Die Machtergreifung.
In den acht Jahren, die auf die Veröffentlichung von »Mein Kampf« folgten, hat die NSDAP in ganz Deutschland ihre Tätigkeit stark erweitert, wobei sie der Schulung der Jugend in den nationalsozialistischen Ideen besondere Aufmerksamkeit widmete. Die erste nazistische Jugendorganisation war bereits 1922 ins Leben gerufen worden, aber erst 1925 wurde die Hitlerjugend von der NSDAP offiziell anerkannt. Im Jahre 1931 wurde Baldur von Schirach, der der NSDAP 1925 beigetreten war, Reichsjugendführer der NSDAP.
Die Partei tat alles, um sich die politische Unterstützung des Deutschen Volkes zu sichern. Sie beteiligte sich am Wahlkampf, sowohl für den Reichstag als auch für die Landtage. Die Führer der NSDAP unternahmen keinerlei ernste Versuche, die Tatsache zu verschleiern, daß ihr Eintritt in das politische Leben Deutschlands lediglich zum Ziele hatte, die demokratische Struktur der Weimarer Republik zu zerschlagen und an ihre Stelle ein totalitäres nationalsozialistisches Regime zu setzen, das ihnen ermöglichen sollte, ihr offen proklamiertes politisches Programm ohne Widerstand zu verwirklichen. Als Vorbereitung auf den Tag, da Hitler in Deutschland zur Macht kommen werde, ernannte er im Januar 1929 Heinrich Himmler zum Reichsführer-SS mit dem Sonderauftrag, die SS zu einem machtvollen Elite- Organ auszubauen, auf das er sich unter allen Umständen verlassen könne.
Am 30. Januar 1933 gelang es Hitler, sich vom Präsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernennen zu lassen. Die Angeklagten Göring, Schacht und von Papen waren eifrig tätig, Unterstützung hierfür zu gewinnen.
Von Papen war am 1. Juni 1932 zum Reichskanzler ernannt worden. Am 14. Juni hob er die Verordnung der Regierung Brüning vom 13. April 1932 auf, auf Grund derer die nazistischen halbmilitärischen Verbände, einschließlich der SA und SS, aufgelöst worden waren. Dies geschah durch Übereinkommen zwischen Hitler und von Papen, obwohl von Papen leugnet, daß es bereits am 28. Mai vereinbart wurde, wie Dr. Hans Volz in »Daten aus der Geschichte der NSDAP« erklärt; daß aber die Aufhebung das Ergebnis einer Vereinbarung darstellte, hat von Papen im Verhör zugegeben.
Die Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 brachten der NSDAP einen großen Machtzuwachs und von Papen bot Hitler den Posten des Vizekanzlers an, den dieser jedoch ablehnte. Er bestand darauf, Kanzler zu werden. Im November 1932 wurde dem Präsidenten Hindenburg eine von Großindustriellen und Finanzleuten unterzeichnete Eingabe vorgelegt, in der er ersucht wurde, Hitler mit der Kanzlerschaft zu betrauen. Bei der Sammlung von Unterschriften für diese Eingabe spielte Schacht eine hervorragende Rolle.
Die Wahl vom 6. November, die auf die Niederlage der Regierung folgte, verringerte die Zahl der Mitglieder der NSDAP; von Papen machte zwar weitere Anstrengungen, Hitler zur Mitwirkung zu bewegen, aber sie blieben erfolglos. Am 12. November schrieb Schacht an Hitler:
»Es unterliegt für mich gar keinem Zweifel, daß die gegenwärtige Entwicklung der Dinge nur das eine Ende haben kann, und das ist Ihre Kanzlerschaft. Es scheint, als ob unser Versuch, eine Reihe von Unterschriften aus der Wirtschaft dafür zu bekommen, doch nicht ganz umsonst ist...«
Nach Hitlers Weigerung am 16. November legte von Papen sein Amt nieder, General von Schleicher wurde sein Nachfolger, Papen setzte aber seine Betätigung fort. Am 4. Januar 1933 traf er mit Hitler im Hause des Kölner Bankiers von Schroeder zusammen, und am 22. Januar wohnte er mit dem Angeklagten Göring und anderen Persönlichkeiten einer Sitzung im Hause des Angeklagten von Ribbentrop bei. Er hatte ferner am 9. Januar eine private Unterredung mit dem Präsidenten Hindenburg und vom 22. Januar ab führte er offizielle Besprechungen mit Hindenburg über die Bildung eines Kabinetts Hitler.
Am Tage seiner Ernennung zum Kanzler hielt Hitler seine erste Kabinettssitzung ab, bei der die Angeklagten Göring, Frick, Funk, von Neurath und von Papen in amtlicher Eigenschaft zugegen waren.
Am 28. Februar 1933 wurde das Reichstagsgebäude in Berlin in Brand gesetzt. Dieser Brand wurde von Hitler und seiner Regierung als Vorwand dazu benutzt, am selben Tage die Verordnung zu erlassen, durch die die verfassungsmäßigen Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. Die Verordnung war vom Präsidenten Hindenburg unterzeichnet und von Hitler und dem Angeklagten Frick – der damals den Posten des Reichsinnenministers bekleidete – gegengezeichnet. Am 5. März wurden Wahlen abgehalten, bei denen der NSDAP 288 Sitze von insgesamt 647 zufielen. Die Hitlerregierung war eifrig bestrebt, ein »Ermächtigungsgesetz« durchzudrücken, das ihr volle gesetzgebende Macht einschließlich des Rechts, von der Verfassung abzuweichen, verleihen sollte. Sie hatte nicht die notwendige Mehrheit im Reichstag, um dies verfassungsmäßig tun zu können. Sie machte daher Gebrauch von der Verordnung, die die Grundrechte außer Kraft gesetzt hatte, und nahm eine große Anzahl kommunistischer Abgeordneter und Parteifunktionäre in sogenannte »Schutzhaft«.
Nunmehr brachte Hitler das »Ermächtigungsgesetz« im Reichstag ein. Nachdem er deutlich hatte erkennen lassen, daß im Falle der Ablehnung weitere Gewaltmaßnahmen getroffen werden sollten, wurde das Gesetz am 24. März 1933 angenommen.