[Pause von 10 Minuten.]
MR. ROBERTS: Hoher Gerichtshof! Es ist meine Aufgabe, der Teil des zweiten Anklagepunktes vorzutragen, der sich auf die Beschuldigungen hinsichtlich Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs bezieht. In den Anklagepunkten 2, 3, 4, 9, 11, 13, 14, 18, 19 und 23 werden Beschuldigungen wegen Verletzung bestimmte Verträge, Übereinkommen und Zusicherungen erhoben. Diese Verträge sind zum Teil schon als Beweismaterial unterbreitet worden, und ich werde mich hierauf beziehen, wenn ich so weit bin. Ehe ich auf Einzelheiten eingehe, möchte ich den Gerichtshof an die Geschichte dieser unglücklichen Länder erinnern, der Niederlande und Belgiens, besonders Belgiens, das seit so vielen Jahrhunderten der Kampfplatz Europas war.
Die Unabhängigkeit Belgiens, wie sich der Gerichtshof erinnert, wurde bereits im Jahre 1839 von den europäischen Großmächten garantiert. Diese Garantie wurde 75 Jahre beachtet, bis sie im Jahre 1914 von den Deutschen schamlos gebrochen wurde, die alle Schrecken des Krieges nach Belgien brachten und die noch größeren Schrecknisse einer deutschen Besetzung. Die Geschichte hat sich ungefähr 25 Jahre später in einer noch viel abstoßenderen Form, nämlich im Jahre 1940, wiederholt, wie der Gerichtshof bereits weiß. Der erste Vertrag, den ich in diesen Anklagen erwähnte, ist das Haager Abkommen vom Jahre 1907. Es wurde von meinem verehrten Freund Sir David bereits erörtert, und ich glaube, ich brauche darüber nichts mehr zu sagen.
Der zweite Vertrag ist der Locarno-Pakt, nämlich der Schieds- und Vergleichsvertrag vom Jahre 1925, und zwar zwischen Deutschland und Belgien. Er wurde ebenfalls von Sir David als GB-15 unterbreitet, und ich glaube, daß ich darüber nichts mehr hinzuzufügen habe. Die Unabhängigkeit und Neutralität Belgiens war in dieser Urkunde von Deutschland garantiert.
Hoher Gerichtshof! Der nächste Vertrag ist das Haager Schiedsgerichtsabkommen vom Mai 1926 zwischen Deutschland und den Niederlanden. Dieses Dokument sollte ich eigentlich formell vorlegen. Es erscheint im Reichsgesetzblatt, das ich in Zukunft der Kürze halber RGB nennen werde; es wird zweifellos als öffentliches Dokument angenommen werden. Aber in meiner Reihenfolge der Dokumente sind dieselben so zusammengestellt, daß ich mich der Reihe nach auf sie beziehen kann, und ich glaube, daß es vorteilhafter für die Darstellung des Falles ist, wenn ich es als zweites oder drittes Dokument mit TC-16 bezeichne.
VORSITZENDER: Es ist Buch Nummer 4, nicht wahr?
MR. ROBERTS: Es ist Buch Nummer 4, Herr Vorsitzender. Dies ist der Schieds- und Vergleichsvertrag zwischen Deutschland und den Niederlanden, unterzeichnet in Dem Haag, Mai 1926. Der Hohe Gerichtshof besitzt das Dokument; vielleicht genügt es, nur Artikel I zu verlesen:
»Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, alle Streitigkeiten irgendwelcher Art, die zwischen ihnen entstehen und nicht in angemessener Frist auf diplomatischem Wege geschlichtet werden können, und die nicht mit Zustimmung beider Parteien dem Ständigen Internationalen Gerichtshof unterbreitet werden, nach Maßgabe des gegenwärtigen Vertrages entweder einem Schiedsgerichtsverfahren oder einem Vergleichsverfahren zu unterwerfen.«
Dann folgen alle jene Artikel, die sich lediglich auf die Abwicklung des Vergleichsverfahrens beziehen und von mir nicht verlesen werden müssen. Ich möchte hingegen Ihre Aufmerksamkeit auf den letzten Artikel lenken, auf Artikel 21, der die Gültigkeit des Vertrages auf 10 Jahre festsetzt und auf weitere 5 Jahre ausdehnt, falls er nicht von einer der vertragschließenden Parteien gekündigt wird. Und dieser Vertrag wurde von Deutschland niemals gekündigt.
Ich lege dieses Dokument als TC-16, GB-97 vor. Eine beglaubigte Abschrift ist beigelegt sowie eine Übersetzung für den Gerichtshof.
Wie dem Gerichtshof bereits bekannt ist, wurde im Jahre 1928 in Paris der Kellogg-Briand-Pakt unterzeichnet, in dem alle Mächte darauf verzichteten, zum Krieg ihre Zuflucht zu nehmen. Dies ist Beweisstück GB-18, und ich halte es für überflüssig, mich nochmals darauf zu beziehen.
Hierauf folgt der letzte Vertrag – dies stammt alles natürlich aus den Tagen der Weimarer Republik –, und zwar der Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Luxemburg vom Jahre 1929. Dies ist in der Sammlung TC-20. Es ist der Vergleichs- und Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Luxemburg, unterzeichnet in Genf im Jahre 1929. Ich möchte nur die ersten Worte des Artikel 1 lesen, die allgemein bekannt sind:
»Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, alle Streitigkeiten irgendwelcher Art, die zwischen ihnen entstehen und nicht auf diplomatischem Wege geschlichtet werden können, nach Maßgabe des gegenwärtigen Vertrages auf friedlichem Wege zu behandeln.«
Und dann folgen die Artikel, die sich auf die technische Abwicklung der friedlichen Schlichtung von Streitigkeiten beziehen, gemäß der üblichen Form.
Eure Lordschaft! Dies waren die Vertragsverpflichtungen. Den letzteren Vertrag lege ich als Urkunde TC-20, Beweisstück GB-98, vor.
Eure Lordschaft! So lauteten die Vertragsverpflichtungen zwischen Deutschland und Belgien zu jener Zeit, als die Nazi-Partei 1933 die Macht ergriff; und wie Sie durch meinen verehrten Freund vernommen haben, übernahm und ratifizierte Hitler diese Verpflichtungen des Deutschlands der Weimarer Republik aus den Verträgen, die abgeschlossen worden waren. Hoher Gerichtshof!
Bis März 1936 geschah weiter nichts, um die Lage Belgiens zu ändern.
Dann besetzte Deutschland das Rheinland wieder und kündigte natürlich die Wiedereinführung der Wehrpflicht usw. an. Am 7. März 1936 kündigte Hitler in einer Rede die Verpflichtungen der Deutschen Regierung nach dem Locarno-Pakt auf. Als Grund wurde der Abschluß des Französisch-Sowjetrussischen Paktes von 1935 angeführt. Sir David hat sich damit befaßt und ausgeführt, daß für diese Beschwerde keine gesetzliche Grundlage vorhanden war, um die Verpflichtungen des Locarno-Paktes zu kündigen. Aber Belgien blieb natürlich in der Schwebe, und zwar in dem Sinne, daß es verschiedene Verpflichtungen des Locarno-Paktes eingegangen war als Gegenleistung für die von anderen Nationen übernommenen Verpflichtungen, und nun wurde eine von diesen, nämlich die Verpflichtung Deutschlands zur Einhaltung des Paktes, zurückgezogen.
Eure Lordschaft! Am 30. Januar 1937, vielleicht weil er die Lage Belgiens und der Niederlande erkannte, gab Hitler im nächsten Dokument des Aktenbündels, TC-33 und TC-38, das ich als Beweisstück GB-99 vorlege, die feierliche Zusicherung – er gebrauchte das Wort »feierlich« – an Belgien und die Niederlande. Es ist das nächste Dokument im Aktenbündel, TC-33 und TC-38. Ich lege es als Beweisstück GB-99 vor. Es wurde bereits durch den Hauptanklagevertreter verlesen, und ich möchte es daher nicht wiederholen. Aber der Gerichtshof wird daraus ersehen, daß es eine volle Garantie beinhaltet. Im April 1937 befreiten England und Frankreich durch eine diesem Gerichtshof nicht vorliegende Urkunde Belgien von seinen im Locarno-Pakt übernommenen Verpflichtungen. Es ist eine geschichtliche Tatsache und erscheint in einem Beweisstück, ist jedoch nicht vervielfältigt. Belgien verbürgte sich natürlich für volle Unabhängigkeit und Neutralität, und Frankreich und England gaben ihrerseits Beistandszusicherungen, falls Belgien angegriffen werde. Deshalb gab Deutschland am 13. Oktober 1937 eine sehr klare und bedingungslose Zusicherung an Belgien. Es handelt sich um Urkunde TC-34, die ich als Beweisstück GB-100 vorlege; die deutsche Erklärung vom 13. Oktober 1937 lautet:
»Im Namen der Deutschen Regierung habe ich die Ehre, Euerer Exzellenz folgendes mitzuteilen:
Die Deutsche Regierung hat mit besonderem Interesse Kenntnis von der öffentlichen Erklärung genom men, die die Belgische Regierung zur Klärung der internationalen Stellung Belgiens abgegeben hat.
Sie hat ihrerseits wiederholt, insbesondere durch die Erklärung des Deutschen Reichskanzlers in seiner Rede vom 30. Januar 1937, ihre Auffassung in dieser Hinsicht zum Ausdruck gebracht.
Andererseits hat die Deutsche Regierung Kenntnis genommen von der Erklärung der Königlich Britischen und der Französischen Regierung vom 24. April 1937.«
Das ist ein Dokument, auf das ich mich bereits früher bezogen habe.
»Mit Rücksicht darauf, daß der Abschluß eines zur Ersetzung des Paktes von Locarno bestimmten Vertrages noch geraume Zeit in Anspruch nehmen kann, und in dem Wunsche, die friedlichen Bestrebungen der beiden Länder zu stärken, hält die Deutsche Regierung es für angebracht, ihre Haltung gegenüber Belgien schon jetzt zu präzisieren.
Zu diesem Zwecke gibt sie folgende Erklärung ab:
1. Die Deutsche Regierung hat Akt genommen von der Auffassung, der die Belgische Regierung auf Grund ihrer eigenen Zuständigkeit Ausdruck gegeben hat, nämlich,
a) daß sie in voller Souveränität eine Politik der Unabhängigkeit zu verfolgen gedenkt,
b) daß sie entschlossen ist, die Grenzen Belgiens mit allen ihren Kräften gegen jeden Angriff und jede Invasion zu verteidigen, zu verhindern, daß das belgische Gebiet für einen Angriff gegen einen anderen Staat als Durchmarschland oder als Operationsbasis zu Lande, zur See oder in der Luft benutzt wird, und zu diesem Zwecke die Verteidigung Belgiens in wirksamer Weise zu organisieren.
2. Die Deutsche Regierung stellt fest, daß die Unverletzlichkeit und die Integrität Belgiens für die Westmächte von gemeinsamem Interesse sind. Sie bestätigt ihren Entschluß, diese Unverletzlichkeit und Integrität unter keinen Umständen zu beeinträchtigen und jederzeit das belgische Gebiet zu respektieren, ausgenommen selbstverständlich in dem Fall, daß Belgien in einem bewaffneten Konflikt, in den Deutschland verwickelt ist, bei einer gegen Deutschland gerichteten militärischen Aktion mitwirken würde.
3. Die Deutsche Regierung ist bereit, ebenso wie die Königlich Britische und die Französische Regierung, Belgien Beistand zu gewähren, falls es Gegenstand eines Angriffs oder einer Invasion sein sollte.«
Und ferner auf der nächsten Seite:
»Die Belgische Regierung hat mit großer Befriedigung von der ihr durch die Deutsche Regierung überreichten Note Kenntnis genommen. Ich danke der Deutschen Regierung für diese Note wärmstens.«
Hoher Gerichtshof! Ich erlaube mir hier, auf die besondere Bedeutung dieses Dokuments aufmerksam zu machen. Deutschland gibt hier im Oktober 1937 dieser kleinen Nation eine feierliche Garantie seiner friedlichen Absichten und seine Zusicherung, daß die Unversehrtheit der belgischen Grenze im gemeinsamen Interesse Deutschlands, Belgiens und der anderen Westmächte läge.
Es ist Ihre Aufgabe, die Führer der Deutschen Regierung und die Führer der Deutschen Wehrmacht zu richten. Es bedarf keines Beweises daß jeder dieser Angeklagten vollkommene Kenntnis dieser durch seine Regierung gegebenen feierlichen Zusicherung hatte. Jeder einzelne dieser Angeklagten hatte je nach seinem Wirkungskreis, der eine aktiver als der andere, Anteil an dem schamlosen Bruch dieses Vertrages zweieinhalb Jahre später, und ich möchte darauf hinweisen, daß selbst nach allgemeinen Vermittlungs- und Rechtsgrundsätzen alle diese Angeklagten als aktive Teilnehmer an dem schändlichen Treubruch zu betrachten sind, der Elend und Tod über so viele Millionen Menschen brachte.
Voraussichtlich wird zum Beispiel für Keitel und Jodl plädiert werden, daß sie lediglich ehrenhafte Soldaten waren, die ihre Pflicht erfüllten. Dieser Gerichtshof wird jedoch zweifellos die Frage stellen, welcher Ehrenkodex von ihnen benützt wird, der ihnen erlaubt, das von ihrem Lande gegebene Wort zu verletzen.
Daß dieser Erklärung vom Oktober 1937 von den Führern und dem Oberkommando Deutschlands geringe Bedeutung beigemessen wurde, geht aus dem nächsten Dokument in der Sammlung hervor, 375-PS. Es ist bereits als Beweisstück US-84 eingetragen und wurde schon mehrfach erwähnt. Ich darf aber wohl den Hohen Gerichtshof an einen oder zwei Sätze erinnern. Diese Urkunde entstand am 25. August 1938, zu der Zeit, als das tschechoslowakische Drama abrollte, und es nicht sicher erschien, ob es Krieg mit den Westmächten geben würde. Es ist eine von der fünften Abteilung des Generalstabes der deutschen Luftwaffe aufgestellte »Geheime Kommandosache« und bezieht sich auf »Erweiterten Fall ›Grün‹ – Abschätzung der Lage«. Der richtige Ausdruck wäre wahrscheinlich: »Lagebeurteilung unter besonderer Berücksichtigung der Feindseite«. Anscheinend war ein Stabsoffizier mit der Vorbereitung dieser Lagebeurteilung beauftragt worden. In Anbetracht der Tatsache, daß sie bereits verlesen wurde, glaube ich, nur den letzten Abschnitt lesen zu müssen, es ist Abschnitt H, unten auf Seite 6 der vorletzten Seite des Dokuments;
»Anträge an OKW, Heer und Kriegsmarine.« Sie sehen, es war eine Lagebeurteilung durch einen Stabsoffizier der Luftwaffe; und dies sind die Forderungen an die Armee und die Marine. Und nun wollen wir zu Nummer 4 kommen:
»Da Belgien und die Niederlande in deutscher Hand einen außerordentlichen Vorteil in der Luftkriegführung gegen Großbritannien als auch gegen Frankreich bedeuten, wird es für erforderlich gehalten, eine Stellungnahme des Heeres herbeizuführen, ob, unter welchen Vor aussetzungen und in welcher Zeit eine Besetzung dieses Raumes durchführbar ist. In diesem Falle wird eine nochmalige Überprüfung des Einsatzes gegen Großbritannien für erforderlich gehalten.«
Die Anklagevertretung wünscht mit der Vorlage dieses Dokuments darauf hinzuweisen, daß der Stabsoffizier, der es herstellte, offensichtlich annahm, und mit vollem Recht annahm, daß weder die Führer des deutschen Volkes noch das Oberkommando der Wehrmacht der deutschen Zusicherung, nicht in Holland oder Belgien einzufallen, die leiseste Beachtung schenkten. Die Ausführung wird als militärisch vorteilhaft empfohlen in voller Kenntnis, daß, wenn die Oberbefehlshaber und der Führer diesen Standpunkt teilen, Vertragsverpflichtungen vollständig unbeachtet bleiben sollen. So war, wie ich wiederholen möchte, die Ehre der Deutschen Regierung und ihrer Führer beschaffen.
Nun wurde im März 1939, wie bereits bewiesen, der Rest der Tschechoslowakei friedlich annektiert; und dann kam die Zeit für weitere Garantien, Dokumente TC-35 und TC-39, Zusicherungen, die Belgien und den Niederlanden am 28. April 1939 gegeben wurden. Diese Dokumente wurden schon von meinem verehrten Freund Major Elwyn Jones verlesen. Sie tragen die Nummer GB-78. Ich brauche sie nicht nochmals zu verlesen.
Dann kommt eine weitere Garantie für Luxemburg, die sich auf der nächsten Seite befindet: TC-42 (a). Sie wurde von Hitler in derselben Reichstagsrede gegeben, in der er sich mit einer Mitteilung von Roosevelt befaßt, der jenseits des Atlantischen Ozeans über Hitlers Absichten etwas beunruhigt war. Doch bevor ich dieses Dokument verlese, darf ich einschalten, daß der Gerichtshof, wie ich glaube, Hitler bei dieser Ansprache in einem Film sehen wird; in einem Teil der Rede werden Sie den Vorzug haben, Hitler in einer seiner aufgeräumten Stimmungen zu sehen; denn diese Rede hatte eine scherzhafte Note und wurde auch so aufgenommen. Sie werden in dem Film auch sehen, wie der Angeklagte Göring, der im Reichstag über Hitler saß, diesen Scherz sehr zu schätzen wußte. Der Scherz aber bestand darin, daß es eine absurde Vermutung wäre, Deutschland könnte vielleicht jemals mit irgend einem seiner Nachbarn Krieg anfangen. – Das war der Kern jenes Spaßes, der alle sehr belustigt zu haben schien.
Nun werde ich mir erlauben, dieses Dokument zu verlesen:
»Herr Roosevelt verlangt endlich die Bereitwilligkeit, ihm die Zusicherung zu geben, daß die deutschen Streitkräfte das Staatsgebiet oder die Besitzungen folgender unabhängiger Nationen nicht angreifen und vor allem nicht dort einmarschieren würden. Und er nennt als dafür in Frage kommend nun: Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Norwegen, Schweden, Dänemark, die Nie derlande, Belgien, Großbritannien, Irland, Frankreich, Portugal, Spanien, die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Polen, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien, Rußland, Bulgarien, Türkei, Irak, Arabien, Syrien, Palästina, Ägypten und Iran.
Antwort: Ich habe mir zunächst die Mühe genommen, bei den angeführten Staaten festzustellen, erstens, ob sie sich bedroht fühlen, und zweitens, ob vor allem diese Anfrage Herrn Roosevelts an uns durch eine Anregung ihrerseits oder wenigstens mit ihrem Einverständnis erfolgt sei.
Die Beantwortung war eine durchgehend negative, zum Teil schroff ablehnende. Allerdings konnte einigen der angeführten Staaten und Nationen diese Rückfrage nicht zugeleitet werden, weil sie sich – wie zum Beispiel Syrien – zur Zeit nicht im Besitz ihrer Freiheit befinden, sondern von den militärischen Kräften demokratischer Staaten besetzt gehalten und damit rechtlos gemacht sind.
Drittens: Abgesehen davon haben aber alle an Deutschland angrenzenden Staaten viel bündigere Zusicherungen und vor allem viel bündigere Vorschläge erhalten, als sie sich Herr Roosevelt in seinem eigenartigen Telegramm von mir erbittet.«
Trotz der Verspöttelung Roosevelts wird, wie Sie sehen, in Anwesenheit des Angeklagten Gering angedeutet, es sei vollkommen absurd, daß Deutschland irgendwelche kriegerische Absichten seinen Nachbarn gegenüber hege; aber die hohle Falschheit dieser wie früherer Garantien ist aus dem nächsten Dokument ersichtlich; es ist TC-42 (a), das ich als Beweisstück GB-101 vorlege.
Das nächste Dokument, L-79, das sich auf Hitlers Konferenz vom 23. Mai bezieht, ist schon oft besprochen worden und erscheint als Beweisstück US-27. Ich brauche daher den Gerichtshof nur ganz kurz an zwei Stellen zu erinnern:
Es ist zunächst interessant, auf der ersten Seite festzustellen, wer zugegen war: der Führer, Göring, Admiral Raeder, Brauchitsch, Generaloberst Keitel und verschiedene andere, die nicht angeklagt sind. Auch Oberst Warlimont war da. Soweit mir bekannt, war er der Stellvertreter Jodls.
Der Zweck der Konferenz war eine Untersuchung der Lage. Dann darf ich mich auf die dritte Seite unten beziehen, es ist die Matrizen-Nummer 819:
»Wie sieht diese Auseinandersetzung aus?« – und sodann folgende Worte: – »Die holländischen und belgischen Luftstützpunkte müssen militärisch besetzt werden. Auf Neutralitätserklärungen kann nichts gegeben werden.« – Und dann am Ende: – »Wir müssen daher, wenn beim polnischen Krieg England eingreifen will, blitzartig Holland angreifen. Erstrebenswert ist es, eine neue Verteidigungslinie auf holländischem Gebiet bis Zuider-See zu gewinnen.«
Folgende Entscheidung wurde getroffen:
»Auf Neutralitätserklärungen kann nichts gegeben werden«, und dabei ist der Großadmiral anwesend, der Luftfahrtminister und Chef der deutschen Luftwaffe, und auch General Keitel. Alle sind anwesend, und alle ihre späteren Handlungen zeigen, daß sie damit einverstanden waren: Gib dein Wort und brich es! Das ist ihr Ehrenkodex, und Sie sehen, daß am Ende der Besprechung – auf der letzten Seite, Matrizen- Nummer 823 – Feldmarschall Göring selbst ein oder zwei Fragen stellte.
Das war die Entscheidung vom 23. Mai. Ist es eine Übertreibung, wenn ich behaupte, daß jede Silbe einer Garantie, jede Zusicherung, die danach gegeben wurde, einfach eine Heuchelei war und, abgesehen von der Vielfältigkeit der Verbrechen, dem Verhalten von gewöhnlichen Verbrechen entsprach?
VORSITZENDER: Herr Roberts, es wäre besser, wenn Sie sich soweit wie möglich nur auf das Dokument beschränken würden.
MR. ROBERTS: Ja, Herr Vorsitzender; dann wenden wir uns dem 22. August zu, Dokument 798-PS, das schon als Beweisstück US-29 vorgelegt wurde. Herr Vorsitzender, das war Hitlers Ansprache vom 22. August. Sie wurde schon wiederholt verlesen. Ich möchte mich nur auf eine Stelle beziehen; sie befindet sich am Ende der zweiten Seite:
»Angriff im Westen, aus der Maginot-Linie heraus: das halte ich für unmöglich.
Es wäre nun noch die Möglichkeit der Verletzung der Neutralität von Holland, Belgien und der Schweiz. Ich habe keinen Zweifel, daß alle diese Staaten und auch Skandinavien ihre Neutralität mit allen Mitteln verteidigen werden.«
Herr Vorsitzender, gestatten Sie mir, den nächsten Satz zu betonen: »England und Frankreich werden die Neutralität dieser Länder nicht verletzen.«
Ich möchte hierzu eine Bemerkung machen. Ich bitte den Gerichtshof, diesen Satz im Gedächtnis zu behalten, diese richtige Prophezeiung, wenn wir uns der Entschuldigungen erinnern, die wegen der späteren Invasion von Holland und Belgien gemacht wurden.
Die nächsten Dokumente sind TC-36, 40 und 42. Es sind drei Zusicherungen. Nummer 36 ist vom Deutschen Botschafter der Belgischen Regierung gegeben worden.
»Angesichts des Ernstes der internationalen Lage bin ich vom deutschen Staatsoberhaupt ausdrücklich angewiesen, Eurer Majestät die folgende Mitteilung zu überreichen:
Obgleich die Deutsche Regierung gegenwärtig alles, was in ihrer Macht liegt, daransetzt, um zu einer friedlichen Lösung der zwischen dem Reich und Polen schwebenden Fragen zu gelangen, wünscht sie dessenungeachtet jetzt und hier die Haltung klar zum Ausdruck zu bringen, die sie Belgien gegenüber einzunehmen beabsichtigt, sollte ein Konflikt in Europa unvermeidlich werden. Die Deutsche Regierung ist fest ent schlossen, an den Bedingungen der Erklärung festzuhalten, die in der deutschen Note vom 13. Oktober 1937 enthalten sind. Diese sieht tatsächlich vor, daß Deutschland unter gar keinen Umständen die Unverletzbarkeit und Integrität Belgiens beeinträchtigen und zu jeder Zeit belgisches Gebiet respektieren wird. Die Deutsche Regierung wiederholt diese Zusicherung in der Erwartung jedoch, daß die Belgische Regierung ihrerseits die Haltung striktester Neutralität bewahren und daß Belgien keine Verletzung seitens einer dritten Macht dulden, sondern vielmehr mit aller ihr zur Verfügung stehenden Macht Widerstand leisten werde. Es ist selbstverständlich, daß, wenn die Belgische Regierung eine andere Haltung einnehmen würde, die Deutsche Regierung natürlich gezwungen wäre, ihre Interessen in Übereinstimmung mit der neugeschaffenen Situation zu verteidigen.«
Eure Lordschaft! Darf ich kurz zu dem letzten Teil dieses Dokuments etwas bemerken? Ich behaupte, es ist offensichtlich, daß, nachdem die Entscheidung gefallen war, die Neutralität Belgiens zu verletzen, diese letzten Worte gewählt wurden, um eine gewisse Entschuldigung für die Zukunft zu gewährleisten. Dieses Dokument wird Beweisstück GB-102.
Eure Lordschaft! Das nächste Dokument TC-40 ist ein ähnliches Dokument, das Ihrer Majestät der Königin der Niederlande zugestellt wurde, und zwar am selben Tage, am 26. August 1939. Da es dem Gerichtshof zur Verfügung steht, halte ich es nicht für notwendig, es zu verlesen. Es ist ein öffentliches Dokument in dem deutschen Dokumentenbuch mit genau denselben Wesenszügen. Es wird Beweisstück GB-103 sein.
Dann, Eure Lordschaft, TC-42, Beweisstück GB-104, ist ein ähnliches an Luxemburg gerichtetes Dokument. Es trägt dasselbe Datum des 26. August. Ich bin hier nicht ganz sicher, es hat zwei Daten, aber ich glaube es ist der 26. August. Es ist in denselben Wendungen gehalten, eine vollkommene Garantie mit dem Giftstachel, wie in den beiden anderen Dokumenten. Ich denke nicht, daß ich sie alle verlesen muß.
Wie der Gerichtshof weiß, wurde Polen nach einem blitzartigen Sieg besetzt, und im Oktober waren die deutschen Streitkräfte für andere Aufgaben frei. Der erste Schritt, der unternommen wurde, soweit die Niederlande und Belgien in Frage kommen, zeigt sich in dem nächsten Dokument, das als GB-80 schon vorgelegt wurde; die beiden Hauptteile des Dokuments beziehen sich auf Holland und Belgien. Es ist das nächste Dokument in Ihrem Aktenbündel, Eure Lordschaft, Nummer 4.
VORSITZENDER: TC-32?
MR. ROBERTS: Ja, es beginnt mit TC-32. Dann folgt TC-37 auf derselben Seite, sodann TC-41; beide, 37 und 41, beziehen sich auf diese Angelegenheit. Dies ist eine deutsche Zusicherung vom 6. Oktober 1939.
»Belgien:
Ich habe sofort nach der Übernahme der Staatsgeschäfte versucht, das Verhältnis zu Belgien freundschaftlich zu gestalten. Ich habe auf jede Revision und auf jeden Revisionswunsch verzichtet. Das Reich hat keine Forderung gestellt, die irgendwie geeignet gewesen wäre, in Belgien als eine Bedrohung empfunden zu werden.«
Eure Lordschaft! Nun folgt eine ähnliche Zusicherung an die Niederlande im nächsten Teil des Dokuments:
»Das neue Reich hat die traditionelle Freundschaft zu Holland weiterzuführen versucht, es hat keine Differenzen zwischen den beiden Staaten übernommen und keine neuen Differenzen geschaffen.«
Ich bemerke, es ist unmöglich, die Bedeutung dieser Versicherung von Deutschlands Wohlwollen noch stärker zu betonen.
Eure Lordschaft: Der Wert dieses Wohlwollens zeigt sich im nächsten Dokument, das vom nächsten Tage, dem 7. Oktober, stammt. Jene beiden Garantien waren vom 6. Oktober. Wir kommen jetzt zum Dokument 2329-PS, datiert vom 7. Oktober. Es ist vom Oberbefehlshaber des Heeres von Brauchitsch an seine Heeresgruppen gerichtet. Er sagt, dritter Absatz:
»Die holländische Grenze zwischen Ems und Rhein ist nur zu beobachten.
Gleichzeitig hat Heeresgruppe B, entsprechend besonderer Anweisung, alle Vorbereitungen zu sofortigem Einrücken in belgisches und holländisches Gebiet zu treffen, falls die politische Lage es erfordert.«
»Falls die politische Lage es erfordert« – ein Tag nach der Garantie! Das ist ein Originaldokument. Die Unterschrift von Brauchitsch ist mit Schreibmaschine geschrieben. Das Dokument wird Beweisstück GB-105.
Das nächste Dokument besteht aus zwei Teilen; beide Teile haben die Nummer C-62. Der erste Teil ist datiert vom 9. Oktober 1939, zwei Tage nach dem Dokument, das ich verlesen habe. Es ist bereits vom Herrn Hauptanklagevertreter in der Eröffnungsrede verlesen worden, und zwar bis zum Ende des Abschnittes b. Ich brauche es deshalb nicht nochmals zu verlesen. Darf ich den Gerichtshof nur auf einen Satz aufmerksam machen:
»Am Nordflügel der Westfront ist durch den luxemburgisch-belgischen und holländischen Raum eine Angriffsoperation vorzubereiten. Dieser Angriff muß so stark und so frühzeitig als möglich geführt werden.«
Im nächsten Absatz darf ich nur einige Worte lesen:
»Zweck dieser Angriffsoperation ist es,... möglichst viel holländischen, belgischen und nordfranzösischen Raum... zu gewinnen.«
Diese Urkunde ist von Hitler selbst unterzeichnet. Sie war gerichtet an die drei Angeklagten: den Oberbefehlshaber der Armee Keitel, den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Raeder und den Luftfahrtminister und Oberbefehlshaber der Luftwaffe Göring. Das ergibt sich aus dem Verteilerschlüssel. Ich halte das Dokument noch zurück und werde es zusammen mit dem folgenden einreichen.
Eure Lordschaft! Das nächste Dokument datiert vom 15. Oktober 1939 und stammt vom Oberkommando der Wehrmacht. Es ist von dem Angeklagten Keitel unterzeichnet; es trägt seine, einigen von uns schon vertraute Unterschrift mit rotem Bleistift. Die Urkunde ist wiederum an Raeder und Göring und an den Generalstab des Heeres gerichtet. Sie ist auch schon von dem Herrn Hauptankläger verlesen worden. Darf ich den Gerichtshof nur an das Ende der Seite erinnern:
»Die Vorbereitungen des Heeres müssen daher darauf abgestellt werden, daß – auf besonderen Befehl – der holländische Raum zunächst bis zur Grebbe-Maas-« – oder Meuse – »Linie in Besitz genommen wird.«
Der zweite Absatz befaßt sich mit der Besetzung der westfriesischen Inseln.
Es steht nach meiner Ansicht außer jeder Diskussion, daß von diesem Augenblick an die Entscheidung, die Neutralität dieser drei Länder zu verletzen, feststand. Das einzige, was zu tun übrig blieb, war, die Einzelheiten auszuarbeiten, auf günstiges Wetter zu warten und in der Zwischenzeit keine Anhaltspunkte dafür zu geben, daß Deutschland wieder im Begriff war, sein gegebenes Versprechen zu brechen. Andernfalls hätten die kleinen Länder eine Möglichkeit gehabt, sich miteinander und mit ihren Nachbarn zu verbünden.
Diese Urkunde wird Beweisstück GB-106 sein.
Das nächste Dokument ist eine Weisung Keitels, 440-PS, GB-108. Sie wurde wiederum an die Oberbefehlshaber des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe gesandt und enthält Einzelheiten über die Durchführung des Angriffs. Ich möchte nur einige, sehr wenige auserwählte Stellen verlesen; Absatz 2 auf der ersten Seite:
»Entgegen der früher erteilten Weisung sind alle gegen Holland beabsichtigten Maßnahmen ohne besonderen Befehl mit dem allgemeinen Angriffsbeginn freigegeben.
Die Haltung der holländischen Wehrmacht ist im voraus nicht zu übersehen.«
Darf ich hier die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs darauf lenken, daß das Folgende ein deutsches Zugeständnis bedeutet:
»Wo kein Widerstand auftritt, ist dem Einmarsch der Charakter einer friedlichen Besetzung zu geben.«
Dann Absatz (b) des nächsten Abschnittes:
»Der holländische Raum, einschließlich der... westfrie sischen Inseln,... ist zunächst bis zur Grebbe-Maas-Linie in Besitz zu nehmen.«
Die nächsten beiden Absätze brauche ich nicht zu verlesen; sie befassen sich mit Aktionen gegen belgische Häfen. In Absatz 5 heißt es dann:
»Die 7. Fl.Div.« – das war eine Luftlandedivision – »wird erst dann für das Luftlandeunternehmen eingesetzt werden, wenn der Besitz von Brücken über den Albert-Kanal« – er liegt in Belgien, wie dem Gerichtshof bekannt ist – »gesichert ist...«
In Absatz 6 (b) ist dann Luxemburg genannt; es ist auch schon in Absatz 5 erwähnt. Die Unterschrift ist »Keitel«, aber in Maschinenschrift, durch einen Stabsoffizer beglaubigt.
VORSITZENDER: Liegt uns das Dokument vor?
MR. ROBERTS: Es ist GB-107, Herr Vorsitzender.
Das nächste Dokument ist C-10, GB-107; es datiert vom 28. November 1939. Es trägt wieder die Unterschrift von Keitel in Rotstift und ist an das Heer, die Kriegsmarine und die Luftwaffe gerichtet. Es behandelt den Fall, daß, wenn ein schneller Durchbruch nördlich Lüttich nicht gelingen sollte.... Ich glaube, Herr Vorsitzender, es handelt sich hier nur um die technische Seite der Angriffsdurchführung.
Absatz 2 zeigt deutlich, daß die Niederlande angegriffen werden sollten. Er spricht von der »Besitznahme der Insel Walcheren und damit des Hafens von Vlissingen« und der »Besitznahme eines oder mehrerer Maasübergänge zwischen Namur und Dinant«.
Das wird Beweisstück 108 sein.
Die Dokumente beweisen, daß das Oberkommando und der Führer von November bis März 1940 auf günstiges Wetter für den »A«-Tag warteten. So nannten sie den Tag für den Angriff auf Belgien, Luxemburg und die Niederlande.
Das nächste Dokument ist C-72; es besteht aus 18 Urkunden, die nach den Daten vom 7. September bis zum 9. Mai 1940 eingereiht sind. Es sind alles beglaubigte Photokopien und entweder von Keitel oder von Jodl persönlich unterzeichnet. Es ist meines Erachtens nicht notwendig, sie zu verlesen. Ich glaube, die Verteidiger haben Exemplare aller dieser Dokumente; sie zeigen, daß der »A«- Tag ständig von Woche zu Woche verschoben wurde, und zwar auf Grund der Wetterberichte. Das wird Beweisstück GB-109 sein.
Eure Lordschaft! Am 10. Januar 1940 machte, wie der Herr Hauptankläger dem Gerichtshof mitteilte, ein deutsches Flugzeug eine Notlandung in Belgien. Die Besatzung versuchte, die Befehle zu verbrennen, die sich in ihrem Besitz befanden, hatte aber nur zum Teil Erfolg. Das nächste Dokument, das ich vorlege, ist TC-58 (a); es ist Beweisstück GB-110. Das vorliegende Original ist eine von der Belgischen Regierung bestätigte Photokopie. Die Belgische Regierung gelangte natürlich in den Besitz des Originaldokuments.
Eure Lordschaft! Ich kann es zusammenfassen. Es sind Befehle an den Oberbefehlshaber der zweiten Luftflotte, die für ein Angriffsunternehmen gegen Frankreich, Holland und Belgien bereitstand. Ein Blick auf das Ende der ersten Seite zeigt, daß es sich um die Aufstellung der belgischen Armee handelt. Die belgische Armee hat mit ihren Hauptkräften die Lüttich-Antwerpen-Linie besetzt, leichtere Kräfte stehen vor dem Maas-Schelde-Kanal. Dann geht es um die Aufstellung der holländischen Armee; wenn Sie die Seite 3 umwenden, sehen Sie, daß das deutsche Westheer seine Offensive zwischen Nordsee und der Mosel mit stärkster Unterstützung durch die Luftwaffe auf den belgisch-luxemburgischen Raum richtet.
Ich glaube nicht, daß ich mehr zu verlesen brauche. Das übrige bezieht sich auf Operationseinzelheiten, wie die Bombardierung der verschiedenen Angriffsziele in Belgien und Holland.
Das nächste Dokument liegt außerhalb des Rahmens meiner Betrachtungen. Mein verehrter Freund, Major Elwyn Jones, legte Jodls Tagebuch vor, GB-88, und ich möchte nur sehr kurz auf einige Auszüge hinweisen, die hier im Aktenstück Nummer 4 gedruckt sind.
Beim Lesen der Eintragung vom 1. Februar 1940 und dann einige Zeilen tiefer...
VORSITZENDER: 1809-PS?
MR. ROBERTS: Jawohl, Herr Vorsitzender, und GB-88.
VORSITZENDER: Wir haben keine GB-Nummern auf den Dokumenten.
MR. ROBERTS: Ich bedauere, Herr Vorsitzender, es ist mein Fehler. Wenn der Herr Vorsitzende 8 Zeilen tiefer lesen, es heißt da:
»17 Uhr General Jeschonnek«
– und dann –
»1. Verhalten der Fallschirmtruppen.
Vor Dem Haag sollen sie so stark sein, daß sie auch mit Gewalt eindringen können. 7. Division will Teile an der Stadt absetzen.
2. Gewisser Widerspruch zwischen politischer Mission und gewaltsamem Vorgehen gegen holländische Luftwaffe.«
Ich glaube, daß ich den Rest nicht zu lesen brauche; es sind wieder Operationseinzelheiten.
»2. Februar...« – Ich verweise wieder auf die Eintragungen in Jodls Tagebuch unter »a« über »Landungen mitten in Dem Haag«.
Wenn Sie, Herr Vorsitzender, die Seite umdrehen – ich lasse den 5. Februar aus – dann kommen Sie zum 26. Februar.
»Hier wirft der Führer die Frage auf, ob es besser ist, die Weserübung vor oder nach dem Fall ›Gelb‹ durchzuführen.«
Und dann am 3. März, der letzte Satz:
»Führer entschließt sich, Weserübung vor Gelb zu machen mit einigen Tagen Zwischenraum.«
Und dann, Herr Vorsitzender, ist da eine Eintragung, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte; sie ist datiert vom 8. Mai, das heißt, zwei Tage vor der Invasion; am Anfang der Seite:
»Alarmierende Nachrichten aus Holland, Urlaubssperre, Evakuierungen, Sperren, restl. Mob.-Maßnahmen; nach Abwehrmeldungen sollen Engländer um« Erlaubnis zum Einrücken gebeten haben, die Holländer aber abgelehnt haben.« Herr Vorsitzender, darf ich hier zwei kurze Bemerkungen machen? Die erste ist, daß die Deutschen ziemlich unangenehm berührt sind, daß Holland wirklich Vorbereitungen trifft, um ihrer Invasion Widerstand entgegenzusetzen. »Alarmierende Nachrichten«, wie sie schrieben.
Der zweite Punkt ist, daß Jodl dort schriftlich niederlegt, daß die holländischen Armeen nach Berichten ihres Nachrichtendienstes nach wie vor die Neutralität strikte innehalten. Aber, ich brauche keine weiteren Auszüge aus dem Tagebuch vorzulesen.
Herr Vorsitzender, das ist die ganze Geschichte mit Ausnahme der Urkunden, die Holland, Belgien und Luxemburg überreicht wurden, nachdem die Invasion eine vollendete Tatsache geworden war. Wie geschichtsbekannt ist, wurden am 10. Mai um 4.30 Uhr diese drei kleinen Länder mit Gewalt überfallen, mit all der Wucht und den Schrecknissen eines modernen Krieges. Keine Warnung wurde ihnen durch Deutschland gegeben; keine Beschwerde durch Deutschland über irgendwelche Neutralitätsbrüche war dieser Aktion vorausgegangen.
VORSITZENDER: Es ist jetzt vielleicht eine gute Gelegenheit, die Verhandlung bis 2 Uhr zu unterbrechen?
MR. ROBERTS: Ich stimme dem Hohen Gerichtshof zu.