HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

FLOTTENRICHTER OTTO KRANZBÜHLER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN DÖNITZ: Ich möchte einen Antrag zur Technik des Verfahrens stellen. Im Laufe des Verfahrens werden viele deutsche Zeugen vernommen werden. Es wird darauf ankommen, daß die Aussagen dieser Zeugen genau zur Kenntnis des Gerichts kommen. Ich habe bei der Vernehmung dieses Zeugen versucht, die wirkliche Aussage mit dem englischen Übersetzungstext zu vergleichen. Ich glaube feststellen zu können, daß in einer Reihe von wesentlichen Punkten die Übersetzung nicht genau dem entspricht, was der Zeuge wirklich gesagt hat. Ich möchte deshalb anregen, daß deutsche Stenographen die deutschen Aussagen unmittelbar niederlegen, so daß die Verteidiger Gelegenheit haben, die wirkliche Aussage mit der englischen Übersetzung zu vergleichen und gegebenenfalls die Richtigstellung der Übersetzung zu beantragen. Das ist alles.

VORSITZENDER: Herr Justice Jackson, bitte!

JUSTICE ROBERT H. JACKSON, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Ich möchte dem Gerichtshof sowie den Verteidigern in Anbetracht des eben Erwähnten davon Mitteilung machen, daß eine entsprechende Möglichkeit vorgesehen ist, und daß jede Erklärung in deutscher Sprache niedergeschrieben wird, so daß die Zeugenaussage auf Antrag eines Verteidigers jederzeit überprüft werden kann, wenn sich hierbei irgendwelche Fragen ergeben.

VORSITZENDER: Steht den Verteidigern eine deutsche Niederschrift zur Verfügung?

JUSTICE JACKSON: Ich glaube bisher noch nicht. Wir werden sie jedoch zur Verfügung stellen, wenn sich die Notwendigkeit hierfür ergibt.

VORSITZENDER: Wird die gesamte Aussage niedergeschrieben?

JUSTICE JACKSON: Ich bin nicht vollständig mit der technischen Seite dieses Problems vertraut. Man müßte den entsprechenden Fachmann befragen. Ich weiß lediglich, daß alles niedergeschrieben wird. Jede Aussage wird in vollständigster Form aufbewahrt, und sollte der Verteidiger irgendeinen besonderen Anlaß des Zweifels finden, so kann eine Berichtigung durch den Zeugen selbst oder auf Grund der Schallplattenwiedergabe erfolgen. Im Augenblick hat es keinen Zweck, Schallplatten zur Verfügung zu stellen ohne die notwendigen Lautsprechmaschinen. Ich bin selbst kein Techniker, halte jedoch das letztere für unpraktisch.

VORSITZENDER: Wäre es nicht möglich, das deutsche Stenogramm abschreiben zu lassen und es innerhalb von ein oder zwei Tagen nach der Verhandlung dem Büro der Verteidiger weiterzugeben?

JUSTICE JACKSON: Das erfolgt bereits. Ich glaube, es wäre angebracht, wenn Oberst Dostert Ihnen die Einzelheiten vortragen würde, er ist Fachmann und in dieser Angelegenheit besser unterrichtet als ich. Ich bin davon überzeugt, daß sich in der Frage der genauen Übersetzung keine Schwierigkeiten ergeben werden.

OBERST DOSTERT, CHEF DER DOLMETSCHER: Hoher Gerichtshof! Ein Stenogramm der Verhandlung in allen vier Sprachen wird gleichzeitig niedergeschrieben, und jedes Wort, das deutsch gesprochen wird, wird von deutschen Stenographen sofort niedergeschrieben. Diese Notizen werden abgeschrieben und der Verteidigung zur Verfügung gestellt. Weiterhin besteht eine maschinelle Einrichtung, die jedes Wort niederschreibt, das in irgendeiner Sprache innerhalb des Gerichtssaals gesprochen wird. Im Falle eines Zweifels haben wir die weitere Möglichkeit, die Genauigkeit der Stenogramme durch diese maschinelle Einrichtung zu überprüfen, und es steht der Verteidigung damit frei, die Genauigkeit der Übersetzung zu überprüfen.

JUSTICE JACKSON: Oberst Dostert teilt mir weiterhin mit, daß die Angeklagten selbst 25 Kopien der deutschen Niederschrift täglich erhalten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich war nicht unterrichtet, daß die deutschen Aussagen auch deutsch stenographiert werden. Ich habe angenommen, daß die übermittelten Protokolle Übersetzungen seien. Wenn wirklich deutsche Stenogramme aufgenommen werden, ist mein Antrag damit erledigt.

VORSITZENDER: Ich glaube, es würde die Verhandlung beschleunigen, wenn die Herren Verteidiger sich, ehe sie Anträge an den Gerichtshof richten, hinsichtlich der Tatsachen erkundigen würden, die sie in ihren Eingaben vorzubringen wünschen.

DR. FRITZ SAUTER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON RIBBENTROP: Ich bitte, einige Fragen an den Zeugen stellen zu können: Herr Zeuge, Sie haben vorhin gesagt, daß irgendeinmal ein Befehl herausgegangen sei, wonach russische Kriegsgefangene in einer bestimmten Weise gekennzeichnet werden sollten, und daß dieser Befehl durch den Angeklagten Keitel wieder zurückgezogen worden sei. Das haben Sie doch gesagt?

LAHOUSEN: Ja, ich habe gesagt, davon Kenntnis gehabt zu haben, daß die Absicht bestand...

DR. SAUTER: Ja, nun würde es mich vom Standpunkt des Angeklagten Ribbentrop aus interessieren, und ich bitte, sich darüber zu äußern, ob Ihnen etwas darüber bekannt ist. Ribbentrop behauptet, als er seinerzeit von diesem Befehl zur Brandmarkung russischer Kriegsgefangener Kenntnis erhalten habe, sei er sofort in seiner Eigenschaft als Reichsaußenminister in das Führerhauptquartier gefahren, habe von diesem Befehl den Generalfeldmarschall Keitel verständigt und habe darauf hingewiesen, daß er, Ribbentrop, in seiner Eigenschaft als Reichsaußenminister sowie als Betreuer der völkerrechtlichen Belange gegen eine derartige Behandlung russischer Kriegsgefangener Einspruch einlegen müsse. Mich würde nun interessieren, Herr Zeuge, ist in Ihrem Kreise davon gesprochen worden, wer den Generalfeldmarschall Keitel auf den Befehl aufmerksam gemacht, und wer ihm nahegelegt hat, diesen Befehl zurückzuziehen?

LAHOUSEN: Nein, davon ist mir nichts bekannt. Mir ist nur die Tatsache bekannt, die ich wiedergegeben habe, daß die Absicht bestanden hat und meines Wissens nach, wie ich bei der gestrigen Vernehmung auch hinzugefügt habe, nicht durchgeführt wurde.

DR. SAUTER: Dann hätte ich eine andere Frage, Herr Zeuge: Sie haben gestern von Äußerungen des Angeklagten Ribbentrop gesprochen, insbesondere von einer Äußerung in der Richtung, es müßte eine Aufstandsbewegung in Polen, also nicht in Rußland, sondern in Polen, inszeniert werden. Alle Gehöfte der Polen müßten in Flammen aufgehen, und alle Juden müßten totgeschlagen werden. So ungefähr soll die Äußerung gelautet haben.

LAHOUSEN: Ja.

DR. SAUTER: Nun haben Sie später, ich glaube auf die Frage eines der Herren sowjetischen Ankläger, diese Ihre Aufgaben dahin noch ergänzt, daß Sie von einem Befehl des Angeklagten Ribbentrop gesprochen haben. Mich würde es nun interessieren, ob Sie tatsächlich zum Ausdruck bringen wollen, daß es sich dabei um einen Befehl Ribbentrops an eine militärische Dienststelle gehandelt hat?

LAHOUSEN: Nein.

DR. SAUTER: Und ich darf noch daran erinnern, damit Sie das auch gleich mitbeantworten, daß Sie gestern bei der ersten Verhandlung dieser Angelegenheit von einer Richtlinie gesprochen haben, die, ich glaube, Ihr Vorgesetzter, wie Sie sagten, offenbar von Ribbentrop empfangen habe?

LAHOUSEN: Nein, der damalige Chef des OKW, nicht mein unmittelbarer Vorgesetzter. Mein unmittelbarer Vorgesetzter war ja Canaris. Ich darf es vielleicht der Klarheit halber kurz wiederholen: Es handelt sich um das Thema, das bei der Besprechung im Führerzug am 12. September 1939 behandelt wurde. Diese Besprechungen spielten sich in der zeitlichen und räumlichen Reihenfolge wie folgt ab: Zunächst fand eine kurze Besprechung zwischen dem damaligen Reichsaußenminister von Ribbentrop und Canaris in seinem Wagen statt.

DR. SAUTER: Waren Sie dabei?

LAHOUSEN: Bei der war ich dabei; es wurden allgemeine politische Fragen, Polen und das Thema Ukrainer in Polen behandelt. Mehr ist mir über diese Besprechung, also die erste, nicht bekannt. Dann anschließend fand die Besprechung im Arbeitswagen des damaligen OKW-Chefs Keitel statt; und in dieser Besprechung hat der damalige Chef vom OKW, Keitel, diese von Ribbentrop allgemein erteilten politischen Richtlinien zusammengefaßt und erläutert. Er hat dann bezüglich der Behandlung des polnischen Problems vom außenpolitischen Gesichtspunkt verschiedene Möglichkeiten aufgestellt: es kann dies geschehen, es kann das geschehen; es ist dieser oder jener Fall möglich. Und im Zusammenhang damit hat er gesagt: »Sie, Canaris, haben eine Aufstandsbewegung, welche auf Polen und Juden abzielt, vorzubereiten mit den ukrainischen Organisationen, die mit Ihnen zusammenarbeiten.«

Und dann als Drittes: nicht als eigentliche Besprechung, sondern als Bemerkung beim Abschluß einer ganz kurzen Unterredung des damaligen Reichsaußenministers Ribbentrop und Canaris' ist im Zusammenhang mit dem Thema diese Bemerkung gefallen. Sie ergab eine konkretere Deutung der Absicht, wie diese Aufstandsbewegung durchzuführen sei, was passieren sollte, was mit eingebaut werden sollte. Es ist mir dies deshalb klar in Erinnerung, hauptsächlich wegen der Forderung: Die Gehöfte müßten brennen. Canaris hat ja mit mir darüber später eingehend gesprochen und Bezug genommen auf diese Bemerkung.

Das ist der Ablauf, so, wie ich ihn geschildert habe: Also Richtlinien, Oberbefehl an Keitel, von Keitel in dieser Besprechung an Canaris weitergegeben; und als Bemerkung nochmals Canaris gegenüber wiederholt, wobei ich mich auf das eine, also die brennenden Gehöfte, ganz genau erinnere, weil es ja etwas ganz Außergewöhnliches war.

VORSITZENDER: Es würde dem Gerichtshof von Nutzen sein, nur eine Frage auf einmal zu stellen, und daß der Zeuge einfach mit »Ja« oder »Nein« antwortet, erst hinterher eine Erklärung abgibt, falls er dies für nötig erachtet. Jede Frage sollte jedoch nur einmal gestellt werden, und Fragen und Antworten sollen so kurz wie möglich ausfallen.

DR. SAUTER: Nun, Herr Zeuge, mir fiel etwas anderes auf.

VORSITZENDER: Haben Sie gehört, was ich Ihnen sagte? Verstehen Sie das?

DR. SAUTER: Gestern haben Sie gesagt, diese Äußerungen Ribbentrops finden sich, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nicht im Tagebuch.

LAHOUSEN: Nein, darüber gibt es keinen Eintrag im Tagebuch. Aber im Zusammenhang mit dem Tagebuch Canaris' kann ich das bemerken.

DR. SAUTER: Sie haben ja gestern gesagt, daß Ihnen diese Bemerkung besonders aufgefallen ist.

LAHOUSEN: Ja.

DR. SAUTER: Und heute haben Sie gesagt, General Blaskowitz habe auch auffallende Äußerungen getan. Sie haben aber beigefügt, daß diese Äußerungen von Blaskowitz nicht in das Tagebuch aufgenommen worden sind.

LAHOUSEN: Nein.

DR. SAUTER: Nun fällt mir auf, und ich bitte, diese Frage zu beantworten, warum ist die Bemerkung des Angeklagten Ribbentrop, obwohl sie Ihnen aufgefallen ist, nicht in das Tagebuch aufgenommen worden?

LAHOUSEN: Zu Blaskowitz muß ich folgendes sagen, beziehungsweise wiederholen. Ich habe gesagt: Ich habe nicht gehört und kann nicht annehmen, erstens, daß bei der Besprechung das Thema Blaskowitz im oben erwähnten Sinne erwähnt wurde, und ich kann nicht annehmen, daß dieses Thema bei dieser Besprechung in diesem örtlichen und räumlichen Zusammenhang gefallen ist, sonst wäre es wohl in diesem Aktenvermerk festgehalten gewesen. Es kann durchaus sein, daß die Sache Blaskowitz besprochen wurde zu einem Zeitpunkt oder in einer Situation, wo ich gerade nicht dabeigestanden bin. Das ist möglich. Ich habe ja nur niedergeschrieben, was ich gehört habe, oder was mir Canaris gesagt hat, was festzuhalten sei.

DR. SAUTER: Das hatten Sie aber selbst von Ribbentrop gehört?

LAHOUSEN: Ja. Aber da das Wesentliche nicht verändert wurde, ob Ausrottung, Umlegung, Gehöfte anzünden, es ist letzten Endes dem Sinne nach doch eine terroristische Maßnahme.

DR. SAUTER: Hat von Ribbentrop wirklich davon gesprochen, daß die Juden totgeschlagen werden sollen? Können Sie sich daran bestimmt erinnern?

LAHOUSEN: Jawohl, daran kann ich mich bestimmt erinnern, weil ja Canaris darüber nicht nur mit mir, sondern auch mit anderen anschließend in Wien darüber gesprochen hat und mich immer wieder als Zeugen angerufen hat.

DR. SAUTER: Haben Sie das auch gehört?

LAHOUSEN: Es ist ja damit nicht abgeschlossen gewesen, sondern gerade über dieses Wort oder über diese Worte ist ja sehr viel gesprochen worden.

DR. SAUTER: Herr Zeuge, etwas anderes! Sie haben uns von Mordanschlägen erzählt, für welche Sie oder Ihre Abteilung oder andere Offiziere gedungen oder damit beauftragt wurden. Haben Sie hierüber bei irgendeiner Polizeibehörde die vorgeschriebene Anzeige erstattet? Ich darf darauf hinweisen, daß die Unterlassung einer direkten Strafanzeige nach deutschem Recht mit Gefängnis bestraft wird und in schweren Fällen Todesstrafe nach sich zieht.

LAHOUSEN: Wenn Sie das Wort »deutsches Recht« brauchen, kann ich Ihren Ausführungen nicht folgen, verstehen Sie? Ich bin kein Rechtsanwalt, sondern ein einfacher Mensch.

DR. SAUTER: Soviel ich weiß, ist es auch nach österreichischem Recht strafbar.

LAHOUSEN: Aber das österreichische Recht war zu jener Zeit meines Wissens nach in keiner Form gültig.

DR. SAUTER: Also irgendeine Strafanzeige oder eine dienstliche Meldung hierüber haben Sie, Herr Zeuge, nicht erstattet?

LAHOUSEN: Da hätte ich sehr viele dienstliche Meldungen erstatten müssen: Über Hunderttausende von Mordanschlägen, von denen ich gewußt habe und wissen mußte. Lesen Sie es nach in den Aufzeichnungen; lesen Sie die Erschießungen und dergleichen nach, von denen ich ja zwangsläufig, ob ich wollte oder nicht wollte, weil ich nun mal unglücklicherweise drinnen stand, Kenntnis haben mußte.

DR. SAUTER: Hier handelt es sich ja nicht um begangene Erschießungen, die nicht mehr verhindert werden konnten, sondern um das Planen eines Mordes zu einer Zeit, wo vielleicht eine Verhinderung möglich gewesen wäre.

LAHOUSEN: Darauf kann ich nur antworten: Warum hat derjenige, der aus erster Hand diesen Befehl erhalten hat, nicht dasselbe gemacht? Warum hat er Herrn Hitler nicht angezeigt, zum Beispiel?

DR. SAUTER: Dann hätten Sie als General der deutschen Wehrmacht Herrn Hitler doch gefragt...

LAHOUSEN: Sie überschätzen weit meinen damaligen Dienstrang. General der deutschen Wehrmacht bin ich seit 1. Januar 1945, also vier Monate lang. Damals war ich Oberstleutnant und später Oberst des Generalstabs und nicht im Generalstab.

DR. SAUTER: Sie haben aber doch, Herr Zeuge, im Jahre 1938, unmittelbar nach dem Angriff Hitlers auf Österreich, sich darum beworben, daß Sie von Hitler in die deutsche Wehrmacht übernommen wurden.

LAHOUSEN: Ich habe mich nicht darum beworben. Ich brauchte mich nicht darum zu bewerben. Überall, wo ich im Dienst war, war ich für meine sachliche Tätigkeit bekannt. Ich war ja kein Fremder. Mit Wissen der österreichischen Regierung und auch in einem beschränkten Sinne mit Wissen der deutschen Stellen, das heißt von gewissen Personen, habe ich für die österreichische Regierung in einer klar abgegrenzten Weise mit Dingen zu tun gehabt, die außerhalb der innerösterreichischen Politik gelegen haben. Ich habe genau so, wie ich mit der Wehrmacht zusammengearbeitet habe, auch mit der Italienischen und der Ungarischen Regierung, und zwar mit Kenntnis der österreichischen Regierung und den verantwortlichen Stellen, zusammengearbeitet. Das sind Dinge der Politik, wofür ich nicht zuständig bin.

DR. SAUTER: Aber ich glaube, Ihr Gedächtnis täuscht Sie; denn ganz unmittelbar nach dem Einfall Hitlers in Österreich waren Sie ja in Berlin beim Generalstab und haben sich beim Generalstab, was Sie verneinten, um eine Anstellung beim deutschen Heer beworben. Sie haben damals einen Fragebogen abgegeben, in welchem Sie Ihre restlose Ergebenheit zum Großdeutschen Reich und Adolf Hitler unterschriftlich bekundeten, und Sie haben ja kurze Zeit darauf auch den Treueid auf Adolf Hitler geleistet.

LAHOUSEN: Selbstverständlich, das habe ich genau so getan, wie es alle anderen getan haben, die in dieser Lage und in dieser Stellung aus der einen Dienststelle zur anderen übernommen wurden.

DR. SAUTER: Sie haben vorhin gesagt, Sie haben sich nicht beworben, und ich bin dahingehend informiert, daß Sie sogar eigens in Begleitung von zwei oder drei anderen Offizieren als Erster der österreichischen Armee nach Berlin gefahren sind und den deutschen Generalstabschef Beck gebeten haben, Sie in die deutsche Armee zu übernehmen.

LAHOUSEN: Es ist mir äußerst erwünscht, daß Sie dieses Thema anschneiden, ganz besonders, weil es mir erlaubt, meine Stellung völlig eindeutig klarzulegen. Ich hatte es nicht notwendig, mich um meine künftige Dienststellung in der deutschen Wehrmacht irgendwie zu bewerben. Ich war durch sachliche militärische Tätigkeit bekannt, genau so wie der österreichische Militärattaché bekannt war und ein Militärattaché überhaupt bei dem Lande bekannt ist, in dem er akkreditiert ist. Außerdem, warum ich so rasch hinaufgekommen bin, das kann ich Ihnen ohne weiteres erklären. Ich habe gesagt, daß meine Tätigkeit in der Zusammenarbeit, die nicht von mir bestimmt wurde, sondern von der mir vorgesetzten österreichischen Dienststelle, wohlgemerkt Zusammenarbeit, im österreichischen militärischen Nachrichtendienst mit anderen Staaten lag. Damals hat sich diese gegen ein benachbartes Land, die Tschechoslowakei, gerichtet, und die Tschechoslowakei, wie ich betonen möchte, war ja das nächste Land, das nach Österreich drangekommen ist. Daher war selbstverständlich mein späterer Chef, Canaris, der mich ja aus meiner früheren Stellung her kannte, sehr interessiert, fachlich interessiert daran, daß ich hinauf in sein Amt käme. Er hat sich bemüht und darüber hinaus der Generaloberst Beck, bei dem ich auch war. Andere wissen es auch, und alles soll ich jetzt gesagt haben, was Beck mir damals gesagt hat.

DR. SAUTER: Also stimmt es doch, daß Sie nach Berlin gefahren sind und sich um die Übernahme in die deutsche Wehrmacht beworben haben, was Sie zunächst in Abrede stellten.

LAHOUSEN: Das stimmt nicht! Nicht ich habe mich beworben, sondern andere haben sich um mich beworben. Ich kann Ihnen sogar sagen, ich bin nicht gegangen, ich bin sogar geflogen. Canaris hat sich beworben, Canaris, der mich gekannt hatte, nicht nur in meiner sachlichen Tätigkeit, sondern in meiner inneren Einstellung, ebenso wie mich Marogna gekannt hatte, und wie Generaloberst Beck durch Canaris über mich orientiert wurde. Nicht ich habe mich beworben, sondern andere haben sich beworben aus Gründen, die mir erst später voll klar geworden sind, weil sie meine innere Einstellung gekannt haben, ebenso wie meine österreichischen Kameraden, die um diese Sache gewußt haben – viele waren es nicht und konnten es nicht sein – mich gekannt haben. Das ist die Sache.

DR. SAUTER: Ich habe an diesen Zeugen keine weiteren Fragen zu richten.

VORSITZENDER: Vor dem Kreuzverhör möchte ich mitteilen, daß heute Nachmittag keine öffentliche Gerichtssitzung stattfinden wird.

DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Ich möchte auch einige Fragen an den Zeugen richten: Herr Zeuge, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gestern es als die innere Grundhaltung des Admirals Canaris bezeichnet, daß er dachte, da ihm die Verhinderung des Angriffskrieges auf Polen nicht gelungen sei, dies bedeute das Ende Deutschlands und unser Unglück. Durch einen Triumph des Systems würde das Unglück aber noch vergrößert. Das zu verhindern, sei das Ziel des Admirals Canaris gewesen. Habe ich Sie richtig verstanden?

LAHOUSEN: Mit einer Ausnahme, nicht, daß es ihm nicht gelungen sei, zu verhindern, sondern daß es nicht verhindert werden konnte; das konnte Canaris nicht wissen, denn...

DR. STAHMER: Ist Ihnen bekannt, daß Canaris in den ersten Kriegsjahren sehr aktive Unternehmungen und Sabotage-Organisationen hinter der feindlichen Front hatte und selbst für sie sehr energisch eingetreten ist?

LAHOUSEN: Das ist mir naturgemäß bekannt, und ich habe auch die amerikanischen Behörden, die an dieser Frage interessiert sind, voll aufgeklärt.

DR. STAHMER: Aber wie ist das möglich? Diese Haltung wäre mit seiner Grundeinstellung nicht vereinbar.

LAHOUSEN: Das erklärt sich daraus, daß er ja in dem Kreis, mit dem er in seiner Dienststellung zu tun hatte, niemals so sprechen konnte, wie er tatsächlich dachte, und tausend andere konnten das auch nicht; was ich gesagt habe, ist eine Binsenwahrheit. Wesentlich ist nicht, was er gesagt hatte oder sagen mußte, um einen Zweck zu verfolgen, sondern was er getan hat, und wie er es getan hat. Und das weiß ich und wissen auch andere.

DR. STAHMER: Es handelt sich hier nicht um die Frage, was er gesagt hat, sondern was er tatsächlich getan hat. Er hatte solche Maßnahmen nicht nur vorgeschlagen, sondern hat sich auch für ihre Durchführung eingesetzt; ist das richtig?

LAHOUSEN: Er mußte selbstverständlich immer im Rahmen seiner Dienststellung bleiben, um sich überhaupt zu behaupten. Das war ja das wesentliche, damit er in dieser Stellung blieb, und daß nicht schon 1939 das geschah, was 1944 geschehen ist, nämlich daß Himmler die Sache in die Hand bekam. Ich stelle die zwei, Canaris und Himmler, gegenüber, und ich glaube, ich brauche nicht hinzuzufügen, um was es da letzten Endes gegangen ist, wenn er, Canaris, sich eingesetzt hat, das heißt, scheinbar eingesetzt hat.

DR. STAHMER: Sie erwähnten den Namen Himmler; in diesem Zusammenhang möchte ich gern die folgende Frage an Sie stellen: Ist Ihnen bekannt, daß Admiral Canaris in den ersten Kriegsjahren sein gutes Verhältnis zur SS und die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit der SS wiederholt stark betont hat, so daß der Angeklagte Göring ihm den Rat geben mußte, er möge sich einer größeren Selbständigkeit seines militärischen Apparats der SS gegenüber befleißigen?

LAHOUSEN: Ja, das ist mir bekannt, und ich weiß auch warum.

DR. STAHMER: Warum?

LAHOUSEN: Damit er in der Lage war, zu sehen und zu wissen und auf dem laufenden zu bleiben, was mit den Leuten geschah, und so die Möglichkeit zu haben, einzugreifen, wo und wann es angängig war.

DR. STAHMER: War es die Aufgabe Ihrer Organisationen, beziehungsweise der Organisation des Amtes Canaris, der militärischen Führung rechtzeitig Feindnachrichten von Wichtigkeit zu beschaffen?

LAHOUSEN: Ich verstehe das nicht. Was hat das Amt Canaris damit zu tun?

DR. STAHMER: Ihre Abteilung des Amtes Canaris?

LAHOUSEN: Ja, selbstverständlich, das war die Abteilung I.

DR. STAHMER: Nun, hat Ihr Amt, jedenfalls nach meiner Information, die anglo-amerikanische Truppenlandung in Nordafrika den in Frage kommenden militärischen Abteilungen nicht gemeldet, ist das richtig?

LAHOUSEN: Ich weiß nicht, ich bitte mich nicht verantwortlich zu machen für das Amt. Das ist eine Frage, die der damalige Oberst Pieckenbrock spielend beantworten könnte, nicht ich.

DR. STAHMER: Was den Fall Rowehl angeht, so haben Sie gestern gesagt, daß ein Oberst Rowehl von der Luftwaffe eine Sonderstaffel bildete, die die Aufgabe hatte, Aufklärungsflüge über Polen, England und den Südostraum vor Beginn des Polenfeldzugs auszuführen. Ist das richtig?

LAHOUSEN: Ja.

DR. STAHMER: Und Sie sagten auch, daß Oberst Rowehl bei Canaris gewesen sei, um über diese Flüge zu berichten und auch Aufnahmen vorgelegt habe. Ist das richtig?

LAHOUSEN: Ja, wie sollte ich sonst darüber wissen, ich habe sie ja nicht erfunden.

DR. STAHMER: Ich habe das nicht gesagt! Wie kam Oberst Rowehl dazu, Admiral Canaris darüber Bericht zu erstatten?

LAHOUSEN: Ich glaube, ich habe es gestern gesagt, weil das Amt Ausland/Abwehr, Abteilung I, die Sache durchzuführen hatte.

DR. STAHMER: Haben Sie selbst Aufnahmen gesehen, die über England aufgenommen wurden?

LAHOUSEN: Ja, ich habe sie gesehen.

DR. STAHMER: Wann und wo sind Ihnen diese Bilder vorgelegt worden?

LAHOUSEN: Im Büro von Canaris wurden sie mir gezeigt. Ich hatte damit dienstlich nichts zu tun. Ich war zufällig anwesend, und es hat mich interessiert, was da geschieht.

DR. STAHMER: Was zeigten die Bilder?

LAHOUSEN: Ich kann mich an die Einzelheiten nicht mehr erinnern. Das waren Aufnahmen, die auf Flügen gemacht wurden.

DR. STAHMER: Die Bilder sind Ihnen nicht dienstlich vorgelegt worden?

LAHOUSEN: Nein, die Bilder sind mir nicht dienstlich vorgelegt worden; ich bin als sich interessierender Zuhörer bei dieser Angelegenheit, so wie ich es geschildert habe, dabeigewesen.

DR. STAHMER: Hat Rowehl schriftliche Berichte über seine Flüge dem Amt gegeben?

LAHOUSEN: Das weiß ich nicht.

DR. STAHMER: Das wissen Sie nicht? Sie sagten dann noch, daß die Staffel Rowehl Flüge von Budapest aus ausgeführt habe.

LAHOUSEN: Ja.

DR. STAHMER: Wissen Sie das aus eigener Erfahrung oder durch andere Feststellungen?

LAHOUSEN: Ich weiß es aus eigener Feststellung. Der Zeitpunkt läßt sich genau festlegen nach dem Kriegstagebuch der Abteilung, weil ich damals selbst in Budapest war, da man mich zu einer Ordensverleihung nach Budapest eingeladen hatte.

DR. STAHMER: Das war vor dem Polenfeldzug?

LAHOUSEN: Ja.

DR. STAHMER: Warum sind diese Flüge von Budapest aus ausgeführt worden?

LAHOUSEN: Das weiß ich nicht. Ich habe schon gestern gesagt, da muß ein Herr von der Luftwaffe dazu Stellung nehmen.

DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Zeuge, kennen Sie Herrn Hauptmann Strünck von der Abwehr?

LAHOUSEN: Teilen Sie mir zu dem oben gesagten Namen etwas mit, der Name allein genügt nicht, damit ich meine Erinnerung auffrischen kann.

DR. DIX: Er ist Jurist, der als Reserveoffizier bei der Abwehr gearbeitet hat, ich weiß nicht genau, in welcher Abteilung; aber ich würde sagen, in der Abteilung von Pieckenbrock. Aber, wenn Sie ihn nicht näher kennen, werde ich keine weiteren Fragen an Sie stellen.

LAHOUSEN: Wenn er bei Pieckenbrock war, kenne ich ihn nicht. Ich kannte einige. Ist Strünck noch am Leben?

DR. DIX: Nein, er lebt nicht mehr.

LAHOUSEN: Ist er hingerichtet worden?

DR. DIX: Er hat den Tod erlitten, den Canaris und Oster auch erlitten haben.

Zur Information des Gerichts möchte ich hinzufügen: Ich habe diese Frage gestellt, weil ich Strünck als Zeugen genannt habe. Er ist mir auch als Zeuge genehmigt, und ich wollte die Gelegenheit benutzen...

Aber wenn Sie ihn nicht kennen, werde ich Sie nicht weiter fragen.

LAHOUSEN: Zu der Frage, ob er noch am Leben ist, kam etwas in mein Gedächtnis, daß dieser Mann, im Zusammenhang mit anderen, die ich gut kenne, möglicherweise getötet worden ist; aber ich kann mich nicht genauer ausdrücken.

DR. HEINZ FRITZ, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRITZSCHE: Ich möchte gern einige Fragen an den Zeugen stellen:

Herr Zeuge, ist Ihnen bekannt, daß der Angeklagte Fritzsche, nachdem er im Mai 1942 als Soldat zur 6. Armee gekommen war und dort zum erstenmal von der Existenz eines Exekutionsbefehls gehört hat, dem Oberbefehlshaber der 6. Armee, Paulus, empfahl, für den Bereich seiner Armee diesen Befehl aufzuheben. Dies sollte in Flugblättern, über der russischen Front abgeworfen, bekannt gemacht werden.

VORSITZENDER: Achten Sie darauf, nur eine Frage zur selben Zeit zu stellen. Was Sie gerade fragten, waren drei oder vier Fragen auf einmal.

DR. FRITZ: Jawohl. Ist Ihnen bekannt, daß Fritzsche Paulus den Rat gab, diesen Befehl für den Bereich seiner Armee zu widerrufen?

LAHOUSEN: Dieser Befehl war bereits an die Armee gegeben worden. Wollen Sie mir, bitte, den Zeitabschnitt nennen?

DR. FRITZ: Das war der russische Feldzug, über den wir gestern schon gesprochen haben. Das war im Mai 1942.

LAHOUSEN: Nein! Im Zusammenhang mit der Person Fritzsche ist mir nichts bekannt. Im Zusammenhang mit dem Namen Reichenau, der hier gefallen ist, ist mir ein Gespräch, dem ich beigewohnt habe, zwischen Canaris und Reichenau in Erinnerung, das für mich sehr eindrucksvoll war. Reichenau zeigte sich mir in seiner Auffassung und Beurteilung der Dinge in diesem Gespräch und in diesem Kreis, wo noch andere anwesend waren, wesentlich anders, als ich es von ihm erwartet und selbst angenommen hatte. Aber darüber hinaus ist mir nichts bekannt zu der Frage, die Sie an mich gerichtet haben.

DR. FRITZ: Auch nicht die Tatsache, daß Paulus diesen Befehl für den Bereich seiner Armee aufgehoben hatte?

LAHOUSEN: Nein, nicht in Verbindung mit dem Namen Paulus; aber allgemein glaube ich und habe gestern darauf hingewiesen, daß verschiedene Befehlshaber, deren Namen mir nicht mehr in Erinnerung sind, oder deren Namen schriftlich niedergelegt worden sind, von mir erwähnt wurden.

DR. KURT KAUFFMANN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KALTENBRUNNER: Kennen Sie Herrn Kaltenbrunner?

LAHOUSEN: Kaltenbrunner habe ich ein einziges Mal in meinem Leben an einem Tage, der mir in ganz klarer Erinnerung ist und bleiben muß, gesehen und gehört. Es war auch die erste Zusammenkunft zwischen Canaris und Kaltenbrunner. Sie fand in München im Hotel Regina, und zwar an jenem Tage statt, an dem die beiden jungen Leute, ein Student und seine Schwester, verhaftet und hingerichtet worden waren. Diese hatten Flugblätter in der Universität München in den Saal geworfen. Den Inhalt der Flugblätter habe ich damals noch gelesen, und ich weiß noch, daß sie unter anderem einen Appell an die Wehrmacht enthalten haben. Ich kann diesen Tag ohne Schwierigkeiten rekonstruieren. Es war das erste und letzte Mal, daß ich Kaltenbrunner, dessen Name mir bekannt war, sah. Selbstverständlich hat Kaltenbrunner dieses Thema Canaris gegenüber erwähnt, der, und dafür sind Zeugen vorhanden, die Gott sei Dank leben, völlig erschüttert über das Geschehene war und unter dem Eindruck dieses Tages stand; Kaltenbrunner hat in einer Art gesprochen, die als Zynismus zu bezeichnen noch sehr sachlich ist. Das ist das einzige, was ich zu dieser Frage zu sagen habe.

DR. KAUFFMANN: Kaltenbrunner hat gesagt, Himmler hätte die gesamte Exekutivgewalt für sich vorbehalten. Er hätte nur und ausschließlich den Nachrichtendienst unter sich gehabt. Stimmt das mit dem Inhalt des Gesprochenen überein, wie Sie es wiedergegeben haben?

LAHOUSEN: Ich bitte, welche Beziehung soll das haben zu Kaltenbrunner/Himmler, also den Machtkämpfen, die sich in der SS abgespielt haben mögen, zu dieser einfachen Schilderung einer Begebenheit, die für mich und andere, die anwesend waren, ich kann die Namen nennen, sehr eindrucksvoll war, und zwar aus den Gründen, die ich angegeben habe.

RECHTSANWALT GEORG BÖHM, VERTEIDIGER DER SA: Gestern wurde an Sie die Frage gestellt, ob die Befehle über die Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen den Leitern der Organisationen, unter anderem auch der SA, bekannt gewesen seien. Darauf haben Sie gesagt, daß diese Befehle ihnen bekannt gewesen sein mußten. Ich möchte Sie nun fragen, wer diese Leute waren, und wie sie geheißen haben?

LAHOUSEN: Wer sie waren und wie sie hießen, weiß ich nicht. Ich habe auch gestern genau erklärt, warum ich das ausspreche. Sie müssen ihnen und einem großen Kreis nach außen bekannt geworden sein, und zwar durch die Auswirkung der Befehle und natürlich durch die Rückkehr von Verwundeten. Das deutsche Volk muß davon Kenntnis bekommen haben.

RA. BÖHM: Mit anderen Worten, es war bloß eine Meinung von Ihnen, aber in keiner Weise eine Tatsache, die auf eine persönliche Wahrnehmung basiert war.

LAHOUSEN: Das war es nicht, ich habe mit keinem SA-Führer persönlich darüber gesprochen. Ich hatte nie etwas mit ihnen zu tun und ich glaube nicht, daß mich irgendeiner genau kennt.

RA. BÖHM: Können Sie darüber eine Aussage machen, ob der Inhalt dieser Befehle, von denen gestern gesprochen worden war, den Formationen der SA gegeben wurde?

LAHOUSEN: Wollen Sie diese Frage bitte wiederholen?

RA. BÖHM: Können Sie mir noch sagen, ob es Ihnen bekannt war, daß der Inhalt dieser Befehle, über welche gestern gesprochen wurde, an Formationen der SA gelangt ist, und zwar auf dem Befehlswege?

LAHOUSEN: Nein, nicht auf dem Dienstwege, aber in der Weise, wie ich es geschildert habe, daß Mitglieder der SA, die auch in der Wehrmacht waren, sahen, was geschah, und, wenn sie zurückkamen, das erzählt haben, genau wie das alle anderen getan haben. Es war nur in diesem Zusammenhang....

RA. BÖHM: Ist Ihnen darüber etwas bekannt, ob Mitglieder der SA im Kriegsgefangenenwesen überhaupt eingesetzt waren?

LAHOUSEN: Im Rahmen des Einsatzes der SA in der Wehrmacht, ja.

RA. BÖHM: Haben Sie darüber eine persönliche Wahrnehmung?

LAHOUSEN: Nein, ich habe das niemals behauptet. Ich meine, ich habe von der SA bereits gesprochen.

RA. BÖHM: Ich habe Sie gefragt, welche SA-Führer darüber wußten, und Sie haben nur geantwortet, diese hätten es wissen müssen.

LAHOUSEN: Ich sagte, die SA-Führer müssen auf diesem Wege etwas erfahren haben.

RA. BÖHM: Und jetzt frage ich, ob die einzelnen Formationen der SA diese Befehle erhalten hatten?

LAHOUSEN: Ich kann nur wiederholen, was ich gestern gesagt habe, und ich glaubte, mich klar ausgedrückt zu haben, auf welchem Wege diese Befehle erteilt wurden. Die Befehle selbst habe ich nicht gelesen, trotzdem weiß ich aber deren Wirkung....

RA. BÖHM: Den Weg kann ich mir selbst denken. Ich fragte:

Wissen Sie, auf welche Weise diese Befehle zu Formationen der SA gelangt sind?

LAHOUSEN: Nein.

RA. BÖHM: Sie wissen es also nicht? Ist Ihnen aus Ihrer persönlichen Wahrnehmung etwas bekannt, daß SA-Angehörige zur Bewachung von Kriegsgefangenenlagern eingesetzt wurden?

LAHOUSEN: Ja, aus meiner persönlichen Wahrnehmung; denn ich selbst habe auf einer Reise zur Heeresgruppe Nord einen SA-Mann erwischt, der einem russischen Gefangenen mit dem Fuß einen Tritt versetzte, und ich habe ihm das Entsprechende gesagt. Ich glaube, daß sich das in meinen Aufzeichnungen befindet, auch eine Episode über einen Arbeitsdienstmann.

RA. BÖHM: Haben Sie diese Vorgänge, von denen Sie hier sprechen, auf dem Dienstwege weitergeleitet und dafür gesorgt, daß Leiter dieser Organisationen davon erfuhren?

LAHOUSEN: Ich habe diesen Vorfall meinem Vorgesetzten gemeldet, beziehungsweise es ist durch meinen Bericht über die Reise mündlich oder schriftlich zur Kenntnis gebracht worden. Über diese und solche Zwischenfälle ist ja gesprochen worden.

RA. BÖHM: Haben Sie etwas in Ihren Aufzeichnungen darüber?

LAHOUSEN: Ja.

RA. BÖHM: Wollen Sie es, bitte, vorbringen?

LAHOUSEN: Ich sehe es gerade nach. Aber diese Aufzeichnung ist über den Arbeitsdienstmann.

RA. BÖHM: Handelt es sich nicht um den SA-Mann?

LAHOUSEN: Nein.

RA. BÖHM: Dann haben Sie zu meiner Frage überhaupt keine Aufzeichnung?

LAHOUSEN: Ich habe das nicht hier. Ich müßte es nachsehen.

RA. BÖHM: Besteht die Möglichkeit, daß Sie diese Aufzeichnungen finden?

LAHOUSEN: Ich müßte die Möglichkeit haben, das ganze Material, das sich in den Händen der amerikanischen Dienststelle befindet, nach- und durchzusehen, und auf diese eine Möglichkeit...

RA. BÖHM: Ich werde das Gericht dann bei Gelegenheit bitten, daß Sie diese Möglichkeit bekommen.

Ich möchte auch nachfragen, ob Sie die Wahrnehmung gemacht haben, daß von den Mitgliedern der SA, von denen Sie festgestellt haben, daß sie für Überwachungstätigkeit eingesetzt waren, Maßnahmen ergriffen worden sind, die dem Inhalt des Befehls gegen Sowjetsoldaten entsprochen hätten?

LAHOUSEN: Nein, persönlich nicht.

RA. BÖHM: Danke sehr.

DR. STAHMER: Ich bitte den Gerichtshof um eine grundsätzliche Entscheidung, ob auch der Angeklagte das Recht hat, persönlich an den Zeugen Fragen zu stellen. Nach dem uns vorliegenden deutschen Text des Statuts, Paragraph 16, erscheint mir das unzweifelhaft.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird die Frage, die Sie gestellt haben, erwägen und Ihnen später Bescheid geben.

JUSTICE JACKSON: Die amerikanische Anklagevertretung möchte etwas bemerken, falls die Möglichkeit besteht, daß der Gerichtshof zugunsten des Antrags entscheiden sollte.

VORSITZENDER: Es ist vielleicht besser, wir hören Sie jetzt, Justice Jackson.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, es ist ganz klar, daß diese Vorschriften beiderseitig keine Ausnahmen zulassen. Jeder Angeklagte hat das Recht, sich selbst zu verteidigen oder die Hilfe eines Anwalts zu beanspruchen. Es würde dies andernfalls ein Schauspiel geben und keine Gerichtsverhandlung, wenn wir etwas Derartiges tun würden. Als wir dieses Statut aufstellten, wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß einige der Angeklagten, die von Beruf Anwälte sind, sich selbst verteidigen würden. Wenn sie dies tun, so haben sie natürlich alle Vorrechte eines Verteidigers. Wenn sie jedoch einen Verteidiger nehmen, so haben sie nicht das Recht, ihre Verteidigung selbst zu führen, wir können sie dann nicht in Person hören.

DR. STAHMER: Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß der Paragraph 16 (E) nach meiner Ansicht ganz klar für meine Auffassung spricht; denn es heißt da, daß der Angeklagte das Recht hat, persönlich oder durch seinen Verteidiger Beweismittel vorzubringen, und daß er jeden von der Anklagebehörde vorgeladenen Zeugen ins Kreuzverhör nehmen kann. Das kann sich nach dem deutschen Text jedenfalls, sowohl dem Worte als auch dem Inhalt nach, nur auf den Angeklagten beziehen. Damit ist nach meiner Auffassung klargestellt, daß der Angeklagte jeden von der Anklagebehörde geladenen Zeugen im Kreuzverhör vernehmen darf.

VORSITZENDER: Möchte einer der anderen Verteidiger den Zeugen im Kreuzverhör vernehmen?

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL: Ich will nur darauf hinweisen, daß in den schriftlichen Anträgen, in den Antragsformularen, die uns von dem Gericht vorgelegt wurden, sowohl der Angeklagte selbst als auch sein Verteidiger den Antrag stellen kann. Auf dem Bogen ist Platz gelassen für beide Unterschriften; ich folgere daraus, daß der Angeklagte dann auch hier das Recht hat, selbst zu sprechen.

VORSITZENDER: Was ich gefragt habe, war, ob einer der anderen Verteidiger den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen beabsichtigt?