benzler, an den Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Fuchs, dem Feldkommandanten Oberst Keisenberg und an den Leiter der Verwaltungsgruppe Oberkriegsverwaltungsrat Dr. Rantze. (100) Fünf Tage später wurden die Juden von Belgrad aufgefordert, sich am 19.4.41, um 8 Uhr früh, bei der Städtischen Schutzpolizei, zu melden. (101)

Und seitens des Gesandten Benzler und Veesenmayer geht nunmehr Forderung um Forderung nach Beseitigung dieser Juden aus dem serbischen Raum, an das Auswärtige Amt, nach Berlin ab.

 

Am 8. Sept. 1941 schreiben Benzler und Veesenmayer an das Auswärtige Amt: „… Es ist daher dringend geboten, nunmehr beschleunigt für Sicherstellung und Entfernung zu mindestens aller männlichen Juden zu sorgen. Die hierfür in Frage kommende Zahl dürfte ? 8.000 betragen…“

Am 10. Sept. 1941, lassen Benzler und Veesenmayer aus Belgrad verlauten: „Rasche und drakonische Erledigung serbischer Judenfrage ist dringenstes und zweckmäßigstes Gebot. Erbitte von Herrn Reichsaußenminister entsprechende

 

/410/

AE 85

Weisung, um beim Militärbefehlshaber Serbien, mit entsprechendem Nachdruck wirken zu können. Seitens serbischer Regierung und Bevölkerung, ist keinerlei Widerstand zu erwarten, umso weniger, als bisherige Teilmaßnahmen sich bestens bewährt haben. Gleichlautender Befehl von Reichsführer SS, an chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer Fuchs, würde Angelegenheit wesentlich fördern. (102)

Es ging anfänglich darum, diese 8.000 Juden auf eigendeine, zu Rumänien gehörende Donauinsel zu verbringen. Dies wurde jedoch von Ribbentrop abgelehnt, da es ohne Zustimmung der Rumänen nicht durchgeführt werden könne. Unterstaatssekretär Luther teilte dies am 11. Sept. an Benzler mit und bemerkte, daß es anheimgestellt würde, die Juden in Arbeitslager sicherzustellen. (103)

Aber sofort, am 12. Sept., antwortet Benzler, daß Unterbringung in Arbeitslagern nicht möglich sei, da infolge der inneren Zustände – Aufstände – die Sicherung nicht gewährleistet erscheine. Es bliebe nur noch die sofortige Abschiebung etwa nach dem Generalgouvernement oder Rußland, was aber erhebliche Transportschwierigkeiten breiten dürfte. Anderenfalls müße die Judenaktion vorläufig zurückgestellt werden, was gegen die ihm,

 

/411/

AE 86

von Ribbentrop, erteilten Weisungen sei. (104)

Am 13. Sept. legt der Legationsrat Rademacher seinem Unterstaatssekretär eine bemerkenswerte Aufzeichnung vor.

„Die Notwendigkeit der von der Dienststelle des Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes in Belgrad gewünschten Abschiebung der 1.200 männlichen Juden, wenn nicht nach Rumänien, so doch nach dem Generalgouvernement oder nach Rußland, vermag ich nicht einzusehen. Rußland ist als Operationsgebiet zur aufnahme von Juden völlig ungeeignet. Wenn sie schon in Serbien eine Gefahr sind, sind sie in Rußland eine noch viel größere. Das Generalgouvernement ist bereits mit Juden übersättigt. M.E. müßte es bei der nötigen Härte und Entschlossenheit möglich sein, die Juden auch in Serbien in Lager zu halten. Wenn die Juden dort nach wie vor Unruhen schüren, muß gegen sie mit verschärftem Standrecht vorgegangen werden. Ich kann mit nicht vorstellen, daß die Juden weiter konspirieren, wenn erst eine größere Anzahl von Geiseln erschoßen ist.“ (105)

Benzler richtet am 28. Sept. ein erneutes dringendes Telegramm; für den Reichsaußenminister persönlich. Er erinnert ihn

 

/412, 413/ AE 87

an seine Zusage, ihm zu helfen, die Juden, Freimaurer und englandhörige Serben, sei es donauabwärts, sei es in Konzentrationslager in Deutschland oder im Generalgouvernement, unterzubringen. Sofortige Lösung der Judenfrage sei im Augenblick in Serbien die politisch wichtigste Aufgabe und Voraussetzung für Inangriffnahme der Beseitigung von Freimaurern und deutschlandfeindlicher Intelligenz. Die im Gange befindliche militärische Aktion zur Aufstandsbekämpfung schaffe jetzt den geeigneten Zeitpunkt für den Befinn der Aktion. Zudem habe General Böhme, ebenso wie der Militärbefehlshaber, erneut nachdrücklich gebeten, auch in ihrem Namen, möglichst sofortige Abschickung der Juden außer Landes zu erwirken. Es handele sich zunächst um etwa 8.000 männliche Juden, deren Unterbringung in Lager unmöglich sei, da diese Lager für Unterbringung von 20.000 Serben aus den aufstandsgebieten in Anspruch genommen werden müßen.

Mit den restlichen etwa 20.000 Juden und Familienangehörigen, werden sie dort selbst fertig werden müßen, die Abschickung auf eine Insel im Donaudelta erscheine transportmäßig die einfachste Lösung und Benzler erbittet abschließend,

 

/414/AE 88

zusammen mit Veesenmayer, in dieser Frage die erste Voraussetzung für angestrebte Dauerbefriedung sei, um dringende Unterstützung. (106)

 

Hierzu nahm Luther – zwecks Vorlage über den Staatssekretär, bei dem Reichsaußenminister – am 2. Oktober wie folgt Stellung:

„Wenn der Militärbefehlshaber mit Benzler dahingehend einig ist, daß diese 8000 Juden in erster Linie die Befriedungsaktion im serbischen Altreich verhindern, so muß meiner ansicht nach der Militärbefehlshaber für die sofortige Beseitigung dieser 8.000 Juden Sorge tragen. In anderen Orten sind anderer Militärbefehlshaber mit einer wesentlich größeren anzahl von Juden fertig geworden, ohne überhaupt darüber zu reden.

Meiner Ansicht nach können wir dem rumänischen Staatsführer, welcher ohnehin genügend Sorgen mit der Abschiebung seiner eigenen Juden hat, nicht zumuten, weitere 8.000 Juden aus fremden Staatsgebiet zu übernehmen.

Ich bitte daher um die Ermächtigung, diese Frage mit Obergruppenführer Heydrich, welcher in den nächsten Tagen auf kurze Zeit von Prag nach Berlin kommen wird, zu besprechen. Ich bin überzeugt, daß wir im Einvernehmen mit ihm

 

/415/AE 89

sehr bald zu einer klaren Lösung dieser Frage kommen können.“ (107)

 

Noch am selben Tage, um 22,20 Uhr, gab Ribbentrop bekannt, sofort mit Himmler die Frage zu klären, ob er die 8.000 Juden, nach Ostpolen schaffen könne. Und mit Heydrich wurde vereinbart, daß ein Sonderbeauftragter der Reichssicherheitshauptamtes zur Regelung der Frage nach Belgrad kommen werden. Drei Tage später schreibt Luther nach Belgrad, daß ich in Begleitung des Legationsrates Rademacher die Reise antreten würde. Am 15. Oktober wurde dieser Plan wieder aufgegeben, dann Luther mußte Belgrad mitteilen, daß nicht ich, sondern andere, als Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes, gemeinsam mit Rademacher nach Belgrad kämen.

Auch hier scheint aber wieder etwas dazwischen gekommen zu sein, denn Rademacher fuhr – wie sein Dienstreisegenehmigungsantrag den er an seine Behörde richtete lautet – zwecks Liquidierung von 8.000 Juden, offensichtlich alleine nach Belgrad, denn sein ausführlicher Dienstreisebericht beinhaltet nichts über andere Dienstreiseteilnehmer; auch die Akten besagen nicht diesbezüglich. (109)

 

/416/AE 90

In Serbien geschah in der Zwischenzeit folgendes:

Der Bevollmächtigte Kommandierende General in Serbien, General der Infanterie, Böhme, erließ am 10. Okt. 41, einen Befehl, demzufolge es notwendig geworden sei, die Befehle des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, in der schärfsten Form durchzuführen.

Es seien daher in allen Standorten sämtliche männlichen Kommunisten, Juden und eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter Einwohner, als Geiseln festzunehmen.

Für jeden getöteten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen sind 100 Gefangene oder Geiseln zu erschießen; für jeden Verwundeten deren 50.

Der Chef des Generalstabes des Bevollm. Kommandierenden Generals in Serbien befahl am 19. Oktober 1941 die Exekution an 2.200 Festgenommenen, für 10 gefallene und 24 verwundete deutsche Soldaten. (110)

 

Rademacher schrieb in seinem Dienstreisebericht vom 25. Okt. 41, daß seine erste Aussprache mit dem Gesandten Benzler und dem Staatsrat Turner auf der Dienststelle des Militärbefehlshabers ergeben hätte, daß bereits über 2000

 

/417/AE 91

dieser Juden als Repressalie für Überfälle auf deutsche Soldaten erschoßen waren.

Ins Einzelne gehende Verhandlungen mit den Sachbearbeitern der Judenfrage SS-Sturmbannführer Dr. Weimann von der Dienststelle des Staatsrates Turner und dem Leiter der Staatspolizeistelle (er meint hier den Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei) SS-Standartenführer Dr. Fuchs, und dessen Judenbarbeiterin ergaben:

„1.) Die männlichen Juden sind bis Ende dieser Woche erschoßen, damit ist das in dem Bericht der Gesandtschaft angeschnittene Problem ereldigt.

2.) Der Rest von etwa 20.000 Juden (Frauen, Kinder, alte Leute) sowie rund 1.500 Zigeuner, von denen die Männer ebenfalls noch erschoßen werden, sollte in sogenannte Zigeunerviertel der Stadt Belgrad als Ghetto, zusammengefaßt werden.“ (111)

 

Jetzt aber wurde es dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herrn von Weizsäcker zu Berlin, denn doch zu viel und er schrieb am 22. November auf Grund einer Aufzeichnung, der Abteilung D III seines amtes vom 7. Nov., daß gemäß Führererlaß vom 28.4.1941, der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amtes für die Behandlung aller in Serbien auftauchenden Fragen außen-

 

/418/AE 92

politischen Charakters zuständig sei und daß demnach der Gesandte Benzler und mit ihm das Auswärtige Amt sich mit dem Abtransport von Juden aus Serbien nach anderen Ländern zu befassen habe, es dagegen über Benzlers und des Auswärtigen Amtes Aufgabe hinausginge, darin aktiv mitzuwirken. Er habe heute dem Gesandten Benzler mündlich dasselbe gesagt und es würde sich empfehlen, ihn noch entsprechen schriftlich zu unterrichten.

Dagegen führte Unterstaatssekretär Luther in einer Notitz für seinen Staatssekretär am 12. Dez. 1941, yu seiner Verteidigung in´s Treffen, was er alles gemäß Weisung Ribbentrops unternommen habe und er daher annehmen mußte, das es im Sinne des Herrn Reichsaußenministers lag, wenn sich das Auswärtige Amt „in diese an sich sicherlich, recht heikle Angelgenheit“ einschaltete. (112)

 

Dieser „Streit im Hause“ scheint der Grund zu sein, weshalb sich auf einem Telegramm Benzlers an das Auswärtige Amt vom 12. Sept. 41, fogende handschriftlichen Vermerke finden: „Bitte sofort mit Reichssicherheitshauptamt sprechen, dann Bericht.

Luther, 12.9.“

Unterschriftkürzel

 

/419/AE 93

„Nach Auskunft Sturmbannführer Eichmann, Reichssicherheitshauptamt, IV D VI, Aufnahme im Reichsgebiet und Generalgouvernement unmöglich. Nicht einmal die Juden aus Deutschland können dort untergebracht werden. Eichmann schlägt Erschießen vor.

Rademacher 13.9.“

 

Dazu sagte Rademacher am 30. Juli 1948, in Nürnberg folgendes aus:

„Auf Grund der Notitz Luthers vom 12.9. bin ich am 13.9. zum Vortrag bestellt worden. Ich erinnere mich noch genau, daß ich ihm gegenüber saß als ich mit dem Reichssicherheitshauptamt telephonierte und daß ich die handschriftlichen Stichworte über Eichmanns Antwort aufschrieb und während des Telepphonates zu Luther hinüberschob. Eichmann hat dem Sinne nach gesagt, daß die Militärs für die Ordnung in Serbien verantwortlich seien und aufständische Juden eben erschießen müßten. Auf meine Nachfrage wiederholte er einfach: ‚Erschießen‘ und hing auf.“

 

Nun, ich habe nie eine solche Äußerung getan; sie ist von Rademacher frei erfunden. Ich hätte dazu auch gar keine Befugnis gehabt.

Wegen viel geringerer Angelegenheiten wurden zwischen dem Reichssicherheitshaupt-

/420/AE 94

amt und dem Auswärtigen Amt und umgekehrt, hunderte von Schreiben gewechselt. Ja, mit einer ausgesprochenen bürokratischen Pedanterie darauf geachtet, gegeseitige Stellungnahmen stets säuberlich bei den Akten, gemäß den bürokratischen Vorschriften, zu haben.

 

Ferner; man stelle sich vor, im Auswärtigen Amt sitzen sich zwei Männer gegenüber. Beide kennen sich gut. Der eine von ihnen kennt den Telephonpartner dienstlich sehr gut, der andere kennt ihn dienstlich gut.

Es wird schnell angerufen. Beide wissen wen und wo.

Rademacher trägt den Sachverhalt vor. Luther sitzt ihm dabei gegenüber. Rademacher schreibt die Auskunft auf die Akte.

Ich frage daher vom Standpunkt des Kriminalisten: meines Erachtens fängt in einem solchen Falle ein Person kaum an zu schreiben: „Nach Auskunft Sturmbannführer Eichmann, R & H.A. IV D VI … .“

Luther weiß dies alles, denn er sitzt ja gegenüber und er kannte mich ja schon lange.

Es kann auch nicht stimmen, daß Rademacher meine angebliche Auskunft während dieses angebliche Telephonat zu Luther über den Schreibtisch hinüber-

 

/421/AE 95

schob, denn wenn man seine Notitzen und Aussagen durchspielt, geht die Sache nicht auf.

Des weiteren, mit keinem Wort werde ich im Laufe der weiteren diesbezüglichen Aktenbehandlung mehr erwähnt, was doch sonst sehr nahe liegend wäre. Nein, es ist schon so wie ich sagte, hier wurde infolge der Weizsäcker´schen Rügen schleunigst ein zusätzliches „Entlastungsmaterial“ nachträglich geschaffen, wie solches in ähnlichen Fällen innerhalb der Zentralinstanzen gerne praktiziert wird.

Und letztlich ist in diesem Zusammenhang unter Umständen auch die Aussage v. Weizsäckers während des Nürnberger Prozesses nicht uninteressant. (113) Abgesehen davon war meine Dienstbezeichnung nicht IV D VI, sondern IV B 4.

 

Kroatien:

Der deutsche Gesandte der kroatischen Republik in Adram, Kasche richtete an das Auswärtige Amt nach Berlin ein Telephonat, in dem er mitteilte, das die kroatische Regierung mit der Aussiedlung der Juden grundsätzlich einverstanden sei. Er halte es daher für richtig, mit der Aussiedlung zu beginnen und zwar für das gesamte Staatsgebiet. Man könne es darauf ankommen lassen, ob sich im Zuge der Aktion Schwierigkeiten ergeben, soweit es sich um die von Italienern

 

/422, 423/AE 96

besetzte Zone handele. (114)

Luther machte diese Mitteilung am 24. Juli 42, zum Gegenstand einer Vorlage bei Ribbentrop.

Am 16. Oktober 42 meldete Kasche, daß der kroatische Finanzminister Kosak sich bereit erklärt habe, dem Deutschen Reich für jeden ausgesiedelten Juden Dreißig Reichsmark zur Verfügung zu stellen. Die schriftliche Bestätigung, sowie die Zahlungsweise würde mit dem Außenminister Lorkovic vereinbart. Die Vorbereitungsarbeiten für die Aussiedlung der Juden aus den von den Italienern besetzten Zonen, werden von dem Polizeiattaché durchgeführt. Er bäte, das Reichssicherheitshauptamt zu verständigen. (115)

Aber die Italiener hatten sich die Durchführung doeser Aufgabe selbst vorbehalten und eine Überstellung der Juden an Deutschland abgelehnt. (116)

 

Inzwischen wurde dem Polizeiattaché als Gehilfe ein SS-Hauptsturmführer Abromeit unterstellt, welcher den Abtransport der Juden aus Kroatien, soweit diese für eine Evakuierung in Frage kamen, zu übernehmen und die Transportzüge von der Deutschen Reichsbahn zu bestellen hatte.

Die Erfassung der Juden würden durch die jeweils zuständigen Polizeichefs bei

 

/424, 425/AE 97

den Großgespanschaften, gemäß einer Anweisung der Hauptdirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit, durchgeführt werden. (117)

 

Am 22. April 1944 gibt der Gesandte Kasche einen Bericht über die Judenfrage in Kroatien an das Auswärtige Amt, worin er feststellt, daß diese in Kroatien „in weitem Maße bereinigt“ worden ist; es handele sich jetzt nur noch um Maßnahmen in den Küstengebieten. Als Anlage fügt er einen Bericht seines Polizeitattachés bei. Bekanntlich wurde die Judenaussiedlung aus Kroatien – so heißt es in diesem Bericht – im Spätherbst 1942 durch die zuständigen kroatischen Behörden, unter Einschaltung einer beratenden Tätigkeit des Polizeiattaches durchgefährt. Es läge ein Schreiben des Reichssicherheitshauptamt vor, demzufolge auf Befehl Himmlers die Judenfrage in Kroatien in schnellster Zeit bereinigt werden soll. Auf Grund des Himmler-Befehls, würde durch den Befehlshaber der Sicherheitspolizei, im engsten Einvernehmen mit ihm, die Judenfrage nochmals eingehendst geprüft. (118)

 

/426/AE 98

-          11 –

Rumänien:

Der Deutsche Gesandte in Rumänien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom Auswärtigen Amt den Berater für Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-Hauptsturmführer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt gehört, am 7.8.1941 an; man möge ihn nach Bukarest zurückentsenden.

Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Mihai Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)

Und Luther konnte in einem ausführlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu bemerken, daß es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des Auswärtigen Amtes gelungen wäre, Richter, der aus Rumänien zurückgezogen wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)

Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.

In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverständnis, die rumänische Regierung möge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl, betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot für das

 

/427, 428/AE 99

rumänische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darüber in seinem Bericht, daß der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei wünsche nun, daß auch die Auswanderung von Juden aus Rumänien unter allen Umständen unterbunden wird. - /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)

 

Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter des Königlich Rumänischen Großen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine Vereinbarung getroffen über die Sicherung, Verwaltung und Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Flüßen Dujestc und Bug und Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben „Hitlers an den rumänischen Staatschef Antonescu“ v. 14.8.1941 und das Antwortschreiben „Antonescu an den Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches, Hitler“, zugrunde.

Im Punkt sieben des Vertrages heißt es: „Abschub der Juden über den Bug ist zur Zeit nicht möglich. Sie müßen daher in Konzentrationslager

 

/429, 430/AE 100

zusammengefaßt und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluß der Operationen ein Abschub nach Osten möglich ist.“ (122)

Im April 1942 teilte der Reichskommisar für die besetzten Ostgebiete den in Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, daß örtliche rumänische Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden über den Bug in das Reichskommissariat Ukraine abgeschoben hätten und die Abschiebung weiterer 60.000 rumänischer Juden, den Umständen nach zu befürchten sei. Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.

Gemäß Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an das Auswärtige Amt, daß bei den örtlichen rumänischen Stellen seitens der rumänischen Regierung auf unverzügliche Einstellung dieser illegalen Judentransporte hinzuwirken wäre. Da angenommen werden, daß seitens der rumänischen Regierung bedingungslos entsprochen würde, /1 ½ Zeilen durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Verschärfung der durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den örtlichen Stellen bereits enstandenen Spannungen, zunächst von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen abgesehen.

Für den Fall jedoch – so hatte ich weisungsgemäß weiter zu schreiben – daß die rumänische Regierung dem

 

/431/AE 101

Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber örtliche rumänische Stellen entgegen einer Weisung der rumänischen Regierung handeln und weiterhin Juden abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vorbehalten.

Im Mai 1942, wurden diese, über den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine liquidiert. Sie wurden von den örtlichen Stellen gemäß einer höheren Weisung getötet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezüglich der „sicherheitspolizeilichen Maßnahmen“ gemerkt. Jedermann aber, der auch nur halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mühe zu verstehen, daß diese Maßnahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung zu bringen sind, sondern gegen die örlichen rumänischen Stellen, welche die Abschiebungsmaßnahmen durchführten. Und jeder im Grenzdienst stehende weiß, daß unter solchen Maßnahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner, mit sicherheitspolizeiliche Maßnahmen, umschreibt. (123)

 

/432/AE 102

Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht daß die damalige Reichsführung gegen eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen wäre. Im Gegenteil. Gerade um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich hatte Rosenberg, der Reichsminster für die besetzten Gebiete bei höchster Stelle gegen eine solche „regellose und unkontrollierbare“ Abschiebung in „sein“ Gebiet Protes erhoben.

Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner Behördenwald wehte, schrieb Müller an Luther, daß vorgesehen sei etwa ab 10. Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rumänien in Sonderzügen nach dem Osten zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zunächst auf arbeitsfähige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen. Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, daß der arbeitsfähige Teil arbeitseinsatzmäßig angesetzt würde, der Rest der Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)

Luther schrieb daraufhin an Müller zurück, daß grundsätzlich seitens des Auswärtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestünden, daß nunmehr auch

 

/433/AE 103

die Abbeförderung der Juden aus Rumänien nach dem Osten in Angriff genommen wird. Bezüglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises und der Haltung der rumänischen Regierung schwebten jedoch noch Ermittlungen, nach deren Abschluß man auf diese Angelegenheit zurückkommen würde. (125)

Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Auswärtige Amt und teilt mit, da die rumänische Regierung auf die Verbalnote der deutschen Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, könne ein Termin über den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)

In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwürfen gegen andere vorgeht, ohne sich die Mühe einer sachlichen Prüfung zu nehmen. Der Anlaß hierfür ist eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmführer Richter, der einige Zeit später zu seinem Polizeiattaché ? wird. Dieser hat sich von dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Rumäniens, Mihai Antonescu ein Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rumänien mit der

 

/434/AE 104

Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.

Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam, sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung bürokratischer Feinheiten, eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung, absolute Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger Berater der Sprung, zum Polizeiattaché akkreditiert zu werden.

Natürlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des Auswärtigen Amtes hierüber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht haben mag.

Und Killinger reagierte hierauf sehr böse, und sparte nicht mit Vorwürfen.

Wie das Auswärtige Amt annehmen

 

/435, 436/AE 105

könne, daß er derart wichtige Fragen ausschließlich von einem SS-Offizier erledigen lasse; oder: daß der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht hat, st eine Selbstverständlichkeit.

Aber er verstünde andererseits nicht, daß wenn schon ein so hoher Beamter der rumänischen Regierung, wie der Kommissar für Judenangelegenheiten Lecca, nach Berlin zu Verhandlungen käme, dieser durch das Auswärtige Amt gewissermaßen zwischen Tür und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos zu Verstimmungen führen müße.

In seinem blinden Zorn schreibt er über den postalischen Dienstweg zwischen Gesandtschaft – Auswärtige Amt – Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und unterstellt mir, ich hätte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, daß ich mir heir einen Formfehler in bürokratischer Hinsicht hätte zu Schulden kommen lassen; ja ich hatt überhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchführte, was Killinger merkwürdigerweise im selben Atemzuge eigenhändig bestätigte. Luther selbst schreibt auf eine Akte schließlich resignierend vor der Sturköpfigkeit seines Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.

 

/437, 438/AE 106

Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen Minster schrieb, daß das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu übertriebenen Vorsicht sei. (127)

 

Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der Verbalnote

Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, daß er sie noch nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsaußenminister in dessen Feldquartier, hätten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an Deutschland, nunmehr konkrete Vorschläge zu machen.

Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erklärte – offenbar sehr zu Richters Erstaunen – er habe der Aussiedlung der Juden aus Rumänien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezüglich verhandelt worden; andererseits aber seien die Deportationen über den Bug verboten worden. (Siehe dazu mein Schreiben welches ich befehlsmäßig zu fertigen hatte und worin ich mit sicherheitspolizeilichen Maßnahmen winken mußte, für den Fall die Deportationen über den Bug nicht eingestellt würden.) Hier seu seiner Meinung nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schluß, daß der Staatschef Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben

 

/439/AE 107

habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung des Marschalls zu setzen, in der es heißt:

„Die Evakuieurng aus Siebenbürgen wird nur studiert. Die Durchführung wird aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der günstige Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu.“

Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren Bericht vom 26. Nov., daß die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine Judenaussiedlung aus Rumänien zunächst nicht schwer in‘s Gewicht falle, da während der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewünscht ist. Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche – offensichtlich durch Vermittlung der Gesandtschaft – rumänischerseits an mich erging. Im folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsüberlastung ab; eine diensthöfliche Form die damals gang und gäbe war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich Befehl,

 

/440/AE 108

die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts lästiger ist, als offiziellen Einladungen nachzukommen und sie zu überstehen – jedenfalls für mich – gehörte es mit zu meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. –

Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden, zu meinen oder meines Vertreters Händen,

„Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. geäußert:

Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht ärmere Judem zum Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluß, daß die Rumänen dem jüdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engländer und Amerikaner nicht zu vergrämen. Eine Änderung des rumänischen Verhaltens dürfte sich erst erzielen lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge, unbedingt den Versuch machen zu müßen, sich mit den Angloamerikanern gut zu stellen, bevor die Russen rumänisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt erscheint.“ (129)

 

/426/AE 98

-          11 –

Rumänien:

Der Deutsche Gesandte in Rumänien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom Auswärtigen Amt den Berater für Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-Hauptsturmführer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt gehört, am 7.8.1941 an; man möge ihn nach Bukarest zurückentsenden.

Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Mihai Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)

Und Luther konnte in einem ausführlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu bemerken, daß es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des Auswärtigen Amtes gelungen wäre, Richter, der aus Rumänien zurückgezogen wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)

Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.

In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverständnis, die rumänische Regierung möge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl, betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot für das

 

/427, 428/AE 99

rumänische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darüber in seinem Bericht, daß der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei wünsche nun, daß auch die Auswanderung von Juden aus Rumänien unter allen Umständen unterbunden wird. - /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)

 

Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter des Königlich Rumänischen Großen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine Vereinbarung getroffen über die Sicherung, Verwaltung und Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Flüßen Dujestc und Bug und Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben „Hitlers an den rumänischen Staatschef Antonescu“ v. 14.8.1941 und das Antwortschreiben „Antonescu an den Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches, Hitler“, zugrunde.

Im Punkt sieben des Vertrages heißt es: „Abschub der Juden über den Bug ist zur Zeit nicht möglich. Sie müßen daher in Konzentrationslager

 

/429, 430/AE 100

zusammengefaßt und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluß der Operationen ein Abschub nach Osten möglich ist.“ (122)

Im April 1942 teilte der Reichskommisar für die besetzten Ostgebiete den in Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, daß örtliche rumänische Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden über den Bug in das Reichskommissariat Ukraine abgeschoben hätten und die Abschiebung weiterer 60.000 rumänischer Juden, den Umständen nach zu befürchten sei. Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.

Gemäß Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an das Auswärtige Amt, daß bei den örtlichen rumänischen Stellen seitens der rumänischen Regierung auf unverzügliche Einstellung dieser illegalen Judentransporte hinzuwirken wäre. Da angenommen werden, daß seitens der rumänischen Regierung bedingungslos entsprochen würde, /1 ½ Zeilen durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Verschärfung der durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den örtlichen Stellen bereits enstandenen Spannungen, zunächst von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen abgesehen.

Für den Fall jedoch – so hatte ich weisungsgemäß weiter zu schreiben – daß die rumänische Regierung dem

 

/431/AE 101

Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber örtliche rumänische Stellen entgegen einer Weisung der rumänischen Regierung handeln und weiterhin Juden abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vorbehalten.

Im Mai 1942, wurden diese, über den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine liquidiert. Sie wurden von den örtlichen Stellen gemäß einer höheren Weisung getötet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezüglich der „sicherheitspolizeilichen Maßnahmen“ gemerkt. Jedermann aber, der auch nur halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mühe zu verstehen, daß diese Maßnahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung zu bringen sind, sondern gegen die örlichen rumänischen Stellen, welche die Abschiebungsmaßnahmen durchführten. Und jeder im Grenzdienst stehende weiß, daß unter solchen Maßnahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner, mit sicherheitspolizeiliche Maßnahmen, umschreibt. (123)

 

/432/AE 102

Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht daß die damalige Reichsführung gegen eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen wäre. Im Gegenteil. Gerade um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich hatte Rosenberg, der Reichsminster für die besetzten Gebiete bei höchster Stelle gegen eine solche „regellose und unkontrollierbare“ Abschiebung in „sein“ Gebiet Protes erhoben.

Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner Behördenwald wehte, schrieb Müller an Luther, daß vorgesehen sei etwa ab 10. Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rumänien in Sonderzügen nach dem Osten zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zunächst auf arbeitsfähige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen. Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, daß der arbeitsfähige Teil arbeitseinsatzmäßig angesetzt würde, der Rest der Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)

Luther schrieb daraufhin an Müller zurück, daß grundsätzlich seitens des Auswärtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestünden, daß nunmehr auch

 

/433/AE 103

die Abbeförderung der Juden aus Rumänien nach dem Osten in Angriff genommen wird. Bezüglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises und der Haltung der rumänischen Regierung schwebten jedoch noch Ermittlungen, nach deren Abschluß man auf diese Angelegenheit zurückkommen würde. (125)

Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Auswärtige Amt und teilt mit, da die rumänische Regierung auf die Verbalnote der deutschen Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, könne ein Termin über den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)

In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwürfen gegen andere vorgeht, ohne sich die Mühe einer sachlichen Prüfung zu nehmen. Der Anlaß hierfür ist eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmführer Richter, der einige Zeit später zu seinem Polizeiattaché ? wird. Dieser hat sich von dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Rumäniens, Mihai Antonescu ein Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rumänien mit der

 

/434/AE 104

Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.

Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam, sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung bürokratischer Feinheiten, eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung, absolute Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger Berater der Sprung, zum Polizeiattaché akkreditiert zu werden.

Natürlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des Auswärtigen Amtes hierüber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht haben mag.

Und Killinger reagierte hierauf sehr böse, und sparte nicht mit Vorwürfen.

Wie das Auswärtige Amt annehmen

 

/435, 436/AE 105

könne, daß er derart wichtige Fragen ausschließlich von einem SS-Offizier erledigen lasse; oder: daß der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht hat, st eine Selbstverständlichkeit.

Aber er verstünde andererseits nicht, daß wenn schon ein so hoher Beamter der rumänischen Regierung, wie der Kommissar für Judenangelegenheiten Lecca, nach Berlin zu Verhandlungen käme, dieser durch das Auswärtige Amt gewissermaßen zwischen Tür und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos zu Verstimmungen führen müße.

In seinem blinden Zorn schreibt er über den postalischen Dienstweg zwischen Gesandtschaft – Auswärtige Amt – Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und unterstellt mir, ich hätte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, daß ich mir heir einen Formfehler in bürokratischer Hinsicht hätte zu Schulden kommen lassen; ja ich hatt überhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchführte, was Killinger merkwürdigerweise im selben Atemzuge eigenhändig bestätigte. Luther selbst schreibt auf eine Akte schließlich resignierend vor der Sturköpfigkeit seines Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.

 

/437, 438/AE 106

Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen Minister schrieb, daß das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu übertriebenen Vorsicht sei. (127)

 

Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der Verbalnote

Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, daß er sie noch nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsaußenminister in dessen Feldquartier, hätten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an Deutschland, nunmehr konkrete Vorschläge zu machen.

Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erklärte – offenbar sehr zu Richters Erstaunen – er habe der Aussiedlung der Juden aus Rumänien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezüglich verhandelt worden; andererseits aber seien die Deportationen über den Bug verboten worden. (Siehe dazu mein Schreiben welches ich befehlsmäßig zu fertigen hatte und worin ich mit sicherheitspolizeilichen Maßnahmen winken mußte, für den Fall die Deportationen über den Bug nicht eingestellt würden.) Hier seu seiner Meinung nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schluß, daß der Staatschef Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben

 

/439/AE 107

habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung des Marschalls zu setzen, in der es heißt:

„Die Evakuieurng aus Siebenbürgen wird nur studiert. Die Durchführung wird aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der günstige Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu.“

Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren Bericht vom 26. Nov., daß die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine Judenaussiedlung aus Rumänien zunächst nicht schwer in‘s Gewicht falle, da während der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewünscht ist. Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche – offensichtlich durch Vermittlung der Gesandtschaft – rumänischerseits an mich erging. Im folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsüberlastung ab; eine diensthöfliche Form die damals gang und gäbe war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich Befehl,

 

/440/AE 108

die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts lästiger ist, als offiziellen Einladungen nachzukommen und sie zu überstehen – jedenfalls für mich – gehörte es mit zu meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. –

Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden, zu meinen oder meines Vertreters Händen,

„Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. geäußert:

Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht ärmere Judem zum Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluß, daß die Rumänen dem jüdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engländer und Amerikaner nicht zu vergrämen. Eine Änderung des rumänischen Verhaltens dürfte sich erst erzielen lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge, unbedingt den Versuch machen zu müßen, sich mit den Angloamerikanern gut zu stellen, bevor die Russen rumänisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt erscheint.“ (129)

 

/441, 442/AE 109

-          12 –

Bulgarien:

Dieses Land kannte eine der deutschen, ähnliche Judengesetzgebung. Seit 1942 wurde durch ein Ermächtigungsgesetz die Bestimmung des Judenbegriffs festgelegt, die Kennzeichnung durch den Judenstern, Namens und Wohnungbeschränkungen eingeführt, die gewerbliche und wirtschaftliche Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt und die Liquidierung jüdischer Vermögen weiter vorgetrieben.

Am 27. Nov. 1941 sprechen der bulgarische Ministerpräsident Popoff und der deutsche Reichsaußenminister v. Ribbentrop, anläßlich eines Empfanges in Berlin, über die Judenfrage, wobei Popoff den Vorschlag machte, sie im europäischen Maßstabe zu lösen.

In seiner Berichterstattung vom 21. August 1942, teilt Luther seinem Reichsaußenminister mit, welche einleitenden Schritte er im Hinblick auf die ihm erteilte Order, die ihn nach dem Topoff-Ribbentrop-Gespräch übermittelt wurde, in die Wege geleitet habe. (130)

Und bereits am 15. Oktober waren die Besprechungen zwischen Deutschland und Bulgarien soweit gediehen, daß Luther dem Gesandten Beckerle nach Sophia drahten konnte, unter Bezugnahme auf diese Verhandlugnen an die bulgarische Regierung heranzutreten, um mit ihr die Frage eines Abtransportes, der nach den neuen bulgarischen Verordnungen un? Juden, nach dem Osten zu erwirken. Er schlug weiterhin vor, diese Juden im Interesse einer vermögensrechtlichen Klärung, analog der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Nov. 1941, auszubürgern.

Je nach aufnahme dieses Vorschlages regte er ferner an, zu übermitteln, daß man

 

/443, 444/AE 110

bereit sei einen Berater zur Verfügung zu stellen. (131)

Die Antwort Beckerle‘s traf bereits am 16. Nov. im auswärtigen Amt ein. Der bulgarische Ministerpräsident begrüßte grundsätzlich die Maßnahmen, die Juden nach dem Osten zu verbringen und begrüßte es ferner dankbar, wenn noch vor dem Abtransport ein deutscher Berater nach Sofia abgestellt würde, damit dieser bei der Durchführung helfe. (132)

Es folgte nun ein Schriftwechsel zwischen dem Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes Luther und dem Amtchef IV im Reichssicherheitshauptamt, SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Müller, in dessem Verlauf man sich einigt, daß der in Paris, beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Referent tätige, SS Hauptsturmführer Dannecker, nach Sofia versetzt wird. Er wurde dort dem Polizeiattaché, als dessen Gehilfe, unterstellt. (133)

Die bulgarische Regierung hatte bereits ein Judenkommissariat errichtet und zu dessen Leiter den Kommissar Belev ernannt. Er unterstand dem Ministerium für Inneres und Volksgesundheit. Beckerle berichtet am 8. Februar 1943, daß er vor der Einführung des Dannecker, mit dem bulgar. Innenminister Grabowski gesprochen habe, der ihm seine feste Absicht, alle Juden umzusiedeln, bestätigte.

 

 

/445/AE 111

Grabowski gab zum Ausdruck, daß er bereit sei, mit deutscher Unterstützung die Juden aus den neuen bulgarischen Gebieten, Thrazien und Mazedonien, nach dem Osten abzuschieben, daß aber ein Abschub aus dem altbugarischen Teil vorläufig nicht in Frage käme.

Die Planung und alle Einzelfragen sollten mit dem Judenkommissar Belev besprochen werden. Inzwischen hatte Belev dem Innenminister einen Vorschlag zur Genehmigung durch den Ministerrat unterbreitet. (134) Dieser wurde am 12. Februar 1943 vollinhaltlich angenommen. Und ohne den Beschluß abzuwarten, hatte Belev von sich aus bereits Beauftragte nach Thrazien und Mazedonien entsandt, um dort die Möglichkeiten der Zusammenziehung der Juden in Lager zu prüfen.

Er sagte ferner für die ersten Märztage die Bekanntgabe der Abfahrtsbahnhöfe und der auf diese entfallenden Anzahl von Juden zu. Er rechnete damit, daß ab etwa EndeMärz 1943 deportiert werden könne und die Gesamtzahl rund 20.000 Juden betragen würde. (135)

Am 26.März meldete Beckerle, daß der Vizepräsident der Sobranje, Pescheff, dem Ministerpräsidenten, eine von ihm und 42 weiteren Abgeordneten unterzeichnete

 

/446/AE 112

Petition überreichte, in der gegen die Deportation von Juden Stellung genommen wurde.

Daraufhin stellte der Ministerpräsident den antrag, Pescheff das Mißtrauen auszusprechen. Die Mehrzahl der Abgeordneten stimmten gegen Pescheff. Als Folge mußte er von seiner Position als Vizepräsident der Sobranje, zurücktreten. (136)

Am 24. Juni 1943 meldete der Polizeiattaché Hoffmann über den Gesandten Beckerle den Abschluß der Deportation aus Thrazien und Mazedonien mit zusammen etwa 20.000 Juden. (137)

Unterschriftkürzel

 

/447/AE 113

-          13 –

Ungarn:

Es mag um den 10. März 1944 gewesen sein, als mein Chef der SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, /eine Zeile gestrichen, unleserlich/ Müller, mich auf einer Arbeitsstelle, etwa 80 km östlich von Berlin, im Kreise Wustrow, inspizierend kontrollierte. Ich hatte den Befehl, dort ein Barackendorf, als Ausweichstelle für ein allfällig zusammengelegentes Geheimes Staatspolizeiamt, aufzubauen. Er fand alles gut und schön und zweckmäßig. Abschließend sagte er: „Eichmann Sie melden sich sofort bei dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, SS-Standartenführer u. Oberst der Polizei, Ministerialrat Dr. Gentke, in Mauthausen. Sie sind ihm als Referent zur Dienstleistung zugeteilt. Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei hat die Evakuieurng sämtlicher Juden aus Ungarn, aus strategischen Gründen, von Osten nach Westen durchkämmend, befohlen.“

Ich versuchte noch einen Hinweis auf die noch längst nicht fertiggestellte Arbeit und bat um die Genehmigung, dieselbe zu Ende bringen zu dürfen, aber die Nutzlosigkeit dieser Bitte war mir bereits beim Beginn des Aussprechens derselben klar geworden.

Ich übergab das Referat nun endgültig an meinen bisherigen „Ständigen Vertreter“ und

 

/448/AE 114

setzte mich nach Mauthausen in Marsch. Dort waren bereits die Befehlshaber der Ordnungspolizei und der Sicherheitspolizei mit der Aufstellung und Einteilung ihrer Kommandos beschäftigt. Es wurde feldmarschmäßige Adjustierung ausgegeben, die Kommandos wurden bewaffnet und vermunitioniert. Der dazugehörige Kraftfahrzeugpark aufgestellt und es fuhren sodann die Kommandos in drei Gruppen in Richtung Ungarn los. Das schnelle Vorauskommando aus Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei unter dem SS-Obersturmbannführer Krumeg, und etwa 24 Stunden später das Gros – ebenfalls Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei – unter meinem Kommando; abschließend fuhr der Befehlsstab mit den Befehlshabern. Im Aufmarschraum angekommen, wurde ich hinter der 1. Panzerlehrdivision eingezogen und marschierte hinter diesem Vorhand, gemäß der befohlenen Aufmarschordnung. /1 Zeile gestrichen, unleserlich/

In Budapest angekommen, löste ich befehlsgemäß die Marschordnung auf und die verschiedenen Einheiten meines Marschverbandes – (denn nur während des Marsches und allfälligen Kampfeinsatz, falls der Einmarsch aus irgendwelchen Gründen nicht reibungslos vonstatten gehen sollte,

 

/449, 450/AE 115

unterstand mir die Einheit) – meldeten sich bei ihren verschiedenen Dienststellen und Chefs, zur Dienstleistung.

Wer vielen bisherigen Publikationen über meine Person glauben schenkte, mußte zwangsläufig der Meinung sein, daß /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ ich jetzt hier zu schlaten und zu kurbeln anfing, um im Blitztempo, höchst persönlich mit meinem Kommando die Juden zu deportieren. Aber, wird er sicherlich schon erstaunt gewesen sein, gelesen zu haben, daß ich das Marschkommando auflöste, als ich nach Budapest kam – es verlieben mir ur etwa 15 – 20 Mann, samt Kraftfahrer und Wache eingeschlossen – so wird er bestimmt noch erstaunter sein, die folgenden Seiten zu lesen, wobei ich mich streng an die offiziellen Dokumente jener Zeit halte.

Der im Jahre 1961 in Deutschland als Zeuge vernommene ehemalige Legationsrat Dr. Eberhard von Tahdden erklärte: „Die Deportation der ungarischen Juden wurde meines Wissens zwischen Hitler und Horthy, anläßlich ihres Treffens auf Schloß Klessheim abgesprochen. Beim Treffen an Klessheim zwischen Hitler und Horthy waren Ribbentrop und Himmler dabei. Heute weiß ich, daß Horthy ein Ultimatum gestellt wurde.“ (138) Dieses Treffen fand am 17.März 1944 statt. Am 19. März um 13,00 Uhr drahete Veesenmayer an das Auswärtige Amt u.a.: „Bin nach glattem Verlauf der Fahrt heute um 11 Uhr, in Budapest

 

/451, 452/AE 116

eingetroffen und habe die Geschäfte übernommen.

Gesandter von Jagow hat heute morgen dem Reichsverweser mitgeteilt, daß er mit sofortiger Wirkung abgerufen sei und hat sich von ihm verabschiedet, nachdem er ihm meine Ernennung zum Reichsbevollmächtigten und Gesandten mitgeteilt hat.“ (139)

Der Zeuge Dr. Wilhelm Höttl, sagte am 24. April 1947 in Dachau aus: „Die entscheidenden Besprechungen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Sytojay, sowie vermutlich auch mit Horthy, hat Dr. Veesenmayer selbst geführt. Erst durch die in desen Gesprächen erfolgten Abmachungen, wurde die Evakuierung ausgelöst. Das hat mir Stojay selbst gesagt. Auch die Schaffung einer eigenen ungarischen Stelle dafür, nämlich des Staatssekretariates Endre‘s, erfolgte, wie mir der damalige ungarische Innenminister Andor Jaross erzählte, auf Wunsch Dr Veesemayers.“ (140)

Während dieses Anlaufens operierten, wie die Dokumente zeigen, SS-Hauptsturmführer Wislicenz als Sachbearbeiter und SS-Obersurmbannführer Krumey, der zwar rangmäßig ungleich höher als Wislicenz stand, aber von der sachlichen Arbeit keine Ahnung hatte, bei dem Kommandeur der Sicherheitspolizei in Budapest, einem SS-Obersturmbannführer

 

/453/AE 117

und Oberregierungsrat Trenker. Bei etwaigen Beschwerden, so heißt es in einer Aufforderung an die jüdischen Funktionäre in Budapest vom 20. März, wenden Sie sich an Krumey und Wislicenz. Über die Pester Israelitische Kultusgemeinde verfügt einzig und alleine der Kommandeur der Sicherheitspolizei. (141)

Zwar weist dieses Dokument weder Briefkopf und Unterschrift auf, weder trägt es eine Buchnummer, noch ist es überhaupt vollständig: aber mir ist in Erinnerung, daß Wislicenz sich sogleich zu Anfang seines Eintreffens in Budapest mit den jüdischen Funktionären zusammensetzte und es ist mir auch bekannt, daß die exekutiven Tätigkeiten durch die Dienststellen der Kommandeure der sicherheitspolizei wahrgenommen wurden, im Einvernehmen und nach vorheriger Absprache mit der ungarischen Geheimen Staatspolizei und den jeweiligen, örtlichzuständigen ungarischen Gendameriekommandozentralen.

Der organisatorische Aufbau der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn sah an seiner Spitze den Höheren SS- u. Polizeiführer, als den örtlichen Vertreter des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei. Er war die höchste Autorität aller deutschen SS und Polizeieinheiten in Ungarn und deren

 

/454/AE 118

Gerichtsherr. So unterstand ihm auch der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, Dr. Geschke.

Der ehemalige General der Polizei, von dem Bach Zelewski sagte als Zeuge 1961 in Deutschland: „In den Gebieten, in denen zum Höheren SS und Polizei Führer, ein Befehlshaber der Sicherheitspolizei gehörte, war er dem Höheren SS u. Polizei Führer unterstellt. Der Höhere SS und Polizeiführer erhielt niemals Befehle von Reichssicherheitshauptamt. Wenn ein Befehl dieses Hauptamtes an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei erging, und dieser ihn dem Höheren SS-Pol. Führer vorlegte, bestand die Möglichkeit, daß er die Entscheidung Himmlers einholte.“ (142)

Dem Befehlshaber der Sipo, unterstanden die Kommandeure der Sicherheitspolize und des SD, deren es in ganz Ungarn glaublich 4 oder 6 gab, (143) und das Sondereinsatzkommando „Eichmann“, unter meiner Führung.

Die Entstehung des Namens dieses Kommandos ist ebenso simpel wie merkwürdig. Ein Sonderbevollmächtigter Himmlers in Budapest, von dem noch die Rede sein wird, klebte an ihm geeignet erscheinende Gebäude Beschlagnahmezettel an, mit der Aufschrift „Sondereinsatzkommando – Eichmann“. Der Name war nicht mehr auszurotten. Die Aktion dieses Sonder-

 

/455/AE 119

bevollmächtigten war eigenmächtig, aber er war gedeckt durch seine Himmler Vollmacht.

Für ein Sondereinsatzkommando würde es sich schon allein merkwürdig anhören, daß diese nur aus rund 20 Mann bestand.

Es wurde späterhin, da der Name offenbar unausrottbar wurde offiziell „Sondereinsatzkommando – Ungarn“ benannt, wie ein Schreiben des Chefs der Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner, an den Bürgermeister der Stadt Wien, Blaschke vom 30. 6.1944, von dem nach zu sprechen sein wird, besagt. (144)

Der SS-Obersurmbannführer Krumey, wurde zu meinem _Ständigen Vertreter“ bestellt. Unser Chef war der inzwischen zum SS Oberführer beförderte Dr. Geschke und der höchste SS u. Polizeichef deutscherseits in Ungarn, der Polizeigeneral Winkelmann. Dieser unterstand in politischen Angelegenheiten dem Reichsbevollmächtigten, Dr. Veesenmayer. Es war im Prinzip dieselbe hierachisch-organisatorische Form, wie in allen übrigen besetzten Gebieten auch, nur daß Veesenmayer und Winkelmann zueinander ein in sachlicher Hinsicht, schlechtes Verhältnis hatten, da sich Winkelmann nur schwer subordinieren wollte. Um es einmal kurz und vulgär auszudrücken,

 

/456/AE 120

einer trachtete dem anderen zu befehlen. Für uns Untergeordneten war es am besten, man kümmerte sich nicht um die Streitereien der Großen, da man dabei doch nur hätte „zermahlen“ werden können, sondern tat stur seinen Dienst, wie er befohlen war.

Am 31. März 1944 hatte Ribbentrop große Sorgen, und sein persönlicher Botschafter Ritter gibt durch, „Sonder-Geheimschreiber“ an den Reichsbevollmächtigten Dr. Veesenmayer nach Budapest folgendes Fernschreiben durch: „Der Herr Reichsminister hat erfahren, daß der Obergruppenführer Kaltenbrunner beabsichtigt, während der nächsten 14 Tage in Budapest anwesend zu sein. Der Herr Reichsminister bittet Sie aus diesem Anlaß um einen vertraulichen Bericht an den Herrn Reichsminister persönlich, welche Aufgaben Herr Kaltenbrunner, neben dem Ihnen unterstellten General Wineklmann dort hat und durchführt. Beschäftigt er sich persönlich mit der Regelung der Judenfrage oder mit welchen anderen speziellen Fragen? Der Herr Reichsminster hat nach wie vor die Sorge, der SD könnte versuchen, sich in die Ihnen zustehenden Aufgaben und Rechte mischen und bittet Sie, besonders darauf zu achten,

 

/457/AE 121

daß dies nicht geschieht.“ (145)

Nun ist es schwarz auf weiß gegeben. Der General Winkelmann ist, ob er will oder nicht, dem Reichsbevollmächtigten unterstellt. Schließlich kann auch in Ungarn kein deutscher General herumtanzen wie er gerne möchte. Aber nun geht in der Folgezeit das Rennen zwischen Veesenmayer und Winkelmann um die Hegemonie bezüglich der Judendeportation los, ein Rennen, bei dem Veesenmayer, kraft seiner Vollmacht und Akkredition ber der ungarischen Regierung, mühelos gewinnt.

Und schon am 15. April meldete Veesenmayer, daß seine an die ungarische Regierung gestellte Forderung, noch bis Ende des Monates 50.000 Juden zur Arbeit in Deutschland, zur Verfügung zu stellen, angenommen wurde und er mit Obergruppenführer Winkelmann die Einzelheiten des Abtransportes vereinbaren wird. Er bat das Auswärtige Amt, ihm aber jetzt schon umgehend Weisung zu erteilen, wohin der Transport im Reich geleitet werden solle. Das Auswärtige Amt teilte ihm als Antwort mit, daß die Waggengestellung und der Fahrplan durch meine Dienststelle geregelt würde, sobald die abschließende Weisung von Obergruppenführer kaltenbrunner vorliege. Diese Weisung bekam

 

/458, 459/AE 122

ich durch das Reichssicherheitshauptamt am 22. April. Und der behördliche Instanzenweg manifestiert sich in einem Schreiben des Reichssicherheitshauptamtes, indem es das Auswärtige Amt darauf hinweist, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Ungarn durch Blitz-Fernschreiben vin den Verhandlungen Veesenmayers mit der ungarischen Regierung und seiner Vereinbarung mit dieser, wegen der 50.000 Juden, in Kenntnis gesetzt wurde und angefragt wurde, ob unter Hinblick auf die Transportschwierigkeiten eine Einschaltung des Reichssicherheitshauptamtes beim Reichsverkehrsministerium für erforderlich gehalten werde. (146)

Aber trotz allem und offensichtlich wegen der umständlichen Bürokratie, die im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes unvermeidbar war, ging es den interessierten Stellen im Auswärtigen Amt nicht schnell genug und als ob sie Rüge von höchster Stelle befürchteten, empfiehlt der Botschafter Ritter am 27. April Veesenmayer im Falle weiterer Verzögerung des Abtransportes, bei seiner drahtlichen Berichterstattung deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß von seiner Seite aus alles Mögliche und Notwendige zur schleunigen Durchführung der Aktion geschehen ist, daß der Abtransport der bereitgestellten Juden aber dadurch verzögert wird, daß die für Abtransport und Übernahme der Juden zuständigen Stellen, die notwendigen Anordnungen nicht treffen. (147)

 

/460/AE 123

Am 29. April meldet Veesenmayer an das Auswärtige Amt, daß der erste Transport von Budapest aus, abgegangen sei. Und am 11. Mai konnte er weiter berichten, daß eine Fahrplankonferenz am 6. Mai abgeschlossen wurde. Mit dem Abtransport der rund 325.000 Juden aus dem Karpathenraum und Siebenbürgen würde am 15. Mai begonnen. Täglich seien 4 Züge mit je 3.000 Juden zum Abtransport nach dem Zielort (Auschwitz) vorgesehen. Die von der „OT“ für den Arbeitseinsatz im Reich benötigten 100.000 Arbeitskräfte, müßten bei dem SS-Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt angefordert werden, daß über die aus Ungarn zum Abtransport kommenden Juden verfügt. (148)

Am 22. Mai traf in Budapest der Legationsrat von Thadden ein. An Ort und Stelle hatte er sich ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Zur Frage der Vermögensbehandlung trug er dem Gesandten Veesenmayer seine Auffassung vor. Aber er erklärte v. Thadden, daß die Frage noch nicht spruchreif sei, sobald er den Boden dafür günstig halte, wolle er sie in Angriff nehmen. Der Gesandte wies ihn darauf hin, daß das eben zur Debatte gestandene Objekt in keinem Verhältnis hinsichtlich der Größenordnung, zu den von den Dienststellen Himmlers eingeleiteten Fischzuges stünde. Er habe in dieser außergewöhnlich heiklen

 

/461,462/AE 124

Angelegenheit seinen besten Mitarbeiter, den Konsul Rokowski zu Himmler geschickt. Herr von Thadden meinte in seiner Berichterstattung in dieser Angelegenheit an das Auswärtige Amt, daß soweit er aus Veesenmayers Andeutungen entnehmen konnte, es sich um Geheimverträge handele, welche Winkelmann hinter dem Rücken von Veesemayer vorbereitet hat und mit denen der Gesandte nicht einverstanden sei. (149)

Nun, worum handelte es sich bei diesen Dingen. Da ich sie selbst erlebt habe, ja zum Teil selbst bearbeitet habe und sogar zum Teil auch selbst Ideen mit dazu gab, schildere ich die Dinge am besten so, wie ich weiß, daß sie sich zugetragen hatten.

Kurz nachdem ich im Monat März des Jahres 1944 in Budapest war, erschien eines Nachmittags auf meinem Hotelzimmer – (ich arbeitet und wohnte um jene Zeit auf meinem Zimmer im Hotel, da mir noch keine Dienststellenunterkunft nachgewiesen war) – ein SS-Obersturmbannführer der Waffen SS, Kurt Becker. Da wir beide gleichrangig waren, ergab sich von Haus aus sogleich ein Verhältnis, welches unter Gleichrangigen derselben Uniformfarbe, überlichermaßen in den meisten Ländern der Erde dasselbe sein dürfte. Ich konnte damals noch nicht ahnen, daß dieserselbe Herr Becker nach 1945, zu seiner eigenen Hautrettung, in einer solch unverschämten und die Tatsachen entstellenden Weise, über meine Person herzog und den in Nürnberg damals verlierenden /Feinden ächten – durchgestrichen/ Alliierten und ihren Gehilfen, daß erzählte, was sie am liebsten hörten; ohne Rücksicht, auf den Wahrheitsgehalt.

Und noch 1961, hielt es Becker, als Zeuge der israelischen Anklage in Deutschland vernommen, so mit der Unwahrheit, „daß sich die Balken bogen.“

Daß er sich dabei eines Meineides schuldig machte, interessiert ihn offensichtlich überhaupt nicht und scheint er im Eifer der erdichteten Unwahrheiten gar nicht bemerkt zu haben, trotzdem ihm die „Zeugenfragen“ bereits ein oder zwei Tage vor der Verhandlung bekannt gegeben wurden. Wahrlich, ein „sauberes Spiel“, welches infolge seine Ungeheuerlichkeit verspricht, in die Geschichte der „Juristik“, einzugehen.

Dieser ehemalige SS-Obersturmbannführer Becker teilte mir um jene Zeit mit, daß er Sonder-

 

/463/AE 125

bevollmächtigter Himmlers in Budapest sei; seine Aufgabe wäre es, Vermögenswerte für die Waffen SS sicherzustellen; kompletter gesagt, damit Ausrüstungsgegenstände für dieselbe zu besorgen.

Das Interesse an seinem Besuch bei mir galt dem Datum des Deportationsbeginnes. Ich konnte ihm um jene Zeit auch keine andere Auskunft geben, als die, welche er wahrscheinlich ohnedies wissen mochte, da er ja gewissermaßen „frisch gebacken“ von Himmler kam.

In der Folgezeit sahen wir uns sehr oft, und allmälig konnte ich ihm auch genauere Details geben; er war ja schließlich Sonderbevollmächtigter Himmlers. So konnte ich ihm sagen, daß Veesenmayer und Winkelmann mit den Verhandlungen bei der ungarischen Regierung beschäftigt sind, um die Deportationspläne und Phasen zu besprechen und sehr genaue Details vermochte ich ihm über die operativen Vorarbeiten durch die ungar. Gendamerie zu vermitteln, da ich hierüber ja laufend informiert wurde, um meinen Chefs berichterstattungsmäßig stets die neueste Lage zu geben; so, wie mir dies befohlen war. Insoweit kamen wir gut aus. Nur als Herr Becker eines Tages anfing zu drängeln, da er in einer deportationnsschwangeren Luft, in einer überhitzten Atmosphäre,

 

/464/AE 126

seine Himmler-Befehle schneller, besser und eleganter durchführen könne und als diese Drängelei zunahm, da wurde ich – wie man zu sagen pflegte – linkisch. Denn im „Ruck-Zuck“-Verfahren arbeitet keine Behörde, auch die ungarische Gendarmerie, so intakt und schlagkräftig dieses Korps auch war, machte darin keine Ausnahme. DerAmtsschimmel braucht überall seine Zeit, egal ob in Deutschland oder Ungarn. Außerdem, und dies war das Schönste, konnte ich sie weder anlaufen lassen, weder abstellen, weder beschleunigen, noch verzögern. Daher fand ich seine Anwürfe ungerechtfertigt und mit der Besorgung eines Bürolraten schickte ich mich daran, dieserhalb eine dienstliche Meldung an meine Vorgesetzten abzufassen, da ich nichts anderes annehmen konnte, daß er dasselbe auf seinem Dienstweg ebenfalls in die Wege leiten würde. Sein Dienstweg war kurz, denn er unterstand in jener Zeit, Himmler unmittelbar.

Mein Ärger wurde groß und größer, als er eines Tages damit anfing, Juden gegen Abtretung von Vermögenswerten, auswandern zu lassen. Nun war die Auswanderung von Juden um jene Zeit durch einen Befehl Himmlers strengstens verboten. Und nur er selbst oder der Chef der Sicherheitspolizei, konnten Ausnahmen zulassen. Um wieviel mehr

 

/465/AE 127

erstaunter war ich, als der Obersturmbannführer Becker solches ebenfalls, kraft eigenen Entscheides, nunmehr genehmigen konnte.

Ich, der ich jahrelang inmitten der jüdischen Auswanderung steckte und dienstlich damit befaßt war, bis eben zu jenem genannten Verbot, mußte in Deportationsfahrplänen mit dem Reichsverkehrsministerium herumfummeln; mir, der ich in Auswanderungserfahrung eine mehrjährige „Schule“ zu durchlaufen hatte, wurde hier ein Polizeiferner zur Seite gesetzt, ohne daß auch ich solche Genehmigungen erteilen konnte. Ich mußte mich im Gegenteil von dieser polizeifernen Person noch drängeln lassen mit der Deportation nunmehr endlich zu beginnen, damit er seine „Rosinen aus dem Kuchen“ holen konnte, dabei genau wissend, daß über Deportation alleine der Reichsbevollmächtigte, der Höhere SS- u. Polizeiführer, Himmler und Ribbentrop zu entscheiden hatten; und allenfalls noch Kaltenbrunner. Da packte mich der Zorn; ein Zorn der umso schlimmer war, als Becker ja infolge seiner Himmler-Vollmacht tatsächlich unangreifbar gewesen ist. Er hatte eben den Befehl, gegen Vermögenswerte, alles zu genehmigen.

 

/466/AE 128

Dazu kam, daß um jene Zeit die deutsche Abwehr gegen Devisenzahlung ebenfalls Juden in das Ausland schleuste. Ich aber wie eine Pick-Neun da saß und in wenigen Wochen, in wenigen Tagen, würde ich Fernschreiben mit abgegangenen Transportzügen an die befohlenen Stellen zu richten haben. Berichte an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei für das Reichssicherheitshauptamt, nachrichtlich an den Höheren SS- u. Polizeiführer; dazwischen wieder Einholung von Detailauskünften aus dem ungar. Innenministerium oder an die Reichsbahndirektion Wien, wegen Anberaumung einer Fahrplankonferenz, zu der ich Befehl erhielt. Dazwischen dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei auf Grund der Fahrpläne, die Zahl der befohlenen Transportbegleitmannschaften auszurechnen, welche dieser in Verhandlung mit dem Befehlshaber der Ordnungspolizei klarmachen mußte. Die komplizierte Korrespondenz bezüglich der Variationen in der Behandlung von Juden der verschiedenen ausländischen Staatsangehörigkeiten und was dergleichen bürokratischen Tätigkeiten mehr waren.

Und da begann ich zu überlegen.

 

/467/AE 129

Ich dachte mir, was die können, daß kannst Du auch. Ich schickte Obersturmbannführer Krumey los und mit ihm den SS-Hauptmann Mislicenz. Ich ließ bei den jüdischen Funktionären einmal sondieren, was für eine Auswanderungsgenehmigung für sagen wir, 100.000 Juden, geboten würde. Devisen wurden geboten. Aber dies half mir nichts; es war nichts Neues. Abwehr und der Sonderbevollmächtigte waren darin ohnedies tätig.

Wie ich nun im Einzelnen mit dem jüdischen Funktionär Joel Brand damals zusammen kam, wer dies arrangierte, dies weiß ich nicht mehr genau zu schildern. Ich weiß nur, daß er eines Tages vor meinem Schreibtisch saß und wir zusammen einen Plan besprachen; besser gesagt, ich entwickelte ihm meinen Plan.

Ich fuhr in jener kurzen, knappen Zeit, einigemale zwischen Berlin und Budapest hin und her.

Irgendjemand hatte nun damals eine Zahl von 10.000 Lastkraftwagen geborgen. War ich es, war es mein Chef in Berlin, der Generalleutnant Müller, war es Himmler oder Becker, ich vermag es mit Genauigkeit nicht mehr zu sagen. Genau weiß ich noch, daß ich meinem langjährigen Chef Müller einen Vortrag

 

/468/AE 130

hielt, 1,000.000 Juden an irgendwelche von den jüdischen Organisationen gewünschten Punkte zu transportieren. Dafür wurden eben die 10.000 LKW, winterfest, mit Anhängern, unter der Zusicherung, dieselben nicht an der Westfront einzusetzen, verlangt. 10%, also 100.000 Juden sollten, falls Joel Brand mit günstigem Bescheid aus dem Ausland zurückkam, sofort auf diesen Bescheid hin als Vorschubleistung zur Auswanderung gebracht werden.

Es ist zum heulen und zum lachen; zum lachen, wenn ich bedenke, daß dieses Projekt seitens meiner Vorgesetzten genehmigt wurde. Himmler selbst genehmigte es;

zum heulen, … doch darüber später.

Jetzt ging alles schnell

Eine aus dem Ausland angekommenen Sendung Devisen in der Höhe von etwa 120.000 Dollar, samt Auslandspost konnte sich Joel Brand bei mir abholen. Die Post wurde nicht einmal kontrolliert; jede Auslandspost für jeden wurde in jener Zeit kontrolliert. Mir stand der Sinn nach anderen Dingen. Damit hielt ich mich nicht mehr auf. Joel Brand sagte während meines Prozesses als Zeuge der Anklagebehörde, darüber aus, daß er nicht wußte wie ihm geschah; 120.000 Dollar, Post, 100.000 Juden Vorschubsleistung, Flug nach Konstantinopel –

Unterschriftkürzel

 

/469, 470/

AE 131

Eine Kuriermaschine der deutschen Luftwaffe brachte Joel Brand nach Konstantinopel.

Krumez, als mein höchster Dienstgrad in meiner Dienststelle, erhielt von mir Befehl, Brand sicher nach Wien zu bringen. Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD in Budapest bestimmte die Person, welche Brand zu begleiten hatte, einen Bondy Grosz. Auch diesen brachte Krumey pünktlich zum Flugzeug.

So, dachte ich in meinem Sinn: diese Sache geht auf alle Fälle in Ordnung; da kann nichts mehr schief gehen. Und mit keiner Winper zuckte ich, als die ersten Deportationstransporte rollten. Denn jeden Tag konnte Nachricht von Brand kommen; konnte Brand selbst kommen und der Fahrplan würde umgebaut nach Spanien, Portugal, Rumänien. Weiter würden die jüdischen Organisationen schon sehen. –

Und was mich während des Proyesses gegen mich, sehr in Erstaunen versetzte war die Tatsache, daß Joel Brand, als Zeuge der Anklage, bis auf einiges Weniges, genau wahrheitsgemäß über den Vorgang aussagte. Nicht richtig ist, daß ich gesagt haben soll, die Deportationstransporte würden während der Zeit bis zur Entscheidung eingestellt bzw. die Juden würden in Österreich „auf Eis gelegt“ werden. Ich sagte jedem, der es hören wollte, daß ich befehlsmäßig zu sagen hätte,

 

/471/AE 132

daß die Transporte zufolge dem vorgesehenen Fahrplan solange laufen werden, bis der Bescheid da sei. Diesen auftrag hatte ich.

Wie hätte ich als Obersturmbannführer etwas aufhalten, beschleunigen oder umstoßen können, was ein halbes Dutzend hoher und höchster Vorgesetzter von mir, in den verschiedensten Instanzen und Zentralinstanzen befohlen hatten. Man nenne mir einen Menschen in einem europäischen Land, der an meiner Stelle, so etwas während des Krieges zu tun in der Lage gewesen wäre. /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/

Brand sagte, daß Krumey beim Abflug zu ihm gesagt haben solle, es gäbe auch noch andere SS-Offiziere wie Eichmann. Es gäbe auch noch Krumey‘s und Wislicenz‘s. Daran möge er, wenn er bei seinen Freunden im Ausland wäre denken. Obzwar der ehemalige SS-Obersturmbannführer seit langer Zeit selbst als Angeklagter in einem deutschen Untersuchungsgefängnis einsetzt, sagte er – auch darüber als Zeuge vernommen – aus, daß er solches nie gesagt habe.

Und es ist glaubwürdig, denn es wäre sicher keine Belastung für Krumey gewesen, hätte er Brand‘s Version bestätigt.

/5 Zeilen gestrichen, unleserlich/

/472/AE 133

/7 Zeilen gestrichen, unleserlich/

Nun, während des Prozesses gegen mich wurden im Zusammenhang mit dieser Mission eine Reihe von Dokumente aus dem israelischen Geheimarchiv, seitens der Anklagebehörde dem Gerichtshof als Beweismaterial vorgelegt und eingebracht. Es ist nicht meine Aufgabe, hier diese Sache näher zu beleuchten. Es mögen auch sicherlich noch ähnliche oder sogar ergänzende Dokumente in den Geheimarchiven Englands und Nordamerikas liegen und für eine allfällige Veröffentlichung in späteren Zeiten aufbewahrt bleiben.

Mir bleibt lediglich die traurige Aufgabe festzustellen, daß Brand – ohne eigenem Verschulden – nicht wiederkam und daß eine Art Bestätigung, nie einging. Die Deportationen aber ließen andere weiterrollen, wie die nächsten Dokumente aufzeigen werden.

Nur Joel Brand und sonst keiner – so glaube ich – wird meinen Zorn und meinen Schmerz nachfühlen könne, daß die Dinge so und nicht anders liefen; und umgekehrt kann ich den Zorn und Schmerz eines Joel Brand

 

/473/AE 134

nachfühlen, ebenfalls aus erster Quelle, daß Papier, welches sonst stets so geduldig ist, in diesem Falle offenbar nicht tauglich war. Denn die Ingangsetzung von vorerst einmal 100.000 <auswanderungsbewilligten> Juden noch ohne jede ausländische Gegenleistung, hätte ein völlig anderes Bild zur Folge gehabt. Mit diesen oder ähnlichen Worten schloß ich meine diesbezügliche Stellungnahme vor dem Gerichtshof, während des Prozesses gegen mich.

 

Nun der andere Punkt des von Herrn von Thadden angeschnittenen Geheimabkommens seitens Winkelmann, hinter Veesemayers Rücken, war ein Abkommen des Bevollmächtigten Becker. Er kassierte gewissermaßen den Rüstungsbetrieb des „ungarischen Krupp“, den sogenannten Manfred Weiss – Konzern, bei Budapest, gegen die Auswanderung der Gesamten Familien dieses jüdischen Industriellen, nach Portugal.

 

Der Chef des Verwaltungs und Wirtschaftshauptamtes des Reichsführers SS, SS Ober-Gruppenführer und General der Waffen SS Oswald Pohl, dem sämtliche Konzentrationslager unterstanden richtete am 24. Mai 1944 an himmler ein Fernschreiben, indem er ihn um Genehmigung bat, der „Organisation OT“

 

/474/AE 135

der deutschen staatlichen Großbaufirma, für deren Bauvorhaben, jüdische Frauen aus Ungarn zuführen zu können. Himmler versah dieses Fernschreiben mit seinen charakteristischen beiden großen „HH“ und es ist anzunehmen, daß er Pohl dies bewilligte. (150)

Etwa im Mai/Juni befaßten sich die planenden Köpfe mit einer Deportierung der Juden aus Budapest. Herr von Thadden schreibt an Veesenmayer daß die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes beabsichtigt, beim Reichsaußenminister anzuregen, daß man äußere Anläße und Begründungen für die Aktion schafft wie z.B. Sprengstoffunde in jüdischen Vereinshäusern und Synagogen; Sabotageorganisationen; Umsturzpläne; Überfälle auf Polizisten; Devisenschiebungen großen Stils, mit dem Ziel der Untergrabung des ungarischen Währungsgefüges. Der Schlußstein unter eine solche Aktion müßte ein besonders krasser Fall sein, an dem man dann die Großrazzia aufhängt. Veesemayer wird um Drahtstellungnahme gebeten.

Dieser aber muß dringen bitten, von jeder propagandistischen Aktion Abstand zu nehmen, denn es sei überall bekannt, daß seit Wochen jüdische Vereinshäuser und Synagogen unter scharfer Kontralle der ungarischen Polizei stehen, bzw. zum Teil beschlagnahmt worden sind, das jüdische Vermögen ebenfalls beschlagnahmt, bzw. gesperrt ist  und daß die Juden in ihrer Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt seien. (151)

 

/475/AE 136

Blaschke, der Bürgermeister der Stadt Wien, schreibt am 7. Juni seinem Freunde Kaltenbrunner, daß er jüdische Arbeitskräfte haben möchte. Daraufhin bewilligt ihm Kaltenbrunner, als Chef der Sicherheitspolizei, 4 Transporte mit zusammen 12.000 Juden und schreibt ihm, daß davon etwa schätzungsweise 30 % an arbeitsfähigen Juden abfallen dürften. Sowohl die arbeitsfähigen, als auch die nichtarbeitsfähigen Juden müßten in bewachte Lager untergebracht werden. Nähere Einzelheiten möge er mit dem SS-Obersurmbannführer Krumey vom Sondereinsatzkommando Ungarn, besprechen.

Es werden sodann /2 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ im einzelnen Richtlinien für den Einsatz dieser jüdischen Arbeitsgruppen, die auf etwa 20 politische Kreise von Niederösterrreich aufgeteilt werden, besprochen. (152)

 

„Während bis zum 19. März zahlreiche Juden aus der Slowakei nach Ungarn wanderten, ist nunmehr eine umgekehrte Wanderbewegung festzustellen. Es würde die hiesige Arbeit erheblich erleichtern, wenn nunmehr auch in der Slowakei gründlich gegen die Juden vorgegangen würde. Falls entsprechende Weisung erfolgt, würde ich mich zu einer diesbezüglichen Besprechung mit Ludin in Pressburg treffen, um gemeinsam prktische Vorschläge auszuarbeiten.“ Dies schreibt Veesenmayer am 14. Juni, an das Auswärtige Amt. Und General Winkelmann richtet einige

 

/476, 477/AE 137

Tage später an Himmler ein persönliches Schreiben. „Hochzuverehrender Reichsführer! In der letzten Woche gab es hier eine größere Zahl von Ereignissen, die in anderen Gegenden wohl Besorgnis hätten erregen können.“ Er kommt über Judenfragen und deren Lösungsbestrebungen auf ungarisch-innenpolitische Dinge zu sprechen, charkterisiert Einzelfiguren des politischen Lebens und meint dann: „Das beste wäre natürlich, wenn der Führer den Reichsverweser zu sich bestellte, um ihm in aller Deutlichkeit seine Meinung zu sagen. Es müßte aber auch so gehen, daß Veesenmayer endlich einmal strikte Anweisung erhält, hier auf den Tisch zu schlagen. Mit seiner Verhandlungstaktik kommt er nun wirklich nicht mehr weiter.“ Am 4. Juli – so schreibt er weiter – nahm er, Winkelmann an einer Besprechung teil, welche Becker (der Sonderbevollmächtigte Himmlers) mit dem ungarischen Minister Imredy über den „Manfred – Weiss – Konzern“, hatte. Unter anderen ging es um die Frage der Nationalität des Generaldirektors. Die Ungarn wünschten einen Ungarn. Becker erklärte, daß eine solche Forderung gänzlich unannehmbar sei, denn Generaldirektor könne nur ein Mann werden, der seine Befehle unmittelbar von Himmler entgegennehmen könne und dessen volles Vertrauen haben müße. Mit „Reichsführers gehorsamster Winkelmann“, endete das Schreiben.

Dazwischen funkt eine Botschaft von Ribbentrop persönlich. Er bittet Veesenmayer, der ungarischen Regierung mitzuteilen,

 

/478, 479/AE 138

daß es nicht opportun ist, auf die verschiedenen ausländischen Angebote zugunsten der Juden einzugehen und er bittet um eine entsprechende Sicherstellung der Angelegenheit. (153)

 

Und was tat ich in jener Zeit? Was trieben die Leute meines Kommandos? Man wird es mir sicherlich nur schwerlich glauben, wenn ich sage, nie hatte ich in all den letzten Jahren mehr freie Zeit und weniger zu tun, als während der Budapester Monate. Und doch ist es so. Derjenige Leser, welcher die sicherlich sehr trockene Aneinandereihung der Dokumente, nach ihrem chronologischen Ablauf, verfolgt, sah und wird weiter sehen, daß alles, buchstäblich alles, was auch nur einigermaßen von Bedeutung war, entweder von Veesenmayer oder Winkelmann persönlich behandelt wurde. Hatte ich mich während der „Berliner – Jahre“ geweigert, von dem mir eigentlich zustehenden kleinen Ausführungsrecht, welches einem jeden Referenten zukam, Gebrauch zu machen und hatte in es mir zur Gepflogenheit gemacht, in allen Dingen Weisung meiner Vorgesetzten einzuholen, so brauchte ich selbst dieses in Ungarn sehr selten zu tun. Denn die ständige Sorge beherrschte den Reichsbevollmächtigten, wie den Höheren SS- u. Polizeiführer, einer könnte dem anderen den Rang in der Zuständigkeit ablaufen. Daher trieb diese Sorge alleine schon den einen wie den anderen, und ließ sie Dinge anordnen und verhandeln, welche sie in normalem Zustand einem ihrer Untergeordneten

 

/480, 481/AE 139

übertragen hätten. Selbst der Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Person, hatte im Gegensatz zu anderen besetzten Gebieten, in Ungarn mit diesen Dingen aus den angeführten Gründen recht wenig zu tun. Was im Vergleich zu anderen Ländern sehr ins Auge fallend ist. Freilich muß ich billigerweise zugeben, daß die Maschinerie der ungarischen inneren Behörde so funktionierte, wie dies wohl selten von einer anderen Behörde in einem anderen Gebiet um jene Zeit behauptet hätte werden können. Sie funktionierte nicht nur in Judenangelegenheiten, sondern schlechtweg in allen ihren dienstlichen Obliegenheiten; und mehr als einmal sagte ich zu mir selber, Donnerwetter, bisher glaubtest du, nur in Deutschland würde jene exakte Genauigkeit obwalten; hier siehst du mindestens genau dieselbe peinlich saubere Akuratesse. Ich bewunderte um jene Zeit die ungarische innere Verwaltung; nicht im Hinblick auf die Erledigung der Judenangelegenheiten, sondern ich spreche ganz allgemein, von behörden-sachlichen Standpunkt aus.

Krumey ging oft und oft schon am frühesten nachmittag zum Tennisspielen ab; und etwa im Juni/Juli wurde er nach Österreich versetzt, denn es gab für uns wirklich herzlich wenig zu tun.

Es sagte noch 1961 als Zeuge in Deutschland vernommen hierüber: „Beobachtet habe ich, daß seine (Eichmann‘s) Schreibkraft nicht viel zu tun hatte. Eichmann hat auf der Dienststelle selbst wenig Zeit zugebracht. Er kam und ging wann er wollte. Er hatte in Budapest ein ausgeprägtes und zeitlich ausgedehntes Privatleben.“

Ich hatte ja nicht einmal personelle Befugnisse

 

/481/AE 140

bezüglich der kaum zwanzig Angehörigen meines Kommandos; selbst diese Arbeit erledigten andere, wie Krumey weiter bestätigt. Schon in Mauthausen nämlich sah und hörte er, daß Dr. Geschke die Sicherheitspolizei leitete. Von ihm erhielt er bereits dort seine Aufträge. Und er erklärt ferner, daß er von dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei – Ungarn, Dr. Geschke, von Ungarn, wo er mein „Ständiger Vertreter“ war, versetzt wurde; und nicht etwa von mir. (154)

Nun ja, ich kann verstehen, daß dies alles noch keine Antwort auf die Frage ist, was ich denn nun wirklich tat; sowohl dienstlich, als auch privat. Dienstlich: solange die fahrplanmäßigen Transporte liefen, hatte ich Ariso?fernschreiben gemäß den erhaltenen Abfahrtsmeldungen nach Auschwitz, über den Befehlshaber der Sicherheitspolizei – Ungarn an das Reichssicherheitshauptamt zu senden; die Statistik zu führen, meine Vorgesetzten in Ungarn täglichen mündlichen Bericht zu erstatten; mindestens wöchentlich einmal auch einen schriftlichen Lagebericht zu geben. Dazu mußte ich mir die Unterlagen aus dem ungarischen Innenministerium besorgen; in der Regel direkt von Staatsekretär Endre. Ich bekam tägliche Mitteilungen von der ungarischen Gendamerie; kurz und gut, all jenes war meine Obliegenheit, was mit der befohlenen Lageberichterstattung zusammen-

 

/482, 483/AE 141

hing, dazu kam all jene bürokratische Arbeit, von der ich anfangs berichtete. Und das ganze aufgeteilt auf etwa fünf bis sechs Mann. Weitere acht Personen zählten zur Wache, waren Kraftfahrer und Schreibkräfte. Der Rest war in der Provinz und hatte darauf zu achten, daß Juden bestimmter ausländischer Staatsangehörigkeit nicht deportiert wurden, so wie der Befehl es vorschrieb.

 

Privat: Ja, neben Motorsport und Segelsport am Plattensee (ich hatte entfernte Verwandte in Ungarn) und neben zahlreichen privaten Besuchen und familiär-gesellschaftlichen Beisammensein hatte ich in den Jahren 1943 und 1944 ein Steckenpferd, welches mir nach 1945 einigemale wieder einfiel, meistens aber der Vergessenheit überantwortet blieb. Ich will es hier erzählen. Nach dem Unglück von Stalingrad begann ich mich mit der Überlegung der Konstruktion eines Motors zu beschäftigen, gerade stark genug, um einen bewaffneten Soldaten wenige Meter hoch, kurze Strecken zu transportieren. Die taktischen, ja strategischen Möglichkeiten bei Serienproduktion eines solchen Gerätes schienen mir enorme zu sein. Leider verstand ich von dem konstruktiven Teil der Seite doch zu wenig, um diese Sache alleine weiter zu betreiben, denn ich war kein Explosionsmotorenbauer. Das einzige, was ich tun konnte, war vorerst, daß ich mir einschlägige neueste Literatur

 

/484, 485/AE 142

besorgte und mich mit Verbissenheit dem Studium hingab. Bedauerlicherweise hatte ich auch in jener Zeit zu viel bürokratisches Getriebe um die Ohren und die zunehmenden Heftigkeiten der Bombennächte förderten die Angelegenheit keinesfalls.

Trotzdem nahm ich nach einigem Studium Verbindung mit einer Kapazität auf dem Gebiete des Hubschrauberbaues, dem Professor Flettmer auf; dem Erfinder des Flettmer-Rotors; dem Erbauer von Kleinhubschrauber für unsere U-Boote. Er erzählte mir eines Tages, daß seiner Tochter die Idee der sogenannten Versorgungsbombe zuzuschreiben sei, denn inspiriert durch die propellerartige Frucht des Ahornbaumes und ihr flatterndes, Zubodenfallen, wäre sie durch Überlegung, zur Versorgungsbombe gelangt.

Kurz und gut, der Mann schien mir richtig zu sein. Und er war zwar von meiner Idee begeistert, besonders, als ich ihm die herrlichen militärischen Ausrüstungsmöglichkeiten entwickelte, aber infolge unseres latenten Buntmetallengpasses, war das PS-Gewicht des deutschen Motors, beispielsweise im Vergleich zu einem USA-Motor ungleich höher. Ich glaube mich erinnern zu können, daß der Unterschied zwischen 30 oder 35% lag, zu ungunsten des deutschen Motors oder noch höher. Aber er versprach mir, die Sache in die Hand

 

/486, 487/AE 143

zu nehmen, zu studieren uund mit mir auf dem Laufenden zu bleiben. So war es mir recht. Da ich nichts für mich haben wollte, sondern für die Sache, war es mir egal, wer die allfalligen Anerkennungen oder gar Früchte aus dieser Sache erntete, wenn die Idee nur der Verwirklichung näher gebracht würde und eine operative Erleichterung für die Truppe abgeben würde. Daher war es auch völlig überflüßig, etwa einen Vertrag zu machen. Lediglich zum Schweigen gegenüber Unbefugten mußte er sich verpflichten. Mein vornehmliches Interesse in jener Zeit galt mehr dem Motor der Getriebereduktion /2 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/, den Drehbewegungsübertragungen und anderen einschlägigen Dingen mehr, als allen sonstigen Sachen.

Flettmer besuchte mich dann einige Male auf meiner Dienststelle; ich besuchte ihn in seinem kleinen Werk und sah mir interessiert seine im Bau befindlichen Kleinhubschrauber an. Ich wollt ja eigentlich dasselbe, nur einen Kleinsthubschrauber, bzw. eine dem Hubschrauber ähnliche Konstruktion, oder wie ich es damals kurz ausdrückte „Motor-Rotor“ mit dem allernotwendigsten Drum und Dran.

Darüber kam allmälig Ungarn und ich hatte Zeit. Sehr viel Zeit. Aber leider war Flettmer weit weg.; in Berlin. Und ich glaubte, ich müße es zwingen. Ich skizzierte, ich studierte und plagte mich ab, wie man eine oder zwei Divisionen auf diese Art und Weise „motorisieren“ könnte. Aber Flettmer blieb stumm und nichts ging weiter. Es kam

 

/488/AE 144

die V1 und sofort dachte ich getröstet, den Kohl mit dem „Motor-Rotor“ braucht nunmehr kein Mensch. Und ich sagte mir, daß mich in diesem Stadium die dümmsten Säue auslachen würden, würde ich nur meinen Schnabel aufsperren. Meinem Chef, dem Generalleutnant Müller, trug ich die Idee eines Tages des mittleren Jahres 1943 vor. Aber ich hätte sie ebensogut seinem Papierkorb erzählen können. Er hörte mir geduldig zu, sah mich an und lächelte dünn, um mich dann mit einer dienstlichen Angelegenheit wieder in den Alltag zurückzurufen. Dies war einer meiner leider fruchtlosen privaten Beschäftigungen in Budapest. –

 

Wir stehen am Anfang Juli des Jahres 1944. Veesenmayer muß nach Berlin berichten, daß ihm Ministerpräsident Sztojay mitteilte, Horthy habe die Fortsetzung der Juden-Aktionen gestoppt; Sztojay bat ihn, sich bei Ribbentrop dafür einzusetzen, daß verschiedenen ausländischen Angeboten zu Gunsten einer Ausreise bestimmter jüdischer Personenverbände, nähergetreten werden könnte.

Auf Ribbentrop‘s Vorschlag, genehmigte Hitler daraufhin einige dieser Angebote unter der Voraussetzung, daß der von Horthy vorrübergehend gestoppte Abtransport der Juden nach dem Reich, sofort und schnellstens zu Ende geführt würde.

 

/499/AE 145

Aber die Dinge komplizieren sich immer mehr; wenige Tage danach, am 16.Juli, drahtet Ribbentrop erneut nach Budapest: „Hitler habe davon Kenntnis genommen, daß Horthy die derzeitige Regierung Sztojay abzuberufen und an ihre Stelle eine Militärregierung einzusetzen gedenke. Er habe dies mit Befremden zur Kenntnis genommen. Mit noch größerem Befremden habe Hitler vernommen, daß Horthy Verhaftungsbefehle gegen einzelne Minister und Staatssekretäre der Regierung Sztojay, welche in letzter Zeit Maßnahmen gegen die Juden durchgeführt haben, erlassen hätte.

Er drohte mit der sofortigen Abberufung Veesenmayers und der Ergreifung jener Maßnahmen, die eine Wiederholung solcher Vorfälle ein für allemal ausschließen würden. In diesem Falle, würde Hitler in Zukunft jede Rücksicht fallen lassen.

Hitler hoffe jedoch, daß Horthy einsehen wird, daß jedes Abweichen von dem in Klessheim beschlossenen Wege, Komplikationen in sich bergen würde. (155)

/1 Zeile gestrichen, unleserlich/

Die Deportationstransporte würden von Ordnungspolizei oder wenn äußerster Personalmangel zu verzeichnen ist, gemischt mit Angehörigen der Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei begleitet. Letzteres traf jedoch meiner Erinnerung nach sehr selten ein. Die Verhandlungen zur Abstellung dieser Kräfte von der Ordnungspolizei, führten

 

/500/AE 146

jeweils die Befehlshaber dieser Polizeieinheiten unmittelbar. /4 Zeilen gestrichen, unleserlich/

Während eines Transportes, kam es glaublich auf slowakischem Gebiet einmal, zu Ausschreitungen der Transportbegleitung gegen die Juden. Die deutsche Gesandtschaft Budapest berichtet unter anderem darüber an das Auswärtige Amt am 2. August: „Die Angelegenheit ist vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn – das Sondereinsatzkommando des SS-Obersurmbannführer Eichmann ist ausschließlich für die technische Durchführung der Judentransporte zuständig – untersucht worden, der über das Ergebnis dem Reichssicherheitshauptamt berichtet hat.“

Ich glaubte dieses Dokument mit einschalten zu müßen, da es schlagartig erhellt, daß meine Männer mit der exekutiven Angelegenheit nichts zu tun hatten, sondern sich deren Tätigkeit ausschließlich auf die Dinge beschränkte, die ich im Wesentlichen bereits beschrieben habe.

Und wie wenig selbst in technischen Dingen mein Kommando entscheiden konnte, zeigt daß ich sogar beim Vorliegen von Auswanderungsgenehmigungen, an den Himmler-Befehl welcher der Sicher-

 

/501/AE 147

heitspolizei übermittelt wurde, gebunden war. Veesenmayer will Anfang August vertraulich erfahren haben, daß ich mich nochmals an das Reichssicherheitshauptamt mit der Bitte wandte, endgültige Entscheidung Himmlers herbeizuführen, ob die Ausreise einer sogannten „Schweizer Aktion“ nach Palästina über Rumänien genehmigt werden könne. Ich hatte bisher in Budapest vorgeschlagen lediglich nach Lissabon durch Westeuropa zu gestatten; denn ich konnte aus eigener Vollmacht ja schließlich auch keinen Befehl meiner Vorgesetzten umändern. Dieser Weg über Lissabon aber war in solchen Fällen, im Hinblick auf das Abkommen zwischen Ribbentrop-Himmler-Mufti, genehmigt. (156)

Es gab ja – wie ich den jüdischen Funktionären in Budapest oft und oft sagte, schließlich auch die „grüne Grenze“. Dazu brauchte es keiner Genehmigung, und da mich der exekutive Teil nichts anging, interessierte mich auch die „grüne Grenze“ nicht.

Im August ging nun das Tauziehen zwischen Veesenmayer und der ungarischen Regierung wegen des Beginnes der Deportation aus Budapest los. Mir wurde daraufhin seitens des ungarischen Inneministeriums mitgeteilt, daß damit begonnen würde; dann gab man wieder den gegenteiligen Befehl bekannt, kurz und gut, es ging hin und her;

 

/502/AE 148

Das Resultat war schließlich, daß Horthy die Deportation verbot. Dieses Verbot wurde von Veesenmayer am 24. August um 10,20 Uhr nach Berlin durchgegeben.

Und am nächsten Tag um 11,15 Uhr konnte er dem Auswärtigen Amt melden, daß ihm Winkelmann soeben telephonisch mitgeteilt habe, daß Himmler um 3 Uhr früh, durch Fernschreiben den Befehl gab, jede Deportation von Juden stengstens zu untersagen. (157)

 

Aber am 30. August geht es wieder von vorne an. Veesenmayer schreibt an Ribbentrop, daß anschließend an die Vereidigung der neuen ungarischen Regierung eine Ministerratssitzung stattfand, in der als Hauptgegenstand, die Evakuierung der Juden aus Budapest zur Debatte stand. Es wurde beschlossen, die Aktion sofort einzuleiten. (158)

Ich selbst war mit meinem Kommando schon längst nicht mehr in Budapest, denn der Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Dr. Geschke, erteilte mir Befehl, mich mit meinem Kommando in den Raum von Groß Nikolsburg zu begeben, um dort durch die Abtransportierung von 10.000 Volksdeutschen diese einem russischen Zugriff zu entziehen. Aus Neu Arad transportierte ein Teilkommando von mir ein deutsches Wehrmachtlazarett ab, welches vorübergehend von der russischen Besetzung

 

/503/AE 149

befreit war. Und am 22. September 1944, löste ich befehlsmäßig mit einem Schlußappell das Kommando auf. (159) Ich wurde nach Berlin in das Reichssicherheitshauptamt zurückbefohlen, wurde jedoch angewiesen noch eine Woche in Budapest zu bleiben und mich dann in Berlin zurückzumelden.

 

Inzwischen berichtet Veesenmayer seiner Berliner Zentrale, daß die Ungarn die eingegangenen Verpflichtungen zur Lösung der Judenfrage in Budapest als innerstaatliche Maßnahme, bisher nicht nachgekommen seien und Legationsrat Wagner als Gruppenleiter Inland II des Auswärtigen Amtes, schlug Ribbentrop am 12. Oktober im Hinblick auf das Nähherrücken der Front vor, die deutsche Haltung grundsätzlich zu ändern und entweder die Evakuierung der restlichen Juden in eigener Regie, oder durch entsprechenden Druck auf die ungarische Regierung, zur Durchführung zu bringen. (160)

/Unterstaatsekretär Luther hatte inzwischen den in Berlin akkreditierten ungarischen Gesandten bearbeitet, welcher am 18. Oktober zur Berichterstattung nach Budapest reise und die ganze Angelegenheit seinem Ministerpräsidenten und dem Reichsverweser vorzutragen gedenke.

Außerdem habe er einen offiziellen

 

/504, 505/AE 150

Schritt deutscherseits bei der ungarischen Regierung in Aussicht gestellt und gibt an Veesenmayer nunmehr die Anweisung zu erreichen, daß die Maßnahmen gegen die Juden in Ungarn entsprechen weiter zu betreiben seien. Und dann am 14. Oktober schreibt er daß Ziel müße daher in Ungarn sein:

1.)    Die Juden auf dem Wege fortschreitender Gesetzgebung unterschiedslos aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben auszuschalten.

2.)    Durch sofortige Kennzeichnung aller Juden die entsprechenden Regierungsmaßnahmen erleichtern und dem Volke die Möglichkeit zu klarer Distanzierung zu verschaffen.

3.)    Die Aussiedelung und den Abtransport nach dem Osten vorzubereiten. – durchgestrichen/

 

Der Leser dieser Zeilen wird sich allgemach darüber wundern, warum ich, als der Schreiber und gewissermaßen im Geschehen gestandene zeitgenössische Chronist, denn mir immer vom Tun und Handeln des Reichsbevollmächtigten des Auswärtigen Amtes, und allenfalls von dem des Höheren SS- u. Polizeiführers berichte. Haben denn – so wird er sich fragen- nicht auch anderer Stellen hier mehr ihre Finger im Spiel gehabt, als er durch deutschreiber dargestellt ist? Will der Schreiber etwa Himmler, Kaltenbrunner, seinen eigenen unmittelbaren Vorgesetzten, Müller, kurz Namen denen man sonst auf Schritt und Tritt begegnet, bewußt aus den Belangen in Ungarn ferne halten? Etwa gar aus dem Grund, weil er selbst dort tätig war?

Ich darf darauf erwiedern, daß dies keinesfalls so ist. Ungarn war im Wesentlichen das „Rennen des Auswärtigen Amtes“. Nicht daß, der Sicherheitspolizei oder Himmlers. Ich habe sämtliche Dokumente, die hier in Israel in dem Prozess gegen mich, vorlagen und denen ich auch nur eineige Bedeutung

 

/506/AE 151

im Hinblick auf die Linienführung oder zu derem besseren Verständnis einräumte, herangezogen. Es ist nicht mehr davon da. Man kann auch nicht gur sagen, na ja klar, das Reichssicherheitshauptamt hat seine Akten ja im Jahre 1945 verbrannt. Dies stimmt zwar. Aber die anderen Zentralinstanzen taten es nicht. Und da wurden eben nach 1945 alle die Schreiben mitgefunden, von denen im Reichssicherheitshauptamt die Durchschläge verbrannt wurden. Sicher mag es sein, daß im Laufe der Zeiten das eine oder andere Dokument sich noch auffinden wird; aber das Gesamtbild kann sich dadurch nicht mehr ändern.

-„-

Kaum mag ich nach einigen Urlaubstagen bei meiner Familie – (soweit man in diesem vorgerückten Kriegsstadium überhaupt noch von Urlaub sprechen kann) – wieder in Berlin gewesen sein, da traf mich der Befehl meines Chefs, abermals nach Budapest zurückzufahren. Was war geschehen?

Der Höhere SS- u. Polizeiführer drängelte den deutschen Gesandten ? Reichbevollmächtigten.

Der Reichsbevollmächtigte drängelte die ungarische Regierung!

Das Auswärtige Amt und Veesenmayer drängelten sich gegenseitig!

Wozu?

Die Deportationen waren dort eingestellt. Himmler hatte sie doch verboten, auch Horthy hatte sie verboten. –

Aber in Ungarn waren inzwischen die

 

/507, 508/AE 152

„Pfeilkreuzler“ unter Szalasi als Staatsoberhaupt, an die Macht gekommen. Und Veesenmayer unterrichtete das Auswärtige Amt am 18. Oktober wie folgt: „Mit geänderter politischer Lage ist auch die Judenfrage hier in neues Stadium getreten. Obersturmbannführer Eichmann, der auf Antrag des hiesigen Höheren SS- und Polizeiführers und Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei heute nach Budapest zurückgeholt ist, hat Verhandlungen mit ungarischer Regierung dahin aufgenommen, daß 50.000 männliche, arbeitsfähige Juden aus Budapest zum Arbeitseinsatz nach Deutschland transportiert werden.

Aus Veröffentlichungen neuer Regierung ist im übrigen zu ersehen, daß auch bisherige Ausnahmejuden, wieder zum Sterntragen verpflichtet werden.“ (161)

Noch am selben Tag berichtet Veesenmayer weiter: „Trotz seitens Szalasi bereits erfolgter grundsätzlicher Stellungnahme, keinen ungarischen Juden weiterhin in das Reich abtransportieren zu lassen, wird Innenminister versuchen, ausnahmsweise Zustimmung zu beantragter, zeitweiser Überlassung von 50.000 arbeitsfähigen, männlichen Juden zu erlangen, die im Reichsgebiet für Jägerprogramm, und zur Ablösung von russischen Kriegsgefangenen, die anderwärts dringen benötigt werden, eingesetzt werden sollen. Transport soll   durch Fußtrecks in Begleitung deutscher Kommandos erfolgen. Das Einsatzkommando Eichmann

 

/509, 510/AE 153

wird abgesehen von teilweiser Übernahme der Bewachung des Fußtrecks, nur beratend mitwirken, während Aktion im übrigen von ungarischer Gendarmerie unter Leitung bisherigen Beauftragten für Judenfragen Oberleutnant Ferencsy und Oberleitung Staatssekretär im Innenmi Laday, durchgeführt werden soll. (162)

Und an den Reichsaußenminister geht am 24. Oktober eine Geheime Reichssache von Veesenmayer ab in der er seinem Minister berichtet:

„… teile ich mit, daß ich gestern auf die dringende, wiederholte Bitte von SA Obergruppenführer Winkelmann, Syalasi gebeten habe, uns wenigstens 25.000 Arbeitsjuden leihweise für ein halbes Jahr für die Verwendung im deutschen Jägerprogramm zur Verfügung zu stellen. SA Obergruppenführer Winkelmann hat an sich die Forderung auf 50.000 Arbeitsjuden erhoben, doch ist diese bisher am Widerstand der ungarischen Regierungsstellen gescheitert. Ich hielt es für richtig, zunächst eine Teilforderung zu realisieren, mit der Absicht, gegebenfalls später erneut unsere Wünsche vorzubringen.

Szalasi hat sofort dieser Bitte entsprochen, hat lediglich zunächst darauf hingewiesen, daß Ungarn selbst das Gros der ungarischen Juden für Schanzarbeiten brauche und hat mich gebeten die weitere Bearbeitung der Angelegenheit zwischen Obergruppneführer Winkelmann und Minister Kowacs in die Wege zu leiten.“ (163)

 

/511/AE 154

Folgendes war geschehen:

DerHöhere SS- u. Polizeiführer General Winkelmann wurde wiederholt bei Veesenmayer vorstellig, daß 50.000 Arbeitsjuden in das Reichsgebiet zu marschieren hätten.

Und er setzte sich darüber hinaus direkt mit dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Kaltenbrunner in Verbindung, mit der Forderung meiner sofortigen Wiederinmarschsetzung nach Ungarn.

Den Befehl dazu bekam ich.

Ich hatte zu gehorchen.

Ich hätte keinesfalls etwa sagen können: „nein ich will nicht; sucht Euch jemanden anderen.“

Krankspielen durfte ich nicht, denn ich hatte ja einen Fahneneid geliestet. Außerdem sah ich zum krankspielen zu gesund aus.

Was war das Jägerprogramm?

Die letzte Anstrengung, die feindlichenBomberströme vom deutschen Himmel zu verjagen.

Tausende und abertausende Einmannturbinenjäger mit fantastischer Geschwindikeit und Wendigkeit wurden gebraucht. Als sie fertig waren, standen sie wie Hornissen auf den Autobahnen, auf Feldern, auf Flugplätzen, an Waldesrändern. Aber sie stiegen kaum auf. Treibstoffmangel. Die Alliierten hatten die deutschen Raffinerien – Duzende und aberduzende von Kleinraffinerien, geschickt wie kleine

 

/512/AE 155

Schwalbennester in Bodenmulden und an Berghängen gegen feindliche Flieger sicher getarnt, - durch systematische Kleinarbeit, oft in Tiefangriffen, zerstört. Gut noch war es nicht so weit.

Noch lautete der Befehl: Jägerprogramm. Dazu hatte Winkelmann Gott und die Welt verrückt gemacht.

Dazu bekkam ich Befehl, mit dem ungarischen Inneministerium Detailbesprechungen zu führen.

Die Trecks;

Die Verpflegungslager;

Die Nächtigungslager;

Die Bewachung der Lebensmitteltransports;

Nur männliche Juden;

Nur arbeitsfähige Juden;

Zeitweise;

Leihweise;

 

Mir gelang die Verhandlung nicht, wie die Dokumente es besagen.

Neuer Vorstoß Winkelmanns bei Veesenmayer. Dieser reduziert die Winklemann‘sche Forderung auf die Hälfte.

Er muß dieserhalb mit dem ungarischen Staatschef sprechen.

Szalasi genehmigt.

Die Einzelheiten muß Winkelmann mit dem Minister Karacs erledigen.

 

Ein nervöses, hektisches Getue. Eine Handlung planvoll lenkender,

 

/513/AE 156

verantwortlicher Führer?

Quatsch!

Irrsinn; die Leute dachten nur von heute auf morgen.

Sie befahlen! Nach dem Motto, besser ein unsinniger Befehl, als gar keiner.

 

Und was sagt derselbe General a.D. Winklemann im Jahre 1961 als Zeuge in Deutschland vernommen?

 

„Himmler habe ihm erklärt, er sei an der Judenfrage in Ungarn nicht interessiert.“

 

Dazu muß ich schon fragen; warum hat Himmler denn die Deportation der Juden von Osten nach Westen durchkämmend, aus strategischen Gründen, befohlen? Wozu war denn dann Himmler bei der Hitler-Horthy Besprechung auf Schloß Klessheim zugegen, wo die Dinge doch festgelegt wurden?

Warum ist denn der Obergruppenführer Winkelmann, als Höherer SS- u. Polizeiführer nicht gegen die Deportation eingeschritten? Er war doch die höchste SS u. Polizeiautorität als Vertreter Himmlers in Ungarn.

Warum wurde er dann wiederholt bei Veesenmayer wegen Durchführung der Judendeportation vorstellig.

Warum holte er mich, durch Drängen bei

 

/514/AE 157

Kaltenbrunner, denn wieder nach Ungarn zurück?

 

Und dann habe ich seine Erklärung gelesen: „Eichmann hätte in seiner subalternen Art seine Machtbefugnisse überschritten, wenn er glaubte damit im Sinne seines Befehlsgebers zu handeln.“

 

Dazu auf ein Wort Herr General:

Ich würde solches Ihrem inzwischen erreichten hohen Alter /1 Zeile gestrichen, unleserlich/ zuschreiben. Aber wenn ich so bedenke, was für ein alberner und törrichter Mensch ich gewesen sein muß, Ihren Befehlen im Jahre 1944 nachzukommen, dann packt mich heute noch der Zorn über mich, und das Mitleid mit Ihnen Herr General!

Und daß ich albern und törricht gewesen sein muß, beweist mir Ihre ungeneralmäßigen Worte. /Ich sitze hier in diesem israelischen Gefängnis, aber ich habe den Mut, Ihnen dies zu sagen: - gestrichen/

/3 ¼ Zeilen gestrichen, unleserlich/

Sie werden daher verstehen, daß ich bei solcher Einstellung meiner Vorgesetzten von damals ihren Untergebenen gegenüber, mich umso genauer, und nur an den Wortlaut der Dokumente halte.

 

/515, 516/AE 158

/Sicher auch meine Ansichten haben sich in sechzehn Jahren geändert, aber ich würde nicht ich sein, wollte ich meine Gesinnungsänderung oder Wandlung in meinem Vorstellungsvermögen über die Dinge des Seins, in solch abgeschmacktem Gesabbere von mir geben.

Dieses Herr General, waren die Worte, die ich Ihnen sagen wollte. (164) gestrichen/

Sicher auch meine Ansichten haben sich in den   letzten sechzehn Jahren geändert, aber ich würde eine solche Haltung, wie Sie sie als mein damals vorgesetzter General mir gegenüber heute einnehmen, nie gegenüber einem meiner mir damals unterstellt gewesenen Männer, Unteroffiziere oder Offiziere einnehmen, außer er würde sich so an die Unwahrheit klammern wie Sie. Dieses Herr General, waren die Worte, die ich Ihnen sagen wollte. (164)

-„-

Und wie liefen die Dinge weiter:

/1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ „Ich bitte Sie, den Ungarn bei Durchführung aller Maßnahmen, die sie in den Augen unserer Feinde kompromittieren, nicht hinderlich in die Arme zu fallen, sondern sie vielmehr hierbei in jeder Weise zu unterstützen, insbesondere liegt es sehr in unserem Interesse, wenn die Ungarn jetzt auf das allerschärfste gegen die Juden vorgehen.“ Dies drahtet Ribbentrop für den Gesandten persönlich, als Geheimvermerk für geheime Reichssachen am 20. Oktober. (165)

 

/Sollte hier Winkelmann und Veesenmayer aus diesem Grund einen planvollen Vorschlag zwecks Anlegung von Lebensmitteldepots, Nächtigungslager, usf. nicht zur Ausführung gelangen haben lassen, in dem sie sich nunmehr selbst in die Detailverhandlungen mit Minister Kowacs einließen? Personal! Gestrichen/

 

/517/AE 159

Am 31. Oktober legte der Leiter der Gruppe Inland des Auswärtigen Amtes Leg.Rat Wagner, dem Reichsaußenminister einen Lagebericht über die Judenfrage in Ungarn vor. In Ungarn habe es etwa 900.000 Juden gegeben. Davon seien bis zum 10. Juli 437.402 in die Ostgebiete abtransportiert worden. Nach Einsetzen der Regierung Szalasi sollen nun zunächst 25.000 Juden zum Arbeitseinsatz in das Reich gelangen und wegen weiterer 25.000, beabsichtigte Gesandter Veesenmayer demnächst zu verhandeln. (166)

 

Der zuständige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, also Ribbentrops engster und nächster Mitarbeiter war jetzt ein Herr von Steengracht. Er wurde vor dem Internationalen Militär-Gerichtshof in Nürnberg vernommen und dort sagte er u.a. folgendes aus:

„Es gab in Deutschland Stellen, die die Judenaktionen durchführten und betrieben. Diese Organisationen griffen auch in das Ausland über und schafften von dort ohne Wissen des Auswärtigen Amtes und ohne sein Zutun die Leute aus dem Ausland weg.“

 

/2 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ Man könnte der Meinung sein, der Schreiber, wäre einem Irrtum anheimgefallen. Nein, nein,

 

/518/AE 160

ich irrte mich nicht. Es stimmt so, wie ich es schrieb und es ist jederzeit in den Quellen nachzuschlagen.

Ich hatte einmal vor vielen, vielen Jahren einen Lateinprofessor, der sich auch mit mir abmühte. Viel habe ich mir nicht behalten. Aber sicher hatte er Ursache, mir mehr als nur einmal folgendes „geflügeltes Wort“ entgegenzuschleudern:

„Sitacuisses philosophus manisisses.“

Aber auch dieses hatte ich mir trotz oftmaliger professoraler Anwendung nicht bis heute gemerkt, wäre dem lateinischen Zitat nicht jedesmal prompt die sehr handgreifliche freie Übersetzung gefolgt:

„Hättest Du das Maul gehalten, wärest Du eine Weiser geblieben.“

Ein Mehr kann ich zu diesem Steengracht‘schen Märchen nicht sagen. (167)

 

Veesenmayer unterrichtet das Auswärtige Amt, daß gemäß einer Meldung von mir an ihn, bis zum Berichtstag rund 27.000 marsch- und arbeitsfähige Juden, in das Reichsgebeit in Marsch gesetzt worden sind. (168)

In Budapest hatte sich inzwischen folgendes zugetragen: nachdem Veesenmayer die Fußmarschgenehmigung bei dem

 

/519/AE 161

ungarischen Staatschef erwirkte und Winkelmann die Einzelheiten mit dem Minister Karacs beprochen hatten, wurde festgestellt, daß dieser Fußmarsch in Ungarn ausschließlich durch Pfeilkreuzler, unterstützt von Einheiten der Exekutive, durchzuführen sei. Deutsche Unterstützung, deutsche Bewachung und deutsche Transportbegleitung wurde auf ungarischem Gebiet, durch die ungarischen Behörden abgelehnt.

Und in den ersten Tagen scheint man sich im großen und ganzen auch an die Veesenmayer – Winkelmannschen Forderungen gehalten zu haben, mit der Ausnahme, daß nicht nur männliche Marschierer, sondern auch Frauen eingereiht wurden; dann aber wurde offenbar in Marsch gesetzt, was an Juden gerade angetroffen werden konnte.

Da ich, der Schreiber, gerade in diesem Punkte nach 1945 – wie man sehen wird sehr zu unrecht – heftigst angegriffen wurde, will ich keine eigenen Worte gebrauchen, um die Situation zu schildern, sondern mich hier auf ein Dokument berufen und dieses sprechen lassen. Ein Dokument, welches über jeden Zweifel erhaben sein muß, weiß man, welcher Art es ist.

Es handelt sich um ein Protokoll einer Sitzung in der Schwedischen Gesandtschaft zu Budapest am 22. Nov. 1944 um 6 Uhr abends.

 

/520/AE 162

Die Teilnehmer waren: Legationssekretär Raoul Wallenberg, Bevollmächtigter der schwedischen Gesandtschaft;

N. Krausz, Bevollmächtigter der Schweizerischen Gesandtschaft;

Dr. Körner, Bevollmächtigter der Portugiesischen Gesandtschaft und

Polizeihauptmann Dr. Batiztalvy.

 

Der Polizeihauptmann, welcher um Diskretion ersuchte, gibt an, daß die an der ungarisch-österreichischen Grenze ankommenden Juden, dort dem Bevollmächtigten der Deutschen, übergeben werden. Er gibt weiter an, daß 10.000 Juden auf den Landstraßen verschwunden sind. Geflohen, gestorben, oder erschoßen. Nichts oder zu wenig ist vorbereitet worden.

Es folgte dann ein Bericht der Abgesandten der Schweizer Gesandtschaft, Dr. Leopold Breszlauer und Ladislaus Kluger, über ihre Erfahrungen, welche sie während ihrer amtlichen Reise von Budapest, bis zur österreichischen Grenze, zwischen dem 23. Und 27. November 1944, gesammelt hatten.

Dem Berict zu folge, sind von den bis zum 22. Nov. deportierten 25.000 Juden, 10.000 an die Deutschen übergeben worden; 6-7.000 sollen in den nächsten Tagen übergeben werden und weitere 6-7.000 wurden von den

 

/521/AE 163

Pfeilkreuzlern unterwegs teilweise niedergeschoßen, teilweise sind sie den Strapazen erlegen, teilweise krank.

Der ungarische Gendamerieoberstleutnant Ferencsy hat dem Protokoll dieser Sitzung zufolge, das Kommando über den gesamten Fußmarsch.

Die Juden wurden in Budapest von den Straßen und aus den Häusern, durch die Polizei, haupsächlich aber durch die Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei ausgehoben.

Die Bewachung oblag prinzipiell der Polizei, tatsächlich aber sei die öffentliche Macht durch die Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei ausgeübt worden.

Die Deportierten wurden sodann ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht in großen Gruppen, zu Fuß nach den verschiedensten Richtungen, zumeist aber zur ungar.-österreichishcne Grenze getrieben.

Während des Marsches begleiteten ungarische Gendarmerie die marschierenden Gruppen, unter Kontrolle der Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei.

Die Kommission konnte feststellen, daß die Deutschen an der Grenze die Übernahme arbeitsunfähiger, alter oder kranker Personen, wie auch die von schwangeren Frauen, verweigerte.

Im allgemeinen, so fährt der Bericht fort – haben wir feststellen können, daß diejenigen Juden, die innerhalb des Landes unmittelbar unter deutschem Kommando arbeiten

 

/522/AE 164

ordentlich verköstigt und anständig behandelt werden; diejenigen Juden hingegen, die unter Aufsicht der Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei zu arbeiten haben, in grausamster Weise behandelt und sehr schlecht verköstigt werden.

Von einer Gruppe von 4000 jüdischen Arbeitsdienstlern, seien etwa 2.000 erschoßen worden, die restlichen 2.000 seien zu Fuß an die ungarisch-österreichische Grenze, in schlechter physischer Kondition, sozusagen halbnackt ohne Verköstigung, aber viel Schläge, angekommen. Diese Gruppe sei von den Deutschen in Deutschland zuerst desinfiziert, saodann eingekleidet und in Arbeit gestellt worden.

Die Übergabe und Übernahme der Juden und in Hegyeshalem (ungar.-österr. Grenze) von Gendarmen verrichtet, denen ungarische Honved behilflich ist.

Der Bericht enet mit der Feststellung der Kommission, daß der Zweck der gegenwärtigen ungarischen Regierung zweilfellos dersei, das ungarische Judentum vollständig zu vernichten und laut einer Erklärung Szalasi vor dem päpstlichen Nuntius, werden sie nicht um Gnade bitten, aber sie geben auch keine Gnade.

Ein abgesandter des Internationalen Roten Kreuzes vervollstaändigte das Bild der Kommission.

Dr. Leopold Breszlauer und seine Kommisssionskollegen geben in ihrem Bericht eine ganze Anzahl von Namen

 

/523/AE 165

jener Personen an, welche für die Angelegenheit verantwortlich waren.

Dr. Leopold Berszlauer trat auch als Zeuge der Anklage, in den Prozeß gegen mich, in Israel, auf.

Mit keinem Wort erwähnte der Zeuge meinen Namen im Zusammehang mit diesem Fußmarsch.

Und Dr. Breszlauer hätte es ganz sicher getan, er hätte es tun müßen, hätte ich meine Finger in der Sache gehabt. (169)

 

Gemäß einer eideststattlichen Erklärung, blieb es, dem SS-General Jüttner, am 3. Mai 1948, in Nürnberg, vorbehalten, hier ein Märchen aufzutischen:

„Als wir ankamen (Jüttner und Becker, der Sonderbevollmächtigte Himmlers, befanden sich auf einer Fahrt nach Budapest) fuhren wir also gleich zum Höheren SS- u. Polizeiführer. Winkelmann sagte mir damals, er wäre in dieser Angelegenheit völlig machtlos. Und er sagte mir, er wäre mir sehr dankbar, wenn ich gegen das, was ich gesehen habe, Einspruch erhaben würde. Ich verlangte nun, daß der für die Ausführung des Transportes verantwortliche Mann zu mir geholt wird. Mir wurde gesagt, das ist der Obersturmbannführer Eichmann. Ich forderte, daß er zu mir

 

/524/AE 166

geholt würde und zwar wollte ich ihn in Gegenwart des Höheren SS- u. Polizeiführers und Becker‘s sprechen. Eichmann war nicht da. Es kam ein Vertreter, soviel ich weiß ein Hauptsturmführer, den Namen weiß ich nicht mehr.“

Er habe ihn nun in scharfen Worten zurechtgewiesen und soforttige Abstellung verlangt.

„Mir wurde in einer etwas schnoddrigen Weise von diesem Hauptsturmführer entgegnet, er befolge auch nur Befehle und ich hätte ihm gar nicht zu befehlen.“

Jüttner wollte sich sofort mit Himmler in‘s Benehmen setzen, was er angeblich dann auch getan haben will.

Hierzu wird der damalige SS- u. Polizeiführer General Winkelmann im Jahre 1961 in Deutschland, als Zeuge vernommen. Er bestätigt die Aussage Jüttners, soweit sie sich auf die Schilderung des Fußmarsches bezieht. Er erinnert sich aber nicht, ob der Name Eichmann dabei gefallen ist.

Dem damaligen Aufsichtsratmitglied des durch Becker „vereinnahmten“ Manfred-Weiss-Konzernes, General der Waffen SS – Jüttner, habe ich nur eines zu sagen:

Herr General, Sie scheinen mir nach bestem Wissen, der einzige General in der preußisch-deutschen Militärgeschichte

 

/525/AE 167

zu sein, der sich von einem Hauptmann in schnoddriger Weise erklären läßt, „Sie haben mir gar nichts zu befehlen.“

Aber gestatten Sie, daß ich nicht glaube, daß Sie dieser einzige General sind. Hätte Ihnen dies um jene Zeit einer meiner Hauptleute wirklich gesagt, dann hätten Sie ihn sofort eingesperrt und einsperren müßen. Außerdem hätte der General Winkelmann, der ja Ihrem Bericht zufolge zugegen war, als der für diesen Hauptmann zuständige Gerichtsherr, denselben sofort der SS- und Polizeigerichtsbarkeit übergeben, weil er ihn hätte übergeben müßen.

Auf den anderen Unsinn, den Sie in Ihrer eidesstattlichen Erklärung zum Besten geben, kann ich – da ich in einem israelischen Gefängnis sitze – nichts anderes angeben, als Ihnen empfehlen, studieren Sie den Bericht, besser gesagt, das Protokoll der schwedischen, schweizerischen, portugisischen und spanischen Gesandtschaften vom 22.Nov. 1944, über den Fußmarsch, ferner die Berichterstattung des deutschen Gesandten und Reichsbevollmächtigten SS-Gruppenführer der Veesenmayer an das Auswärtige Amt und fragen Sie sich bei Herrn General Winkelmann an, wie das damals mit seinen

 

/526, 527/AE 168

Verhandlungen bezüglich der Einzelheiten des Marsches mit dem ungarischen Minister Karacs war.

Mehr wünsche ich mit Ihnen nicht zu tun zu haben, als das ich Ihnen nur noch dieses sage: Schämen Sie sich Herr General; (170) Sie werden schon wissen worüber. –

-          „ –

Hätte der letzte ungarische Innenminister Vajna Gabor das Gesandtschaftsprotokoll der Vertretung der neutralen Mächte in Budapest gekannt, dazu die Veesenmayersche Berichterstattung nach Berlin, dann hätte er sicher in seiner Erklärung vom 28. August 1945, vor einer alliierten Stelle nicht geschrieben: „In Budapest wollte Eichmann auch die Frauen, Kindern und alte Männer deportieren, wogegen ich mich wiederholt einsetzte. Zum Schluß hat er erklärt: dann übernehmen die Deutschen die Abtransportierung der Juden.“ (171)

Die Geschichte hat diese Herren inzwischen zu jenen gestempelt, zu denen man vulgärerweise zu sagen pflegt: Lügner.

In Weiterführung der Judenevakuierung aus Budapest ist grundsätzliche Änderung eingetreten. So telegraphiert der deutsche Gesandte aus Budapest nach Berlin. Szalisi hat angeordnet, daß der Abtransport nicht mehr im Fußtreck, sondern durch Transportmittel stattzufinden habe. Was praktisch, infolge Fehlens solcher, Einstellung des Abtransportes gleichkäme.

Und noch am 23. Nov. 1944 unterrichtete Veesenmayer den Reichsaußenminister, daß er heute Szalasi weisungsgemäß ;itteilung gemacht habe und dieser gewillt ist, trotz der technischen Schwierigkeiten, die Evakuierung der Budapester Juden

/Unterschriftkürzel/

 

/528/AE 169

energisch voranzutreiben. Und er würde dafür sorgen, daß durch laufende Auskämmung, dem Wunsche des Herrn Reichsaußenministers weitgehen Rechnung getragen würde. (172)

 

Der ehemalige Legationsrat Dr.Grell, zeitweilig der deutschen Gesandtschaft in Budapest zugeteilt, hatte als einziger den Mut, anläßlich seiner Zeugenvernahme im Jahre 1961, in Deutschland, freiweg von der Leber zu erklären, jawohl, in Nürnberg wurde auf diejenigen, welche tot oder nicht gefangen waren, abgewälzt. –

Dies war einmal in jenen Zeiten, infolge Mangel an Dokumenten möglich, und zum anderen, warum sollte solches ein untergeordneter Befehlsempfänger auch nicht tun, wenn es seinem Plane entspricht.

Bei einem kommandierenden General jedoch, bei einem Staatssekratär, bei Reichsbevollmächtigten und dererlei hochgestellten Persönlichkeiten mehr, welche ja damals, in der Zeit des Geschehens befahlen, iniziierten und planten, ist eine solche Haltung meines Erachtens nur als schamlos zu bezeichnen.

Heute stehen, dank der Forschertätigkeit der letzten anderthalb Jahrzehnte bereits solch eine gewaltige Fülle an einwandfreien Dokumenten zur Verfügung, daß ein „Abwälzen“ in keinem Falle mehr

 

/529, 530/AE 170

möglich ist. Sie bilden das Fundament für künftige Geschichtsforscher, und diese werden eines Tages, jenseits aller Leidenschaften und Subjektivitätsverhaftungen, jenseits aller politischen und propagandistischen Interessenbrücksichtigungen, ein objektives Bild des Geschehens geben.

Ich darf von mir sagen, daß ich der Meinung bin, mich als Angeklagter, während des Prozesses gegen mich in Israel, bemüht zu haben eine halbwegs objektive Einstellung zu den Dingen zu zeigen, wenngleich es für einen Angeklagten sehr schwer ist, das Wort objektiv überhaupt nur in den Mund zu nehmen.

Dort wo ich micht selbst belasten mußte, weil ich nun einmal die entsprechenden Befehle bezog, tat ich dies, ohne zu wanken oder zu zaudern. Aber dort, wo Unwahrheit, Feigheit ehemaliger Vorgesetzter, oder irgendwelche Interessen mancher Publizisten während der lezten 1 ½ Jahrzehnte, ihren geistigen Unrat auf mich abluden habe ich dagegen Stellung genommen und solches auch zum Ausdruck gebracht. Meine besten Verteidiger hierbei waren die Dokumente, soferne ich sie als einwandfrei und echt befand; und dies waren, von einigen Ausnahmen abgesehen, die sich in den Nachkriegsjahren auf dunkle Art und Weise zwischen den echten Papieren gemengt haben mögen, die weitaus überwiegende Mehrzahl, kurz: fast alle.

Bei der Darstellung der Linienführung in der Tätigkeit der Judenverfolgung, habe ich mich hauptsachlich auf Kerndokumente gestützt. Der Schwerpunkt

 

/531, 532/AE 171

Der Verantwortlichen hat sich dabei ganz von selbst herauskristallisiert und durch meine Bezugnahme auf das jeweilige Dokument habe ich die Möglichkeit gegeben, ohne Mühe, meine Zeilen einer Nachprüfung in sachlicher Hinsicht unterziehen zu können.

Zwölf Länder habe ich in diesem Block behandelt; daß, was mir damals, das von uns besetzte oder beeinflußte Ausland nannten. Und der Leser hat gesehen, daß der ehemalige Reichaußenminister Joachim von Ribbentrop und seine Gehilfen eifernd bestrebt waren, ihre Zuständigkeiten zu verteidigen. Sie ließen keinen unkontrollierten Einbruch des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei, in der Linienführung der Behandlung des Problems, in ihren Dokumenten zu.

-            -

Ich habe den Totentanz der Götzen gezeigt. Jener Götzen, denen auch ich diente. Von ganz geringen Ausnahmen abgesehen, tanzten sie ina allen Ländern Europas; /Zeile gestrichen/ Es sei ferne von mir, diese hektische Katastrophenpolitik auch   nun mit einem Strich zu verteidigen; denn hier gibt es kein Verteidigen mehr, hier gibt es nur ein Eingestehen. Obzwar es auch hier die Wiirkung der Ursache war. Nationalistischer Superegoismus der Siegermächte nach dem ersten Weltkrieg. Jener Egoismus, der zu Versailes führte, jener Egoismus, den Wirtschaftsneid und Konkurrenzfurcht, gebar. Der da weder seinsehen wollte noch konnte, daß runde ziehen sie Millionen Deutsche auch haben wollen. Ohne diesen Tatsachen wäre der Nationalsozialismus nie geboren wor Ja, der Nationalsozielaismus, jenes in Wahrheit größte Unheil der Völker.

-

Ich ? von Jugend auf einen mir innewohnenden Drang zur Freiheit des Geistes, zur Freiheit der Persönlichkeit, den ich erziehungsbedingt mit mir herumtrug.

 

/533/AE 172

Das Wort, „wo es Stärkere gibt nimmer auf der Seite der Schwächeren“, wurde mir von meinem Vater oft und oft gepredigt. Durch eben dieselbe Erziehung, hatte ich mich an eine einfügung in eine äußere Ordnung ebenso frühzeitig zu gewöhnen gehabt.

Diese anerzogenen Werte waren es, welche mich später mit Macht und Zwang an die Seite derer trieb, die da, als Minorität noch, und verspottet und verlacht, ihrem Freiheitsdrang im Kampfe gegen das Schanddiktat von Versailles breiten Raum gaben und dagegen in Wort und Schrift zu Felde zogen.

Und auf diesem Wege ward ich, ohne es bewußt recht eigentlich gewahr zu werden, einer Wiilensbeherrschenden ? unterworfen, an die ich dann letztlich durch das bindende Mittel des Eides gebunden wurde.

Und ich wurde zum Diener der Gätzen, behangen mit dem Lametta und Schulterstücken und den Orden und Ehrenzeichen für die man mich würdig hielt. Es klingt wie ein Witz, / 1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ daß just jene, die mich dergestalt zur Damaligen Zeit mit diesen Dingen behangen und ie mit meinen Weg aus dem Zentralen Dients an diese Götzen verbauten und verwehrten, selbst in ihrren Zeugenaussagen vom Jahre 1961 noch, in ihrer Furcht und Sorge

 

/534, 535/AE 173

keinen anderen Weg glaubten gehen zu können, als den der Verhönung meiner Person, ihres ehemaligen Untergeordneten – und als den der Unwahrheit, in der törriesten Meinung, man würde ihnen glauben; in der eitlen Hoffnung, soe könnten ihren Körper und dazu ihre Seele, retten. (173)

Und wieder muß ich mich törricht schelten, ob meiner übergroßen Dummheit, und Unzulänglichkeit, daß ich mich einstens von der fixen Idee umfangen lassen gehalten hatte, diesen Götzen mit samt ihren Untergötzen, in Pflicht und Treue zu dienen. Und gläubig ihre Reden von Gehorsam und vom „Dienen am Reich“, in mir aufnahm.

/4 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/

Es lebt wohl keiner mehr, dessen eigene Augen das potenzierte Grauen, das infernalische, apokalyptische Gewitter in jener Umfassenheit sah, wie solches zu sehen, mir bestimmt ward.

Niemand kann es mir daher verbieten, den Finger der Warnung zu recken.

Denn der Gätzen Zungen sind geschmeidig und ihre Worte verlockend.

/Und indem ich meine Söhne warne, vor solchen und ähnlichen „Goldverschnürten“ Gehorsamspredigern mit ihren salbadernden Phrasen von Nationalismus, von Heiligem Krieg, und was dererlei wohltösrende Worte mehr sein mögen, warne ich – auf Grund meiner gemachten Erfahrungen – die gesamte Jugend, die heute und morgen, vor diesen tanzenden Götzen.

Es Lebt wohl keiner mehr, dessen eigene Augen das potnezierte Grauen, das infernalische apokalyptische Gewitter, in jener Umfassenheit sehen, wie mir es bestimmt ward.

Daher mag es die Jugend mir glauben, daß meine Warnungsworte von erheblichen Gewichte sind, und aus jener Sorge

 

/536/AE 174

entspringen, 3 Zeilen unleserlich wieder einmal zu Dienern an ähnlichem Götzentotentanze werden.

5 ½ Zeilen unleserlich – gestrichen /

 

/536/AE 174

-          14 –

Ich rückte genau am 24. Dezember 1944 um ½ 4 Uhr nachmittags, gemäß dem Befehl, den ich erhielt von budapest ab. Über beinhart gefrorene Straßen und Feldern vorbei an zerschossenen und ? Tieffliegern zerhackten Deutschen und ungarischen Militäreinheiten, der ungarisch-österreichischen Grenze zu. Nach dem Neujahrstag meldete ich mich bei meinem Vorgesetzten in Berlin, dem Generalleutnant der Polizei Müller, zurück. Berlin war um jene Zeit ein Hexenkesse. Schier Tag und Nacht luden anglo-amerikanische Bomber ihren Segen auf des Häusermeer ab. Es stank nach Qualm und Moder, nach verbranntem Fleisch und verwesenden Leichen.

An eine geregelte Behördenarbeit war nicht mehr zu denken. Auch ich richtete mich mit meinen Männern zur Verteidigung ein, denn die gegneischen Panzerarmeen drückten auf Berlin. Das Ruienenfeld

 

/537/AE 175

rings um meine Dienststelle bot für Panzerfallen und Schützennester, gutes Gebäude. Ich wurde in den Verteidigungssektro „Wehrkanal“ eingebaut. Die Waffenbestände wurden aufgefüllt, Munition eingelagert und Eiserne-Ration deponiert. Ein Befehl jagte den anderen; eine Parole die andere. In dieser Zeit teilte mit Müller mit, daß ich mich bei Himmler zu melden hätte. Ich fuhr in seine Feldkommandostele; ein kleines Schloß, welches Friedrich der Große einstens  seinem Reitergeneral von Ziethen schenkte.

Hier sagte er mir, daß wir zwar „Haare lassen mäßten“, aber im großen und ganzen einen besseren Frieden als den „Hubertusburger“ bekämen. Himmler hatte sich in jenen Zeiten ganz und gar in die Sorgen- und Vorstellungswelt des „Alten Fritzen“ geflüchtet. Und hatte jenen der Tod der Zarin vor der Vernichtung gerettet, so hoffte wohl Himmler auf eine ähnliche Schicksalsfügung, den gegebenen Zeitumständen entsprechend. Über siene Mittelmänner hatte er seine Fähler bezüglich allfälliger Kriegsbeendigungsmöglichkeiten ausgestreckt.

Und seine Konzeptionslosigkeit gipfelt in der Tatsache, daß er mir befahl, 100 bis 200 prominente Juden aus Theresienstadt nach Tirol, welches in der geplanten „Alpenfestung“ mit eingeschlossen war, zu verlegen; er wollte sie dort als Geiseln halten, und benötigte diese mit -

 

/538/AE 176

als „Sicherheitsko ë ffizienten“ im Hinblick auf seine geplanten Verhandlungen mit Eisenhower.

Wenn ich dies so recht bedenke, dann muß ich mich heute fragen, ob er mir dieses wirklich befahl, oder ob ich es mir nur einbilde. So kindisch und bar jedweder Realität, inhaltslos, planlos, ja dumm scheint es mir, daß der Chef der Deutschen Polizei, der Oberbefehlshaber der SS, mir solches befohlen haben könnte; „mich als Sicherheitsgarant für seine Verhandlungen mit Eisenhover“.

Freilich, nur Schellenberg, der damalige Nachrichtenchef des Reichssicherheitshauptamtes, mag alle seine diesbezüglichen „Trümpfe“ gekannt haben.

Aber ich muß den Befehl ganz zweifelsfrei erhalten haben, denn ich fuhr im anschluß daran ja über Prag – Linz – nach Innsbruck.

In Linz erzählte ich meinem Vater vom „Hubertusfrieden“; mir glaubte er, daß Himmler es mir gesagt hatte; aber Himmler glaubte er keinen Buchstaben das langen Wortes.

In Bixlegg erlebte ich einen ziemlich knalligen Bombenangriff. Es war der 17. April 1945, denn just in dem Augenblick, als ich im Orte war, rauschte der Bombensegen der ersten Angriffswelle herunter. Der Angriff galt dem dortigen Schwerwasserwerk, wie man

 

/539, 540/AE 177

mir später erzählte. Der Ort wurde so ziemlich „zur Sau gemacht“. Ich hatte mich an einen Toreingang zu einem Garten gelegt mir die Nase in die Erde gesteckt, da die herumzischenden Bombensplitter zu solch einer Praxis zwangen.

Nachdem einige Wellen ihre Last abgeworfen hatten, wurde es mir zu dumm und da mein Wagen, wie durch ein Wunder noch fahrbereit war, haute ich ab.

/Nachdem einige Wellen ihre Last abgeladen hatten, wurde es mir zu dumm und da mein Wagen wie durch ein Wunder nach fahrbereit war, haute ich ab; denn ich hatte mich inzwischen an einen Toreingang zu einem Garten gelegt, die Nase in die Erde gesteckt, da die herumzischenden Bombensplitter zu einer solchen Praxis zwangen. Durchgestrichen/

Als ich auf meiner Rückfahrt wieder durch Linz kam, hatte auch diese Stadt inzwischen einen Angriff abbekommen. Und in Prag sagte mir der Staatssekretär K. H. Frank – einen anderen Polizeibefehlshaber traf ich nicht mehr an, sie hatten ihre Dienststelle verlassen und offenbar andere Stellungen bezogen, daß ich nach Berlin nicht mehr durch könne, der Ruße sei „durchgestoßen“.

Ich erfuhr, daß Kaltenbrunner in Altausse war und bekam Befehl, mich bei ihm zu melden. Der Himmler-Befehl kam nicht mehr zur Ausführung

Im Aussseer-Land angekommen sollte ich im Gebirg in Partisanenkampf machen. Waffen und Munition waren ja in genügender Menge vorhanden. Aber Kaltenbrunner gab mir nach wenigen Tagen Befehl, auf Engländer und Amerikaner nicht zu schießen. Einen großen Teil der

 

/541/AE 178

Männer, welche man mir an den Hals hing, hatte ich schon vorher entlassen, da sie für das Gebirge untauglich waren. Nachdem aber ringsum nur Nordamerikaner waren, konnte ich gemäß dem erhaltenen Befehl, den ich quittieren mußte, nichts anderes machen, als das Partisanenkommando aufzulösen. Ich begab mich mit meinem Adjudanten auf die Reise; wir wollten das Hannover‘sche erreichen, aber da hatte ich Pech. Ich fiel in amerikanische Gefangenschaft, aus der ich mich dann erst Anfang Januar 1946 selbst entließ; das heißt mit Genehmigung meiner gefangenen Offizierskameraden, türmte ich. Es war ein SS-Gefangenlager, in dem etwa 300 Angehörige aus vielen Divisionen stammend, gefangen gehalten wurden. Als SS-Leutnant „Eckermann“ wurde ich dort verhört und karteimäßig erfasst.

Ich war so dann als Waldarbeiter in der Forstverwaltung Miele im Kreis Celle bei Hannover tätig, als selbständiger Holzhändler und zuletzt als Hühnerzüchter. Hier nannte ich mich Otto Henninger, aus Breslau gebürtig.

In den Maitagen des Jahres 1950 trat ich abermals die Reise an und gedachte über Südamerika nach Ostasien zu fahren. Nach mancherlei Schwierigkeiten – ich beschrieb meine Nachkriegserlebnisse an anderer Stelle detaillierter – gelangte ich nach

 

/452, 453/AE 179

Argentinien. Da verblieb ich denn auch. Nach zweijährigen Dortsein ließ ich meine Familie, welche ich Altaussee lebte, nachkommen.

Zehn Jahre war ich in diesem schönen Land. Während der meisten Zeit als technischer Angestellter, zuletzt bei der „Merzedes-Benz-Argentina“ tätig. Zwischendurch führte ich die einem entfernten Verwandten meiner Frau, gehörende Granja, ein landwirtschaftlicher Betrieb, als Administrator. Im Norden Argentiniens, in der Einsamkeit des urweltlichen Aconquija-Massivs, einem gewaltigen Gebirgsblock, dessen mehrere Spitzen bis auf fünftausendfünfhundert Meter ragen, ging ich meiner Arbeit nach. Ich hatte dort hydrologische Studien zu betreiben und bis auf fünftausendzweihundert Meter Höhe hatte ich wiederholt dienstlich zu tun. In eintausendsechshundert Meter, in Rio Potreso, an der Grenze von Tueumän und Catamarca, lebte meine Familie.

Je höher wir steigen, umso weiter wird unser sonst so begrenzter Blick. Und in dem Schweigen der Pampa, konnte ich dann das mit meinem inneren Blick Geschaute, verarbeiten.

Am 11. Mai 1960 fuhr ich wie täglich von Hause fort, zu meiner Tagesarbeit. Zurück kam ich freilich nicht mehr, denn ein israelisches Kommando hatte mich bei meiner Rückkehr von meiner Arbeitsstelle gestellt, Widerstandsunfähig gemachte und auf eine Quinta, welche an der Nordstrecke lag, gebracht. Von dort aus wurde ich, ohne daß ich Widerstand leisten konnte, mit einer Viermotorigen Maschine von Argentinien herausgeflogen und nach Israel gebracht.

/7 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/

Natürlich war es für mich nicht gerade

 

/544/AE 180

angenehm; so etwas ist für den Betroffenen nie ein Honiglecken, dies ist klar, aber ich wurde korrekt und anstöndig behandelt. Ich hatte mir auf alle Fälle das Gegenteilige vorgestellt.

Am 11. April 1961 fing der Prozess gegen mich an.

Es ist Mitte August und die Plädoyers der Anklage und Verteidigung gehen dem Ende entgegen.

 

Die Anklageschrift gegen mich beinhaltet 15 Anklagepunkte.

In vier Punkten bin ich des Verbrechens gegen das jüdische Volk, eine Straftat gemäß Abschnitt 1(a) (1) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-1950 und Absatz 23 der Criminal Code Ordinance 1936, angeklagt;

In sieben Punkten, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, eine Straftat gemäß Abschnitt 1(a) (2) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-1950 und Aabschnitt 23 der Criminal Code Ordinance 1936;

In einem Punkt, des Kriegsverbrechens, eine Straftat gemäß Abschnitt 1(a) (3) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-1950 und Abschnitt 23 der Criminal Code Ordinance 1936;

 

/545/AE 181

sowie in drei Punkten, wegen Mitgliedschaft in einer feindlichen Organisation, eine Straftat gemäß Abschnitt 3(a) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-1950.

 

Auf die Frage des Gerichtspräsidenten, ob ich mich im Sinne der Anklage schuldig bekenne, habe ich zu allen 15 Punkten erklärt: „nein, im Sinne der Anklage nicht.“

 

Und die Frage meines Verteidigers, ob es stimme, daß ich eine Erklärung unterschrieben hätte, mich freiwillig vor einem israelischen Gericht zu verantworten, habe ich mit „ja“ beantwortet.

Die nächste Frage meines Verteidigers, ob ich diese Erklärung freiwillig abgegeben hätte, beantwortete ich mit „nein“.

 

Bis zum 6. Juli dauerte die Verlesung der Anklage und das Hören der Anklagezeugen; sowie die Verteidigung.

Vom 7. Bis zum 24. Juli stand ich im Kreuzverhör des Generalstaatsanwaltes Dr. Hausner.

Mein Verteidiger Dr. Servatius sagte mir, daß es das längste Kreuzverhör in der Geschichte der Juristik gewesen sei.

Und ich ahbe gelegentlich des Kreuzverhörs meine Befriedigung zum Ausdruck gebracht, daß es einmal so

 

/546/AE 182

lange und gründlich war und das mir Gelegenheit zur freien und offenen Rede gegeben wurde, da dies meine bisher einzige Möglichkeit gewesen sei, vor aller Öffentlichkeit, dem in langen 1 ½ Jahrzehnten auf meine Person abgeladenen Unwahrheiten – durch die Praktiken der Zeugen in den Nachkriegsjahren vor den alliierten Militärgerichten und durch eine gewisse Publiuistik entgegentreten zu können.

 

Daß, wozu sich damals glaubte verpflichtet sein zu müßsen, gemäß den mir erteilten Befehlen zu machen, habe ich zugegeben, alle anderen Beschuldigungen habe ich von mir gewiesen.

 

Auf die Frage meines Verteidigers bezüglich meines Schuldigkeitsgefühls habe ich im Gerichtshof folgendes gesagt:

 

/547/AE 183

„Es ist heute eine der schwersten Fragen, die Frage über das Schuldgefühl; und ich glaube, daß ich bei der Beantwortung hier wohl einen Unterschied, zwischen einer rechtlichen Betrachtung und der Beleuchtung von der Seite der menschlichen Schuld heraus, machen muß.

Erstens:

Bei den mir vorgeworfenen Taten, handelt es sich um die Mitwirkung bei der Deportation.

 

Da dieses damals eine politische Anordnung war, bin ich des Glaubens, daß Schuld im rechtlichen Sinne, hier doch nur derjenige empfinden kann, der die Verantwortung für die politische Entscheidung trägt; denn:

Wo keine Verantwortung, da ist auch keine Schuld.

Und das Ergebnis meines Nachdenkens ist daher, daß hier die Verantwortung im Rechtssinne zu prüfen sei.

 

Solange das menschliche Zusammenleben in politischer Hinsicht, noch keiner globalen Lösung entgegengeführt ist, solange ist Befehl und Gehorsam die Grundlage jeder staatlichen Ordnung.

 

Kein Staatswesen kann im Ernstfall auf Spione und Verräter aufgebaut werden.

 

/548/AE 184

Zur höheren Sicherheit, bedient sich die Staatsführung eines bindenden Mittels. Des Eides.

 

Die Verantwortung aber, das Gewissen, muß die Staatsspitze haben.

Und es wurde uns ja dauernd gepredigt, in Wort und in Schrift: „Vertrauen zur Führung“.

 

Bei einer guten Staatsführung hat der Untergebene, der Befehlsempfänger, Glück;

Bei einer schlechten Unglück.

- „ -

Ich hatte kein Glück.

Denn:

Das damalige Staatsoberhaupt gab den Befehl zur Vernichtung der Juden.

Und:

Meine Mitwirkung an der Deportation ergab sich aus der Tatsache, daß der damalige „Höhere Gerichtsherr“ der SS- u. Polizeigerichtsbarkeit, der ich unterstand, Himmler,

Die Deportationsbefehle an meinem Gerichtsherren, dem C.d.S.u.d.SD, gab.

 

Dieser beauftragte mit der Durchführung meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den SS-Gruppenf. und Gen.ltnt. der Polizei, Müller.

 

/549/AE 185

Von ihm erhielt ich sodann die Befehle, soweit ich zufolge des Geschäftsverteilungsplanes meines Referates, dafür zuständig war.

 

Die Strafordnung der SS- u. Pol. Gerichtsbarkeit besagt, daß suf Ungehorsam der Tod stehe;

Die Verschlußsachenanweisungen, die Geheimhaltungsvorschriften staatswichtige Sachen betreffend, hatten ihre Zuchthaus- u. Todesstrafeprpgraphen.

 

Ich hatte von mir aus, alle legalen Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine andere Dienstverordnung zu erhalten; ja, meine Versetzung vom SD zum Geheimen Staatspolizeiamt im Herbst 1939, erfolgte gegen meinen Willen, gemäß erhaltenem Befehl.

Ich hatte zu gehorchen.

Ich war Uniformträger.

Es war Kriegszeit. –

 

Ja, selbst als das Jahr 1950 herankam, und ich mich mit dem Gedanken trug, aus Deutschland nach Übersee zu fahren, habe ich dieses nicht wegen eines Schuldgefühles im Sinne der Rechtssprechung getan, sondern wegen der politischen Lage und aus familiären Gründen.

 

/550/AE 186

Meine Stellung ist die gleiche, wie die von Millionen anderen, die zu gehorchen hatten.

Der Unterschied ist nur der, daß ich einen viel schwereren Auftrag hatte, den ich befehlsgemäß durchzuführen hatte.

-          „ –

Alle Beteiligten, die behaupten, man hätte sich mühelos, bzw. ohne große Gefahr, der Erfüllung eines Befehls entziehen können, geben keine Einzelheiten für ihren eignen Fall an.

Man sagt, die Möglichkeit besteht immer, sich zu drücken und eine Krankheit vorzuschützen.

Ein General hat hier große Möglichkeien. Ein Untergebener hat solche Möglichkeiten nicht.

Denn: wenn festgestellt wird, daß die Krankheit ein Vorwand ist, wird das seine Folgen haben.

Außerdem steht solches Tun, gegen den Fahneneid.

-          „ –

Himmler sagt beispielsweise in der Posener-Rede auch nur bezüglich der SS-Generäle, daß sie versetzt werden können, wenn sie sich nicht fähig fühlen. Aber: wenn der Befehl aufrecht erhalten wird, ist er zu befolgen.

 

/551/AE 187

Ein Mann in einer kleineren Stellung kann sich nicht entziehen;

Besonders nicht, wenn er höchster Geheimnisträger ist.

Er konnte sich selbst erschießen dies ist wahr.-

-          „ –

Diejenigen, die davon sprechen, man hätte sich der Ausführung der Befehle widersetzen können, erkläen selbst meist, sie hätten von Vernichtungen von Menschen nichts gewußt.

Waren also keine Geheimnisträger.

 

Die SS- u. Pol. Gerichte legten an die unteren Stellen einen sehr scharfen Maßstab an, und würden bei offener Befehlsverweigerung ein entsprechendes Urteil erlassen haben müßen. –

 

Zweitens:

Die Schuld im ethischen Sinne, ein Schuldbekenntnis vor seinem inneren „Ich“, dies ist eine ganz andere Sache.

 

Sie liegt in Regionen, welche den Paragraphen einer Rechtsordnung entrückt ist.

 

/552/AE 188

Hier hat jeder mit sich selbst zu rechten und zu richten.

 

Ich tat es für meine Person, und tue es noch.

-          . –

Abschließend verbleibt mir die Feststellung und das Bekenntnis:

„Ich bedaure und verurteile die von der damaligen deutschen Staatsführung angeordneten Vernichtungstätigkeit gegen die Juden.“

 

Ich selbst aber vermochte auch nicht über meinen eigenen schatten zu springen;

Ich war lediglich ein Werkzeug, in der Hand stärkerer Kräfte,

Und eines unerfindlichen Schicksals.“

/Unerschriftkürzel 6-7-61

(zum Ende der Verteidigung) gestrichen/

Diese Erklärung gab ich am Ende der Verteidigung ab, ehvor das Kreuzverhör seinen Anfang nahm.

 

/553/AE 189

-          15 –

Und indem ich selbst mit mir zu Gericht sitze, sagen mit viele innere Stimmen vieles.- Hätte ich meine Geschäfte niederlegen können? Hätte ich mich einfach weigern können, weiter zu arbeiten?

Wäre dieses Meuterei gewesen?

Was heißt aber Meuterei gegen Mord?

Meuterei steht gegen Fahnen und Diensteid!

Was ist staatlich befohlener Mord und was ist der Eid?

Gehört das Halten des Eides noch zu dem Bereich ethischer Werte? Zur Einheit der Ethik?

Gehört es wenigstens noch zum Rande der Moral?

Was ist sschon Moral?

Daß Moral ein Teil der ethischen Werte sei, kann ich nicht mehr glauben!

Es sei denn, der Eid wäre eine Nötigung; eine Verpflichtung, gegebenenfalls zum Hehler des Staates zu werden.

 

Da scheint also etwas nicht in Ordnung zu sein. Denn die meisten Staaten egal, welcher Staatsform verformten und verformen in ihrer zu Kriegszeiten an den Tag gelegten Tyrannis, das logische Denken der Geister.

Sie verlangen von ihren Befehlsempfängern im Namen der Heiligkeit des Eides, die Zuerkennung ethischer Wertungseinstufung für Heldenmut, Opferbereitschaft, Gehorsam und Disziplin.

Und auf Grund dieses Verlangens befehlen sie Mord, Tod und Vernichtung.

 

/554/AE 190

Darüberhinaus ermuntert der Staat im Kriege mittels einer bereitgehaltenen Serie von Auszeichnungen, seine Befehlsempfänger zur Verübung der vom ihm befohlenen Verbrechen. Er benebelt die Gehirne seiner Befehlsempfänger mit Kreuzzugsphrasen, Befreiungsparolen, Hingabe und Verteidigungsbereitschaft.

Die Mordwerkzeuge werden auf beiden Seiten unter Anrufung stärkerer Kräfte und Mächte gesegnet, denn jede Seite verübt seine Verbrechen für eine sogenannte „gerechte“ Sache.

Und solange werden alle ethischen Wertgefühle sophierend seziert, bis sie in jene Moralstufen eingezwängt werden können, dennen der Staat dann sein Sanktum verleihen kann.

Durch solche Umwertung vereist die Staatsführung nun auch den Geist und den Willen seiner Befehlsempfänger, nachdem er dessen Handlungsfreiheit längst paralysiert hat.

 

Da scheint also wirklich etwas nicht in Ordnung zu sein.

 

Was also ist Wahrheit und was ist Recht?

 

Eugen Kogan schreibt in seinem buch „Der SS-Staat“: „Was aber erst die zwölf bis vierzehn Millionen Vertriebenen zu erzählen wußten, die in den osteuropäischen Ländern vielfach auf die barbarischste Weise „ausgesiedelt“ und in plombierten Waggons, in

 

/555/AE 191

Elendszügen, einzeln, gruppen- und herdenweise nach Deutschland getrieben wurden! Man mache einer Mutter, die ihre Kinder verloren hat, einem Mann, dem die Frau geschändet wurde, Halbwüchsigen, deren Eltern man prügelte, allen, die Tod und Grausamkeit nun am eigenen Leibe erlebten klar, daß dies – in einer proklamierten besseren Welt – eben nichts als die traurigen Folgen vorher begangenen Massenunrechtes seien, die ohne Unterschied Schuldige und Unschuldige treffen. Und man verdeutliche einem Volke, es sei weder Heuchelei noch Feigheit, wenn den Erklärungen von Jalta und Potsdam, daß die „Umsiedlungen“ „ordnungsgemäß“ erfolgen sollten, nicht Nachdruck verliehen wurde. Mehr Millionen haben auch die Nationalsozialisten nicht durch Osteuropa gezerrt.“ (174)

 

Und wenn ich noch die Worte Hiroshima, Nagasaki und Dresden hinzufüge und die Länder Korea, Indochina, Ägypten und Algerien erwähne, dann habe ich dazu weiter nichts mehr zu sagen; höchstens noch dieses: auf der Moskauer Außenministerkonferenz am 20. Oktober 1943 wurde die Eintschlossenheit kundgetan, die Kriegsverbrecher zu bestrafen.

 

Alliierterseits aber wurde kein einziger Befehlsempfänger wegen der Ausführung erhaltener Befehle vor Gericht gestellt und bestraft. Von den

 

/556/AE 192

Befehlsempfängern, ebenfalls ganz zu schweigen.

Zweierlei Maß!

Zweierlei Recht!

Nationalistischer Egoismus allenthalben; hüben und drüben. Ende des II. Teiles

Adolf Eichmann /Unterschrift/

6-9-61

 

/557/AE 1

Quellen zum Teil II.

Frankreich

(1)   Dok. 440, (T 385)

(2)   Dok. 229, (N 36)

(3)   Dok. 955 (T 387)

(4)   Dok. 86

(5)   Dok. 309 (N 37)

(6)   Dok. 445

(7)   Dok. 1071

(8)   Dok. 441 (N 39)

(9)   Poliakov „Rot“ Seite 118 – 121, Dok. V-3, 15, 16.

(10)         Dok 1209

 

/558/AE 2

(11)         Dok. 333

(12)         Dok. 694 (T 401)

(13)         Dok. 54

(14)         Dok. 113

(15)         Dok. 54

(16)         Dok. 485, 486, 1166, 459

(17)         Dok. 1211 (T 411)

(18)         Dok. 177  (T 402)

(19)         Dok. Prozess VI (IG-Farben) NI 500

(20)         Dok. Prozess IV, Ahnhift S. 8080

 

/559/AE 3

(21)         Dok. 585 (T 419)

(22)         Dok. 58, 59

(23)         Dok. 699

(24)         Dok. 64 (T 438), 65 (T 439)

(25)         Dok 142 (T 451) 1348 (T 1028)

(26)         Dok. 1164 (T 467)

(27)         Dok. 1260

(28)         Dok. Poliakov „Rot“ S. 87, Dok. P5 3688

(29)         Dok. 270 (T 456)

(30)         Dok. 815 (N 40)

 

/560/AE 4

(31)         Dok. 726 (N 62)

(32)         Dok. 819 (N 41)

(33)         Dok. 489

(34)         Dok. 487

(35)         Dok. 121 (T 471)

(36)         Dok. 723,

Dok. 724 (T 610)

Dok. 961 (T 611)

Dok. 962 (T 612) ?

(37)         Dok. 697 (T 473)

456 (N 63)

727

 

561/AE 5

(38)         Dok. 820

Dok. 821

Dok. 822

Dok. 196

Dok. 826

Dok. 875

(39)         Dok. 217

Dok. 218

(40)         Dok. 960

(41)         Dok. 299

 

/562/AE 6

Holland

(42)         Dok. 582 (T 521)

Dok. 1627 (T 523)

(43)         Dok. 1359 (T 529)

(44)         Dok. 325

(45)         Dok. 594 (N 47)

Dok. 325

(46)         Dok. 1496 (T 531)

(47)         Dok. 589 (T 543)

(48)         Dok. 1356 (T 544)

 

/563/AE 7

(49)         Dok. 725

(50)         Dok. 463 (T 556)

(51)         Dok. 1439 (T 571)

Dok. 1353 (T 577)

 

Belgien

(52)         Dok. 753 (T 512)

(53)         Dok. 759 (T 514)

(54)         Dok. 760 (T515)

(55)         Dok. 761 (N 49)

 

/564/AE 8

(56)         Dok. 1604 (T 615)

(57)         Dok 1073

(58)         Dok. 3 (N12)

(59)         Dok. 1446 (T 519)

Italien

(60)         Dok. 1604 (T 615)

(61)         Dok. 1600 (T 616)

(62)         Dok. Zeugenaussage Kappler v. 27.6.61 im Militärgefängnis zu Gaeta (Italien) Übersetzung aus dem Hebräischen; (S.2+3+5)

 

/565/AE 9

(63)         Dok. 299 (liegt bei den Frankreich-Akten)

(64)         Dok. 954 (T 618)

(65)         Dok. 1274

(66)         Dok. 964 (T 623)

Norwegen

(67)         Dok. 1622

Dok. 1621

Dok. 491

Dok. 198 (T 604

 

/566/ AE 10

Dänemark

(68)          Poliakov „Rot“ S. 102, Dok. NG-S121

(69)         Dok. 1074 (T 579)

(70)         Dok. 251 (T 585) ?

(71)         Dok. 1636

(72)         Dok. 757 (T ?)

(73)         Dok. 816 (T 584) ? Seite 2

(74)         Dok. 1077 (T 587)

Dok. 1078 (T 588)

/567/AE 11

Slowakei

(75)         Dok.1527 (T 1073) S. 5 Abs III.

(76)         Dok. 1266 (N 65)

(77)         Dok. 543

(78)         Dok. 1526 (T 1102)

(79)         Dok. 1267 (T 1057) ?

(80)         Dok. 1268 (T ?

(81)         Dok. 837 (T 1078)

Dok. 92 ?

(82)         Dok. 1270 (T 1079)

(83)         Dok. 1015 (T 1081)

(84)         Dok. 836 (T 1087)

(85)         Dok. 839 (T 1089)

 

/568/AE 12

(86)         Dok. 626

Dok. 627

Dok. 369 (T 1101)

Dok. 1016 (T 1106)

(87)         Dok. 499

Dok. 370

(88)         Dok. 514 (N 67) Seite 5

Griechenland

(89)         Dok. 998 (T 956)

(90)         Dok. 344 (T 958)

(91)         Dok. 1000 (T 959)

Dok. 1001 (N 54)

 

 /569/ AE 13

(92)         Dok. 424 (T 960)

Dok. 426 (N 55)

Dok. 427 (T 966)

Dok. 241 (T 963)

(93)         Dok. 425 (T 961)

Dok. 237 (T 962

(94)         Dok. 429 (968

(95)         Dok. 1343

(96)         Dok. 176 (T996)

Jugoslawien

(97)         Dok. 33 (T 887)

(98)         Dok. 423 (T 898

(99)         Dok. 1339

(100)     Dok. 1340 (T 888)

(101)     Dok. 642 (T 870)

Dok. 645 (T 873)

(102)     Dok. 643 (T 871)

                    644

 

/570/AE 14

(103)     Dok. 647 (T 874)

(104)     Dok. 648 (T 875)

(105)     Dok. 649

(106)     Dok. 650 (T 878)

(107)     Dok. 651 (T879)

Dok. 1044 (T 880)

Dok. 1045 (T 881)

Dok. 1162 (T 882)

(108)     Dok. 170 (T 883)

(109)      Dok. Poliakov, Rot, S. 350/51, 448

(110)     Dok. 170 (T 883)

(111)     Dok. 652 ( 884)

Dok. 654 (T 886)

(112)     Dok. 647 (874)

Dok. 1244, S. 3

(113)     Dok. 658 (T 902)

(114)     Dok. 87 (T 903)

(115)     Dok. 661

Dok. 1074 (T 906)

(116)     Dok. 1081 (T 907)

(117)     Dok. 656 (T 921)

 

/571/AE 15

Rumänien

(118)     Dok. 472 (T 1001)

(119)     Dok. 92 (?)

(120)      Dok. 573

Dok. 1225

Dok. 1227 + Dok. 404

(121)     Dok. 840 (T 1002)

(122)     Dok. 83 (T 1013)

Dok. 99 (T 1014)

(123)     Dok. 181

Dok. 561

Dok. 562 (N 60)

(124)     Dok. 477

(125)     Dok. 194 (T 1032)

(126)     Dok. 178 (T 1029)

Dok. 92

(127)      Dok. 987 (T 1042)

Dok. 224 (T 1044)

(128)     Dok. 484 (T 1052)

 

/572/AE 16

Bulgarien

(129)     Dok. 92

(130)     Dok. 1023 (T 926)

(131)     Dok. 1024

(132)     Dok. 1026 (T 930)

(133)     Dok. 1028 (T 931)

(134)     Dok. 1030 (T 934)

(135)     Dok. 1033

(136)     Dok. 420 (T 944)

/573/AE 17

(137)     Zeugenaussage v. Thadden, 1961, S. 10.

(138)     Dok. 1021 (T 1145

(139)     Dok. 801

(140)     Dok. 813 (T 1155)

(141)     Zeugenaussage v. d. Bach Zdersky 1961

(142)     Dok. 679

(143)     Dok. 114 (T 1211)

(144)     Dok. 1124 (N 70)

(145)     Dok. 675 (N 73)

Dok. 216 (N 72)

Dok. 366 (T 1182)

Dok. 213 (T 1186)

(146)     Dok. 681 (N 75)

(147)     Dok. 374 (N 76), Dok. 1314 (T 1158)

Dok. 180 Dok. 1315 (T 1159)

Dok. 158 (T 1193)

(148)     Dok. 678 (T 1193)

/574/AE 18

(149)     Dok. 529

(150)     Dok. 630 (T 1199)

Dok. 631 (N 79)

Dok. 632 (T 1200)

(151)     Dok. 114

Dok. 870 (T 1226)

(152)     Dok. 385 (T 1208)

Dok. 992 (N 80)

Dok. 680

(153)     Zeugenaussage Krumey 1961, S. 9, 10, 12, 13.

(154)     Dok. 797

Dok. 677

Dok. 848

Dok. 772

(155)     Dok. 640

Dok. 162 (N 86)

 

/575/AE 19

(156)     Dok.156 (T 1217)

Dok. 976 (T 1218)

Dok. 154 (T 1219)

Dok. 1441 (T 1222)

(157)     Dok. 155 (T 1223)

(158)     Dok. 387

(159)     Dok. 388 (T 1230)

(160)     Dok. 525

(161)     Dok. 212

(162)     Dok. 871 (N89)

(163)     Zeugenaussage Winkelmann 1961, S. 6.

(164)     Dok. 376 (N 90)

/576/AE 20

(165)     Dok.221 (

(166)     Dok. 44, (Seite 3.)

(167)     Dok. 973 (T 1247)

(168)     Dok. 853 (T 1237)

(169)     Dok. 1297 u. Zeugenaussage Winkelmann 1961 und Dok. 411 (Seite 12, Punkt 142)

(170)     Dok. 511 (T 1245)

(171)     Dok. 377 (T 1242)

378

(172)     Zeugenaussage Six (1961)

– „ - Winkelmann (1961)

Dok. 1169

Dok. 27 (Vermerk zu meiner Beförderung durch Six)

(173)     Eugen Kogon: „Der SS-Staat“. S. 403/404

Europäische Verlagsanstalt 1946

Fünfte Auflage

(174)     Zu Teil III, Schreiben des Pastor Achenbach an mich.

 

/577/

Götzen Teil III.

Inhalt

Teil III                               72 Seiten

(Unterteilt in 14 Abschnitte)

Adolf Eichmann

6-9-61

/578/AE 1

III. Teil

„Denn Frieden und Glücksgefühl und die Freude, werden der Inhalt ihres Ganzheitslebens sein. Denn die Ganzheit kennt nur das Gute.“ (Seite 67)

 

/579/AE 2

Teil III:

In sich ausgeglichene Naturen mit unkompliziertem Einfühlungsvermögen, sind in außergewöhnlichen Zeiten, mit zunehmenden Außergewöhnlichkeitsgrad, sicher immer seltener. Es sei denn, „sie hätten ihre Jahre bereits erreicht.“ Junge Menschen wiederum befinden sich noch im Stadium der Formung und mangels vergleichender Möglichkeiten aus der Erfahrung, wird diese Formung durch die Umwelt vollzogen und von Individuum mehr oder weniger kritiklos akzeptiert. Mancher der mittleren Jahrgänge hingegen, sieht sich im Zustande der eigenen Umkrempelung, der Einordnungsversuche seines inneren „Ich“, zur außergewöhnlichen Umwelt, und er sieht sich den geistigen Einflüßen dieser Umwelt, den handlungsmäßigen Einwirkungen dieser Umwelt, auf sein inneres „Ich“, mit den verschiedenartigsten Reaktionen, gegenüber.

 

Das sinnlich wahrnehmbare und aufgenommene Tagesgeschehen, „der Tagesablauf“, wird von dem, der nicht allzu gleichgültig „in den Tag hinein lebt“, zu vergleichenden Vorstellungen in den Stunden der „Abschaltung“, in den Stunden der Muße, weiterverarbeitet. Oft ungewollt und nicht in konzentrierter, bewußter Arbeit, aber, wie man zu sagen pflegt, „man kommt nicht

 

/580/

Bemerkung für den Zensor:

Diese schriftstellerische arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen gewogen werden.

Unterschriftkürzel

 

/581/AE 3

davon los“; „es läßt einen nicht aus“; „es geht einem nicht aus dem Sinn“.

 

Und die eigene Haltung, die eigene Reaktion zum Geschehen des Tages, wird dabei einer geistigen Selbstbeobachtung unterzogen, wobei mein äußeres „Ich“, mit meinem inneren „Ich“ – man könnte es auch Gewissen nennen – eine Art Zwiegespräch hält und  mein inneres „Ich“, auf Grund dieser „Unterhaltung“, dann seine Position bezieht. Eine Position, die ich für mich als „beruhigend“ oder als für mich „beunruhigend“ registriere. Und je nach diesem, meinem psychischen Zustand, spüre ich dann ein Mitschwingen des physischen Befindens.

Klätzt ein Mensch – wie ich zum Beispiel - die innere Ruhe und eine gewisse innere, beschwingte Ausgeglichenheit, oder, um ein geflügeltes Wort aus meinen Vorkriegsjahren zu gebrauchen, die „innere stille Heiterkeit“, über alles, dann wird er – und ich spreche aus gründlicher Erfahrung – alles daran setzen, nun die innere Unordnung, wieder zur Ordnung zu gestalten, zumindest, es zu versuchen.

 

In welche innere „Hexenküche“ ein Mensch jedoch im praktischen Leben kommen kann, dessen eigene Handlungs-

 

/582/AE 4

Freiheit durch höhere Gewalt gebunden ist, gibt dieses Kapitel wieder. Mit einem Beispiel will ich es im allgemeinen umschreiben:

Ein Blatt Papier; darauf Eisenfeilspäne gestreut.

Kreuz und quer liegen diese kleinen Eisenstückchen im wirren Durcheinander.

So sieht es bei mir aus, wenn mit die innere ruhe fehlt, wenn ich vergeblich bemüht bin, Ornung in die Dinge meines Innenlebens zu bringen.

Fahre ich nun aber mit meinem Magnet unter dieses Blatt Papier, dann ordnet sich im Bereich des magnetischen Kraftfeldes sogleich dieses Durcheinander an Eisenfeilspänchen zu einer – fast möchte ich sagen militärische ausgerichteten – Ordnung.

Was nützt mir aber allen Ordnenwollen, wenn meine Erkenntnis nicht in Handeln umgesetzt werden kann, wenn ich diesen Magneten nicht bedienen darf, ja wenn ich selbst sogar nur ein solcher Eisenfeilspan bin, der in dieses Kraftfeld eingeordnet ist. Wenn mich stärkere Kräfte daran hindern, gemäß meinem Willen zu handeln und darüber hinaus, gemäß einer staatlichen Befehlsgebung, mein Handeln teilweise sogar in dem Entgegengesetzten zu

 

/583/AE 5

meinem inneren Wollen zu stehen hat; zu einem Wollen, daß gemäß der Wahrnehmung meines Gefühlssinnes, aus den Bereichen der ethischen Werte zu entspringen habe, will ich als Individuum, innere Ruhe und inneren Gleichgewichtszustand für mich, alleine schon aus der mir triebhaft zukommenden Egoistik heraus, buchen können.

- „ -

 

/584/AE 6

(1)

Ich bin weder Philosoph, noch Physiker. Aus Lust und Liebe zur Sache beschäftigte ich mich nach Art interessierter Laien, zuweilen sowohl mit der einen, als auch mit der anderen Materie. Es bereitete mit Vergnügen und es war lehrsam zugleich. So wie der Briefmarkensammler von Zeit zu Zeit seine Sammlung durchstöbert. Gerne kaufte ich mir ab und an ein besonders empfohlenes Werk, welches sich mit diesen Fächern befaßte, und dann konnte ich so recht wie ein abseitiger Büchernarr darin schwelgen. Es war für mich das gleiche, wie Sonntagvormittaggottesdienst, für fromme Kirchenbesucher; ein verlangendes Suchenwollen nach dem absolut Gültigen, nach den wahren Dingen, nach dem höheren Sinn des Seins. Wohl wissend, daß ich nur bis zu einer sehr bescheidenen Grenze werde vordringen können, aber ein jedes Wenige nur an neuen Erkenntnissen, befriedigte mich schon zutiefst. Dieses neugierige Wissenwollen haftet mit viele Jahrzehnte schon an, und vielleicht gehe ich recht wenn ich sage, solange ich überhaupt zurück denken kann. Freilich in diesen beiden besonderen Fächern lag das beginnende rege Interesse, erst in späteren Jahren und wurde oft durch längere Pausen unterbrochen; sei es durch die hastende Schnelllebigkeit des beruflichen Alltags, die jedwede Muße zur Sammlung raubte, oder auch gar zeitweilige Unlust, hervorgerufen durch dörperliche Müdigkeit und Schlappheit, ketztlich besonders zur Zeit der argentinischen Sommer.

Schon mein Religionslehrer in der Linz a/Donau, legte den Grund für meine zeitweilige besondere

 

/585/AE 7

>Kantvorliebe<. Der evangelische Pfarrer – gebürtiger Ostpreuße – war in Sachen des >Königsbergers< geradezu Spezialist und es ist erstaunlich daß es ihm gelang, in unseren Bubengehirnen ein solch mitgehendes Interesse zu wecken, für eine Materie, welche gar oft selbst den Erwachsenen langweilt. Er Jedenfalls brachte es lebensnahe, mit vielen Beispielen aus dem Tagesleben eine Buben, gewürzt.

Mein Jugendfreund, heute Prior eine Prämonstratenserklosters in Deutschland, liebte damals, wenn ich es so recht betrachte, die >Philosophie aus der Technik<. Aus seinen zahlreichen Brückenbau-Konstruktions-Skizzen, muß er die Ästhetik und Ethik das Schöpfungswillens mit erschaut haben; denn immer neue Entwürfe und Ideen gebar er, und wir freuten uns beide über die Schönheit der Linie. Wir besuchten in jener Zeit gemeinsam eine höhere technische Schule. Er trat dann zum geistlichen Stande über. Ich freute mich sehr, von ihm, zu Händen meines Verteidigers, in das Gefängnis nach Israël freundliche Grüße geschickt zu erhalten. Und ich bedanke mich für sein freundliches Gedenken, und weiß daß ich eine antwort auf meine Arbeit von ihm bekomme. Sei sie positiv oder negativ, gleichermaßen sei er dafür bedankent. Ja, mein lieber Frater Bernadus, da magst Du mal sehen, wie es einem Menschen ergehen kann. Solches hätten wir uns nicht tträumen lassen, als wir das letztemal in der abtei Hinsdorf beisammen waren und noch viel weniger früher im Schloße zu Traun, oder in der >Höheren< in der Goethestraße, in Linz.

 

/586/ AE 8

Der Krieg war ausgebrochen. Ich kaufte mir die >Kritik der praktischen Vernunft<; in Reclam-Ausgabe, denn so konnte ich diese >Kritik< in meinem Waffenrock bergen. Nicht aber könnte ich sagen, ich hätte Kant selbst in reiferen Alter zu jeder Zeit gänzlich verstanden, denn dazu reichte mein Verstehen zuweilig nicht aus. Ich bemühte mich, daß in mir aufzunehmen, was ich durch ihn nun auch zu erkennen können vermeinte, um danach mein Leben zu leben.Mit der Philosophie erging und ergeht es mir so, wie mit dem Bund, an dem sehr viele Schlüßel hängen; und immer suchte und suche ich einen passenden, für verschlossene Türen, zu finden. Manchesmal passt solch ein Schlüßel sofort, ein anderesmal muß ich auch langmächtig suchen. Zuweilen muß ich mit, und auch ohne Geschick, selbst noch ein wenig dran feilen.

Man sagt, es sei der Philosophie trotz jahrtausenderlanger Bemühungen noch nicht gelungen, eine allgemein anerkannte Linie zu finden, die alle philosophierenden Geister einigen könnte. Denn bisher gab es zu jeder Erkenntnis >wenn< und >aber<. Der eine äußerte seine Bedenken sanft und voll Kummer, andere wie Schopenhauer zum Beispiel, zogen zuweilen auch forscher vom Leder. Solcher Gerede aber vermag offenbar den Pilosoph nicht aus seinem Gleichmut zu bringen. Denn was bereits allgemein anerkannt würde, so argumentiert er, habe mit eigentlicher Philosophie nichts mehr gleich, da es ja dann ein allgemeines wissenschaftliches Erkennen, bindendes Gültiges, sei. Freilich dachte ich oft, mein Gott, wie schön müßte

 

/587, 588/AE 9

es sein, dem Sucher nach letzten gültigen Dingen, wahres Wissen geben zu können. Aber es ist nichts als höchstens ein Glauben an ein vermeintliches Erkennen, je nach Vorstellung des einzelnen. Glücklich ist schon derjenige zu nennen, der sich ein Weltbild zurecht bauen kann, darin aufgeht und seine innere Befriedigung aus dieser Vorstellung erhält und dieses für sich als vorläufig gültig betrachtet.

Das Suchen nach Wahrheit, daß wird ein Ende nie haben; denn nichts hat ein wahres Ende im Sein.

Würde ein Ende es geben im Sein, und wir wüßten darum, dann wären wir satt von der Wahrheit und traurig zugleich.

Und ohne dem Hunger nach der Wahrheit, würde keiner mehr suchen. Und das menschliche Leben aber, wäre um vieles noch schwerer.

 

Heute verwirft er, was gestern nach Gültigkeit hatte.

Und heutiges Erkennen, wird morgen vervollkommt.

Dies ist das Werden.

Ein Ende jedoch findet er nie auf die Frage: was ist die Wahrheit der Dinge?

 

/589/AE 10

(2)

Nicht sehr zahlreich so denke ich, sind die Fälle denen das Schicksal eine solche Konzentration des Schauerlichen vor Augen geführt hat, wie gerade mir. Und es hat mich bis jetzt obendrein all dieses als Mensch überlesen lassen.

Den Krieg mit seinem Grauenhaften und das Nachkriegsgeschehen; vor allen, dann auch die Mühen des Existenzkampfes in Übersee, weniger die physischen Belastungen durch Klima und all des Ungewohnten – dies trifft auf Tausende zu – als vielmehr die psychische Last, bedingt durch die Anonymität der Person; die Entführung aus Argentinien schließlich, und den darauf folgenden Monsterprozess gegen mich.

Ich habe mich selbst oft gefragt, wie ich dies alles habe überstehen können, ohne selbst Hand an mich zu legen, um endlich alles mit dem gnädig zudeckenden Tuch einer freiwilligen und gewollten Daseinbeendigung als Mensch, zu verhüllen.

Aber dadurch, hätte ich Schuld zugegeben, die ich nicht hatte noch habe. Und in dem Maße ich mich in die Philosophie flüchtete, wurde meine Neugierde, mein Wissenwollen, immer größer als die mich umfangen haltende augenblickliche Not; stets gewann ich sodann an Abstand von dem Leide des Alltages, und nichtig erschienen mir meine persönlichen Sorgen. Und ich erkannte, daß es für mich kein Ende gäbe und ebenso wenig ein Nichts. In fernen, fernen Endlichkeiten wird die Zeit sich wieder im Raume verlieren; aber ich weiß zugleich, daß für mich abermals neue >Zeiten< bereit sind. Und dann erkenne ich, wie die gebundene Enge des Augenblicks mich verläßt. Das Leid des Tages

 

/590/AE 11

Flieht, nur ich bleibe umstrahlt vom belebenden Glanze, mich ewig beschützender Sonnen.

 

(3)

Ich war von Kindheit an, in protestantischer Erziehung aufgewachsen. Und als ich längst schon in der SS, ja fast drei Jahre schon im Sicherheitshauptamt war, hing ich noch immer in konservativer Verharrung dem Glauben meiner Väter an.

Erst im Laufe des Jahres 1937, meldete ich aus freiem Willen und aus eigenem Antrieb, meinen austritt aus der evangelischen Kirchengemeinde, bei irgend einer Gerichtsstelle in Berlin-Neuköln an. Es waren keine politischen Überlegungen; ich konnte ganz einfach den Inhalt der Bibel nicht mehr als daß gläubig für mich betrachten, was sie vorgab vermitteln zu können, nämlich die gültige Wahrheit der letzten Dinge. Ein zürnender und rächender Gott war mir unvorstellbar geworden; solches schien mir zu menschlich, keinesfalls göttlich.

Und je mehr ich damals forochte, umso lockerer war das Gefüge, was ich bis dahin als etwas Fundamentales betrachtete. Ich glaubte zu erkennen, das daß, woran ich bis dahin glaubte, das Ergebnis der streibaren, rechthaberischen und eifernden Kirchenväter der ersten Jahrhunderte der neuen Zeitrechnung war die sich , welche jenes, welches Christentum genant ist, zurechtphilosophierten.

Sei es das Trinitätsdogma oder die Vielzahl

 

/591/AE 12

der anderen Dogmen. Sei es der Streit um die Göttlichkeits- oder Menschlichkeitsthese Christus betreffend, mit dergleichen mehr.

Auch die Luhter-Melanchthon‘sche Reformierung dieses philosophischen Gebildes fußte weitgehend auf dem Geistesgut der klassischen Philosophen des alten Griechenlands, ebenfalls vermischt mit anderen Religionsphilosophien. Und nachdem auch die evangelische Kirche kein Wissen vermitteln konnte, sondern die Seligmachung im Glauben verkündete, glaubte ich, daß es sicherer und einfacher sei, wenn ich mich küftig allein mit meinem Herrgott zusammen fände, ohne mich der Vermittlung evangelischer Pastoren zu bedienen, zumal auch sie den menschlichen Schwächen unterworfen watren, genau so, wie auch der Protestantismus selbst Menschenwerk ist.

Daran hat sich bei mir bis heute nichts geändert und wird sich nichts ändern.

Außerdem hat auch die Luther-Melanchthon‘sche Lehre genügend Unheil über die Menschen gebracht. Oder sollte ich mich irren, wenn ich z. ? die Geschichte des dreißigjährigen Krieges betrachte?

 

Als ich während des Prozesses gegen mich in Jerusalem vereidigt wrude – als Zeuge in eigener Sache – sollte ich nach üblicher Gepflogenheit, mit der Hand auf die Bibel den Eid leitsten. Meiner Überzeugung gemäß erklärte ich, daß ich auf die Bibel nicht schwören werden, sondern bei Gott, denn ich sei gottgläubig;

 

/592/AE 13

Dieses stimmt, denn das bin ich. Aber ich vermag nicht zu personifizieren. Ich glaube an eine allwaltende und allmächtige Schöpfungskraft, Lenker dessen was war, was ist und was kommt. An „das Gott“! Und ich der Mensch, bin gemäß dessen Wollen und dessen Toleranz ein Mitfließendes im Fließen des Werdens, in unserem Sein.

--

Ich bekam von einem protestantischen Pastor i.R., Paul Achenbach einen Brief, den er am 11. September 1961 schrieb. Er lautet u.a.:

 

„An den Angeklagten Eichmann, z.Zt. Israel.

 

… Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß Ihre Auffindung in der weiten Welt für Sie persönlich zugleich Gottes Gericht, aber wenn es zu einem Schuldbekenntnis käme, auch Gottes Gnade bedeuten könnte.

… Ihre moralische Schuld haben Sie, soweit ich sehe, nicht geleugnet. Sie suchten dieselbe aber wohl zu verkleinern.

… Wenn ich mich jetzt mühe, Ihnen innerlich ein weinig weiterzuhelfen, dann tue ich das, im Angesicht der Ewigkeit, vor der sie stehen.

… Ein offenes, wahrhaftes, aufrichtiges, alles umfassendes Geständnis vor Menschen, wird auch von Gott in der oberen Welt aufgenommen. Ein solches kann nicht nur für Sie, sondern auch für unser unter Gottesgericht stehendes zweigeteiltes deutsches Volk, ungeahnte Auswirkungen haben – im Blick auf Begnadigung von Gott her.“ (175)

 

/593/AE 14

Des weiteren spricht der Schreiber von einer Studienreise, die ihn nach Israel führte, von seinem Besuch im Gerichtssaal während des Prozesses gegen mich, vom „jüngsten Gericht“ und vom Teufel als Ankläger und anderes mehr.

 

Ich habe darauf folgendes zu sagen:

 

„An den Pfarrer Achenbach, z.Zt. Bad Krozingen.

 

1.)    Ich wüßte nicht, daß ich Sie darum gebeten hätte, sich meinethalben abzumühen.

2.)     Ihr versuchter Druck auf mich, meinerseits Schuld zuzugeben (worum Sie den Inhalt Ihres Briefes nach zweifellos die rechtliche Schuld meinen, da Sie an anderer Stelle, von moralischer Schuld sprechen), wo solche nicht vorliegt, weise ich als eine namaßende Nötigung Ihrerseits, zurück.

3.)     Ich darf Sie sowohl auf mein Schlußwort, als auch auf das Kreuverhör meines Verteidigers, im Falle des Zeugen der isra ë lischen Anklage, des evangelischen Probstes zu Berlin, Grüber, hinweisen.

4.)     Ich empfehle Ihnen ein eingehendes, einschlägiges Quellenstudium, eher Sie predigend Ihren Mund zur Nötigung öffnen. Ich fürchte, daß sonst Ihr „Teufel“ am „Jüngsten Tage“ sich darüber freuen könnte, daß Sie sich wegen versuchter Verleitung eines Angeklagten zu falscher Aussage, schuldig gemacht haben.

5.)     Ihre inquisitorischen Eigenschaften, sind mir nichts Neues, wenngleich ich wahrheitshalber

 

/594/AE 15

Feststellen muß, daß gottlob nicht alle protestantischen Geistlichen so sind, wie Sie, wo keine rechtliche Schuld vorliegt, laße ich /2 Zeilen gestrichen, unleserlich/ mich auch durch Sie nicht dazu zwingen, solche zuzugeben, nur wenn es Ihnen so paßt.“

 

(4)

Ich sagte, daß ich freiwillig zur SS gestoßen sei. Dies stimmt auch. Und die Gründe die mich bewogen, nannte ich schon.

Welch eine Fülle innerer Kämpfe standen mir noch bevor. Ich konnte es auch nicht annähernd ahnen. Einem Schwimmer war ich vergleichlich, der in ein Tang- und Schlingpflanzengewässer gerät und nunmehr bestrebt ist, herauszukommen aus diesem Durcheinander, um wieder klare Wasserbahn zu gewinnen.

Das Gewässer war – zum Vergleich – für mich die SS; das Durcheinander in daß ich geriet, war jenes Konglomerat, welches die damalige >Weltanschauung< in Wirklichkeit bildete. Da die Grenzen des Gedanklichen dieser Anschauung ich möchte einmal sagen, auch mit den Grenzen und Interessen des >Reiches< endeten, würde man diese trefender und genauer mit >Reichsanschauung< zu bezeichnen heben.

Und hätte ich in jener Zeit den Rat meines Religionslehrers befolgt und in diesem Gedanken-Durcheinander, zum Zwecke der Gewinnung einer freien Gedandenbahn, Kant‘sche Erkenntnisse weiter bedacht, wer weiß, wie sich meine innere Konfliktstellung ausgewirkt hätte. Ich weiß, es ist müßig mit >hätte< und >wenn< zu bedenken, denn Tatsache ist, ich tat es ja nicht. Eine Weile versuchte ich noch, Kant‘sches Fordern meiner damaligen national-

 

/595/AE 16

Sozialistischen Überzeugung anzupassen, und ich muß sagen, es ging eine zeitlang recht gut. Freilich immer nur in dem bescheidenen Rahmen des auffassenden Vermögens meines Gehirnes.

Dann aber kam der Augenblick, wo es zum Sprung kam und jegliches Einpassenwollen vergeblich war; jene Zeit, wo selbst ein wenig Sophisterei, deren ich mich – wie könnte ich es leugnen – zur abrundung des Ganzen oftmals bediente, hier nicht mehr half.

Es waren die Zeiten, in denen mein Chef mich als Berichterstatter zu den verschiedenen Tötungsstellen befahl.

Ich aber ließ es, dies muß ich sagen, in der Folgezeit an jener Gesinnungsethik fehlen, die man füglich von einem Menschen hätte erwarten können, der sich mit solchen Gedankengängen überhaupt schon befaßte. Aber, es ist nachher stets leicht zu reden und zu rechten, denn da waren es auf der anderen Seite auch wiederum äußere Bande, denen ich mich zu unterwerfen hatte. Denn abgesehen vom Eid, den ich getreu zu erfüllen bestrebt war, hatte mich meine zuständige Behörde nach meiner Versetzung im Spätherbst 1939, über das Wehrmeldeamt zur Kriegsdienstleistung bei der Geheimen Staatspolizei verpflichten lassen.

Einer solchen Verpflichtung hatte ich mich zu beugen, denn solches war damals, - wie heute in ähnlichen Fällen, - gültiges Gesetz, dem der einzelne sich auf legalem Wege nicht zu entziehen vermochte.

 

/596/AE 17

Aber wie sah nun mein Schlingpflanzengewässer, das damalige Konglomerat meiner Anschauungen, mit dem ich mich abplagen mußte innen, aus. Ein Schuß nationaler Egoismus, verment noch mit Selbstsucht. Dazu kam etwas romantischer Idealismus, auch fehlte zuweilen ein wenig vernünftige, nüchterne Sachlichkeit nicht, um die Dinge gegenständlich zu sehen. Im übrigen ging sie bald auf, im kollektivistischen Denken und noch vorhandene individualistische Tendenzen wurden diesem, gemäß dem geschworenen Gehorsam, nach und nach geopfert. Die Unvernunft der Staatsführung sah ich zuweilen, wenn sie ihre besonderen Blüten trieb und flüchtete mich, weil ich mit meinem Idealismus nicht mehr weiter kam, endlich und letztlich in einen materillen Naturalismus hinein. Die Grundtendenz aber wurde trotz allem stets pessimistischer. Meine persönlichen Lebensanschauungen dievergierten zwar mit einem Teil der gepredigten offiziellen >Weltanschauung<, aber allmälig nahm ich so ziemlich dann alles vorläufig einmal in mir auf, was sich so bot. Freilich, eine bedingungslose innere Aufnahmebereitschaft und ein fanatisches Wollen für alle nationalsozialistischen Ziele konnte ich nicht aufbringen, denn dazu reichte es in einem Herzen voll Zweifel, wohl nie.

Meine klare innere Anfangslinie nach meinem Kirchenaustritt konnte ich nicht mehr in ihren Konsequenzen weiter verfolgen. Ich arbeitete zwar in mir und an mir, wie der „Schopenhauer‘sche Bergsteiger“, der den ungesicherten Berpfad ohne Bergführer erarbeitet, dafür aber das Gefühl der Freiheit bekäme. Und es ist sicher, daß es mir in normalen Zeiten gelungen wäre,

 

/597, 598/AE 18

hier auch die von mir stets erstrebte, ausgeglichene innere Ruhe und Sicherheit zu erlangen.

Aber ich war in eine außergewöhnliche Zeit und in außergewöhnliche Umstände hineingestellt worden, wofür bisher Gültiges und Praktiziertes nicht nicht erprobt war.

Meine persönliche Arbeit an mir, wurde überlagert und verdrängt durch totale staatliche Maßnahmen von einer Art die ich verwarf, und denen ich selbst, gegen meinen Willen, unterworfen war. So kam es zur Spaltung zwischen meinem inneren Ich, mit dem ich nur noch zu einem kleinen Teil meiner Führung dienlich war, und zu meinem äußeren Ich, welches ich fast gänzlich der Führung hingab, denn es war Krieg. Ich trieb eine Art gewollte und bewußte Schizophrenie.

 

Dieses Gespaltensein wurde ausgelöst durch mein Nichtverstehenkönnen, im Hinblick auf die Art der Behandlung von unbescholtenen Zivilisten durch die damalige deutsche Staatsführung, ihre Anmaßung gegenüber den Zivilisten ausländischer Staatsangehörigkeit in sonderhordt, und danach das Nicht mehr mit kommen können bezüglich staatslicherseits befohlenen Massenmordes an den Juden.

 

Da ich jedoch damit nicht direkt befaßt war und mein Handeln an der Mitwirkung der Deportation weder meinem Willen entsprach, noch von mir aus abgestellt werden konnte, ich solches überhaupt nicht einmal zu beeinflußen vermochte, lagen meine Hemmungen, der Hauptsache nich bei meinem inneren Ich.

 

Mein äußerer Mensch, zwar ohnedies gebunden, gehorchte eidgetreu der Staatsführung, denn Deutschlands Feinde hatten sich, so wurde es uns gepredigt und wir sahen es auch, zum Ziel gesetzt, mein Vaterland zu vernichten. Und gemäß meiner damaligen Auffassung über Fahnen- und Diensteid, kam für mich nur der legale Weg im Hinblick auf Änderung meiner Kriegsdienstverwendung in Frage. Denn der Vernichtungswille unserer damaligen Feinde, appelierte auch trotz der Tollheiten der eigenen Staatsführung, an mein damaliges vaterländisches Gewissen.

Der Fehler, abgesehen vom grundsätzlichen, war, daß mich meine damalige Führung an einen für mich vollen ungeeigneten Platz stellte, den ich von mir aus nicht zu wechseln vermochte, es sei denn, über den Weg der Desertation. Den Weg aber lahnte ich ab.

 

Dies alles aber schuf in mir eine innere Zerrissenheit; das gerade Gegenteilige von dem, was ich als Gleichwertig, ja besser noch als den verlorenen Jugendglauben, fast schon vermeinte, mir erarbeitet zu haben.

Dieses Vermeinen lag in den Jahren 1937 bis Ende 1939-

Aber ab dieser Zeit sank die Kurve der inneren ruhe sehr steil nach abwärts. Und wäre ich um diese Zeit noch in einer Kirchengemeinschaft gewesen, so hätte auch diese an meinem inneren Zustande nicht zu ändern vermocht, noch an meiner äußeren Bedingung.

Es war die Zeit nach dem ich zum Geheimen Staatspolizeiamt versetzt wurde.

 

/599/AE 19

Dabei hatte ich noch nicht einmal mit jenen charakterlichen Hemmblöcken zu kämpfen, wie Neid, Habgier, Grausamkeit, Haß oder Rache. Davor war ich dank meiner Jugenderziehung und dank der Tatsache, daß ich die Arbeit an mit selbst, zu keiner Zeit gänzlich aufgab, gefeit.

Dafür aber sah ich den Tod an allen Ecken und Enden jetzt, in seinen furchtbaren Formen.

Die einzige Erkenntnis, die ich auf Schritt und Tritt in jener Zeit bestätigt fand war, daß die Welt, in der ich als Erscheinungsform Mensch zu leben hatte, nie und nimmer die beste, sondern nur die allerschlechteste sein mußte, die man sich denken konnte.

Ich hielt das Menschsein für sinnlos, denn so sehr ich auch forschte, ich konnte bei dieser Massenvernichtung der Menschen, auf Freund und auf Feinseite keinen höheren Sinn im Walten der Natur mehr erkennen; ja nicht einmal eine ganz gewöhnliche Nebenabsicht vermochte ich zu erdenken.

Und im Stillen beneidete ich die Träger des gelben Budha-Gewandes, denn dieser versuchten aus der pessimistischen Einstellung zu den „Dingen der Welt“, für sich wenigstens noch das Beste herauszuholen, und taten solches offensichtlich – im Gegensatz zu mir – mit Erfolg.

Und wenn ich alles so recht bedachte, was hatte ich noch einige Jahre vorher, für ein sonniges, frohes Gemüt; unbeschwert, optimistisch, ohne irgendwelche Konflikte, --

Meine harmonische Ausgeglichenheit wich

 

/600/AE 20

In zunehmeden Maße der Disharmonie einer inneren Verkrampfung und mir blieb als einziger eruhigender Trost, daß andere, mir noch bevorstehende Welten, auf keinem Falle schlechter sein können, als die von mir jetzt als Mensch zu Durchstehende; eine Welt der aufgezwungenen Komplexe. Aller Voraussicht nach aber – so überlegte ich weiter – weil sich höheres Schöpfungswalten nicht im Negativen verlieren könne, müßten nach meiner Erkenntnis, kommende Lebenswelten daher zwangsläufig bessere sein; denn von allem organischen Leben ist mir keines bekannt, daß vorsätzlich Schlechtes, statt Gutes setzt; ausgenommen der

Mensch. –

Beweisen freilich konnte dieses – mit den guten und schlechten Welten – niemand, aber trostreich war‘s doch. (Und zu meinem Pessimismus gesellte sich während des Krieges ein gehöriger Schuß Fatalismus; welch letzteren ich bis heute nicht abstreifte). Solches ergab dann für mich immerhin einigen Hoffnungsschimmer. Und so sher war ich von solchen Gedanken verhaftet, daß ich für meine Person beispielsweise nur dann während der Bomebenangriffe den befohlenen Unterstaand aufsuchte, wenn ich mich dem, aus Gründen der Disziplin nicht glaubte entziehen zu können.

 

(5)   

Mein Egoismus und meine Selbstsucht, galten in ihrer eigentlichen Bezogenheit und in bewußter Hinsicht zum weitaus übrwiegenden Teile meinem Volk und meinem Vaterland. Es war richtiger gesagt, nationaler Egoismus.

Die Initialzündung hieß „Versailles“; daran läßt

 

/601/AE 21

Sich nichts ändern. Dieser einmal in Umlauf gekommene Motor, wurde durch meine Umgebung weiter angetrieben. Meine haltungsmäßige Einstellung zum Nationalsozialismus, volk und Staat, wurde aus der Situation heraus geformt, die mich umgab.

Die weitere Formung meines Verhältnisses des „Ich“ zum „Reich“, verlief ab nun in jenem Bereich, indem nach und nach der nationale Stelbsterhaltungsgedanke die Dominante spielte, und der letztlich in der gepredigten These: „Recht ist, was dem Volke nützt“, gipfelte.

 

Selbstsucht leitet den Menschen als einer seiner Haupttriebe, denen er unterworfen ist, von Anfang an. Seit jenen fernen Zeiten, da er als Einzelgänger noch, oder schon Hordenweise, persönlichen Krief und Kampf gegen alles zu führen hatte, um überhaupt sein Leben behalten zu können.

Später, viel später vereinigten sich dan die Menschen teils unter Druck, teils ohne solchen zu einer Gemeinschaft, zum Staat. Sie leisteten dem Stammes- oder Staatsführer Gehorsam; in diesem Kollektiv wurde ihnen ihre Existenz offenbar besser garantiert, als sie solches früher je schaffen konnten. Was das Oberhaupt ihres Gemeinschaftswesen für richtig hieß, war füglich gut, alles andere war schlecht. An dieser Einstellung hat sich bei den verschiedenen Formen des menschlichen Gemeinschaftslebens bis heute im Wesentlichen nichts geändert.

- „ -

 

/602/AE 22

(6)

Die Untergangsprophezeihungen des eigenen Volkes bei nichterfüllter Pflicht, welche von der Staatsführung propagandistisch ausgestreut wurden, glaubte man; auch ich glaubte sie. Und so unrichtig war sie im übrigen auch gar nicht.

Stelbstverständlich wollte auch ich die Unrechtbeseitigung von Versailles; wollte die Beseitigung der vielen katasrophalen Folgen dieses Diktates. Ich gehörte auch zu jenen, die ein großes und freies und starkes Reich erhofften und ersehnten. Dessentwegen hatte ja auch ich damals alle meine Lebensbequemlichkeiten, denen ich nachhängenkonnte aufgegeben. Und ich war der Meinung, daß ein starkes Reich, mit einem geeinten Volk alleine schon die Garanten dafür wären, daß diesem Volk und Reich gegenüber, dann ein anderer als der „Versailler-Respekt“, an den Tag gelegt worden wäre.

Aber durch die Nichtachtung alles Nichtnationalsozialistischen, in dem Zertreten jedes anderen Willens und Wollens durch den Unduldsamkeitsfaktor der nationalsozialistischen Reichsregierung, eine Tatsache die ebenso bedauerlich wie schmerzlich ist, entstanden in der Folgezeit notwendigerweise die Komplikationen und Katastrophen, deren Traurigkeit wohl in ihrer Größe, bisher einmalig in der Geschichte dastehen.

Ich glaube, es gab nur wenige, welche der Meinung gewesen waren, die Parolen und Drohungen der Kampfzeitredner, würden nach der Machtergreifung, zur Wirklichkeit werden. Vielmehr

 

/603, 604/AE 23

dachten doch alle, daß die von der Führung nach der Revolution versprochene Evolution , für bare Münze zu nehmen sei. Und daß dann ein friedliches Nebeneinanderregieren im Kreise der europäischen Völkerfamilie anheben würde, nachdem die Einsicht der anderen Seite, zu Konzessionen deutscherseits führen werde, womit dann im Laufe der Verhandlungen alle schwebenden Probleme, auf dem Verwaltungswege ihre Erledigung finden würden.

Ein „tanzender Kongress“ sollte fröhliche Urständ feiern.

Aber leider zeigte sich hier die unvernünftige Intoleranz, gepaart mit machthungrigem Ehrgeiz seitens der Führungsspitzen des Reiches. Dies ist eine Tatsache, die nicht zu umgehen ist. Ihr Vorgehen war vergleichlich, den mächtigen Volksbeherrschern der alten und teilweise nicht mittleren Zeiten. Sie bedachten dabei aber nicht genugsam, die mittlerweile außerordentlich fein verästelten Bindungen und Beziehungen in kultureller, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, welche das Leben der Völkerfamilien untereinander regelten und von denen sie abhängig waren; und daß hier eine jede Störung dieser empfindlichen Maschinerie zu Konflikten führen mußte. Vielmehr waren sie von ihrer Macht dämonisch besessen und nicht achtend, das besonders gefühlsgebundenem Denken unserer Zeit. Sie waren stehen geblieben, ja sie schraubten wieder zurück, in das absolutistische Denken der „Herrenmoral“.

Es waren rückläufig betrachtet, ohne jede zwingende Notwendigkeit, Hasardeure, die da leichtfertig

 

/605/AE 24

Glück und Freiheit der Natinen in ihnr Spiel warfen. Ich sage rückläufig betrachtet, denn mein damaliges Eigenurteil war zufolge meiner untergeordneten Stellung welche ich in der Hierachie, bekleidetet, ein recht beschränktes.

An Informationsmaterial stand mir freilich mehr zur Verfügung, als den damaligen Durchschnittszeitgenossen, aber Kontakt mit den hohen Führungsstellen hatte auch ich keinen. Meine persönliche Meinung war uninteressant und ist es bis zum Mai 1945 geblieben.

Daß ich zu einem unbedingten Bejaher zu allen Maßnahmen der ehemaligen Reichsregierung geworden wäre, dies erlaubte mit der von mir gepflegte Rest, des über alles hinüber geretteten romantischen Idealismus nicht. Ehner ich mit dem Nationalsozialismus Bekanntschaft machte, war dieser der mich ausfüllende Hang; ja noch mehr, er gab mir jenes Gefühl, welches in mir freudhafte Glücksvorstellungen hervorzuzaubern in der Lage war. Es hatte nichts zu tun mit der Burschenschaftsromantik. Eher noch möchte ich ihn als einen primitiven romantischen Idealismus bezeichnen; ein Zustand, in dem ich mich der Naturschwärmerei, ohne Grenzen und Zügel, frei hingeben konnte und in ihm ein wunderbares Gefühl der inneren Ruhe erlangte. Und ich schäme mich selbst nicht einer Umdrehung der Worte, wenn ich sage, ich hatte den romantischen Idealismus eines Primitiven. Denn ich war damals

 

/606/AE 25

Jedenfalls unverbildeter und glücklicher daran, als später, wo ich mich im Sumpfe der inneren Unfreiheit befand und mich mit einem halben Dutzend und mehr der verschiedenen Anschauungen herumzuschlagen hatte.

In die Reste dieser schönen Erlebniswelt, konnte ich mich dann flüchten und tat es zuweilen auch, wenn ich mich hinten und vorne, nicht mehr auszukennen glaubte, und mit nichts mehr zurecht kam. Es war eine Art Medizinschrank, den ich mir hielt. Und ein Adalbert Stifter und Peter Rosegger, bereiteten mir Genuß. Während all der Jahre in Berlin lag auf dem Schreibtisch meines Privatzimmers, Roseggers reizende Gebirgsheiligenabendbeschreibung „Als ich noch ein Waldbauernbub war“. Ich habe sie oft und oft gelesen. Ein völlig anspruchsloses Geschichtchen, aber sollte jemand mit Nein-, Habgier- oder Machtgedanken liebäugeln, dann lese er diese Erzählung; bedachtsam und mit der Ruhe des Bergbauern.

Die jungfräuliche Schönheit des Böhmerwaldes, die wohltuende Stille des Alleinseins in der Welt der Gebirge und die von mir in diese Bereiche hineingelegten und hineingedachten Überlegungen und Vorstellungen über das Werden des Seins im Laufe der Zeiten, und meine eigenen Beziehungen zu diesem Werden, ließen mich mit dem Versenken in diese Welt, alle Doktrinen und mich verdrießendes Gegenwartsgeschehen vergessen.

Selbst heute noch, im Gefängnis zu Israël

 

/607/ AE 26

Greife ich zu dieser erprobten Methode zurück; denn das Gefangensein und Gefangenendasein, bringt nun einmal eine solche Fülle von Ungelegenheiten mit sich, daß ich schon oft und oft dem Tag nach der Nacht grau war, der mich ihm auf‘s neue erleben ließ.

Es gibt keinen Zweifel, daß der Tod besser ist, als die Gefangeschaft, aber der Mensch tut gut daran, seinem Schicksal nicht auszuweichen. Und jedenfalls sind die Kräfte aus diesen herrlichen Vorstellungswelten jeweils stark genug gewesen, mich stets noch „auf andere Gedanken zu bringen“. Aber ich will ja jetzt nicht von meinen gegenwärtigen Gefühlen sprechen, sondern mich in die vergangene Zeit zurück zu versetzen suchen. –

Daß ich solche „Ausflüge“, zur inneren Ruheherstellung, zur inneren Gleichgewichtshaltung benötigte, war sicherlich ein Zeichen, daß da etwas nicht in Ordnung war. Dieses ist sicher. Aber ich konnte daran nichts ändern, denn ich war weder Ursache, noch Wirkung; auch ich war zum Spielball der Zustände geworden. Ich mußte ja selbst oft gegen mein Wollen, gegen meinen Willen gehorchen.

Die meisten der Befehlsempfänger von damals sagten sich – wenn es wieder einmal gegen ihren Strich ging – „Ach was, habe der Teufel den Satansbraten; ich habe meinen Dienst zu schieben und hinter mir die Sintflut“. Ich will offen genug sein und zugeben, daß auch ich mich mehr als einmal, hinter dieser Beruhigung auslösen sollenden Pille verschanzte. Nur, es war ohne jede innere Wirkung.

 

/608/ AE 27

Daher verlor ich mich lieber in meine zwar stets konfuser werdenden Betrachtungen. Freilich hatte er etwas für sich, der Standpunkt der Realisten, denn er nahm die Dinge eben entgegen, wie sie sich ihm boten. Ich verfügte aber nicht über die Robustizität des Gefühls, welche dazu vonnöten gewesen wäre. Natürlich konnte auch ich aus meinen schwärmereischen Liebhabereien beraustreten in die Wirklichkeit, auch ich konnte meine tausend Bedenken einmal verlassen und dann zweifelsohne manche Fortschritte feststellen. Es gab da zum Beispiel keine Arbeitslose mehr. Es wurden Werte geschaffen in baulicher Hinsicht; auf dem Gebeite der Produktion, welche wieder angekurbelt war, ob die Art der Arbeit und die Vehemenz mit der sie vorwärts getrieben wurde, im Hinblick auf die Mißtrauenssteigerung, den Neid und die Habgier des Auslandes, vom Vernunftstandpunkt aus diktiert wurde, dieses konnte ich damals nicht beurteilen, denn daran dachte ich nicht einmal. Heute muß ich solches füglich bezweifeln. Wenngleich es ja eigentlich eine innerdeutsche Angelegenheit war und auch geblieben wäre, hätte unsere damalige Führung nicht in ihrer Unvernunft ihren „Justamentstandpunkt“ derart säbelrasselnd vertreten; ein Unterfangen, welches unsere Nachbaren kopfstutzig machen mußte. Die Behandlung der Judenfrage, durch die damalige deutsche

/609/ AE 28

Regierung tat ein übriges, um Abkapselung und den Boykott gegen Deutschland zu festigen.

Und Anfangserfolge verführten die Spitzen des Reiches, zu leichtfertigem und unüberlegtem Tun, präsentiert in immer neuen Forderungen. Gleichwohl mußte endlich auch nach Danzig vom Zaune gebrochen werden. Und diese Stadt sollte zum Schicksal Deutschland und seines Volkes werden.

Schuld an dem ganzen unheilvollen Entwicklungsprozess hatte aber nicht nur die damalige politische Führung, wenngleich sie die entscheidende Verantwortung trug, sondern auch die deutsche Hochfinanz jener Zeit. Sie schürte und trieb genau so, wie die internationale Hochfinanz, dieses steht außer Zweifel.

 

(7)

Nun, wie die Dinge einmal lagen, gab es vieles, zu dem man bejahend stehen konnte; aber mindestens ebenso vieles geschah, wo einem Menschen wie mir, nur das Eintauchen in andere Welten, die Flucht aus dem Alltag ernöglichte. Dieses ewige Suchen und Dochnichtfinden, zerriß mich mehr, als ich mir davon Erleichterung erhoffen konnte. Und der Schluß: nachdem ich doch nicht entscheiden konnte, dann ganz „untertauchen“, im kollektivistischen denken. Im Denken nit der Masse. Die

 

/610/ AE 29

Masse war für mich damals die SS. Sie war ferner die gesante NSDAP und will man weitergehen, der Großteil des deutschen Volkes, daß ja im Wesentlichen auch nicht gefragt wurde, und nicht anordnete, und auch nichts abstellen konnte.

Hier im Kollektiv war die Gelegenheit, als Einzelpersönlichkeit zu verschwinden und sich ideologisch gleichzufühlen mit dem Massendenken. Ich fühlte mich nicht unwohl bei diesem Gedanken, denn es lag mir ohnedies, - zu keinem Zeitpunkt meines Lebens, von mir aus ein höheres Maß an Verantwortung zu übernehmen, als ich ein solches zur Existenz meiner Familiie glaubte übernehmen zu müßen. Darüber hinaus aber kein Quäntchen mehr.

Mit irgendwelchem Ehrgeiz oder gar Machthunger war ich nicht ausgestattet. Möglich, daß ich daher auch meistenteils mit allen Kollegen, Kameraden und Vorgesetzten, gut auskam; denn ich war im ihren persönlichen Ambitionen zu keiner Zeit je ein Hindernis gewesen. Möglich, daß ich dieserhalb schließlich auch vier Jahre lang auf meinem Oberstleutnant sitzen blieb, während Kameraden, mit denen ich lange Zeit gleichrangig war, inzwischen zu Generalen befördert wurden.

Möglich, daß ich aus diesem Grunde auch mit dem jüdischen Funktionären, mit denen ich zu tun hatte, gut auskam und

 

/611, 612/ AE 30

sie mit mir.

Ich sage „möglich“, denn wissen tu ich gar nichts.

Freilich das Kollektiv war nichts anderes als ein militärisch durchgegliedertes Instrument; mehr oder weniger scheint straffste Ordnung und System, allem Kollektiven eigen zu sein. Kritikloses, blindes Gehorchen, Disziplin und Opferbereitschaft. Dafür versprach das SS-Kollektiv im Frieden materiell gesehen eine Sicherung der Existenz, im Kriege den sehr möglichen Tod.

Hat man sich einmal mit dem kolletivistischen Denken abgefunden, dann ist es ein relativ bequemes Leben; ich meine jetzt weniger vom Standpunkt des leiblichen Lebens, sondern ich habe dabei das Inneleben im Auge.

Freilich verlangt ein solches Denken schließlich und endlich eine gewisse Oberflächlichkeitsbereitschaft. Der eine bringt dazu von Haus aus die Neigung mit, dem anderen wird solches, ohne daß es ihm noch recht bewußt wird, anerzogen und der dritte – ich möchte es einmal bildlich ausdrücken – flüchtet sich sogar in diese Bereitschaft hinein, weil er – egoistisch wie er nun einmal denkt – der Meinung ist, dergestalt jeder inneren persönlichen Problemstellung, mit all den zermürbenden Zweifeln, die ihn nie zur Ruhe kommen lassen wollen, entrinnen zu können. Das weltliche Kollektiv nach Art der SS, verlangte die befohlene Arbeitsleistung und die Bejahung

 

/613/ AE 31

zur „Weltanschauung des Nationalsozialismus“. Da diese aber noch etwas völlig Unausgegorenes, von allen möglichen Erkenntnissen und Vorstellungen Zusammengetragenes war, gab es eigentlich so recht auch keinerlei geistige oder „weltanschauliche“ Aufsicht, die Vertiefungen in diesem Bekennen hätte feststellen oder fördern können; die da lenkend und leiten hätte Geistesgut nach bestimmtem Plane vermitteln können. Freilichm da gab es die Ordensbürgen, auch die SS-Junkerschulen. Einmal aber waren diese Einrichtungen, zeitbedingt, auf rein kriegsmäßige Belange abgestellt und zum anderen, waren es Nachwuchsangelegenheiten. Um die Probleme der „Alten“, kümmerte sich keiner. Hätte sich schließlich und endlich auch keiner zu kümmern brauchen, da weder ich noch andere, Ammenhilfe verlangten. Aber in dem Maße, in dem die Staatsführung von der herkömmlichen Rechtsnorm – wie sie sagte nur für die Kriegsdauer – abwich und sich nachträglich dazu sogar die Genehmigung durch den Reichstag hatte geben lassen, in dem Maße, konnte der sonst keiner Ammenhilfe Bedürftige, dann sehr wohl nach einer regulierenden Aussprache Verlangen haben, besonders dann wenn er gegen seinen Willen zu einer Behörde versetzt wurde, die soche Rechtsnormab-

 

/614, 615/ AE 32

weichungen, in exekutive Bahnen zu leiten hatte.

Aber die Kardinalforderung war eine einzige und sie hieß: gehorchen.

Einjeder hat in Zeiten des Krieges irgendwie zu gehorchen, gleichgültig wo er hingestellt wird; dies ist überall so.

 

Ein Loslösen aus diesem Kollektiv, so etwa wie seinerzeit aus dem Kirchenverband, solches gab es jetzt nicht mehr. Ich hätte es jedenfalls auch solange nicht getan, als Feinde mein Vaterland kämpfend bedrohten. Das einzige war ich tat, waren meine Bemühungen, an einer anderen Stelle des Kollektivs eingesetzt zu werden. Etwa an der Front oder wenigstens in der allgemeinen Polizeiverwaltung. Es war zwar ein Kollektiv, aufgebaut auf dem „Führerprinzip“. Aber das verpflichtende sture Gehorchenmüssen in allen Dingen und das Warten auf die jeweiligen Befehle und Anordnungen, nahm jeden Persönlichkeitswert, beziehungsweise ließen ihn einmal zufolge des Zwanges und im Verlaufe der Gewohnheeit, unter dem Einfluß des Trägheitsgesetzes, zur Verdrängung gelangen.

Mir war es recht so, denn nun ich ohnedies nicht mehr Herr meines Willens war, bedeutete soches für mich die einzige Zufluchtsmöglichkeit um den ohnhin fruchtlosen Problem- und Komplexlösungsversuchen, aus dem Wege zu gehen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß wenn man schon in einem grausamen Gegenwartsgeschehen schicksalsbedingt leben muß, und nicht recht

 

/616/ AE 33

Regulator sein kann,sondern Regulierter ist, dann die kollektive Einordnung immer nich leichter zu ertragen ist, da anders das Einzelwesen mit „sich und den Schwierigkeiten“, überhaupt nicht mehr fertig werden kann. Freilich erfährt das individuelle Denken eine Zurücksetzung zugunsten des Gruppenbewußtseins, dieses aber ist in Zeiten des Krieges, für den sensiblen geist eher von Vorteil, weil ihm Denkvernachlässigung und Verantwortungsaufteilung, vor der Wucht des seelischen Druckes einen gewissen Schutz bietet.

Das Kollektivumfangene Bewußtsein, eingespannt in Forderungen und Befehlen verliert zwar an Persönlichkeitswerten, aber auf diese verzichtet der einzelne oft ohnedies mit tausend Freuden, denn nur im Fortfall all der vielen seelisch beslatenden Punkte, kann das Individuum überhaupt noch bestehen. Es sei denn, es hadele sich um Menschen denen ein Abweichen von der Rechtsnorm, häheren Sinn, oder überhaupt nur einen Sinn oder irgend eine Verpflichtung bedeuten würde. Solche aber glaube ich, sind doch nur in einer verschwindenden Minorität vorhanden.

Ich fand aber das Kollektivverhaftetsein in Anbetracht der Umstände und Zustände noch als das einzig Lindernde und nahm daher alle kollektivbedingten Nachteile in Kauf. Es ging mir so, wie dem im technischen Kollektiv lebenden Zeitgenossen,

 

/617/ AE 34

dem das elektrische Licht plötzlich ausgeht. Solch ein in der Masse Verhafteter stellt dann lediglich fest, ob es nur bei ihm alleine ausging, oder ob er dasselbe im Nachbarhause auch feststellen kann. Ist er nicht alleine das Opfer der Verdunkelung, dann wird er zwar murrend und schimpfend feststellen, daß diese ewigen Störungen eine eminente Schweinerei seien, er wird sich aber schließlich resignierend in sein Schicksal fügen, in der Überlegung, daß er soch machtlos ist und als Einzelmensch nichts mit Erfolg dagegen unternehmen kann. Er wird sich auch erkundigen, warum dieses notwendig sei, oder wieso es entstehen konnte; ja er wird unter Umständen Vorschläge machen, wie solch Unliebsames, künftig in Fortfall kommen könnte, er wird auf den Schaden hinweisen, der durch solche Maßnahmen entsteht, und was dergleichen noch mehr sein mag. Das Resultat solcher Bemühungen, hat man bei seinem zuständigen Elektrizitätswerk ja mehr als einmal gesehen.

Da könnte man nun einwenden, schön, dann trete ich aus diesem technischen Kollektiv aus, kaufe mir eine Petroleumlampe und bin frei. Bescheidener zwar, aber dafür unabhängig.

Ja, in normalen Zeiten ist solches ganz schön und gut. Aber in Kriegszeiten gibt es eben weder Petroleum noch Kerzen, in den Städten; und der eventuellen Absicht, seinen

 

/618/ AE 35

Wohnsitz auf das Land zu verlegen, um freier leben zu können, ist ebenfalls ein Riegel vorgeschoben, durch eine mehr oder weniger straffe Einschränkung der Freizügigkeit für jedermann, für die Dauer des Krieges.

Nun, es gab auch einige wenige, die warfen den Laden hin und machten überhaupt nicht mehr mit; sie stellten sich gegen das System. Die Folgen sind ja bekannt; das Ergebnis ebenso.

Während meiner SD-Hauptamtzeit bis 1938 fiel mir öfter Freimaurerliteratur über Giordano Bruno, dem ehemaligen Dominikanermönch, der im Jahre 1600 wegen Ketzerei den Scheiterhaufen besteigen mußte, in die Hände. Seine pantheïstische Lehre widersprach den Prinzipien der damaligen Kirche.

Abgesehen davon, daß ich kein „Giordano Bruno“ war, hätte eine allfällige öffentliche Opposition meinerseits, - etwa gegen die Art der Lösung der Judenfrage, - das gleiche Ergebnis insoferne gezeitigt, als ich verschwunden und unschädlich gemacht worden wäre; ein anderer Befehlsempfänger wäre an meine Stelle gerückt.

Es ist natürlich heute ein leichtes Reden, „der Mensch ist stets Herr seines Willens; Wahrung der Persönlichkeitswerte; etwas Gesinnungsethik“ und dergleichen mehr. Auch mir schwebte einmal die Freiheit des Individuums vor; auch ich stand einmal gegen jede geistige Versklavung. In Wunsch- und Tagträumen

 

/619, 620/ AE 36

Konnte ich mich zeitweilig daran berauschen. Aber dann mußte ich erkennen und konnte sagen, versuche es einmal jemand in der Praxis. In Mitten eines mörderischen Krieges, unter einer totalitären Staatsführung als Befehlsempfänger.

Welch ein Unterschied ist hier zwischen Theorie und Praxis. /19 Zeilen gestrichen, unleserlich/ Das willensmäßige Wollen des Einzelnen, nämlich die Verwirklichung des in ihm seienden Sittengesetzes, stößt bei dem Versuch der praktischen Anwendung, in Konsequenz des Erkennens, auf eine unüberwindliche Mauer. Denn durch Umkehrung der Werte seitens der Staatsführung, wurde das Umkerungsergebnis zum neuen, „sittlichen Gebot“ erhoben. Was aber ist sittliches Gebot, wenn es durch die Staatsführung zu etwas Variabelen gemacht werden kann, und den politischen Wünschen der Staatsführung untergeordnet wird, statt daß es umgekehrt wäre und die Führung des Staates sich diesem Gebot unterwerfe

Was also ist Recht?

/Die Staatsführung zwingt seine Exekutive, das Einzelwesen zu vergewaltigen. Und welchen wesentlichen Schutz hätte der Befehlsempfänger, wenn er gemäß seinem Gewissen überhaupt handeln könnte. Und was noch wichtiger, welchen praktischen Erfolg hat das Wollen des einzelnen Befehlsempfängers, wenn er nach seinem Gewissen nicht handeln kann, da die Staatsführung pare gebietet. Was nützt bloße Erkenntnis und der Wille allein, wenn die Tat keine Wirkung zeigt? – gestrichen/ Und niemand kann sagen, daß solches nur in totalitären Staaten geschehe. Auch die westliche Hemispäre lieferte und liefert Beispiele genug.

--

 

/621/ AE 37

(8)

Kaum aus anderen Gebieten bezieht der nicht an Konfessionen Gebundene, soviel ihn befriedigendes Material gegen Willkär, Unvernunft und Abweichungsbestrebungen von der Gesetzesnorm, wie gerade aus dem Gebiete des materiellen Naturalismus, wenn er die Dinge von einer höheren Warte aus besieht.

 

Der Blut- und Bodengedanke, das Weiterleben im Blute der Nachkommen,das Geborgensein im Schoße der Sippe, sind solange keine schlechten Gedanken, solange sie nicht von Überheblichkeitsvorstellungen begleitet sein. Aber trotzdem können auch sie den geist, der mehr wissen will, der suchend weiter treibt, nicht befriedigen; ich sagte schon einmal, es sind Werte innerhalb des Geviertes der Grenzen des Reiches, Gültigkeit habend. Fragestellungen Logos und Leben im Sinne einer allwltenden Ordnung, und damit solche nach dem höheren Sinn allen organischen Lebens überhaupt, finden damit keine Beantwortung. Es sei denn mit Sophisterei; damit kann ich ja schließlich sehr vieles beantworten; aber es kommt dann oft einem Trugschluß recht nahe, wenn es nicht solch einer ist. Als kleinliche, menschliche Torheit muß der im materiellen Naturalismus auch nur kurz und flüchitg   Hineinsehende, beispielsweise alle Rassenvorurteile und Rassendiskriminierungen bezeichnen.

Man frug mich einmal während des Prozesses gegen mich, ob ich Antisemit gewesen sei.

 

/622/ AE 35

Ich konnte diese Frage frei und gerade heraus mit einem Nein beantworten und dafür Beweise erbringen. Wäre ich es gewesen, dann hätte ich sicher dafür auch meine „Gründe“ gehabt und dann würde ich solches auch erklärt haben. Natürlich war ich – und dieses sagte ich auch – für eine Lösung der Frage zwischen Wirtsvolk und Gastvolk, nun die Komplikationen durch eine gezielte Propaganda seitens des Wirtsvolkes auf eine Spitze getrieben wurden, die angeblich nicht mehr sang- und klanglos aus der Welt zu schaffen war, und da diese Angelegenheit schließlich zu eienm unverrückbaren Dogma erhoben wurde.

Aber einmal schwebte mir eine politische Lösung vor und zum anderen hatte ich keiner Rassenvorurteilsgefühle.

--

(9)

Ein Walten schuf das all und im All manifestierte sich das Walten; und dem Menschen kommt im Geschehen des Seins weder eine bevorzugte Sonderstellung zu, noch ist er das „Ebenbild Gottes“, er kann es nicht sein, denn dazu fehlt ihm die Allmacht.

Die Natur ist das Sein und der Menshc ist darin ein kleines Partikelchen. Kaum erst von der Natur geschaffen, schon maßt er sich an, korrigierend tätig werden zu wollen. Nein, dieses ging gegen meine Überzeugung.

Verlautete man seinerzeit Solche Gedankengänge,

 

/623/ AE 36

etwa die „Blutschutzgesetze“ betreffend, in Verbindung mit materialistisch- naturalistischer Überlegung, dann konnte ich hören, daß es ein Abschwenken in transzendentale Welten wäre und ein Verlassen der staats- und gegenwartsbejahenden Lienie. Natürlich stand auch   ich auf dem boden des Gegenwartsbejahenden und in vielen Dingen auch konnte ich von einer Staatsbejahung sprechen, schon aus Gründen der Selbsterhaltung meines Volkes. Aber die Tötung von Zivilisten, die konnte ich allen nationalsozialistischen Bekenntnissen zum Trotz, in keiner Form ordnend unterbringen.

 

Unreife Geister waren am Werk, um einer Häufung von Begriffen und Vorstellungen, den Klang von Ewigkeitswerten aufzudrängen. Aber selbst nach einem gewonnenen Kriege, hätten diese zusammengebrauten Postulate, einer umfassenden Art Renaissance bedurft und unr unter Erarbeitung gänzlich neuer und innerlich auch wirklich befriedigender Ziele, hätte man von einem etwaigen Weiterbstand dieser Bewegung überhaupt sprechen können. Wenngleich ich auf der anderen Seite der Überzeugung bin, daß es der damaligen Staatsführung sogar gelungen wäre, selbst Zivilistenmord, durch entsprechende psychologische Beeinflussung, bei dem Zeitgenossen moralischen Druck solange zu kompensieren, solange der einzelne noch nicht in jenes

 

/624, 625/ AE 40

Lebensalter einer abgeklärten Überschau eingeteten sein würde, die ihn vor propagandistischer Vernebelung feit.

Die Masse wäre ihr auf jeden Fall erlegen. Man hat es ja anderwo praktiziert und erlebt.

Solche Gemeinschafts-Systeme aber sind als naturwidrig abzulehnen. Und man sage nicht, das nationalsozialistische System würde einen Einzelfall darstellen. Der Beispiele sind viele. Ja ich möchte behaupten, daß die wenigen Fälle, in der Geschichte, wo dem einzelnen Gemeinschafts-System solches nicht nachzuweien ist, weil es ihm an entsprechender Gelegenheit dazu gefehlt hat.

Es ist einer der menschlichen Urtriebem der Kampf aller gegen Alle und er wird solange dauern, bis sie nicht alle eines Tages „in ein und denselben Topf gesteckt werden“.

Das einzige, worüber ich mich wundere ist, daß sich zu diesen eigentlich doch recht überlebten System, selbst Nobelpreisträger und die übrige Crème der Wissenschaften bekannten und bekennen; ihnen folgten und folgen; von geringen Ausnahmen abgesehen.

Freilich, es ist schwer, wenn man in einem Atemzuge damit bedenkt, daß es selbst einem Platon nicht gelang den Tyranen Dionysios, zur Verwirklichung seiner Staatsführungsreformvorstellung zu gewinnen. Und auch Platon mußte erkennen, daß die Staatsführung mächtiger ist als selbst der Weise und daß sie auch dessen ethisches Handelnwollen paralysieren kann.

 

Nein, es ist richtig: ändern kann

 

/626, 627/ AE 41

der einzelne einen Zustand, den auch das Wollen der Masse im guten Glauben mit herbeigeführt hat, nur in den allerseltensten Fällen. Wenn man nun selbst ein Teilchen solch einer Masse war und das Sein dazu beitrut, daß ein solcher Zustand eintreten konnte, den man später für verhängnisvoll erkennen mußte, dann macht sich solch einer mit Recht Selbstvorwürfe. Es nützt zwar auch nichts, denn Geschehenes läßt sich nicht ungeschehen machen und man konnte die Zielrichtung nicht ahnen. Und wenn nun jemand, - dem unter der Diktatur im Rahmen des Kollektivs, Funktionen übertragen waren, die er auszuführen oder auszuüben hatt – nun plötzlich nachZerschlagung der kollektivistischen sicherheit alleine und ganz auf sich selbst angewiesen ist, dann tritt eine ebenso plötzliche Leere ein. /2 Zeilen gestrichem unleserlich/Ein Zustand in dem er logischen Denkens oder Handelns noch weniger fähig ist und in welchem er nach der Überwindung des ersten Schockes, nach Überwindung jenes Zustandes, in dem er sich unterhalb jeder Lebenswillensgrenze befindet, alles Unheil und alles Ursächliche, daß zu diesem Unheil führte durch vergleichende Überlegungen, jawohl auch vermischt mit Trugschluß und anderer Sophisterei, in seiner gesamten Ausschließlichkeit, zuerst einmal den Feinden zuschiebt, und nur sie alleine verantwortlich macht, für das Herausreißen seines Volkes, aus der existenzsichernden Geborgenheit, und schlechterdings

 

/628, 629/

AE 42

für alles Negative, zu dem sie, seine eigene Regierung zwangen.

Erst viel später, bei nüchternerer Betrachtung erkennt er, daß die Feindseite nicht schlechterdings für alles und jedes Negative verantwortlich gemacht werden kann und langsam bekennt er sich zu einer etwas objektiveren Betrachtung der Dinge, und gibt unter dem Druck seiner inneren Fragestellung nach vermeintlichem Recht und Unrecht, daß auch nach außen hin zu, was er bezüglich dieser Überlegungen, gefühlsmäßig oder erkennend, schon zur Zeit der Macht seiner eigenen führer empfunden hat.

 

Aber erst ganz zum Schluß, beschäftigt er sich mit der Haltung seiner eigenen Persönlichkeit. Hier aber ist für ihn die Differenzierung der Wertungsgruppen, was vermeintliches recht und was Unrecht war, noch bedeutend schwieriger, da jetzt die Ausgangspunkte seiner Betrachtungen von einer Unzahl Faktoren beeinflußt werden, die ihn gewissensmäßig beschäftigten und jetzt erst recht beschäftigen. Sie reichen von der wirklichen oder vermeintlichen Verpflichtung, der er unterworfen war, bis in das Gebiet der Psychologie hinein. Ganz besonders dann, wenn es sich um eine Kollektivangelegenheit, politischer Natur handelt. Die frage der Willens- und Handlungsfreiheit ist hier nicht nur ein Berg, hinter dem er sich verstecken kann. Sie ist auch ein sehr reales und entscheidendes Faktum.

Einfacher freilich müßte eine jede solche Betrachtung bei ehemaligen Befehlsgebern sein.

Eines ist richtig: es läßt sich annehmen, daß im Verhältnis zur Masse aller Beteiligten nur in den selteneren Fällen

 

/630/ AE 43

eine Übertretung des sittlichen Gebotes, in Handlungen welche zur Kriegszeit geschehen, vom befehlsempfangenden Einzelindividuum initiativ und von sich heraus ausging. Die Staatsführung selbst war es, die solches befahl; das Staatsoberhaupt; der eigene Polizeichef; der unmittelbar vorgesetzte Gerichtsherr. Diese befahlen.

Ich selbst stehe auch heute, nach wie vor – bezüglich meines Falles – auf dem Standpunkt, daß mich eine Schuld im juristischen Sinne, in keinem Falle trifft.

Und dies ohne jede Sophisterei!

-          „ –

(10)

Ich gehörte nicht zu jenen, welche nach dem verlorenen Krieg nun alles von heute auf morgen von sich warfen und sich opportunisische lauthals zur demodratischen Umerziehung und Entnazifizierung behkannten und sich als unfreie Verführte hinstellten. Ich halte selbst heute noch die Form, wie solches durchgeführt wurde, für einen Unfug, den sehr Schlaue, nicht geboren haben mochten. Ganz abgesehen davon, daß das Verhalten gewisser Mächte nach 1945, due Meinung aufkommen lassen konnte, als habe man den Teufel mit dem Belzebub vertrieben. –

Eine Flucht in die Philosophie alleine, hätte mich keinesfalls restlos befriedigt, auch benötigte einen guten Schuß an Tatsachen, die geeignet waren mein Vorstellungsgebäude, welches sich mir jetzt neu zu errichten hatte, zu stützen. Es war anfänglich ein schwaches Gebäuse, daß durch nationalistische Anwandlungen immer wieder zusammenbrach oder zusammen zu

 

/631/ AE 44

Brechen drohte. Meist waren esVorgänge politischer Natur, just in den Jahren der „Umerziehung“ des eigenen Volkes, die mir dann jede Lust nahmen, an mir weiterzuarbeiten und die mich rückfällig werden ließen. Dann aber kamen Jahre gewisser Ruhe und ich fand keine allzugroßen Anstoßsteine; es waren die Jahre der ersten erfolgreichen Versuche, den Schritt in den Weltenraum zu tun, es waren die Jahre in denen sogar den Raketen einmal ein anderes Ziel gegeben wurde, als dichtbewohnte Städte der Erdbevölkerung.

Und in dem Maße ich mich immer intensiver mit meinen Gedanken befaßte, erhielt mein geplantes Gebäude, ohne daß es mir so eigentlich recht zum Bewußtsein kam, jedenfalls ein Fundament, daß meinen ansprüchen, die ich keinesfalls sehr hoch schraubte, genügte. Ich brauchte es jetzt nur noch zu festigen und auf dieses Fundament mein neues Gebäude zu bauen.

 

(11)

-          „ –

Will ein Mensch sich ein Haus bauen, dann muß er zu allererst einmal zusammenkratzen, was er an Geld oder Geldeswert hat, um dafür den Baugrund und das Baumaterial zu kaufen; denn nur die wenigsten Menschen können solche Auslagen als Nebenauslagen ansehen, die sie mühelos bestreiten können.

Dem kleinen Mann genügt ein bescheidenes Häus‘chen, denn seine Mittel sind beschränkt. Er kann es ja später, im Laufe der Zeit immer noch besser ausbauen. Er kann es vergrößern, durch Anbau oder Aufstockung. So, wie es ihm seine Vorstellung

 

/632/ AE 45

Und Möglichkeiten gestatten werden. Er hat inzwischen mit dem Spaten einige Probeaushebungen vorgenommen; er weiß wie das Erdreich beschaffen ist und wie er daher glaubt fundamentieren zu müßen. Auch umzäunt er seinen Bauplatz; er kapselt sich ab. Es ist ja nicht nötig, daß ihm alle Nachbarn zuschauen; sie würden ihn auch nur unnötig stören. Er beginnt jetzt einen kleinen Plan, oder auch nur eine Skizze zu fertigen und dann gedenkt er danach Ziegel für Ziegel zu setzen, nachdem das Fundament tragfest geworden ist. Ein Dach über den Kopf; Fenster und Türen werden eingepaßt und schon kann der Mensch, wenn Not am Mann ist, einziehen, denn die meiste weitere Arbeit, wird sich ohnedies jetzt im Inneren des Hauses abspielen. Sie ist bei fast jedem Wetter zu machen. Der äußere Verputz ist gegen die Unbilden der Witterung auch noch nötig, wenngleich nicht für alle klimatischen Zonen von gleicher Bedeutung.

Meine Frau und meine erwachsenen Söhne wollten in Argentinien ein Haus bauen. Eich hatte damals etwas freie Zeit und besuchte die Fachleute. Ich kam aus dem Stauenen nicht mehr heraus, was da alles zu beachten wäre und mit was man rechnen müßte. Wie sich die Kosten verteilen würden und welche gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen seien. Die für mich zum Teil unverständlichen Fachwörter, komplizierten und verwirrten die Dinge immer mehr.

Ich sagte mir, bei solchen Schwierigkeiten kommen voraussichtlich weder meine Frau, noch meine

 

/633/ AE 46

Kinder, zu Lebzeiten zu einem Haus. Da setzte ich mich eines Tages hin, und machte eine Skizze. Im Maschinenbau wäre sie sicherlich irgendwie noch gnädig akzeptiert worden aber jeden Baupolier hätte sie in hellste Verzweiflung gebracht.

Dann fundamentierten und mauerten meine Söhne, und ich mit ihnen, und ich glaube in Jahresfrist stand der Rohbau fertig da. Nicht tagtäglich konnten wir arbeiten, dazu hatten wir keine Zeit. Samstags und Sonntags und sonst, wenn jeder gerade mal Zeit hatte. Und es ist nach Meinung der Fachleute, ein recht solides und fest gebautes Haus geworden.

 

Genauso ging ich mit dem Bau meines neuen Weltbildes zu Werke. Die Arbeiten und Schwierigkeiten waren ganz ähnlich, dem eben geschilderten Hausbau.

Hier stößt man beim Suchen nach der Wahrheit, nach der Gültigkeit der Dinge, nach umfassender Klarheit, auf eine solche Unmenge schulphilosophischer Überlegngen, Vermutungen, Erkenntnisse und Meinungen, daß man zu Anfang schlechterdings zurückschreckt.

Aber nach und nach geben die alten und neuen Weisen daß, was zur Sammlung zuerst vonnöten ist: den Abstand von den Dingen des Tages. Als ich diesen endlich hatte, da konnte ich anfangen zu mauern. Nur eines: bauen mußte ich hier ganz alleine

 

/634/ AE 47

Für mich. Mein Weltbildhaus hat sicherlich viele fachliche Mängel und Fehler. Ich habe es daraufhin noch nicht einmal überprüfen lassen. Auch das Haus, daß meine Söhne und ich bauten, hat einige fachliche Mängel, aber sie stören meine Familie nicht, denn die Statik wird durch sie in keinerlei Weise beeinträchtigt und es läßt sich recht schön in diesem Hause wohnen. Es interessiert auch einmal groß, ob sich da und dort, dieser oder jener Fehler eingeschlichen hat; die Hauptsache ist, daß man sich in einem solchen Hause wohl fühlt.

- „ -

 

                         /636/                     AE: 48

 

                              -(12)-

Protagoras sagte vor rund 2.400 Jahren, daß er von den Göttern nichts wisse; er könne weder sagen daß es solche gäbe, noch könne er sagen, daß es keine gäbe.

Wir sind in dieser Erkenntnis bis zum heutigen Tage nicht um einen Schritt weiter gekommen.

Der eine glaubt an Gott; der andere nicht.

Wissen tut es keiner.

Ich glaube an einen Gott. –

 

Ich laß(sic) vor wenigen Jahren in Argentinien eine mich fesselnde Theorie über die Entstehung unserer Welten. Ein belgischer oder französischer Priester stellte sie auf.

 

Vor einem Zeitraum von etwa fünf Milliarden Jahren explodierte eine Kernbreimasse vorstellungsmäßig etwa in der Größe eines Würfel von mehrern hundert Kilometer Kantenlänge. Der modernen Astronomie und Physik sind solche Katastrophen nichts Neues.

Der Kernbrei wurde „verdampft“. Mit gewaltiger Geschwindigkeit wurden diese „Explosionsdampfwolken“ in den Raum geschleudert. Nach allen Richtungen stieben sie auseinander und ihre Geschwindigkeit nahm (und nimmt immer noch) zu, je weiter sie sich dem Explosionsherd entfernten. Die Rotation verlieh diesen

 

                               /637/                     AE: 49

 

Gasgebilden Form und Gestalt und die Abkühlung hatte Verdichtung zur Folge.

Und unsere Erde, als einer der Planeten unseres Sonnensystems ist ein ganz kleines Partikelchen, ein Stäubchen nur, in der gewaltigen Zahl der anderen Sonnensysteme im Rahmen „unserer Milchstraße“, von denen es ebenfalls ungezählte noch gibt.

Soweit die Geschichte.

Nun, solches ist so undenkbar nicht und scheint durchaus verständlich; besonders nachdem der Menschheit selbst es bereits gelungen ist, solche Naturkatastrophen, im kleinsten und bescheidensten Rahmen, in Form von einigen Atombombenexplosionen während des letzten Weltkrieges, und danachfolgen Wasserstoffbombenversuchen, nachzumachen.

Bezüglich der Zeitbestimmung scheint es von seiten der berufenen Fachleute offenbar auch keine die Theorie umstürzenden sachlichen Einwände zu geben. Ja, sie ist darüber hinaus, wie man lesen kann, in etwa sogar kontrollierbar; Verfallszeiten, Halbwertzeiten und Strahlungsverlust; Umwandlung, z.B.: Radium in Blei; sie spielen in solchen Berechnungn mit ein(sic) Rolle. Aber nicht nur irdische Zeugen erzählen von längst vergangenem Geschehen, auch andere Sterne schicken uns laufend die Boten. Das auf uns kommende Licht ferner Welten, wird spektralanalysiert und Meteorteilchen wandern in Laboratorien.

Und so ergibt es sich, daß die Explosion, von der unserer kleine Geschichte erzählte, offenbar nicht einmal die einzige

 

                              /638/                     AE: 50

ihrer Art ist. Und zwar andere, gewaltigere Naturkatastrophen, den lumpigen zwanzigmillionen Grad Hitze, dem Helfer bei der Geburt unserer Welten, noch spottend. Und wir Menschen, inmitten unserer galaktischen Welten, erahnen supragalaktische Größen, die Bahnen des Raumes durchjagend.

Dies alles bewegt sich im Raum; im All, wie wir es nennen.

Einer bezeichnet als Raum das Insgesamt aller Getgend, in der die körperlichen Dinge auftreten können.

Der andere gibt zu dem Dreidimensionalen des Raumes an sich, die Zeit noch /2 Zeilen unleserlich gemacht/. „Er fließt“; „ununterbrochen und stetig sich ausdehnend.“

Wieder andere sehen ihn rechtwinkelig und sie stehen im Gegensatz zu denen, die ihn gekrümmt wissen wollen.

Jene vertreten die Meinung, der Raum sei ein leeres und totes Nichts und er habe keine andere Möglichkeit, als ausgefüllt zu werden.

Und diese wiederum sagen, kein Zweifel, er hat eine Realität, wenngleich auch außerhalb unseres Geistes.

 

Ich meine, ein Nichts kann weder gekrümmt sein, ein Nichts dehnt sich nicht aus, es „fließt“ nicht, ein „Insgesamt der Gegenden“ ist immerhin

 

                              /639/                     AE: 51

 

auch ein Etwas, und daß(sic) worin etwas auftreten kann, ist folglich kein Nichts.

 

Ob die mir augenscheinlich bekannten Weltensysteme und darüber hinaus gemäß meiner ahnenden Vernunft weitere Welten auf die Art von stattgefunden(sic) Explosionen, wie eine solche meine Eingangsgeschichte aufzeichnete in dieses Etwas geschleudert wurden, eine Sache, die mir recht einleuchtend ist, und für meinen Hausverstand brauchbar erscheint, oder ob sich die Ordnung auf anderen Bahnen ursächlich vollzog, wird solange sicherlich unbekannt bleiben, bis eines Tages der Mensch diese Welten betreten kann und seine Untersuchungen an Ort und Stelle durchführen wird.

 

Als vorläufigen Endwert dieser Ursächlichkeit aber sehe ich, der Mensch, nunmehr das „Sein“ und empfinde es. Dieses „Sein“ unseres Weltensystems hat jedenfalls in einer „Zeit“, die vor einer bis zehn Milliarden Jahren zu liegen kommt, konkrete Gestalt angenommen. Ein „Ist“ kam durch einen Schöpfungsakt und zieht seine Bahn. /gestrichen: nach den Gesetzen des Makrokosmos/

Und hier setzt man den Beginn unserer „Zeit“; das „Sein“ liegt in ihr.

In dieser „Zeit“ erfolgt im ununterbrochenen Kräftestpiel der Natur, das sich stets vervollkommnende „Werden“ des entandenen „Seins“.

Alles „Sein“ ist im steten „Werden“; und dieses

 

                              /640/                     AE: (52)

(Irrtümlich ausgelassen)

 

                              /641/                     AE: 42

(Irrtümlich ausgelassen)

 

                         /642-643/                    AE: 52

 

ist es, was mich ganz besonders interessiert. Hier habe ich also für mein Vorstellungsvermögen etwas „Handfestes, Greifbares“. Und ich hüte mich aus Gründen der Vorsicht, mich nicht zu sehr in andere Vorstellungsmöglichkeiten zu begeben, in der Sorge, ich könnte etwas relativ Sicheres dabei verlieren. Ich kümmere mich einfach um andere Seins-Auslegungen nicht mehr.

Es ist ja alles etwas unglaublich Fesselndes und Interessantes, aber wenn ich mir ein Haus bauen will, dann muß ich mich schließlich und endlich auch einmal für einen bestimmten Typ, für eine bestimmte Ausführung entschließen. Oh ja, es gibt eine ganze Menge schöner und herrlicher Formen, aber als „kleiner Mann“, kann ich mir schließlich keinen Zwanzig-Zimmer-Palast bauen. Und was hätte ich von einem Palast, wenn nur die vier Wände hochgemauert würden und nicht mehr, weil die Finanzen erschöpft sind. Was nützt mir existieren wollenden Menschen, etwa ein glühender Gasball, eine halbflüßige Feuerkugel oder ein zwar schon fester Körper, der aber beschaffenheitsbedingt, dem organischen Leben keine Existenzmöglichkeit bietet.

/6 Zeilen gestrichen, ersetzt durch Text von Seite gegenüber: Was nützen mir ein halbes Dutzend anderer theorien; sehr schön, interessant aber leider unglaublich kompliziert und schwer zu verdauen./

 

                              /644/                     AE: 53

 

                              -(13)-

Das „Sein“ ist ein einziges, großes ununterbrochenes „Werden“, solange der Seins-Zustnad anhält; und das „Werden“, ein immerwährendes, ineinandergreifendes und fließendes Übergehen von einem Seinszustand, über das Werden, in einen anderen Zustand des Seins.

Und dann war es eines Tages so weit, daß der Seins-Zustand unserer Erde geeignet war, organisches Leben zu geben und zu erhalten.

Pflanze; Tier; Mensch. –

Ob Haeckel, Darwin oder andere auf dem richtigen Wege der Deutung zur Lebenswerdung waren, ist schlüßig bis heute noch nicht bewiesen worden. Mir genügt es zu wissen, daß ich im Akte der Zeugung einem einzigen von etwa 150 Millionen Spermateilchen, welches als erstes das reife Ei im Mutterleibe befruchtete, meinen Eintritt als Mensch in das Dasein zuschreiben kann.

Ich, der Mensch, stamme aus einem gar reichen Hause; denn die Natur der ich angehöre, kann sich unglaubliche Verschwendung leisten; ich brauche mich daher um gar ncihts zu sorgen, sie tut es mit ihrem unendlichen Reichtum für mich. Und für mein „Werden“ ist für das ganze „Sein“ gesorgt und ein Fallen in´s „Nichts“, das nicht existieren kann, ist unmöglich.

 

                              /645/                     AE: 54

 

Und Tatsache ist, ich stehe im „Leben“ des „Seins“; und das „Leben“ ist eine Werdens-Bestimmtheit des „Seins“. Und solange aber das „Sein“, „Leben“ tragen wird, bin ich diesem ewigen Kommen und Gehen, diesem ewigen Stirb und Werde unterworfen. Solange einmal bin ich auf jedenfall unsterblich.

Dies aber ist es, was mich beruhigend an der Sache interessiert.

Und ich vermag nicht einzusehen, daß das Leben eine Last ist – obschon ich zur Zeit im Gefängnis sitze – auch vermag ich nicht zu erkennen, inwieferne man sich „vor dem Tode“ fürchten solle, oder infolge einer mjutmaßlichen Endbestimmung alen organischen Lebens, von Angst geplagt sein muß.

Etwas, welches das naturgewollte Schicksal aller Menschen ist, kann nichts Schreckliches sein. Undenkbar ist es für mich, wenn ich den natürlichen Ablauf der Dinge betrachte, das Walten, welches uns Menschen in seinen Plan setzte, könne nur Nutzlosigkeit und Leid, zum Lose des Lebens bestimmt haben.

Freilich, es ist eine weise Vorsehung, die uns Menschen, nicht gerade als Menschen unsterblich werden läßt. Dies ist sehr tröstlich. Aber der Gedanke an die Fülle der Lebensformen, welche ich einem ehernen Naturzwang noch zu durchleben haben werde, stimmt mich heiter, glücklich und froh.

 

                         /646-647/                    AE: 56

 

Daß wir als Menschen noch so viel an Leid und Sorge mit uns herumtragen und gegenseitig zufügen, liegt in der Unzulänglichkeit unser selbst. Auch der Mensch ist einer immerwährenden Verfollkommnungsentwickelung unterworfen, solange das „Werden“ es vorsieht. Und noch stehen wir Menschen erst am Anfag unserer Formung und vieles, was uns Heutigen noch Ängste und Schrecken verursacht, wird durch den Schleifstein des „Werdens“, geglättet.

Das Leid und die Drangsal der Menschen in früheren Zeiten, war vergleichlich, noch ungleich größer als heute. Und in künftigen Epochen werden unsere Nachkommen bei Anlegung des Vergleichsmaßstabes, genau dasselben behaupten, von uns.

Immer kann es und wird es zeitweilige Rückschläge, ja vermeintlihce Rückwärtsentwicklungen geben; doch was tut dieses zur Sache, bei Betrachtung der Ganzheit. Es ist ein trauriges Schicksal für in solche zeiten Hineingeborene; dies ist unleugbar. Und der Mensch sollte versuchen, kraft seines Könnens, dem Rückschlag zu steuern. Er vermag es schon längst /ca. 1 Zeile unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenüber: ob er es endlich will, wird die Zukunft beweisen./

Ein gütiges Walten will jedenfalls keineswegs das Verderben. Dies beweist mir ganz deutlich, daß es mir, der ich mit in einem Teil des organischen Ablaufes der Dinge gestellt bin, das Gefühl für Freude und Herzlichkeit gab.

 

                         /648-649/                    AE: 57

Und unmöglich ist das Wollen des Waltens, daß sein Geschaffenes, in Furcht, Angst, Zittern und Leid gar, verkomme.

So gesehen ist meine Auffassung, welche ich mir von den Dingen mache, freundlich und heiter. /Zusatz von Seite gegenüber, nicht genau plaziert: Und ich vermag nicht den Sartre´schen Standpunkt zu teilen, daß Leben, wie Tod, Absurditäten seien. Zwar gebe ich zu, daß sie unwichtig sind, sowohl Leben sie Sterben, von der Wartes des „Werdens im Sein“ aus gesehen, soweit es mich, als Person anbelangt./

Ich habe den Anschluß wieder bekommen an Ruhe und Frieden; Werte, die ich in jüngeren Jahren schon einmal hatte.

Zwar beziehe ich sie jetzt aus anderen Bereichen; doch was tut dies zur Sache. Das Ergebnis alleine ist bestimmend.

Die Zeit dazwischen aber hätte mich mir einsparen können.

                         ----------

Epikur sagt über den Tod, daß dieser, solange er lebe nicht da sei. Kommt er, ist Epikur nicht mehr da. Und Schopenhauer denkt den Tod nicht schlimmer als die Geburt.

Ich ergänze, halte mich zwischen Tod und Geburt, die ich nicht kenne, und sage, die Hochzeit mit meiner Braut zu feiern ist fröhlich; ein „neues Leben“ beginnt dann für beide. Und der Tod tut nichts anderes, er führt mich zu neuen Leben.

/Zusatz von Seite gegenüber: Achtung! nicht neuem Leben, sondern wie ich es schrieb! (Mehrzahl)/

Aber der „Tod“ des Organischen ist eine naturgesetzte Notwendigkeit, im Zuge der fortschreitenden „Werdung des Lebens“ und dient der Vervollkommnung. Eine Umwandlung ist es zu Neuem, nicht mehr. Wozu also Angst und Besorgnis?

 

                         /650-651/                    AE: 58

Tausend  mal tausend Tode, ziehen mich in tausend mal tausend Leben; in seinen mannigfaltigsten Daseinsformen. Im ununterbrochenen Spiel. Solange, bis aus klimatischen Gründen, die Erde, welche mein jeweiliges Leben trägt und ernährt, mich nicht mehr erhalten kann.

Mit Erreichung der Existenzlosigkeitsgrenze für organisches Leben auf unserer Erde, fällt dieses wieder zurück in andere Formen des „Seins“. Und hiermit wird der erste Kreis nun geschlossen, und weitere folgen. Bis abermals eine neue Ursächlichkeit zu neuen Beginnen /Zusatz auf Seite gegenüber: Achtung! Zu neuen Beginnen!!! (Mehrzahl)/ den Anlaß gibt. Denn nichts im All kann ruhen und stehen und alles ist stets im fluß. Und es gibt keinen Tod als solchen, weil es kein Nichts gibt. Denn das Gließen schließt sich in sich, um wieder zu fließen.

                              -(14)-

Wenn ich so dieses Gebilde betrachte, dann muß ich sagen, es ist eine Zeichnung die mich erfreut. Alles Finstere und Dunkle entschwindet und ich bin glücklich darüber. Einfach, in sich geschlossen, steht es mir stets vor Augen; anders hätte es im Gehetze des Alltags auch wenig praktischen Wert. Denn je mehr Zeit ich aufwenden müßte, um durch scharfsinniges Denken – falls ich mich dazu überhaupt aufraffen möchte – mein Weltbild vor mir zu haben, desto weniger würde es mir für den Hausgebrauch nützen.

So also kenne ich meine Rolle, welche zu spielen, im Ablauf der Dinge

 

                              /652/                     AE: 59

 

mir zugedacht ist.

Dies gibt mir jetzt auch den Abstand vom kleinlichen Tagesgeschehen und alles gestern noch Schwere, ist heute entschwunden.

Es ist dies die wahre Freiheit; aus der Erkenntnis geboren, daß kein Menschentand mehr fähig ist, mir meine innere Ruhe zu rauben. Und damit ändert sich gleichzeitig meine Stellung von Mensch zu Mensch; sie wird eine andere. Heutere Aufgeschlossenheit, kein ängstliches Lauern, Vorurteilslosigkeit, kein Neid und kein Haß, sind mit die wichtigsten Pluspunkte. Zwar bin ich nach wie vor Egoist, doch diesmal nicht auf Kosten der anderen. Jetzt nehmen sogar die Mitmenschen, an diesem Egoismus auch für sie gewinnbringenden Anteil. Denn Streitsucht, Hader, Schwierigkeitsbereitung, Mißachtung, Verleumdung und wie die Litanei der Verdrußgründe da lautet, erlebt mangels ausreichender Begründung, Abschwächung in bisher nicht gekannten Größen.

 

Ich erfuhr in genügendem Maße die Auswirkung einer pessimistischen Weltbildvorstellung; als Gebärmutter vielen Übels kann man sie ruhig bezeichnen.

 

Und in folgerichtiger Auswertung dieses Erkennens, ist zerfleischender Kampf um souveräne Belange kleiner Sektoren, jene Zusammendrängung beherbergend, die als „mein Volk“ genannt wird, von absoluter Unwichtigkeit geworden.

 

                              /653/                     AE: 60

 

Es ist mir nationales enghorizontiges Denken und Verharren in demselben direkt zur Last geworden, die mich behindert.

Gegenseitiges Mißtrauen, Vorherrschaftsbestrebung des einen über den anderen, Wertung- und Klassifizierungsgruppen der Menschen, dies alles gehört fortan zum alten Gerümpel.

In Wahrheit, daß(sic) derzeitig immer noch andauernde und beigehaltene(sic) System im Zusammenleben der Völker, kann nur als eine tragische Lage der Menschen auf Erden bezeichnet werden. Und bei Fortdauer derselben, lebt der Mensch, bar jeder Hoffnung und Zuversicht, seine Erdentage dahin, ohne sie in glücklichere Bahnen verbringen zu können.

Denn was nützt dem einzelnen seine ihn befriedigende Weltbildvorstellung und was nützen Erkenntnis vom höheren Sinne des „Seins“, wenn jeden Tag Kriegsgesetze in Kraft treten können und die Handlungsfreiheit des einzelnen, starr mit Beschlag gelegt(sic) wird.

Zahlreich sind die durch Jahrtausende erprobten Gesellschaftsformen, mit dem Ziel, mehr oder weniger befriedigende Systematik in das Zusammenleben der Menschen zu bringen. Aber wirklich gerecht werdend für heutige Verhältnisse, scheint nichts von allem Herkömmlichen zu sein. Freilich, wie überall, sind auch hier die Dinge in stetem Fluß. Und es läßt sich annehmen, daß was bei einer Gesamtbevölkerung von rund drei Milliarden,

 

                              /654/                     AE: 61

ein dringendes Gebot der Stunde wurde, die Menschen zu einer Zeit, wo sie mit einer einzigen Milliarde dahin leben konnten, möglicherweise noch nicht zu interessieren gehabt hat. Und mir will scheinen, als seien Gedanken, die eine globale Lösung behandeln, umstnadsgemäß, glücklich und gut. Denn im „Werden des Seins“, drängt alles zum Ganzen.

Warum der moderne Mensch sich einer solchen Lösungsform trotz zwei vernichtenden Weltkriege, bisher noch immer verschloß, dies scheint wie ein Rätsel. Vielleicht ist es eine Verkettung von mancherlei Ursache und Wirkung; und menschliche Starrköpfigkeit scheint mir dabei nicht eine der letzten zu sein.

     Nun gut, die Kommenden werden es ändern; ohnedies werden sie nur noch ein bedauerndes Lächerln übrig haben, für unser Verhalten.

Haben wir Heutigen etwa kein mitleidiges Lächeln bezüglich der Haltung unserer Vordern, wenn wir an die Dutzende der deutschen Kleinstaaten denken. Noch Goethe fuhr nur wenige Stunden Postkutschenfahrt und schon war er im Ausland und anderen Gesetzen unterworfen. Dann aber räumte man eines Tages auf mit dieser Miniaturstaaterei. Und warum sollte solches für die gesamte Völkergemeinschaft nicht Gültigkeit haben.

Nach solcher Lösung wird sich von selbst dann ein friedliches Zusammenwirken der Menschen untereinander ergeben. Denn in politischer Hinsicht wird es solcherart zwangsläufig schon, zu einer Neutralisierung des Gegensätzlichen

               /technische Bemerkung am unteren Rand unleserlich gemacht/

 

                              /655/                     AE: 62

 

kommen. Und dem Alltagsgeschehen wird dann jene Bedeutung zuteil, die ihm billigerweise zur Lebensverbesserung eingeräumt werden muß.

Aufgabe der Länderregierungen, welche dann nur noch provinziellen Charakter haben, wird sein, im Verein mit der Zentrale, die Glücklichermachung der Völker der Erde. Und je eher ist solches erreicht, je mehr für die persönliche Sicherheit und Unabhängigkeit des Einzelmenschen gesorgt und jedwede Vergewaltigung desselben verhindert wird.

Bei gleichbleibender Tendenz aber wird trotz der schönsten Weltbildvorstellungen, die der Einzelne auch(?) haben mag, die Masse unweigerlich in die Daseinsangst der Primitiven so lange zurückfallen, bis ein äußerer, gewaltsamer Anlaß, zu solch einer Lösung dann zwingen wird, falls es sich dann überhaupt noch verlohnt.

 

                              /656/                     AE: 63

/technische Bemerkung am oberen Rand unleserlich gemacht/

Denn bei ehrlicher Betrachtung der Lage ist es seit langen, langen Zeiten doch so, daß sich jeder selbst der Nächste ist. Trieblich bedingt; ein Urzustand. Alle diesbezüglichen Korrekturbestrebungen haben breiten und dauernden Niederschlag bisher nicht gefunden. Und nur eine Übernationalisierung der Völker, nimmt den nun einmal vorhandenen Urtrieben, wenigstens einen Teil der von Menschen durch die Nationalisierung künstlich geschaffenen, zusätzlichen Tummelplätze. Und solange des bei der Eigenstaatlichkeit, bei dem Unabhängigseinwollen des einen Staates vom anderen bleibt, solange wird der Standpunkt „Jeder ist sich selbst der Nächste“, auch im nationalen Sinne, seine unausrottbare Bedeutung beibehalten, und in Zeiten des Kriegszustandes wird die Mehrzahl der Bevölkerung eines Staates auf jeden Fall, willig oder widerwillig, daß(sic) ausführen, was der Staat befiehlt. Geht solches nicht mehr auf gütlichem Wege, dann hat der Staat bereits dafür Vorsorge getroffen, dem Nachdruck zu verleihen.

Und alle sittlichen Forderungen mit denen der einzelne schwanger geht, alles ethische Wollen des einzelnen, bleibt Theorie, die praktisch keinerlei konkreten Niederschlag zu zeitigen in der Lage ist. Denn der Machtapparat des Staates, wälzt alle Erscheinungen handlungsmäßiger Natur, so sie seinem Ziel und seinem Wollen entgegenstehen, nieder.

Egal, ob Demokratie oder Totalitarismus, egal, ob Monarchie oder Republik.

 

                         /657-658/                    AE: 64

Dies ist in Kriegszeiten jedenfalls die nakte(sic) Wirklichkeit, die durch nichts fort philosophiert, ja nicht einmal fort sophistiziert werden kann.

Es ist für einen Menschen verhältnismäßig leicht, von zu verwirklichenden Sitttengesetzen zu sprechen und dabei auch gegen einen staatlichen Machtapparat, als einzelner /Zusatz von Seite gegenüber: - gleichwohl er um die praktische Erfolglosigkeit weiß - / aufzustehen und lauthals zu sagen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, als Euch zu sagen, daß(sic), was Ihr macht ist eine große Schweinerei, ihr seid Mörder, Verbrecher und Volksbetrüger und ich schreie es in alle Welt hinaus und ich selbst werde nicht einen Tag mehr für euch tätig sein“, wenn der Betreffende entweder sein entsprechendes Alter so zwischen die Fünfzig und Sechzig mindestens, erreicht oder: keine Familie hat, oder: seine Familie wirtschaftlich so gesichert ist, daß seine diesbezügliche Sorgepflicht als unerheblich angesehen werden kann.

In allen anderen Fällen, wird das Individuum sich im besten Falle winden und wenden und letztlich doch die staatlich befohlene „Pflicht“ tun. Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.

Und nicht zuletzt waren offenbar auch solche Überlegungen mit der Grund, wessentwegen beispielsweise die römisch-katholische Kirche ihren Geistlichen das Zölibat auferlegte. Der Bekennermut und der Wider-

 

                              /659/                     AE: 65

stand in Zeiten der Bedrohung ethischer Werte, in Zeiten der Glaubensbedrohung, unbeschadet der Konsequenzen für die Person des Bekennenden, und unbeschadet der irdischen Nutzlosigkiet seines Opfers, wird durch solch eine Freiheit von Sorgepflichtbindungen, stärker und hartnäckiger.

Deswegen sagte ich, das Übel müße im Grunde, an der Wurzel, ausgerottet werden. Die Organisationsform, die den Menschen in solche Konflikte bringen kann müßte beseitigt werden. Nicht der Mensch hat sich der Organisationsform im Zusammenleben, anzupassen, sondern die Organisationsform, müßte auf den Menschen zugeschnitten werden. Dieses alleine scheint praktische Nutzanwendung auf Grund der bisherigen trüben Erfahrungen zu sein; das andere ist, glaube ich, Häretisches(?) Geschwätz. Wohl schön für die Stunden der inneren Erbauung, aber was nützt dies, wenn Mord und Vernichtung weiterhin staatlich befohlen werden können.

Und es ist für mich heute ein leichtes reden(sic), wenn ich sage, ich habe für mich mein Weltbild, daß(sic) mich befriedigt, endlich gefunden.

Ich bin inzwischen sechsundfünfzig Jahre geworden, und sehe die Dinge auch des täglichen Lebens anders als früher. Sterbe ich morgen, ist es gut; sterbe ich heute, bueno, dann ist es auch recht. Nicht von unbedingter Wichtigkeit bin ich mehr für die leibliche Existenz meiner Familie. Zur Not wird sie heute auch ohne

 

                              /661/                     AE: 66

mich, zurecht kommen, Denn rund zwanzig Jahre ist seit dem Geschehen inzwischen alles älter geworden.

Der Soldat der da fiel, er wußte, daß staatliche Hinterbliebenenfürsorge die Seinen vor bitterster Not schützte, denn so besagten es die Gesetze. Der Kriegsdienstverpflichtete aber, der da gegen den staatlichen Stachel löckte und dieserhalb geahndet wurde, wußte, daß sich um seine Familienangehörige niemand kümmern würde. Im besten Falle, im allerbesten, wären sie dem Familienverbande zur Last gelegen.

Und weil die Sorgepflicht, das Sorgefühl um die Seinen ebenfalls trieblich bedingt ist, wird sich auch an der Einstellung des Menschen zu diesen Dingen nicht ändern.

Damit aber wird in Zeiten der Katastrophen auch die Einstellung der Jahrgänge zumindestens zwischen fünfundzwanzig bis fünfzig zu diesen Dingen die gleiche sein, wie wir sie hatten und wie jene sie hatten, die vor uns waren.

Denn noch ist das System der Gesellschaftsordnung dasselbe.

/nach Zusatz von Seite gegenüber, gestrichen, aber noch lesbar: Daher möge die kommende Generation sich für sich zuerst einmal jene Organisationsform zu einem besseren Gemeinschaftsleben zurecht bauen, die solche Komplikationen ausschließt, denn die Weltbildvorstellung, die da beruhigt, die kommt dann ganz von selbst und sie wird in Frieden und Ruhe leben können und die Freude wird der Inhalt ihres lebens sein; denn die Ganzheit kennt nur das Gute./

 

                              /660/                Zusatz zu S. 66

Ich sprach von der Sorgepflicht.

Aber warum trägt das Individuum sich denn mit der Sorge; doch nur weil es für sich und den Seinen, Frieden und Nahrung will, dann lebt es in Freude.

Und ob Flora und Fauna, auch dort ist´s das Gleiche.

Um die Freude alleine, dreht sich das Fühlen und Denken der Menschen.

Aber der Sorge des Individuums um sich und den Seinen, haben die Stärkeren unter den Menschen, sich zu allen Zeiten, als mit eines der Haupthilfsmittel, zur Erreichung ihrer eigenen persönlichen Wünsche bedient. Und von den Sklavenhaltern in grauen Vorzeiten als Einzelpersonen bis zu unseren angeblich modernen Gesellschaftsformen als Gemeinschaftsunternehmen, ist es ein und dasselbe. Das bereits ursächlich im Menschen als Hauptquell seines Seins vorhandene Sichfreuenwollen, wurde und wird ausgenützt, unter Versprechung und Gewalt.

Die Ursache, wessentwegen überhaupt organische Einzelwesen existent sind, nämlich sich der durch ein Walten eingesetzten Freude zu bedienen, wird durch menschliches Eingreifen herangezogen, um auf Kosten der Freude anderer, entweder seine Freude mühelos zu erhalten, oder sie mühelos zu vervielfachen.

Solches aber, kann nicht im Sinne der gesetzten Ordnung und Harmonie des Waltens sein, weil es allem uns Bekannten widerspricht; seien es die Prinzipien der Ordnung und Harmonie in den atomaren Welten, seien es diese, der Bewegung der Körper im All.

 

                              /662/                     AE: 67

 

Daher möge die kommende Generation sich für sich zuerst einmahl(sic) jene Organisationsform zu einem besseren Gemeinschaftsleben zurecht bauen, die solche Komplikationen und Konfliktstellungen ausschließt, denn die Weltbildvorstellung, die da beruhigt, die kommt dann ganz von selbst.

Und das Hoffen und Sehnen der Menschheit wird sich endlich erfüllen; Frieden und Glücksgefühl und die Freude, werden der Inhalt ihres Ganzheitslebens sein. Denn die Ganzheit kennt nur das Gute. /7 Zeilen bis zum Ende des Kapitels weitgehend unleserlich gemacht/

                              _________

/3 Zeilen unleserlich gemacht; der weitere Text bis zum Ende der Seite gestrichen, aber noch lesbar: „….. Ich, der ich aus dem Sein einer allwaltenden Ordnung in die hauchartig vorübergehende Erscheinungsform Mensch herausgestellt wurde – so notierte ich mir einmal – erkannte durch der Umwelt Formung, allmälig das „Reich“. Denn ich wurde als Deutscher geboren. Ich lernte das „Reich“ sowohl als etwas Konkretes, wie auch seinen begrifflichen Sinn zu erfassen; alles, was hier hineinversenkt wurde, und was ich als Nationalist empfand und ersehnte. –

So war es bis zum Jahre 1945./

 

                              /663/                     AE: 63

 

/diese gesamte Seite gestrichen, aber weitgehend noch lesbar; obere Hälfte nahezu identisch mit S. 62, untere Hälfte mit S. 67/

kommen. Und dem Alltagsgeschehen wird dann jene Bedeutung zuteil, die ihm billigerweise zur Lebensverbesserung eingeräumt werden muß. Aufgabe der Länderregierungen, welche dann nurnoch provinziellen Charakter haben, ist im Verein mit der Zentrale, die Glücklichermachung der Völker der Erde. Je eher ist solches erreicht, je mehr für persönliche Sicherheit und Unabhängigkeit des Einzelindividuums gesorgt und jedwede Vergewaltigung desselben verhindert wird.

 

Bei gleichbleibender Tendenz aber wird trotz der schönsten Weltbildvorstellungen, die der Einzelne auchhaben mag, die Masse unweigerlich in die Daseinsangst der Primitiven so lange zurückfallen, bis ein äußerer, gewaltsamer Anlaß, zu solch einer Lösung dann zwingen wird.    (x) Fortsetzung siehe die vier Beiblätter 59-62

                         -(15)-

/3 Zeilen weitgehend unleserlich gemacht, enden mit: meine Verteitigung einen Gefangengruß zu gehen:

„….. Ich, der ich aus dem Sein einer allwaltenden Ordnung in die hauchartig vorübergehende Erscheinungsform Mensch herausgestellt wurde, erkannte durch der Umwelt Formung, allmälig das „Reich“. Denn ich wurde als Deutscher geboren. Ich lernte das „Reich“ sowohl als etwas Konkretes, wie auch seinen begrifflichen Sinn zu erfassen; alles, was hier hineinversenkt wurde, und was ich als Nationalist empfand und ersehnte. –

So war es bis zum Jahre 1945.

 

                              /664/                     AE: 68

Aber im Laufe der letzten rund 1 ½ Jahrzehnte, lernte ich langsam und ganz nach und nach, immer wieder zögernd und rückfällig werdend, dann diesen partikularisitschen Gedanken, in das Globale zu formen.

Ich bin der Meinung, daß dieses Sehnen und Hoffen nach einer Vereinigung von Logos und Leben, welches bedauerlicherweise zeitweilig in den verschiedenen Formen, mit verschiedener Vehemenz zum Austragen kommt, nicht nur eine auf uns Deutsche bezogene Angelegenheit, sondern allen Völkern dieser Erde bewußt eigen ist.

Darin aber erkenne ich den Kern aller menschlichen Zwietracht untereinander und mit eine der Wurzel vieler Übel.

Wird aber dieses, dem menschlihcen Wunschgedanken ursächliche Sehnen anstatt sektorenartig in globaler Universalität gedacht, und ihm Ausdruck verliehen, dann tritt an Stelle einer alles zerstörenden Wirkung, ein friedliches Hinstreben nach der Erfüllung der menschlichen Wünsche. Ja, selbst der Hang zu dem nun einmal vorhandenen menschlichen Egoismus geht hierbei nicht leer aus, denn ein jedes Individuum bucht per saldo aus dem friedvollen Nebeneinanderleben, seinen eigenen, ganz persönlichen Vorteil, der ihn mit größeren Annehmlichkeiten als zuvor, in den nunmehr geruhsameren Mittelpunkt seiner eigenen, kleinen, privatpersönlichen Welt stellen läßt.

Ich habe während der letzten Jahre

 

                              /665/                     AE: 69

teils in der Stille der argentinischen Pampa, teils in der Unberührtheit der zerklüfteten Urwelt des argentinischen Nordens, in seinem Aconquija-Massiv, gelernt, aus zweierlei Dingen die für mich gültige Nutzanwendung zu ziehen.

Ich sah Hölle, Tod und Teufel, weil ich dem Wahnsinn der Vernichtung zusehen mußte; denn ich war als eines der vielen Pferde in den Sielen mit eingespannt und konnte gemäß dem Wollen und den Befehlen der Kutscher, weder nach links noch nach rechts ausbrechen.

Ich habe ferner lebhaften inneren Anteil an den Erkenntnissen genommen, welche der menschliche Geist dem All bisher abgerugnen hat, bei seinen Bemühungen, „die Sterne zu greifen“.

 

In jener Ruhe der argentinischen Gegenden, konnte ich mich so recht in das Walten einer höheren Ordnung hineinvertiefen, soweit dies für mich gedanklich noch möglich war; und zu diesem versuchte ich, mir den Spiegel der Selbsterkenntnis vorhaltend, mein Ich, meine Position als Mensch, in Relation zu setzen. Und ganz von selbst wird dabei der Logos des nationalen Denkens, hineingedrängt in andere Überlegungen, die letztlich in das unbedingte Wollen zur universellen, zur globalen Lösung, münden.

     Und ich muß sagen, dieses Ergebnis be-

 

                              /666/                     AE: 70

friedigte mich tief.

Es ist nicht einmal schwer; es ist eigentlich – wie alles in der Natur – einfach. Die Wiederspiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos und umgekehrt.

Tausendmal gehört; auch erfaßt. Aber ich zog in früheren Jahren nicht die Nutzanwendung.

Freilich, ich stehe damit nicht alleine da; denn die Oberflächlichkeit ist es, welche triumphiert. Sonst gäbe es ja längst schon keine Kriege, Ausrottungen, Haß und Zerstörung mehr.

 

Mit Beginn der Existenz des materiellen „Seins“ unserer Welten, den der Mensch erkenntnismäßig vor runden fünf Milliarden Jahren glaubt ansetzen zu können, steht dieses „Sein“ in der „Zeit“.

Seit eben dieser Zeit, stehe auch ich, der ich mich augenblicklich im Seins-Zustande des Menschen befinde, in irgendwelchen Lebensformen des „Seins“, gemäß einer Ordnung des Waltens.

Fünf Milliarden Jahre mußte ich also warten bis mich eine allwaltende Ordnung, auf einen kurzen Zeitla?? als Daseinsform Mensch „abkommandierte“.

Ob ich in diesem genannten Zeitraum schon einmal als Erscheinungsform Mensch gegenständlich und gegenwärtig war, weiß ich nicht. Ob ich in künftigen Äonen wieder einmal zu solch einer „Kommandierung“

 

                         /667-668/                    AE: 71-72

gelange, weiß ich auch nicht.

Ich glaube weder das eine, noch das andere. Nur eines weiß ich sicher, daß ich nach Beendigung meiner augenblicklichen Lebensform, unzählige andere Daseinsformen des organischen und anorganischen Lebens, als Partikelchen des „Seins“ zu durchlaufen habe.

Sechzig Jahre lebe ich als Mensch. Mag sein etwas länger, mag sein etwas kürzere Zeit.

Wie töricht war ich, nur im Sektor „Das Reich“, nur im engen, nationalistischen Verharren zu denken.

Es ist ein Wunder, besser gesagt wunderbar, daß ein allgütiges Walten, dem Menschen seines „Sein“, als der Güter Höchstes, die Freude gab. Die Freude in ihren tausendfältigen Formen.

Freude nutzend, und wieder teilend, sollte alleine die wahre Lebensafgabe des Menschen während seiner Erdenjahre sein.

Alles andere lohnt wenig und ist so recht bedacht nicht einmal egoistisch. Es ist nur töricht, sonst aber nichts.

/6 Zeilen bis Ende der Seite unleserlich gemacht, ebenso knapp 6 weitere Zeilen auf der neuen Seite oben/

                                   Ende

                                        Adolf Eichmann

                                        6 – 9 – 61

Ich habe die letzten Seiten gestrichen. Falls man glaubt, das eine oder andere davon verwenden zu wollen, habe ich nichts dagegen; mir ist es egal.      /Kurzsignatur/

 

/669/

IV. Teil (Anhang)

Götzen     Skizzen.

 

Inhalt                                    6 Blätter

     5 Skizzen als Anhang zur

     Illustration

                         Adolf Eichmann

                         Haifa, den

                         6-9-61

/677

/ Anhang 1

/durchgestrichen mit der Bemerkung Ungültiger Entwurf

Testament.

Im falle meines Todes bitte ich folgendes:

1.)     Ich wünsche, daß meine Leiche von meinen Brüdern aus Israel nach Linz a/Donau, Oberösterreich gebracht wird.

2.)     Daselbst ist sie zu verbrennen.

3.)     Die Asche ist in sieben Teile zu teilen.

4.)     1/7 der Asche soll in das Grab meiner Eltern auf dem Friedhof zu Linz a/Donau, kommen.

5.)     1/7 der Asche im Garten des Hauses meiner Frau und Söhne in Buenos Aires, verstreut werden.

6.)     Von den restlichen 5/7 gehören jedem, meiner Ehefrau Vera geborene Liebl, und meinen Söhnen: Klaus, Horst, Dieter und Ricardo-Francisco, je ein Siebentel.

Es soll einem jeden von ihnen dermaleinst, wenn auch sie ihr Erdenleben beendet haben, mit in ihrem Sarg gegeben werden.

 

/678/

Es mag ihnen zur Beruhigung dienen, dieses zu wissen, und allfällige Angst vor dem Tode, ihnen nehmen.

Denn: der Tod ist nicht schlimmer als die Geburt; und tausendmal tausend andere Leben erwarten noch unser.

Adolf Eichmann

Jerusalem, den fünfzehnten August Eintausendneunhunderteinundsechzig.

(Am 30. Jahrestag meiner Verlobung mit meiner Frau).

 

Die Adressen meiner Brüder sind:

Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstraße 3, Oberösterreich

Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstraße 3, Oberösterreich

 

Dieses Testament ist meiner Ehefrau Vera geb. Liebl über Herrn Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau auszuhändigen. Für die Arbeit, die ich nach meinem Tode noch mache, hatte ich nur Entschuldigung und danken den Personen, die sich darum bemühen.

Adolf Eichmann

15-8-61/


/677/

Anhang 1

/durchgestrichen mit der Bemerkung Ungültiger Entwurf

Testament.

Im falle meines Todes bitte ich folgendes:

7.)     Ich wünsche, daß meine Leiche von meinen Brüdern aus Israel nach Linz a/Donau, Oberösterreich gebracht wird.

8.)     Daselbst ist sie zu verbrennen.

9.)     Die Asche ist in sieben Teile zu teilen.

10.)           1/7 der Asche soll in das Grab meiner Eltern auf dem Friedhof zu Linz a/Donau, kommen.

11.)           1/7 der Asche im Garten des Hauses meiner Frau und Söhne in Buenos Aires, verstreut werden.

12.)           Von den restlichen 5/7 gehören jedem, meiner Ehefrau Vera geborene Liebl, und meinen Söhnen: Klaus, Horst, Dieter und Ricardo-Francisco, je ein Siebentel.

Es soll einem jeden von ihnen dermaleinst, wenn auch sie ihr Erdenleben beendet haben, mit in ihrem Sarg gegeben werden.

 

/678/

Es mag ihnen zur Beruhigung dienen, dieses zu wissen, und allfällige Angst vor dem Tode, ihnen nehmen.

Denn: der Tod ist nicht schlimmer als die Geburt; und tausendmal tausend andere Leben erwarten noch unser.

Adolf Eichmann

Jerusalem, den fünfzehnten August Eintausendneunhunderteinundsechzig.

(Am 30. Jahrestag meiner Verlobung mit meiner Frau).

 

Die Adressen meiner Brüder sind:

Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstraße 3, Oberösterreich

Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstraße 3, Oberösterreich

 

Dieses Testament ist meiner Ehefrau Vera geb. Liebl über Herrn Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau auszuhändigen. Für die Arbeit, die ich nach meinem Tode noch mache, hatte ich nur Entschuldigung und danken den Personen, die sich darum bemühen.

Adolf Eichmann

15-8-61/

 

/675/

175

1

Anhang 2

 

P. Achenbach(1) Bad Krozingen (Baden),

Pastor i. R. Hofstrasse 14

11. September 1961

An den Angeklagten Eichmann, z. Zt. Israel.

Gelegentlich einer Studienreise durch Israel hatten evangelische Pfarrer in Deutschland mich beauftragt, bei Herrn Dr Servatius anzufragen, ob auch seelsorgerlich für Sie etwas getan würde. Nach einem Telefongespräch mit Herrn Staatsanwalt Wechtenbruch erhielt ich   keine Nachricht mehr.

Von einem Pfarrer, der in Israel lebt und im Blick auf eine gleiche Bitte Ihrer damaligen evangelischen Heimatgemeinde Linz, sich mit Herrn Dr. Servatius ind Verbindung setzte, ergab sich, daß auch er bis zu meiner Abreise aus Israel nichts mehr gehört hat.

Nun weiß ich nicht, ob Sie von diesen Verhandlungen Kenntnis erhalten haben.

 

Vielleicht haben Sie inzwischen den Wunsch nach seelsorgerlicher Aussprache selbst gehabt.(2) Es bewegt mich aber doch einmal persönlich an Sie zu schreiben. Auf meiner Reise durch Israel war ich auch im Gerichtssaal und folgte einer Verhandlung. Später habe ich durch Rundfunk und Fernsehen an dem fortgang des Prozeßes teilgenommen.

Als ich im Gerichtssaal die Anklagen vernahm und auch den Verteidiger wie die Öffentlichkeit beobachtete sah ich mich im Geist an den jüngsten Tag, dem Gerichtstag Gottes, versetzt. Schon jetzt war ja im Gerichtssaal alles öffentlich zu beobachten. Am jüngsten Tage wird aber unsere Schuld für alle Welt vernehmbar aufgedeckt. Denn wird der Teufel selbst der Ankläger sein. Was wird ein Mensch dann antworten, wenn er nicht den Verteidiger JESUS zur Seite hat. Es wird am jüngsten Tage alles noch so Geheimnisvolle vor Gott offenbar werden. Am Richterstuhl gottes kommt niemand vorbei. Darum ist es gut, wnn amn schon in dieser Welt Schuld erkennt, bereut und soweit es möglich ist wieder gutmacht. Darf ich Sie an einen Liedervers erinnern, den sie wohl aus dem Konfirmanden-Unterricht noch im Gedächtnis haben:

“Wenn der Kläger mich verklagt, Jesus hat mich schon vertreten,

Wenn er gar zu schten wagt, Jesus hat für mich gebeten,

Daß mein Mittler für mich spricht, das ist meine Zuversicht.”

Sollte es Ihnen von diesem Gesichtspunkt aus nicht möglich sein, einmal Ihre ganze Schuldfrage an der Vernichtung der Juden von Gott her im Lichte der Bibel und der Ewigkeit zu sehen. Aus zuverlässiger Quelle habe ich gehört, daß Sie einmal ein frommer Junge gewesen sein sollen. Wenn dem so ist, wäre es doch wichtig, sich zu fragen, an welchem Punkt die Weichen Ihres Lebens umgestellt wurden, sodaß Sie trotz Kenntnis der Bibel dem Fanatismus des dritten Reiches verfallen konnten. Wenn amn beabsichtigte die gesamte Judenschaft der Welt auszurotten, dann fanden Ihre Vorgesetzten wohl in Ihrer Person ein willfähriges Werkzeug.(3)

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß Ihre Auffindung in der weiten Welt für Sie persönlich zugleich Gottes Gericht, aber wenn es zu einem Schuldbekenntnis käme, auch Gottes Gnade bedeuten könnte. Ihre Bereitschaft, sich selbst das Leben zu nehmen, hebt Gottes Gericht nicht auf.(4)

 

Ich bin der Überzeugung, daß kein anderes Volk, als Israel, das Recht hatte nach Ihnen zu fahnden und Sie vor Gericht zu stellen; denn die Juden sind das Volk, an welchem wir Deutsche in einem ausmaß schuldig geworden sind, wie es bisher nie in der Welt vorkam. Gott sucht uns Menschen immer in unserer Schuld. Das geteilte Berlin und Deutschland sehe ich als Gottes Gericht wegen unserer Schuld an Israel.

 

/676/2

Da Sie nicht nur dem richterlichen Urteilsspruch in Israel entgegesehen, sondern auch dem Richtspruch Gottes über Ihr Leben, Handeln und Tun, sollten Sie ein umfassendes Geständnis der ganzen Schuld(5) vor Gott und Menschen ablegen. Es war ja schon im alten Testament so, daß wer Sünde und Schuld erkannte und im Lichte Gottes bereute, auch Vergebung empfing. Eine Bibel zum Studium wurde Ihnen ja schon, als Sie nach Israel kamen, übersandt.(6) In ihr können Sie ja nachlesen, was Gott zu solchen schweren Verbrechen an Menschen sagt. Ich kann nur hoffen, daß Sie sich noch von Gott und Seinem Wort ansprechen lassen.

 

Ihre moralische Schuld haben Sie – soweit ich sehe - nicht geleugnet: Sie suchten dieselbe aber wohl zu verkleinern. In Ihren Erwiderungen stützen Sie sich auf den abgelegten Eid. Jeder Eid, auch wenn er scheinbar vor Gott ausgesprochen wird, hat seine Grenze am göttlichen gebot und allgmein gesagt an der Humanität. In der Prozeßführung wird Ihnen ja vom Richter-Kollegium und der Anklage Humanität in einem solchen Maße zuteil, wie man das sonst in schweren Prozessen kaum erlebte.

 

Wenn ich mich jetzt mühe(7), Ihnen innerlich ein wenig weiterzuhelfen, dann tue ich das im Angesicht der Ewigkeit, vor der Sie stehen. Durch ein klares Bekenntnis und einen ehrlichen inneren Aufschluß für Ihren und unser aller Anteil an dem Furchtbaren, was an dem jüdischen Volk geschehen ist, könnte es vielleicht doch für Sie zu einer Entlastung kommen.

 

Wenn ich nicht irre, haben Sie sich auch einmal auf den Philosophen Kant berufen, aber gerade Kant hat uns Menschen ja gesagt:

„Das Gewissen des Menschen ist der große Mitwisser Gottes. Es steht immer auf Gottes Seite. Es ist der große Mahner in der Menschenbrust.“

Man kann das Gewissen zum Schweigen bringen, aber doch bricht eines Tages die Not auf, sich verantworten zu müssen. Ein offenes, wahrhaftiges, aufrichtiges, alles umfassendes Geständnis vor Menschen wird auch von Gott in der oberen Welt aufgenommen. Ein solches kann nicht nur für Sie, sondern auch für unser unter Gottes Gericht stehendes zweigeteiltes deutsches Volk ungeahnte Auswirkungen im –Blick auf Begnadigung von Gott her haben.

Lassen Sie mich Ihnen noch einige Bibelworte in Erinnerung bringen.

„Wer Israel antastet, tastet Gottes Augapfel an.“ Sch.2,12.

Auf Grund der Bibel wurde mir folgender Satz bedeutsam:

„Wer Israel liebt wirkt Hand in Hand mit Gott.“

Das Ernste ist, daß für jeden von uns persönlich die Stunde des Todes kommt. Dann müssen wir vor Gottes Richerstuhl erscheinen. Unentrinnbar werden wir dann Gott und seinem Gerichtsurteil ausgeliefert sein. Jedem wird die Frage nach Gottes auserwähltem Volk und nach dem, was wir den Juden getan oder diesem oder jenem Bruder getan oder nicht getan haben, vorgelegt werden. Dann kann sich gottes Gericht nicht mehr in Gnade verwandeln. Das ist nur möglich, solange wir auf Erden sind, d.h. wenn wir Buße tun. Buße aber heißt, sich sehen, wie Gott uns sieht. Wer Gnade finden will vor Gott – wer Deutschland liebt und es mit vom Verderben retten will, der stelle sich ein in die Reihen derer, die sich richten lassen und zur Sühne bereit sind. Wer Gott liebt und ihn nicht weiter erzürnen und betrüben will, der kehre heute noch um und bekenne seine Schuld, auf daß die Gnade der Vergebung über ihn kommen kann, und dann den jüdischen Brüdern Liebe und Wohltat gebracht werde, solange es noch für uns Zeit ist.

Seien Sie der Gnade der irdischen Richter, wie des himmlischen Richters befohlen.

Paul Achenbach

(Unterschrift)

 

Die Hervorhebungen im Brief wurden von Eichmann vorgenommen.

Anmerkungen Eichmanns

 zu dem Brief:

(1) Als Antwort; dem Pastor Achenbach:

     1.)Er möge sich die Stellen lesen, die mein Verteidiger seinem Kollegen Grüber

          anläßlich des Kreuzverhörs vorgelesen hat.

(2) Nicht mit einem protst. Geistlichen.

(3) ???

      Frechheit von diesem Achenbach!!    

 (4) Er soll siicht bekommen, auch nicht verlangt.

(7) Ich habe nicht darum gebeten, daß sich der pensionierte Pastor bemühen mög