HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zu einem Assistenten gewendet]

Wollen Sie bitte diese Kopie dem Herrn Vorsitzenden überreichen?

VORSITZENDER: Ich nehme an, daß es das Dokument selbst zeigen wird.

OBERST STOREY: Ich werde im Original nachsehen und es richtigstellen. Darf ich bitte das Original haben? Augenscheinlich ist hier ein Druckfehler unterlaufen. Herr Vorsitzender, hier finde ich die Zahl 136421 zusammen mit dem Sarg.

VORSITZENDER: Herr Parker erklärt, daß sich das auch aus dem Dokument selbst ergibt.

OBERST STOREY: Ja, es ergibt sich auch aus dem Dokument. Der Fehler liegt hier. Die Zahl 128000 unten auf der Seite bedeutet, daß damals noch 128000 Juden vorhanden waren. Die wörtliche Übersetzung der Aufschrift lautet, soweit ich verstehe »Im Gebiet Minsk noch vorhanden«.

Ich verweise nun auf Dokument 1104-PS, Band 2, das ich als Beweisstück US-483 vorlege.

VORSITZENDER: Oberst Storey, haben Sie uns gesagt, was das für ein Dokument ist? Die Übersetzung zeigt nicht, um was für ein Dokument es sich handelt.

OBERST STOREY: Es ist ein Bericht der Einsatzgruppe A, eine geheime Reichssache, mit anderen Worten ein Bericht über ihre Tätigkeit in diesen Gebieten; die beigefügte Karte zeigt, auf welche Gebiete sich die Tätigkeit erstreckte.

VORSITZENDER: War es eine Einsatzgruppe der Gestapo?

OBERST STOREY: Die Einsatzgruppe wurde in diesem Gebiet von der Gestapo und dem SD gebildet; mit anderen Worten, sie war eine Kommandogruppe.

Wie ich bereits erwähnt habe, Herr Vorsitzender, bildeten sie diese besonderen Kommandogruppen, um mit und hinter den Armeen zu arbeiten, als sie ihren Besitz in den besetzten Gebieten zu festigen trachteten. Der Gerichtshof wird im Verlaufe unserer Darlegungen noch andere Berichte über diese Einsatzgruppen kennenlernen. Mit anderen Worten, »Einsatz« bedeutet Sonderaktion oder Aktionsgruppen. Sie wurden für gewisse geographische Gebiete direkt hinter der Frontlinie gebildet.

VORSITZENDER: Ja, aber waren sie Gruppen der Gestapo?

OBERST STOREY: Der Gestapo und des SD.

VORSITZENDER: Der ist ja ein Teil der Gestapo.

OBERST STOREY: Einige kamen auch aus der Kripo.

Das nächste Dokument ist 1104-PS vom 30. Oktober 1941. An diesem Tage sandte der Gebietskommissar von Sluzk einen Bericht an den Generalkommissar von Minsk, in dem er die Aktionen der Einsatzkommandos der Sipo und des SD, die in seinem Gebiet die Ermordung der jüdischen Bevölkerung durchführen sollten, aufs schärfste kritisierte. Ich zitiere aus der englischen Übersetzung, Seite 4 des Dokuments, und beginne mit dem ersten Absatz nach dem Doppelpunkt:

»Am 27. Oktober morgens gegen 8.00 Uhr erschien ein Oberleutnant des Polizei-Bataillons Nr. 11 aus Kauen (Litauen), der sich als Adjutant des Bataillonskommandeurs der Sicherheitspolizei vorstellte. Der Oberleutnant erklärte, daß das Polizeibataillon den Auftrag erhalten hätte, hier in der Stadt Sluzk in zwei Tagen die Liquidierung sämtlicher Juden vorzunehmen. Der Bataillonskommandeur sei mit seinem Bataillon in Stärke von 4 Kompanien, davon 2 Kompanien litauische Partisanen, im Anrollen und die Aktion müsse sofort beginnen. Hierauf gab ich dem Oberleutnant zur Antwort, daß ich auf alle Fälle die Aktion zunächst mit dem Kommandeur besprechen müßte. Etwa eine halbe Stunde später traf das Polizeibataillon in Sluzk ein. Wunschgemäß hat dann auch die Aussprache mit dem Bataillonskommandeur sofort nach Eintreffen stattgefunden. Ich erklärte zunächst dem Kommandeur, daß es nicht gut möglich sei, ohne vorherige Vorbereitung die Aktion durchzuführen, da alle auf Arbeit geschickt seien und es ein furchtbares Durcheinander geben würde. Es wäre zum mindesten seine Pflicht gewesen, einen Tag vorher Bescheid zu geben. Ich bat dann darum, die Aktion um einen Tag zu verschieben. Er lehnte dieses jedoch ab mit dem Bemerken, daß er überall in allen Städten die Aktion durchzuführen habe und für Sluzk nur zwei Tage zur Verfügung stünden. In diesen beiden Tagen müßte die Stadt Sluzk unbedingt frei von Juden sein.«

Dieser Bericht wurde an den Reichskommissar für das Ostland durch den Gauleiter Hinrich Lohse in Riga weitergeleitet. Die Herren Richter werden sich erinnern, daß er schon bei einem anderen Vortrag erwähnt wurde.

Ich gehe nun auf Seite 5 über und möchte den ersten Absatz verlesen:

»Was im übrigen die Durchführung der Aktion anbelangt, muß ich zu meinem tiefsten Bedauern hervorheben, daß letztere bereits an Sadismus grenzte. Die Stadt selbst bot während der Aktion ein schreckenerregendes Bild. Mit einer unbeschreiblichen Brutalität sowohl von seiten der deutschen Polizeibeamten, wie insbesondere von den litauischen Partisanen, wurde das jüdische Volk, darunter aber auch Weißruthenen aus den Wohnungen herausgeholt und zusammengetrieben. Überall in der Stadt knallte es und in den einzelnen Straßen häuften sich die Leichen erschossener Juden. Die Weißruthenen hatten größte Not, um sich aus der Umklammerung zu befreien. Abgesehen davon, daß das jüdische Volk, darunter auch die Handwerker, furchtbar roh vor den Augen des weißruthenischen Volkes brutal mißhandelt worden ist, hat man das weißruthenische Volk ebenfalls mit Gummiknüppeln und Gewehrkolben bearbeitet. Von einer Judenaktion konnte schon keine Rede mehr sein, vielmehr sah es nach einer Revolution aus.«

Ich gehe nun zum vorletzten Absatz auf derselben Seite über und zitiere:

»Abschließend sehe ich mich gezwungen, darauf hinzuweisen, daß von dem Polizeibataillon während der Aktion in unerhörter Weise geplündert worden ist, und zwar nicht nur in jüdischen Häusern, sondern genau so in den Häusern der Weißruthenen. Alles Brauchbare, wie Stiefel, Leder, Stoffe, Gold und sonstige Wertsachen haben sie mitgenommen. Nach Angaben von Wehrmachtangehörigen wurden den Juden öffentlich auf der Straße die Uhren von den Armen gerissen, die Ringe in brutalster Weise von den Fingern gezogen. Ein Oberzahlmeister erstattet die Meldung, wonach ein jüdisches Mädchen von der Polizei aufgefordert worden sei, sofort 5000 Rubel zu holen, dann würde ihr Vater freigelas sen. Tatsächlich soll dieses Mädchen überall umhergelaufen sein, um das Geld zu besorgen.«

Ein weiterer Absatz spricht von der Zahl der Ausfertigungen des Berichts. Er befindet sich auf der dritten Seite der Übersetzung; ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs darauf lenken. Der letzte Absatz auf Seite 3 der Übersetzung lautet:

»Ich reiche diesen Bericht in doppelter Ausfertigung ein, damit das eine Exemplar an den Herrn Reichsminister weitergegeben werden kann. Mit derartigen Methoden läßt sich die Ruhe und die Ordnung in Weißruthenien nicht aufrechterhalten. Daß man Schwerverwundete lebendig begraben hat, die sich dann aus den Gräbern wieder herausgearbeitet haben, ist eine so bodenlose Schweinerei, daß der Vorfall als solcher dem Führer und dem Reichsmarschall gemeldet werden müßte. Die Zivilverwaltung in Weißruthenien gibt sich die größte Mühe, entsprechend den Weisungen des Führers und des Reichsministers die Bevölkerung für Deutschland zu gewinnen. Mit den hier geschilderten Methoden läßt sich dieses Bemühen nicht in Einklang bringen.«

Unterschrieben von dem Generalkommissar für Weißruthenien.

Und später, am 11. November 1941, sandte er diesen Bericht an den Reichsminister für besetzte Ostgebiete in Berlin.

VORSITZENDER: Wer war das damals?

OBERST STOREY: Der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete war, damals wenigstens, soweit ich weiß, der Angeklagte Rosenberg. Ich denke, das ist richtig. Am gleichen Tage berichtete der Generalkommissar für das Ostland in einem besonderen Briefe, daß er Geld, Wertsachen und andere Gegenstände, die die Polizei bei der Aktion in Sluzk und anderen Orten weggenommen hatte, bei der Reichskreditanstalt zur Verfügung des Reichskommissars hinterlegt habe.

Am 21. November 1941 wurde ein Bericht über den Zwischenfall in Sluzk an den persönlichen Referenten des ständigen Vertreters des Reichsministers gesandt mit einer Abschrift an Heydrich, den Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Das ergibt sich aus Seite 1 des Dokuments 1104-PS.

Die Tätigkeit der Einsatzgruppen dauerte auch 1943 und 1944 unter Kaltenbrunner als Chef der Sicherheitspolizei und des SD an. Infolge der ungünstigen Kriegslage wurde das Vernichtungsprogramm jedoch im wesentlichen zu einer Erfassung von Sklavenarbeitern für Deutschland abgeändert.

Ich verweise nun auf Dokument 3012-PS, das bereits als Beweisstück US-90 vorgelegt wurde. Dies ist ein Brief einer Kommandostelle eines Sonderkommandos, einer als Einsatzgruppe C bekannten Abteilung vom 19. März 1943. Dieser Brief gibt eine Übersicht über die wirkliche Tätigkeit und die Methoden der Gestapo und des SD; ich möchte auf einige weitere, noch nicht verlesene Teile auf Seite 2 des Dokuments 3012-PS verweisen. Ich werde nun Seite 1 verlesen und beginne mit dem ersten Absatz:

»Aufgabe von Sicherheitspolizei und SD ist die Erkundung und Bekämpfung von Reichsfeinden im Interesse der Sicherheit, im Operationsgebiet besonders die Sicherheit der Truppe. Neben der Vernichtung aktiv vorgetretener Gegner sind durch vorbeugende Maßnahmen solche Elemente auszumerzen, die auf Grund ihrer Gesinnung oder Vergangenheit bei dazu günstigen Umständen als Feinde aktiv hervortreten können. Die Sicherheitspolizei führt diese Aufgabe entsprechend den allgemeinen Weisungen des Führers mit jeder erforderlichen Härte durch. Scharfes Durchgreifen ist besonders in bandengefährdeten Gebieten nötig. Die Zuständigkeit von Sicherheitspolizei im Operationsgebiet gründet sich auf die Barbarossa-Erlasse.«

Der Gerichtshof wird sich an den berühmten Decknamen »Barbarossa« erinnern und an die im Zusammenhang mit dem Überfall auf Rußland erlassenen Weisungen.

»Die in der letzten Zeit in erheblichem Maßstab durchgeführten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen hielt ich aus zweierlei Gründen für notwendig.

1. Die Frontlage in meinem Gebiet hatte sich dermaßen zugespitzt, daß die Bevölkerung, zum Teil beeinflußt durch die im chaotischen Zustand zurückflutenden Ungarn und Italiener, offen gegen uns Stellung nahm.

2. Die starken Bandenzüge, vor allen Dingen aus dem Briansker Wald kommend, waren ein weiterer Grund. Außerdem schossen in allen Rayons neue Bandengruppen, gebildet aus der Bevölkerung, wie Pilze aus der Erde. Die Beschaffung von Waffen bereitete offensichtlich keine Schwierigkeiten. Es wäre unverantwortlich gewesen, wenn wir diesem Treiben tatenlos zugesehen hätten. Daß jede Maßnahme Härten mit sich bringt, liegt auf der Hand. Als wesentliche Punkte der harten Maßnahmen nehme ich folgendes heraus:

1. Die Erschießung der ungarischen Juden,

2. die Erschießung von Agronomen,

3. die Erschießung von Kindern,

4. die restlose Niederbrennung von Dörfern,

5.« – die Erschießung bei, ich zitiere: »Fluchten von SD-Häftlingen.

Chef der Einsatzgruppe C bestätigte nochmals die Richtigkeit der durchgeführten Maßnahmen und sprach seine Anerkennung aus für das radikale Durchgreifen.

Mit Rücksicht auf die augenblickliche politische Lage, vor allen Dingen in der Rüstungsindustrie in der Heimat, sind die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen weitgehendst dem Arbeitseinsatz für Deutschland unterzuordnen. Die Ukraine hat in kürzester Frist eine Million Arbeiter für die Rüstungsindustrie freizustellen, wovon aus unserem Gebiet täglich 500 Mann zu stellen sind.«

Hoher Gerichtshof! Ich glaube, daß diese Zahlen bereits von Herrn Dodd zitiert wurden. Auf der nächsten Seite weise ich auf den ersten Befehl in den Unterabsätzen 1 und 2 hin.

»1. Sonderbehandlungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken.

2. Die Erfassung der KP-Funktionäre, Aktivisten und so weiter haben zunächst nur listenmäßig zu erfolgen, ohne Verhaftungen vorzunehmen. Es geht zum Beispiel nicht mehr an, daß bei KP-Mitgliedern die nähere Verwandtschaft verhaftet wird. Auch Mitglieder des Komsomolz sind nur dann festzunehmen, wenn diese in einer führenden Stellung tätig waren.«

Die nächsten beiden Absätze 3 und 4 wurden bereits bei einem früheren Vortrag vorgelegt.

»5. Die Bandenberichterstattung sowie Bandeneinsätze bleiben hiervon unberührt. Ich mache jedoch darauf aufmerksam, daß die Bandeneinsätze nur mit meiner Zustimmung zu erfolgen haben.

6. Die Gefängnisse sind grundsätzlich leer zu halten. Wir müssen uns darüber klar sein, daß der Slave jede weiche Behandlung als Schwäche auslegt und sich sofort in solchen Momenten darauf einstellt. Wenn wir also durch obige Anordnung unsere harten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen vorübergehend einschränken, so geschieht dies nur aus folgendem Grund. Das Wichtigste ist die Arbeiterbeschaffung. Eine Überprüfung der ins Reich zu verschickenden Personen erfolgt nicht. Es sind daher auch keine schriftlichen Bescheinigungen für politische Überprüfung und dergleichen abzugeben.

Gezeichnet Christensen, SS-Sturmbannführer und Kommandeur.«

Soweit ich verstanden habe, wünscht der Hohe Gerichtshof, sich heute um 4.00 Uhr zu vertagen; ich glaube daher, daß ich noch einen weiteren Punkt vortragen kann. Es handelt sich um jene Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, die die berüchtigten Todeswagen betrieben. Das kürzlich als Beweisstück US-288 vorgelegte Dokument 501-PS bezog sich hierauf. Der Brief von Becker, der ein Teil dieses Beweisstücks ist, war an Obersturmbannführer Rauff in Berlin gerichtet.

Ich komme nun zu Dokument L-185. Auf 501-PS verweise ich nur wegen der Todeswagen. Das Dokument L-185 lege ich jetzt als Beweisstück US-484 vor, und zwar Seite 7 der englischen Übersetzung. Daraus ist zu entnehmen, daß der mit technischen Angelegenheiten betraute Chef des Amtes II D des RSHA der Obersturmbannführer Rauff war. Herr Harris sagt mir soeben, daß nur ein Punkt durch dieses Dokument bewiesen werden soll, nämlich, daß das Amt II D des RSHA, welches diesen Bericht über technische Angelegenheiten herstellte, von Obersturmbannführer Rauff geleitet wurde. In demselben Zusammenhang weist er auf Dokument 2348-PS, Beweisstück US-485, hin.

Das vorhergehende Dokument sollte Rauff identifizieren, um dann seine eidesstattliche Erklärung, 2348-PS, zweiter Band, vorlegen zu können. Ich verlese den Anfang seiner am 19. Oktober 1945 in Ancona, Italien, abgegebenen eidesstattlichen Erklärung:

»Ich bestätige hiermit die Echtheit des anliegenden Briefes, der von Dr. Becker... am 16. Mai 1942 geschrieben und den ich am 29. Mai 1942 erhielt.

Ich habe am 18. Oktober 1945 am Rande dieses Briefes vermerkt, daß er echt ist.

Die Zahl der in Betrieb gewesenen Todeswagen kenne ich nicht und kann nicht einmal die ungefähre Zahl angeben.

Die Wagen wurden von den Saurer-Werken in Deutschland gebaut, die sich, glaube ich, in Berlin befinden.

Auch andere Firmen haben diese Wagen gebaut.

Soweit ich weiß, waren diese Wagen nur in Rußland in Gebrauch.

Soweit ich feststellen kann, wurden diese Wagen wahrscheinlich 1941 verwandt, und es ist meine persönliche Ansicht, daß sie bis zum Kriegsende in Betrieb waren.«

Herr Vorsitzender, ich glaube nicht, daß wir genügend Zeit haben, auf das nächste Beweisstück einzugehen.

VORSITZENDER: Gut. Dann wird sich der Gerichtshof jetzt auf Mittwoch, den 2. Januar 1946, vertagen.