HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ein anderes Geheimdokument, das aus OKW-Akten erbeutet wurde, beweist, wie wir glauben, die Beweggründe für den Angriff auf Rußland. Es beweist ebenfalls, daß sich die Nazi-Verschwörer der Verbrechen gegen die Humanität voll bewußt waren, die eine Folge ihres Angriffs sein würden. Die Urkunde ist ein Memorandum vom 2. Mai 1941 und behandelt die Ergebnisse einer Unterredung mit den Staatssekretären vom gleichen Tag über den Fall »Barbarossa«. Die Urkunde ist gezeichnet von einem Major von Gusovius vom Stabe des Generals Thomas, der den Auftrag hatte, die wirtschaftliche Ausbeutung der von den Deutschen während ihres Angriffs auf Rußland besetzten Gebiete zu leiten. Die Urkunde trägt die Nummer 2718-PS und wird hiermit als Beweisstück US-32 dem Gericht vorgelegt.

Ich verlese nur die ersten beiden Absätze dieser Urkunde einschließlich der einführenden Bemerkungen:

»Chefsache – Stab Ia – 2.5.41 – Zwei Ausfertigungen. Erste Ausfertigung Akten 1a. Zweite Ausfertigung Gen. Schubert.

Aktennotiz über Ergebnis der heutigen Besprechung mit den Staatssekretären über Barbarossa.

1. Der Krieg ist nur weiterzuführen, wenn die gesamte Wehrmacht im dritten Kriegsjahr aus Rußland ernährt wird.

2. Hierbei werden zweifellos -zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird.«

Dieses Dokument ist bereits von Justice Jackson besprochen und in seiner Eröffnungsrede zitiert worden. Die unglaubliche Bedeutung dieses Dokuments kann man sich kaum vorstellen. Nach den Worten dieser Urkunde ist der Beweis dafür gegeben, daß der Krieg, den die Nazi-Verschwörer im September 1939 entfesselt haben, nur fortgesetzt werden konnte, wenn die gesamten Streitkräfte im dritten Kriegsjahr aus Rußland ernährt werden konnten. Noch niemals ist wohl ein unheilvollerer Satz niedergeschrieben worden, als der Satz in dieser Urkunde, der heißt:

»Hierbei werden zweifellos -zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird.«

Über das Ergebnis wissen wir alle Bescheid.

Ich wende mich nun der Zusammenarbeit der Nazis mit Japan und Italien zu und dem daraus entstandenen Angriff auf die Vereinigten Staaten vom 7. Dezember 1941. Mit der Entfesselung des deutschen Angriffskrieges gegen Bußland im Jahre 1941 wandten sich die Nazi-Verschwörer und besonders der Angeklagte von Ribbentrop an den Mitschöpfer der »Neuen Ordnung« Japan und ersuchten um einen Angriff im Rücken. Unser Beweismaterial wird zeigen, daß die Nazi- Verschwörer eine Macht, die notwendigerweise einen Angriff auf die Vereinigten Staaten mit sich bringen würde, aufreizten und in Bewegung brachten. Eine Zeitlang blieben die Nazi-Verschwörer dabei, daß die Vereinigten Staaten nicht in den Konflikt hineingezogen werden müßten, weil sie wußten, welche militärischen Folgen dies nach sich ziehen würde. Jedoch hatte ihre Hetzerei den Überfall auf Pearl Harbour zur Folge, und lange vor dem Angriff gaben sie Japan die Versicherung, daß sie gegen die Vereinigten Staaten Krieg erklären würden, sollte ein Krieg zwischen Japan und den Vereinigten Staaten ausbrechen. Japan verließ sich auf diese Zusicherungen, als es die Vereinigten Staaten angriff.

Über diesen Punkt werde ich jetzt nur eine Urkunde als Beweismaterial vorlegen. Diese Urkunde wurde in den Akten des Deutschen Auswärtigen Amtes vorgefunden. Sie enthält Niederschriften, die das Datum vom 4. April 1941 tragen, unterschrieben von »Schmidt«, und hat Besprechungen des Führers mit dem japanischen Außenminister Matsuoka in Gegenwart des Angeklagten von Ribbentrop zum Gegenstand. Die Urkunde trägt in unserer numerierten Urkundenserie die Nummer 1881-PS, ich lege sie als Beweisstück US-33 vor.

Das Original ist deutsch und auf einer Schreibmaschine mit sehr großen Lettern geschrieben. Ich lese nur die Teile vor, die ich für erheblich halte. Zuerst die Überschrift:

»Aufzeichnung über die Unterredung zwischen dem Führer und dem japanischen Außenminister Matsuoka in Anwesenheit des Reichsaußenministers und des Staatsministers Meißner in Berlin am 4. April 1941.

... Matsuoka brachte dann anschließend noch die Bitte vor, der Führer möge die zuständigen Stellen in Deutschland anweisen, den Wünschen der Japanischen Militärkommission möglichst großzügig entgegen zu kommen. Japan bedürfe besonders auf dem Gebiet des Unterseebootkrieges der deutschen Mithilfe in Gestalt einer Zurverfügungstellung der neuesten Kriegserfahrungen und der neuesten technischen Verbesserungen und Erfindungen.«

Für das Protokoll möchte ich sagen, daß ich Seite 6 des deutschen Originals lese:

»Japan würde alles in seinen Kräften Stehende tun, um einen Krieg mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden. Für den Fall, daß das Land sich zu einem Schlag gegen Singapore entscheide, müsse die japanische Marine natürlich auch für einen Kampf gegen die Vereinigten Staaten ihre Vorbereitungen treffen, da Amerika sich dann möglicherweise auf die Seite Großbritanniens stellen würde. Persönlich glaube er (Matsuoka) durch diplomatische Bemühungen die Vereinigten Staaten vom Eintritt in den Krieg auf Seiten Großbritanniens abhalten zu können. Heer und Marine müßten jedoch mit dem ungünstigsten Falle, das heißt mit einem Krieg gegen Amerika rechnen. Sie seien der Ansicht, daß dieser Krieg sich über fünf Jahre oder mehr hinziehen könne und in Form eines Guerillakrieges im Stillen Ozean und in der Südsee ausgefochten werden würde. Aus diesem Grunde seien die Erfahrungen, die Deutschland in seinem Guerillakrieg gemacht habe, für Japan sehr wichtig. Es handle sich darum, wie ein solcher Krieg am besten zu führen sei und wie sämtliche technische Verbesserungen der Unterseeboote, bis zu den einzelnen Teilen wie Periskop und dergleichen, von Japan nutzbar gemacht werden könnten.

Zusammenfassend bat Matsuoka den Führer, dafür zu sorgen, daß die von Japan benötigten Verbesserungen und Erfindungen auf dem Gebiet der Marine und des Heeres den Japanern von den zuständigen deutschen Stellen zur Verfügung gestellt würden. Der Führer sagte dies zu und wies darauf hin, daß auch Deutschland einen Konflikt mit den Vereinigten Staaten für unerwünscht halte, ihn aber in seine Rechnung schon einkalkuliert habe. In Deutschland stehe man auf dem Standpunkt, daß Amerikas Leistungen von seinen Transportmöglichkeiten abhingen, die wiederum durch die zur Verfügung stehende Tonnage bedingt sei. Der Krieg Deutschlands gegen die Tonnage bedeute eine entscheidende Schwächung nicht nur Englands, sondern auch Amerikas. Deutschland habe seine Vorbereitungen so getroffen, daß in Europa kein Amerikaner landen könne. Es würde mit seinen Unterseebooten und seiner Luftwaffe einen energischen Kampf gegen Amerika führen und infolge seiner größeren Erfahrung, die Amerika erst erwerben müsse, erheblich überlegen sein, ganz abgesehen davon, daß die deutschen Soldaten selbstverständlich hoch über den Amerikanern stünden.

Im weiteren Verlauf des Gespräches betonte der Führer, daß, wenn Japan in einen Konflikt mit den Vereinigten Staaten geriete, Deutschland seinerseits sofort die Konseqenzen ziehen würde. Es sei gleichgültig, mit wem die Vereinigten Staaten zuerst in Konflikt gerieten, ob mit Deutschland oder mit Japan. Sie würden stets darauf aus sein, zunächst ein Land zu erledigen, nicht etwa, um sich anschließend mit dem anderen Land zu verständigen, sondern um dieses danach ebenfalls zu erledigen. Daher würde Deutschland, wie gesagt, unverzüglich in einem Konfliktfalle Japan-Amerika eingreifen, denn die Stärke der Dreier-Pakt-Mächte sei ihr gemeinsames Vorgehen. Ihre Schwäche würde darin liegen, wenn sie sich einzeln niederschlagen ließen.

Matsuoka wiederholte noch einmal seine Bitte, der Führer möge die nötigen Weisungen erteilen, damit die zuständigen deutschen Stellen den Japanern die neuesten, für sie in Frage kommenden Erfindungen und Verbesserungen zur Verfügung stellen. Denn für einen Konflikt mit den Vereinigten Staaten müßte sich die japanische Marine sofort vorbereiten.

Bezüglich der japanisch-amerikanischen Beziehungen, führte Matsuoka weiter aus, habe er in seinem Lande stets behauptet, daß, wenn Japan weiter so dahin treibe wie jetzt, ein Krieg mit den Vereinigten Staaten früher oder später unvermeidlich sei.

Seiner Ansicht nach würde dieser Konflikt eher früher als später eintreten. Weshalb, so habe seine Argumentation weiter gelautet, solle Japan deshalb nicht im richtigen Augenblick entschlossen handeln und das Risiko eines Kampfes gegen Amerika auf sich nehmen? Gerade dadurch würde es vielleicht auf Generationen hinaus einen Krieg verhindern, besonders, wenn es in der Südsee die Herrschaft gewonnen habe. In Japan allerdings zögerten viele, diesen Gedankengängen zu folgen. Man hielte Matsuoka in diesen Kreisen für einen gefährlichen Mann mit gefährlichen Gedanken. Er aber behaupte, daß, wenn Japan auf dem jetzigen Wege weitergehe, es doch eines Tages kämpfen müsse und daß dies dann unter ungünstigeren Umständen als jetzt geschehen würde.

Der Führer erwiderte, er habe für die Lage Matsuokas größtes Verständnis, da er sich selber in ähnlichen Situationen (Rheinlandräumung, Erklärung der Wehrho heit) befunden habe. Auch er sei der Ansicht gewesen, daß er in einer Zeit, wo er selbst noch jung und tatkräftig sei, günstige Umstände ausnutzen und das Risiko eines doch unvermeidlichen Kampfes auf sich nehmen mußte. Daß er mit dieser Stellungnahme recht gehabt hätte, sei durch die Ereignisse bewiesen worden. Europa sei jetzt frei. Er würde keinen Augenblick zögern, auf jede Kriegsausweitung, sei es durch Rußland, sei es durch Amerika, sofort zu antworten. Die Vorsehung liebe denjenigen, der die Gefahren nicht über sich kommen ließe, sondern ihnen mutig entgegensähe.

Matsuoka erwiderte, daß die Vereinigten Staaten oder vielmehr die dort herrschenden Staatsmänner gegenüber Japan kürzlich noch ein letztes Manöver unternommen hätten, indem sie erklärten, Amerika würde Japan nicht wegen China oder der Südsee bekämpfen, unter der Voraussetzung, daß Japan die Lieferung von Gummi und Zinn aus diesen Gegenden ungehindert nach Amerika an ihren Bestimmungsort durchließe. Amerika würde jedoch in dem Augenblick gegen Japan kämpfen, in dem es fühle, daß Japan mit der Absicht in den Krieg eintrete, bei der Zerstörung Großbritanniens mitzuhelfen. Bei der englischorientierten Erziehung, die viele Japaner erhalten hätten, verfehle natürlich eine solche Argumentation nicht ihre Wirkung auf die Japaner.

Der Führer bemerkte hierzu, daß diese Haltung Amerikas weiter nichts bedeute als daß, solange das Britische Weltreich bestehen bliebe, die Vereinigten Staaten Hoffnung hegten, eines Tages, gemeinsam mit Großbri tannien, gegen Japan vorgehen zu können, während sie bei einem Zusammenbruch des Weltreiches Japan gegenüber völlig allein dastehen würden und nichts gegen es ausrichten könnten. Der Reichsaußenminister warf hier ein, daß die Amerikaner eben unter allen Umständen die Machtposition Englands in Ostasien aufrechterhalten wollten, daß aber andererseits diese Haltung beweise, mit welcher Furcht sie einem gemeinsamen Vorgehen Japans und Deutschlands entgegensähen.

Matsuoka führte weiter aus, es erschiene ihm wichtig, dem Führer über die wirkliche Haltung in Japan reinen Wein einzuschenken. Deshalb müsse er ihm auch die bedauerliche Tatsache mitteilen, daß er, Matsuoka, als japanischer Außenminister in Japan selbst nicht ein Wort von dem, was er vor dem Führer und dem Reichsaußenminister über seine Pläne dargelegt habe, äußern dürfte. In politischen und finanziellen Kreisen würde ihm das sehr schaden. Er habe bereits vorher einmal, ehe er japanischer Außenminister wurde, den Fehler begangen, einem nahen Freunde etwas über seine Absichten mitzuteilen. Dieser habe dann anscheinend die Dinge herumgetragen, so daß alle möglichen Gerüchte entstanden, denen er, obwohl er sonst immer die Wahrheit spräche, als Außenminister energisch entgegentreten mußte.

Unter diesen Umständen könne er auch nicht angeben, wie bald er dem japanischen Premierminister oder, dem Kaiser über die besprochenen Fragen Vortrag halten könne. Er würde die Entwicklung in Japan zunächst genau sorgfältig verfolgen müssen, um sich in einem günstigen Augenblick zu entscheiden, dem Prinzen Konoye und dem Kaiser über seine eigentlichen Pläne reinen Wein einzuschenken. Die Entscheidung müßte dann in ein paar Tagen erfolgen, da die Probleme sonst zerredet würden. Sollte er (Matsuoka) sich nicht mit seinen Absichten durchsetzen, wäre es ein Beweis, daß es ihm an Einfluß, Überzeugungskraft und taktischen Fähigkeiten fehle. Sollte er sich jedoch durchsetzen, so würde das beweisen, daß er einen großen Einfluß in Japan habe. Er persönlich glaube, daß er sich durchsetzen würde.

Bei seiner Rückkehr würde er dem Kaiser, dem Premierminister, dem Marine- und dem Kriegsminister auf deren Fragen zwar zugeben, daß über Singapore gesprochen worden sei, er würde jedoch erklären, daß dies nur in hypothetischer Form geschehen wäre.

Außerdem bat Matsuoka ausdrücklich über die Angelegenheit Singapore nichts zu kabeln, da er fürchte, daß durch Telegramme etwas durchsickern würde. Falls nötig, würde er einen Kurier schicken. Der Führer stimmte dem zu und versicherte im übrigen, daß er sich auf die deutsche Verschwiegenheit voll und ganz verlassen könne.

Matsuoka erwiderte, er glaube zwar an die deutsche Verschwiegenheit, könne aber leider nicht dasselbe von Japan sagen.

Nach einigen persönlichen Abschiedsworten fand die Unterredung ihr Ende.

Berlin, den 4. April 1941.

Schmidt.«

Damit ist die Vorlage der von mir so bezeichneten Handvoll ausgesuchter Urkunden vollendet, nicht so sehr, um eine ausführliche Behandlung irgendeines dieser Angriffskriege zu geben, vielmehr um zu beweisen, daß jeder dieser Angriffskriege nach einem sorgfältig vorbereiteten Plan und mit lange vorbedachter Überlegung durchgeführt wurde.

Ich will jetzt zu einer mehr ins einzelne gehenden und mehr oder weniger chronologischen Behandlung der einzelnen Phasen dieser Angriffe übergehen.

VORSITZENDER: Das Gericht vertagt sich auf morgen 10.00 Uhr.