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[Pause von 10 Minuten.]

RA. BOEHM: Herr Vorsitzender! Ich möchte Sie bitten, mir zu gestatten, noch eine grundsätzliche Frage zu stellen, und zwar die Frage der Ehrenführerschaft. Es hat in der SA Ehrenführer gegeben, und zwar als Obergruppenführer, als Gruppenführer, Brigadeführer, als Standartenführer und als Sturmführer.

Herr Zeuge, ich möchte Sie nun bitten, darüber Aufklärung zu schaffen, welche Bedeutung der Ehrenführer in der Organisation der SA hatte bezüglich der Unterrichtung der SA, bezüglich der Befehlsgebung der SA, und welcher Art sein Einfluß überhaupt gewesen sein konnte?

GÖRING: Der Ehrenführer der SA war aus den verschiedenartigsten Momenten und Motiven ernannt worden. Sie hatten eine ausschließlich repräsentative Stellung, das heißt, daß sie bei Parteifestlichkeiten in der SA-Uniform eben an solchen teilgenommen haben. Sie waren keine aktiven Mitglieder der SA und auch von allen internen Vorgängen der SA, über Aufmärsche oder sonstige Aufgaben, nicht unterrichtet; sie waren rein dekorativ.

DR. RUDOLF MERKEL, VERTEIDIGER FÜR DIE GESTAPO: Herr Zeuge, kann man sagen, daß die Geheime Staatspolizei im Jahre 1933, als sie von Ihnen geschaffen wurde, ein nationalsozialistischer Kampfverband oder aber eine staatliche Einrichtung war, wie zum Beispiel die Kriminalpolizei oder andere Staats- und Reichsbehörden?

GÖRING: Ich habe schon betont, daß es sich um eine rein staatliche Einrichtung gehandelt hat, und zwar um die schon vorhandene Politische Polizei, die lediglich umgebildet und nach den neuen Staatsgrundsätzen ausgerichtet wurde. Zu dieser Zeit war auch nicht die loseste Verbindung zur Partei gegeben. Die Partei hatte keinerlei Einfluß, Befehlsbefugnisse oder Richtlinien sonst irgendwelcher Art; es war eine ausschließliche Staatsinstitution. Die Mitglieder, die vorhanden waren oder hineinkamen, waren zu dieser Zeit Beamte mit allen Rechten und Pflichten derselben.

DR. MERKEL: Hat sich an diesem Zustand seit der Übernahme der Staatspolizei durch Himmler bis 1945 nach Ihrer Kenntnis der Sachlage irgend etwas geändert?

GÖRING: Bis 1934 war es exakt so, wie ich gesagt habe. Danach verstärkte sich wohl bei dem weiteren Ausbau das Element der SS, indem vielleicht mehr Leute von diesem Sektor eingestellt wurden. Sie wurden dann aber auch mit der Einstellung – und damals mußten sie unter allen Umständen ein Examen ablegen – wurden Beamte und blieben Beamte, und ich habe dann später gehört, daß an diesem Beamtencharakter sich nichts geändert hat; aber allmählich im Laufe der Jahre haben alle Beamten, ob sie wollten, glaube ich, oder nicht, gleichzeitig irgendwie einen Rang in der SS bekommen, so daß ein Gestapo-Beamter, der vielleicht bis zum Jahre 1939 oder 1940 nichts mit der SS zu tun hatte und noch aus der alten Zeit, das heißt, noch aus den Polizeibeamten der Weimarer Republik stammte, doch mit irgendeinem Rang in die SS aufgenommen wurde. Er blieb aber Beamter, das heißt, die Gestapo war ein Beamtenapparat der deutschen Polizei.

DR. MERKEL: Ist Ihnen darüber etwas bekannt, daß Himmler nach der Machtübernahme in seiner Eigenschaft als Polizeipräsident von München auch zugleich Leiter der Politischen Polizei und der Kriminalpolizei für Bayern war?

GÖRING: Soviel ich weiß, und soviel ich ausgeführt habe, wurde Himmler zunächst Polizeipräsident von München, schon ganz kurze Zeit danach-es mag sich vielleicht um ein, zwei Wochen gehandelt haben – nannte er sich Polizeikommandeur von Bayern, und dann im Laufe, glaube ich, von ein oder eineinhalb Monaten, es ging sehr rasch, wurde er praktisch – wie er sich nannte, weiß ich nicht mehr genau – aber de facto oberster Polizeichef aller deutschen Länder und freien Städte, mit Ausnahme Preußens.

DR. MERKEL: Sie sagten vorhin, daß die Beamten der Geheimen Staatspolizei in die SS übernommen wurden; geschah dies freiwillig, oder war hier ein gewisser Zwang seitens der Dienststellen ausgeübt, um diese Zugehörigkeit der Beamten in die SS zu erreichen?

GÖRING: Ich glaube, daß – ich hörte das nur von einzelnen Beamten, die ich von früher her kannte – daß sie das mußten. Sie wurden nicht in die SS übernommen, sondern sie bekamen einen Dienstrang in der SS. Es war wohl die Auffassung Himmlers, Polizei und SS, von denen beiden er der Führer war, zusammenzuschweißen. Wie er sich das vorgestellt hat, wie das im einzelnen war, das kann ich nicht sagen. Ich mag deshalb hier vielleicht auch dies und jenes nicht ganz korrekt angegeben haben; ich tat es nach bestem Wissen.

DR. MERKEL: Sie sagten vorhin, daß die Beamten 1933 aus der damals bestehenden Politischen Polizei in die Staatspolizei übernommen wurden. Geschah dies auf Grund einer freiwilligen Meldung dieser Beamten, oder wurden sie dazu kommandiert oder versetzt, in einzelnen Fällen, ohne daß sie damit einverstanden waren?

GÖRING: Es ist nicht richtig, wenn Sie sagen, daß die Beamten der Politischen Polizei des Vorstaates geschlossen in die Gestapo übernommen wurden; im Gegenteil, auf diesem Sektor wurde wohl am meisten gesiebt, denn hier befanden sich ja gerade, weil es sich um eine politische Polizei handelte, bis dato die Vertreter der uns feindlich gesinnten und entgegengesetzten Parteien. Die mußten entfernt werden. Infolgedessen kamen neue hinein, zumal sie ja erheblich vergrößert wurde. Diese Beamten, die hineinkamen, wurden aus den übrigen Polizeidiensten, Kriminalpolizei und sonstiger Polizei, entnommen, und, wie ich schon ausgeführt habe, zum Teil von außen her als Neuanwerbungen unter starker Berücksichtigung selbstverständlich unserer Leute eingestellt. Wie weit hier nun regelrecht Versetzungen stattfanden, daß Herr Müller von der Kriminalpolizei zur Geheimen Staatspolizei versetzt wurde, ob er da gefragt wurde, das weiß ich im einzelnen nicht, glaube ich nicht, das halbe ich dem Leiter der Geheimen Staatspolizei überlassen. Nachdem ich die allgemeinen Richtlinien ja aufgestellt hatte, konnte ich mich nun ja nicht um jeden Kriminalrat bekümmern.

DR. MERKEL: Kennen Sie den Obergruppenführer Müller, der Amtschef IV im Reichssicherheitshauptamt war?

GÖRING: Ich kannte ihn.

DR. MERKEL: Wußten Sie, daß er und sein nächster Mitarbeiterstab aus der Politischen Polizei Bayerns vor dem Jahre 1933 stammte?

GÖRING: Das weiß ich nicht; ich weiß nur eins, daß er aus Bayern stammte.

DR. MERKEL: Ist Ihnen bekannt, daß die Geheime Staatspolizei bei den Ausschreitungen am 9. November 1938 nicht beteiligt war?

GÖRING: Ich bin immer der Überzeugung gewesen, daß sie nicht daran beteiligt war. Ich habe hier aber ein Dokument gesehen, das ihr zumindest den Auftrag gab, nicht einzuschreiten. Beteiligt war sie, glaube ich, nicht.

DR. MERKEL: Wenn ich Sie recht verstanden habe, sagten Sie neulich, daß Sie am fraglichen 9. November nach Ihrer Rückkehr nach Berlin sofort die Geheime Staatspolizei, beziehungsweise deren Chef, angerufen hätten. Geschah dieser Anruf nur deshalb, weil Sie von dort nähere Informationen haben wollten, oder geschah er deshalb, weil sie meinten, die Gestapo wäre an diesen Ausschreitungen aktiv beteiligt gewesen, hätte sie veranlaßt und durchgeführt?

GÖRING: Wenn ich der Überzeugung gewesen wäre, daß die Gestapo sie aktiv veranlaßt hätte, hätte ich mich sicherlich nicht bei ihr erkundigt. Ich habe den Auftrag gegeben an meine Mitarbeiter durch die Polizei und in diesem Falle durch die Gestapo, weil sie die notwendige Verbindung hatte, oder Kriminalpolizei, das war mir ja gleichgültig; ich konnte mich nur an den Chef der Polizei wenden, das war Heydrich, daß ich schleunigst einen Bericht haben wollte: Was war geschehen?, einen reinen Tatsachenbericht.

DR. MERKEL: Ist es richtig, daß Sie bei der Übergabe Ihres Amtes als Chef der Polizei an Himmler zum Ausdruck brachten, daß Gefangenenmißhandlung eines deutschen Beamten unwürdig sei, und Sie stets gegen Beamte mit größter Strenge vorgehen würden, die sich eines solchen Vergehens schuldig machen würden?

GÖRING: Die Rede bei der Übergabe ist bekannt und enthält solche Stellen.

DR. MERKEL: Ist Ihnen bekannt, daß auch ein Befehl des RSHA, also aus der Zeit nach Ihrer Übergabe, existierte, wonach jedem Beamten und Angestellten der Staatspolizei es unter schärfsten Strafandrohungen untersagt war, Häftlinge zu schlagen oder sie zu mißhandeln?

GÖRING: Möglich, die Befehle nach meiner Übergabe kenne ich nicht mehr.

DR. MERKEL: Wissen Sie irgendwie darüber Bescheid, um diese Frage noch negativ zu stellen, daß nie ein Befehl bestanden hat, Häftlinge körperlich zu mißhandeln oder zu foltern, erstens aus der Zeit, als Sie Chef der Geheimen Staatspolizei waren, und aus der späteren Zeit?

GÖRING: Ich kann nur mit absoluter Sicherheit behaupten, daß ich keinen solchen Befehl gegeben habe oder erlaubt habe. Was sonst diesbezüglich in anderen Ländern außerhalb Preußens oder später herausgegeben worden ist oder nicht herausgegeben worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

DR. MERKEL: Ist Ihnen darüber irgend etwas bekannt, daß entgegen diesen Befehlen nun tatsächlich allgemein in der Geheimen Staatspolizei solche Vorfälle sich ereigneten, oder sagen Sie, wenn es vorgekommen ist, kann es sich nur um einzelne Fälle handeln oder um einzelne Übergriffe?

GÖRING: Zu der Zeit, als ich noch unmittelbar Anteil an der Geheimen Staatspolizei genommen habe, haben sich, wie ich das offen zum Ausdruck brachte, ja auch Übergriffe ereignet. Um sie zu bestrafen, mußte man sie natürlich erfahren. Bestrafungen haben stattgefunden. Die Beamten wußten also, wenn sie derartiges taten, daß sie Gefahr liefen, bestraft zu werden. Es ist eine ganze Reihe bestraft worden. Wie die Praxis später gehandhabt wurde, kann ich auch wiederum nicht sagen.

DR. MERKEL: Ich habe keine Fragen mehr.

RECHTSANWALT LUDWIG BABEL, VERTEIDIGER FÜR DIE SS: Herr Zeuge, bestanden für die Ernennung zum Ehrenführer der SS die gleichen Voraussetzungen wie bei der SA?

GÖRING: Ich glaube, ja.

RA. BABEL: Sind Ihnen Richtlinien oder sonstige Anordnungen bezüglich der Ernennung zum Ehrenführer bekannt?

GÖRING: Nein.

RA. BABEL: Bestand die Möglichkeit, die Ernennung abzulehnen?

GÖRING: Ich glaube, ja.

RA. BABEL: Ist Ihnen bekannt, welches die Gründe für den Ausbau der Waffen-SS in dem feststehenden großen Umfang nach 1939 waren?

GÖRING: Nochmal, bitte.

RA. BABEL: Ich wiederhole: Ist Ihnen bekannt, welches die Gründe für den Ausbau der Waffen-SS in dem feststehenden großen Umfange nach 1939 waren?

GÖRING: Die ersten Divisionen der Waffen-SS, die ja aus ausgesuchtem, bestem Menschenmaterial bestanden, haben sich mit außerordentlicher Bravour im Kampf geschlagen. Der Führer hat daraufhin dem Vorschlag Himmlers, noch mehr Divisionen aufzustellen, freudig zugestimmt. Das Heer und auch die Luftwaffe haben mit Recht etwas protestiert, weil durch dieses Abschöpfen an bestem Freiwilligenmaterial es in den Reihen des Heeres und der Luftwaffe dann an diesen Leuten, die dort für das Führerkorps genau so geeignet gewesen waren, zum Teil fehlte, und widersprachen deshalb dieser Ausweitung.

Der Führer wollte ursprünglich auch nicht gerne einen anderen Waffenträger als die Wehrmacht in erheblichem Umfang, hat dann aber mehr und mehr zugestimmt. Als die Ersatzschwierigkeiten im Laufe des weiteren Krieges verstärkt auftraten, hat Himmler dem Führer in gewissem Sinne vorgetäuscht, daß er in der Lage sei, noch eine ganze Reihe von SS-Divisionen aufzustellen, daß die Zugkraft seiner Werbung hierbei erheblich größer wäre und ähnliches mehr. Dem Führer war dies natürlich eine willkommene Aussage, da er ja notwendig Truppen brauchte. Tatsächlich aber wandte Himmler zu dieser Zeit schon ganz andere Methoden an, die mit einer reinen freiwilligen Werbung nicht mehr sehr viel zu tun hatten, und schuf zunächst auf dem Papier eine Reihe von neuen SS-Divisionen und Cadres. Dann fehlten ihm die Leute dazu. Er sagte dann dem Führer: Ich habe hier meine besten Unterführer aus den anderen SS-Divisionen in diese neuen hineingestellt. Aus diesem oder jenem Grunde ist der Mannschaftsersatz nicht so zugeflossen, und Heer und Luftwaffe, besonders aber die Luftwaffe, waren nun die Leidtragenden. Ich mußte aus dem Bodenpersonal und den Flakbatterien meiner Luftwaffe nun diese SS-Divisionen zum Teil auffüllen. Dies erregte bei den Männern der Luftwaffe erheblichen Unmut; denn keiner von ihnen wollte ja freiwillig zu diesen Formationen. Der Führer aber befahl dann die Abgabe, auch aus Heeres-Ersatzformationen, zum Schluß auch, soweit ich nach erinnere, aus solchen der Marine. – Ich kann nur für das Kontingent sprechen, das zwangsweise und befehlsmäßig aus der Luftwaffe entnommen wurde, und bei dem es sich nach meiner Schätzung ohne Unterlagen approximativ um mindestens 50000 Männer und Offiziere handelte. Ich habe dann, weil dieses eine außerordentlich starke Erregung hervorrief, erreicht, daß alle jene aus der Luftwaffe, die in Zukunft zum Erdkampf eingeteilt werden sollten, nicht mehr zur SS kamen, sondern in neu zu gründende Fallschirm-Divisionen. Der Führer stimmte dem zu, weil in der letzten Phase des Krieges die Fallschirm-Divisionen sich als die bewährtesten und hervorragendsten der ganzen Wehrmacht gezeigt haben und auch die SS an Kampfkraft und Widerstandskraft überflügelten. Von diesem Zeitpunkt an wurden dann keine weiteren Kontingente der Luftwaffe an die SS abgegeben und, soviel ich weiß, auch keine weiteren SS-Divisionen mehr errichtet.

RA. BABEL: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, welches war die Einstellung des Generalstabs des Heeres zu den Möglichkeiten einer kriegerischen Verwicklung mit anderen Mächten?

GÖRING: Die Einstellung war eine rein, wenn ich sagen soll, berufliche, das heißt, der Generalstab hatte sämtliche Möglichkeiten und Fälle kriegerischer Auseinandersetzungen theoretisch und praktisch zu bearbeiten. Seine Haltung bezüglich des eigenen Treibens oder der eigenen Auffassung war eine, ich muß es offen aussprechen, für einen Generalstab außerordentlich timide und zurückhaltende. Das hängt wohl damit zusammen, daß das Gros der Generalstabsoffiziere aus der Reichswehr gekommen war; und die Gedanken, die dort durch anderthalb Jahrzehnte in einer kleinen Reichswehr bezüglich kriegerischer Auseinandersetzungen vorgeherrscht haben, waren eben derartige, daß man sich das nicht gut vorstellen konnte; und so war dieser Generalstab des Heeres weit über das sonst im soldatischen Normale hinaus eigentlich leicht pazifistisch.

DR. LATERNSER: Kennen Sie Generale oder Admirale, die zum Kriege getrieben oder gar gehetzt haben?

GÖRING: Nein.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Wünschen die Hauptanklagevertreter mit dem Kreuzverhör zu beginnen?

JUSTICE JACKSON: Sie sind sich vielleicht darüber im klaren, daß Sie der einzige lebende Mensch sind, der uns die wahren Ziele der Nationalsozialistischen Partei und das Funktionieren seiner Führerschaft erklären kann.

GÖRING: Darüber bin ich mir im klaren.

JUSTICE JACKSON: Sie haben von Anfang an zusammen mit den Leuten, die mit Ihnen im Bunde waren, die Absicht gehabt, die Weimarer Republik umzustürzen und haben dies später ausgeführt?

GÖRING: Das war, soweit es meine Person betrifft, mein fester Entschluß.

JUSTICE JACKSON: Und sobald Sie zur Macht kamen, haben Sie sofort die parlamentarische Regierung in Deutschland abgeschafft?

GÖRING: Sie war nicht mehr notwendig für uns. An sich aber möchte ich betonen, waren wir ja außerdem auch parlamentarisch die stärkste Partei und hatten die Mehrheit. Aber insofern haben Sie recht, daß der Parlamentarismus abgeschafft wurde, weil ja verschiedene Parteien aufgelöst und verboten wurden.

JUSTICE JACKSON: Sie haben das Führerprinzip eingeführt, das Sie uns beschrieben haben als ein System, in welchem es Autorität nur an der Spitze gibt, und diese nach unten weitergeleitet und dem Volk gegenüber ausgeübt wird. Ist das richtig?

GÖRING: Ich darf, um jedes Mißverständnis auszuschalten, nochmals ganz kurz das so darstellen, wie ich es verstehe: In dem vergangenen deutschen Parlamentarismus lag die Verantwortung bei den obersten Stellen, sie waren verantwortlich gegenüber anonymen Begriffen von Mehrheiten, und von denen wurde die Autorität ausgeübt – und wir haben im Führerprinzip eine Umkehrung vorgenommen, das heißt, die Autorität ging von der Spitze von oben nach unten und die Verantwortung war von unten nach oben gegeben.

JUSTICE JACKSON: Mit anderen Worten, Sie haben nicht an eine Regierungsform geglaubt und haben keine solche erlaubt, die, wie wir es nennen, auf der Zustimmung des regierten Volkes beruht, und bei der die Staatsgewalt und Autorität vom Volke durch dessen Vertreter ausgeht?

GÖRING: Das ist nicht ganz richtig. Wir haben die Bevölkerung wiederholt von Zeit zu Zeit aufgerufen, sich zu unserem System eindeutig und klar zu äußern, nur auf einem anderen Wege, wie das vorher der Fall war und auf einem anderen Wege, wie das vielleicht in anderen Staaten der Fall ist.

Wir wählten den Weg des sogenannten Volksentscheides. Auch wir standen auf dem Standpunkt, daß sich selbstverständlich auch nach dem Führerprinzip auf die Dauer nur eine Regierung halten kann, die in irgendeiner Form im Volke vertrauensmäßig verankert ist. Wenn sie das nicht mehr gewesen wäre, mußte sie mit Bajonetten regieren, und der Führer hat immer die Auffassung vertreten, daß es auf die Dauer nicht möglich sei, gegen das Volk zu regieren.

JUSTICE JACKSON: Sie erlaubten jedoch nicht, daß diejenigen, die mit der Autorität vom Volke ausgestattet regieren sollten, gewählt wurden, sondern sie wurden von der Spitze jeweils nach unten ernannt, nicht wahr?

GÖRING: Richtig. Das Volk sollte sich nur zur Autorität, oder sagen wir mal, zum Einverständnis des Führers erklären. Gab es dem Führer sein Vertrauen, so war es seine Angelegenheit, die weiteren Funktionen auszuüben, also nicht die einzelnen Personen waren nach Wunsch des Volkes auszusuchen, sondern ausschließlich die Führung selbst.

JUSTICE JACKSON: Nun, wurde dieses Führerprinzip von Ihnen in Deutschland unterstützt und angenommen, weil Sie glaubten, daß kein Volk fähig sei, sich selbst zu regieren, oder weil Sie glaubten, daß einige Völker vielleicht dazu fähig seien, jedoch nicht das deutsche Volk, und daß, gleichgültig ob einige von uns fähig sind, nach unserem System zu regieren, dies in Deutschland nicht erlaubt sein sollte?

GÖRING: Verzeihung, das letzte habe ich dem Sinne nach nicht ganz verstanden. Ich darf so vielleicht antworten: Ich habe das Führerprinzip notwendig gehalten, weil der Zustand, wie er vorher war, und den wir parlamentarisch oder demokratisch nannten, Deutschland an den Rand des Verderbens gebracht hatte. Ich darf in diesem Zusammenhang Sie vielleicht erinnern, daß Ihr eigener Präsident Roosevelt sich so ausdrückte, soweit ich mich erinnere, ich will es nicht genau im Wortlaut festlegen: Einige Völker in Europa haben die Demokratie verlassen, nicht, weil sie an sich die Demokratie nicht wünschten, sondern weil die Demokratie Männer hervorgebracht hat, die zu schwach waren, dem Volke Arbeit und Brot zu geben und es zufriedenzustellen. Deshalb haben sich die Völker von diesem System und ihren Männern entfernt. Das enthält viel Wahrheit. Das System hatte völlig abgewirtschaftet und nach meiner persönlichen Überzeugung konnte nur eine Organisation einer starken, klaren Führungshierarchie die Dinge wieder in Ordnung bringen. Wohlverstanden, aber nicht gegen den Willen des Volkes, sondern erst, nachdem das Volk durch viele Wahlen im Laufe der Zeit immer verstärkt und verstärkt seinen Willen kundgegeben hatte, der nationalsozialistischen Führung sein Vertrauen und seine Zukunft anzuvertrauen.

JUSTICE JACKSON: Die Grundsätze der autoritären Regierung, die Sie aufgestellt haben, verlangten, soweit ich Sie verstehe, daß keine Opposition geduldet wurde von seiten politischer Parteien, die die Politik der Nazi-Partei vereiteln oder hindern könnten.

GÖRING: Das haben Sie durchaus richtig verstanden. Wir hatten bis dahin genug von Opposition gelebt, und wir hatten bis dahin genug davon. Durch Opposition sind wir vollkommen heruntergekommen. Es war jetzt Zeit, keine Opposition mehr zu treiben, sondern endlich aufzubauen.

JUSTICE JACKSON: Nachdem Sie zur Macht kamen, beschlossen Sie, falls dies zur Aufrechterhaltung der Macht notwendig sein sollte, alle Oppositionsparteien zu verbieten?

GÖRING: Wir haben es für notwendig gehalten, daß wir keine Opposition mehr zuließen, ja.

JUSTICE JACKSON: Und Sie hielten es auch für notwendig, jegliche individuelle Opposition zu unterdrücken, damit sie sich nicht zu einer Oppositionspartei entwickeln könnte?

GÖRING: Soweit die Opposition in irgendeiner Form unsere aufbauende Arbeit ernstlich störte, wurde die Opposition dieser Einzelpersönlichkeiten selbstverständlich nicht geduldet; solange es sich lediglich um unbedeutendes Geschwätz handelte, war es belanglos.

JUSTICE JACKSON: Nun, um sicher zu gehen, daß Sie sowohl die Organisationen als auch die Einzelpersonen unterdrückten, hielten Sie es für nötig, eine geheime Staatspolizei zu haben, die die Opposition aufzudecken hatte.

GÖRING: Ich habe das schon ausgeführt, daß ich das für notwendig gehalten habe, genau so, wie vorher die politische Polizei vorhanden war, nur in verstärktem und vergrößertem Rahmen.

JUSTICE JACKSON: Und sowie Sie zur Macht kamen, hielten Sie es für notwendig, zur Aufnahme unverbesserlicher Gegner Konzentrationslager zu errichten.

GÖRING: Ich habe ausgeführt: Die Idee der Konzentrationslager ist nicht so entstanden, daß man sagte: Hier sind eine Reihe von Oppositionsmännern oder Persönlichkeiten, die in Schutzhaft genommen werden sollten, sondern sie entstanden durch den schlagartigen Einsatz gegen die Funktionäre der kommunistischen Partei, die uns ja gleich zu Tausenden und aber Tausenden anfielen, und die, als in Schutzhaft genommen, nicht in die Gefängnisse kamen; sondern es wurde notwendig, dafür, wie gesagt, ein Lager zu errichten, ein, oder zwei, oder drei.

JUSTICE JACKSON: Nun, als hoher Funktionär dieses Systems erklären Sie dies Männern, die von diesem System nicht viel verstehen. Ich möchte wissen, was notwendig war, um dieses System, das Sie in Deutschland einführten, aufrechtzuerhalten. Die Konzentrationslager gehörten zu den Einrichtungen, die Sie für notwendig hielten, sobald Sie zur Macht kamen, nicht wahr? Und Sie gründeten Konzentrationslager Ihrer Meinung nach als Sicherheitsmaßnahme?

GÖRING: Es ist mangelhaft übersetzt worden, es ging etwas zu schnell. Aber ich glaube trotzdem, den Sinn der Ausführungen verstanden zu haben. Sie fragen mich, ob ich es für notwendig gehalten hätte, sofort Konzentrationslager einzurichten, um die Opposition dort auszuschalten? Das ist richtig.

JUSTICE JACKSON: Ihre Antwort ist Ja, stimmt das?

GÖRING: Ja.

JUSTICE JACKSON: War es bei diesem System auch notwendig, den Leuten das Recht auf ein öffentliches Gerichtsverfahren vor unabhängigen Gerichten zu nehmen? Und erließen Sie aus diesem Grunde eine Verordnung, derzufolge Ihre Geheime Staatspolizei einer gerichtlichen Überprüfung oder gerichtlichen Entscheidungen nicht unterworfen sein sollte?

GÖRING: Sie müssen zwei Kategorien unterscheiden: Diejenigen selbstverständlich, die irgendwie eine aktive Handlung des Hochverrates gegen den neuen Staat begangen hatten oder denen eine derartige Handlung nachgewiesen werden konnte, die wurden natürlich den Gerichten überstellt. Die anderen aber, von denen man derartige Handlungen erwarten konnte, die sie aber noch nicht ausgeführt hatten, wurden in Schutzhaft genommen, und das waren diejenigen, die in die Konzentrationslager kamen. Ich spreche jetzt vom Anfang; später hat sich da vieles geändert. Auch wenn aus politischen – um Ihre Fragen zu beantworten – aus politischen Gründen, also aus reinen Staatsraison-Gründen, eine Festnahme im Sinne der Schutzhaft verfügt war, so konnte diese nicht durch irgendein Gericht überprüft oder aufgehoben werden. Später, als zum Teil auch Leute aus unpolitischen Gründen verhaftet wurden, die sich dem System in anderer Art widersetzt hatten, haben einmal, ich erinnere mich daran noch, ich, als preußischer Ministerpräsident, und der Reichsinnenminister...

JUSTICE JACKSON: Lassen wir das. Ich habe Sie das nicht gefragt. Wenn Sie nur Antwort auf meine Fragen geben, werden wir Zeit sparen. Ihr Verteidiger wird die Möglichkeit haben, Sie alle Erklärungen vortragen zu lassen, die Sie zu geben wünschen.

Sie haben alle gerichtlichen Überprüfungen verboten und hielten es für notwendig, diese gerichtlichen Überprüfungen auszuschalten, wenn Personen in sogenannte »Schutzhaft« genommen wurden?

GÖRING: Das habe ich ganz klar beantwortet, aber ich bitte, daß ich zur Beantwortung des eben Gehörten eine Ausführung...

JUSTICE JACKSON: Das ist Sache Ihres Verteidigers. Nun, was die Konzentrationslager und die Schutzhaft betrifft...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß dem Zeugen gestattet werden soll, alle Erklärungen abzugeben, die er zur Beantwortung dieser Frage für notwendig hält.

JUSTICE JACKSON: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie jetzt Ihre Erklärungen hierzu geben können, und wird Ihre Antworten entgegennehmen.

VORSITZENDER: Ich meine das nicht allgemein, sondern nur, soweit es sich auf diese spezielle Frage bezieht.

GÖRING: Im Zusammenhang mit Ihrer Frage, daß es durch die Gerichte nicht überprüft werden konnte, wollte ich noch ausführen, daß eine Verfügung erlassen worden war, durch mich und Frick gemeinsam, daß Männern, die in das Konzentrationslager eingeliefert wurden, nach 24 Stunden der Grund ihrer Einlieferung bekanntgegeben werden sollte, und daß sie nach 48 Stunden – oder es war jedenfalls eine enge Beschränkung – einen Anwalt, das Recht auf einen Anwalt hatten. Damit aber war noch keineswegs mein Befehl aufgehoben, daß eine Überprüfung einer politisch notwendigen Schutzhaftmaßnahme durch Gerichte nicht zugelassen war. Es sollte diesen Leuten nur die unmittelbare Möglichkeit eines Protestes gegeben werden.

JUSTICE JACKSON: Schutzhaft bedeutete, daß Sie auch Leute in Gewahrsam nahmen, die noch kein Verbrechen begangen hatten, von welchen Sie jedoch annahmen, daß sie möglicherweise ein Verbrechen begehen konnten?

GÖRING: Jawohl. Es sind Leute verhaftet worden, die noch kein Verbrechen begangen haben, von denen aber man es erwarten konnte, wenn sie in Freiheit blieben, genau so, wie umfangreiche Schutzhaftmaßnahmen in ungeheurem Ausmaß ja auch heute in Deutschland stattfinden.

JUSTICE JACKSON: Es war in der Staatsform, die Sie hatten, auch notwendig, eine Organisation zu besitzen, die das Volk propagandistisch bearbeitete, seine Reaktion feststellte und der Führerschaft bekanntgab, nicht wahr?

GÖRING: Der Schluß ist wieder sehr unzusammenhängend übersetzt worden.

JUSTICE JACKSON: Sie mußten in einem derartigen Staat Organisationen zur Ausführung und Verbreitung der Propaganda haben, nicht wahr?

GÖRING: Selbstverständlich haben wir Propaganda verbreitet und dafür die Propagandaorganisation besessen.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben dies durch das Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei ausgeführt, nicht wahr?

GÖRING: Das Korps der Politischen Leiter war einesteils selbstverständlich dafür da, die Propaganda unserer Auffassung unter dem Volke zu verbreiten. Zum zweiten war es dazu bestimmt, die in der Partei Erfaßten menschenmäßig zu führen und zu organisieren.

JUSTICE JACKSON: Durch Ihr System der Gauleiter, Kreisleiter bis hinab zu den Blockleitern gingen Befehle und Weisungen von oben hinunter und Mitteilungen über die Reaktion des Volkes gingen an die Führung wieder zurück, nicht wahr?

GÖRING: Das ist richtig. Die Befehle, die Aufträge, die zu geben beabsichtigt war – für die Propaganda oder sonstiges – wurden so weit herunter gegeben, als jeweils notwendig; andererseits war selbstverständlich die Reaktion auf die breite Masse des Volkes durch die Verzweigung und Verästelung bis in die letzten Teile wieder nach oben heraufzugeben, um uns über die Stimmung der Bevölkerung auf dem laufenden zu halten.

JUSTICE JACKSON: Sie mußten auch bestimmte Organisationen haben, um Befehle auszuführen – Exekutivorganisationen –, Organisationen, die, falls nötig, für Sie kämpften, nicht wahr?

GÖRING: Ja, Verwaltungsorganisationen sind selbstverständlich notwendig. Ich verstehe nicht: Organisationen zu welchem Kampf?

JUSTICE JACKSON: Nun, wenn Sie wollten, daß gewisse Leute umgebracht werden sollten, mußten Sie eine Organisation besitzen, die sie umbringen würde, nicht wahr? Röhm und die übrigen wurden doch nicht von Hitler oder von Ihnen eigenhändig getötet, nicht wahr?

GÖRING: Röhm, die Affäre Röhm habe ich hier deutlich ausgeführt. Das war ein Staatsnotakt...

JUSTICE JACKSON: Ich habe Sie nicht gefragt...

GÖRING:... und ist durch die Polizei durchgeführt worden.

JUSTICE JACKSON: Wenn es aber ein Staatsnotakt war, jemand zu töten, so mußten Sie jemanden haben, der dies ausführte, nicht wahr?

GÖRING: Ja, wie in anderen Staaten auch, ob das nun Secret Service heißt oder sonst anders, weiß ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Und die SA, die SS und der SD, Organisationen dieser Art, waren es, die die Befehle durchführten und die Menschen körperlich erledigten, nicht wahr?

GÖRING: Die SA hat niemals einen Befehl bekommen, irgend jemanden zu töten. Die SS zu meiner Zeit auch nicht. Also, ich hatte ja auf sie keinen Einfluß. Der einzige Befehl zur Exekutionsvollstreckung, von dem ich weiß, daß er ohne Gericht gegeben worden ist, wurde gegen einige Personen im Röhm-Putsch gegeben, und dieser Befehl ist durch die Polizei vollzogen worden, also durch das Staatsorgan.

JUSTICE JACKSON: Welche Polizei?

GÖRING: Soweit ich mich erinnere, durch die Geheime Staatspolizei. Jedenfalls hatte sie als solche den Auftrag. Es war ja ein Kampf gegen Staatsfeinde.

JUSTICE JACKSON: Und die SS war für denselben Zweck da, nicht wahr?

GÖRING: In Norddeutschland zu diesem Augenblick nicht; aber wie weit das in Süddeutschland der Fall war, wo sie noch getrennt waren, weiß ich nicht, wer in Süddeutschland die Aktion durchgeführt hat.

JUSTICE JACKSON: Die SS hat Verhaftungen und die Transporte der Leute in die Konzentrationslager durchgeführt, nicht wahr? Sie selbst sind durch die SS verhaftet worden, nicht wahr?

GÖRING: Ja, ja, ich sage ja, später.

JUSTICE JACKSON: Zu welcher Zeit hat die SS diese Funktion als Vollzugsorgan der Nazi-Partei ausgeübt?

GÖRING: Nachdem nach der Machtergreifung die Polizei mehr und mehr in die Hände von Himmler gelangt ist, kann sich für einen Außenstehenden nicht mehr klar das Bild abzeichnen: wo war SS tätig, wo war die Geheime Staatspolizei tätig und so weiter. Ich sagte vorhin schon, daß dann diese beiden sehr eng zusammengefaßt wurden. Es ist ja bekannt, daß die SS Lager bewacht hat, später Polizeifunktionen ausgeführt hat, später.

JUSTICE JACKSON: Und andere Funktionen in den Lagern ausgeübt hat.

GÖRING: Welche Funktionen meinen Sie?

JUSTICE JACKSON: Sie haben alle Funktionen in den Lagern ausgeübt, nicht wahr?

GÖRING: Wenn eine SS-Einheit ein Lager bewachte und ein SS-Führer der Kommandant dieses Lagers war, so kann dort ja nur diese Einheit sämtliche Funktionen durchgeführt haben.

JUSTICE JACKSON: Nun, dieses System war kein Geheimsystem. Man bekannte sich in der Öffentlichkeit zum ganzen System. Seine Vorzüge wurden in der Öffentlichkeit durch Sie selbst und andere gepriesen und jedermann, der der Nazi-Partei beitrat, war in der Lage, diese Art von Regierungssystem, das Sie errichten wollten, zu kennen, nicht wahr?

GÖRING: Jeder, der der Partei beitrat, wußte, daß wir das System des Führerprinzips hatten; wußte die bestimmten Grundlagen, die wir durchführen wollten, soweit sie im Programm bekanntgegeben waren. Es wußte aber nun nicht jeder, der der Partei beitrat, alles, was sich später ereignen würde, bis in die letzten Einzelheiten hinein.

JUSTICE JACKSON: Aber dieses System wurde ganz öffentlich errichtet und war in allen Einzelheiten wohl bekannt, nicht wahr? Was die Organisation anbetrifft, kannte jeder die Gestapo, nicht wahr?

GÖRING: Jawohl. Jeder wußte, wer die Gestapo war.

JUSTICE JACKSON: Und wußte auch, was ihr Programm war, zumindest im allgemeinen, wenn auch nicht in Einzelheiten?

GÖRING: Das Programm habe ich ja ausdrücklich ausgeführt; ich habe es auch gleich zu Anfang in der Öffentlichkeit beschrieben, und ich habe auch in der Öffentlichkeit über die Aufgaben der Gestapo gesprochen, und ich habe sogar für das Ausland darüber geschrieben.

JUSTICE JACKSON: Es war auch kein Geheimnis, daß die Gestapo als politische Polizei errichtet war, auch nicht die Tatsache, daß Leute in Schutzhaft genommen wurden, auch nicht die Tatsache, daß es Konzentrationslager gab. Diese Dinge wurden nicht geheimgehalten, oder?

GÖRING: Darin war zunächst gar nichts geheim.

JUSTICE JACKSON: Und in der Tat, ein Teil der Wirksamkeit der Geheimen Polizei und ein Teil der Wirksamkeit der Konzentrationslager besteht darin, daß die Leute wissen, daß solche Stellen bestehen, nicht wahr?

GÖRING: Es ist richtig, daß jeder weiß, wenn er sich staatsfeindlich betätigt, daß er dann, je nach dem Grade seiner Betätigung, entweder in das Konzentrationslager oder wegen Hochverrats vor das Gericht kommt. Aber der ursprüngliche Zweck, weshalb zunächst die Lager kamen, war die Aufnahme der vorhandenen Staatsfeinde, die wir als solche betrachteten, mit Recht betrachteten.

JUSTICE JACKSON: Glauben Sie, daß eine solche Regierung, wie wir soeben beschrieben haben, die einzige Regierungsform sei, die man haben muß, um Deutschland zu regieren?

GÖRING: Ich möchte nicht sagen, daß die Grundmerkmale dieser Regierung und das Notwendigste an ihr die sofortige Einrichtung der Geheimen Staatspolizei und die Konzentrationslager zur Aufnahme unserer Gegner waren; sondern wir hatten darüber hinaus noch außerordentlich viel wichtigere Dinge als Regierungsprogramm festgelegt, und es sind dies nicht die Grundsäulen dieser Regierung.

JUSTICE JACKSON: Aber alle diese Dinge waren zum Schutz notwendig, wenn ich Sie richtig verstehe?

GÖRING: Ja, diese Dinge wurden notwendig auf Grund der vorhandenen Gegnerschaft.

JUSTICE JACKSON: Und ich nehme an, daß dies Ihrer Meinung nach die einzige mögliche Regierungsform ist, die in Deutschland unter den gegenwärtigen Verhältnissen wirksam sein kann?

GÖRING: Unter den damaligen Umständen war sie, nach meiner Auffassung, die einzig mögliche Form, und sie hat auch gezeigt, daß Deutschland aus seinem tiefen Elend der Verarmung, der Arbeitslosigkeit in kurzer Zeit zu einer verhältnismäßigen Blüte gekommen war.

JUSTICE JACKSON: Die ganze Staatsautorität war also in eins vereinigt.

Ich komme nun auf ein anderes Gebiet. Ist es die Absicht des Gerichtshofs, die Sitzung jetzt zu unterbrechen?

VORSITZENDER: Die Verhandlung wird vertagt.