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Das auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezügliche Recht

Artikel 6 des Statuts sieht vor:

»(b) Kriegsverbrechen: nämlich Verletzungen der Kriegsgesetze und der Kriegsbräuche. Solche Verletzungen umfassen, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein, Ermordung, Mißhandlung oder Verschleppung der entweder aus einem besetzten Gebiet stammenden oder dort befindlichen Zivilbevölkerung zur Zwangsarbeit oder zu irgendeinem anderen Zwecke, Ermordung oder Mißhandlung von Kriegsgefangenen oder Personen auf hoher See, Tötung von Geiseln, Raub öffentlichen oder privaten Eigentums, mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten oder Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung.

6 (c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit: nämlich Ermordung, Ausrottung, Versklavung, Verschleppung oder andere an der Zivilbevölkerung vor Beginn oder während des Krieges begangene unmenschliche Handlungen; oder Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist, unabhängig davon, ob die Handlung gegen das Recht des Landes, in dem sie begangen wurde, verstieß oder nicht.«

Wie bereits früher angeführt, bezeichnet das Statut nicht jede Verschwörung als besonderes Verbrechen, sondern nur die sich mit Verbrechen gegen den Frieden befassende und in Artikel 6 (a) angeführte Verschwörung.

Der Gerichtshof ist selbstverständlich an die Definition gebunden, welche das Statut von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt. Was die Kriegsverbrechen anbelangt, so hat schon das Völkerrecht, wie bereits ausgeführt, die in Artikel 6, Abschnitt (b) des Statuts angeführten Verbrechen als Kriegsverbrechen anerkannt. Auf sie beziehen sich die Artikel 46, 50, 52 und 56 der Haager Konvention von 1907, und die Artikel 2, 3, 4, 46 und 51 der Genfer Konvention von 1929. Daß Verletzungen dieser Bestimmungen Verbrechen darstellten, für die die schuldigen Einzelpersonen strafbar waren, ist so allgemein anerkannt, daß darüber eine Erörterung nicht mehr zugelassen werden kann.

Es ist jedoch geltend gemacht worden, daß die Haager Konvention auf diesen Fall keine Anwendung finde, und zwar wegen der »Allbeteiligungsklausel«, enthalten in Artikel 2 des Haager Abkommens vom Jahre 1907. Diese Klausel sah vor:

»Die Bestimmungen der in Art. I angeführten Ordnung sowie des vorliegenden Abkommens finden nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegführenden sämtlich Vertragspartner sind.«

Mehrere der Kriegführenden des letzten Krieges waren dieser Konvention nicht beigetreten.

Nach Ansicht des Gerichtshofes ist es nicht notwendig, diese Frage zu entscheiden. Die in der Konvention niedergelegten Landkriegsregeln stellten zweifellos einen Fortschritt gegenüber dem zur Zeit ihrer Annahme bestehenden Völkerrecht dar. Doch enthielt die Konvention den ausdrücklichen Vermerk, daß es sich um einen Versuch handle, »die allgemeinen Gesetze und Bräuche des Krieges einer Neuordnung zu unterziehen«, die die Konvention auf diese Weise als damals bestehend anerkannte. Im Jahre 1939 waren jedoch die in der Konvention niedergelegten Regeln von allen zivilisierten Nationen anerkannt und als Zusammenstellung der Kriegsgesetze und -bräuche betrachtet, auf die Artikel 6 (b) des Statuts Bezug nimmt. Ein weiterer Einwand bestand darin, daß Deutschland in vielen der während des Krieges besetzten Gebiete nicht länger an die Landkriegsregeln gebunden war, da Deutschland diese Länder vollständig unterworfen und dem Deutschen Reiche eingegliedert habe, durch welche Tatsache Deutschland die Befugnis erhalten habe, die besetzten Länder so zu behandeln, als wären sie Teile Deutschlands. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist es in diesem Falle nicht notwendig, zu entscheiden, ob diese Lehre von der Unterwerfung, die bei militärischer Eroberung Platz greift, dort Anwendung findet, wo die Unterwerfung das Ergebnis des Verbrechens eines Angriffskrieges ist. Niemals ist diese Lehre für anwendbar gehalten worden, solange noch eine Armee im Felde stand und versuchte, die besetzten Gebiete ihren wahren Herren zurückzugewinnen, und daher kann im vorliegenden Falle dieser Lehrsatz auf keines der nach dem 1. September 1939 besetzten Gebiete Anwendung finden. Was die in Böhmen und Mähren begangenen Kriegsverbrechen betrifft, so genügt die Antwort, daß diese Gebiete niemals dem Reich angegliedert wurden; vielmehr wurde lediglich ein Protektorat über sie errichtet.

Was die Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrifft, so besteht keinerlei Zweifel, daß politische Gegner in Deutschland vor dem Kriege ermordet wurden und daß ihrer viele in Konzentrationslagern unter den schrecklichsten und grausamsten Umständen gefangen gehalten wurden. Diese Politik des Schreckens ist sicherlich in großem Maßstabe durchgeführt worden und war in vielen Fällen organisiert und durchdacht. Die vor dem Krieg von 1939 in Deutschland durchgeführte Politik der Verfolgung, der Unterdrückung und der Ermordung von Zivilpersonen, von denen eine gegen die Regierung gerichtete Einstellung zu vermuten war, wurde auf das erbarmungsloseste durchgeführt. Die in der gleichen Zeit vor sich gehende Verfolgung der Juden ist über allen Zweifel festgestellt. Um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begründen, müssen die vor Ausbruch des Krieges begangenen und hier herangezogenen Handlungen in Ausführung eines Angriffskrieges oder in Verbindung mit einem der Zuständigkeit dieses Gerichtshofes unterstellten Verbrechen verübt worden sein. Der Gerichtshof ist der Meinung, daß, so empörend und entsetzlich viele dieser Verbrechen waren, doch nicht hinreichend nachgewiesen wurde, daß sie in Ausführung eines Angriffskrieges oder in Verbindung mit einem derartigen Verbrechen verübt worden sind. Der Gerichtshof kann deshalb keine allgemeine Erklärung dahingehend abgeben, daß die vor 1939 ausgeführten Handlungen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Statuts waren. Aber seit Beginn des Krieges im Jahr 1939 sind Kriegsverbrechen in großem Umfang begangen worden, die auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren; und soweit die in der Anklage zur Last gelegten unmenschlichen Handlungen, die nach Kriegsbeginn begangen wurden, keine Kriegsverbrechen darstellen, wurden sie doch alle in Ausführung eines Angriffskrieges oder im Zusammenhang mit einem Angriffskrieg begangen und stellen deshalb Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.