[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Vorsitzender! Der Angeklagte Heß hat den Wunsch geäußert, der heutigen Nachmittagssitzung fernbleiben zu dürfen, und zwar deshalb, weil er sich für seine Vernehmung als Zeuge, die ja in den nächsten Tagen erfolgen wird, vorbereiten möchte. Ich glaube nicht, daß irgendeine Verzögerung im Verfahren dadurch entstehen würde, und ich möchte den Gerichtshof bitten, diesem Wunsche des Angeklagten Heß stattgeben zu wollen.
VORSITZENDER: Gewiß, unter den gleichen Bedingungen wie vorher, nämlich, daß Sie mit einem Kollegen vereinbaren, Ihre Interessen während Ihrer Abwesenheit wahrzunehmen.
DR. SEIDL: Ich werde nicht abwesend sein, sondern nur Heß.
VORSITZENDER: Dann ist es in Ordnung.
JUSTICE JACKSON: [zum Zeugen gewandt] Ich verweise Sie nochmals auf US-261, Dokument 1816-PS. Schlagen Sie Teil 5 auf, in dem Sie über Margrafs verschwundene Juwelen sprachen.
GÖRING: Also wieder zurück zu dem, was schon vorbei war.
JUSTICE JACKSON: Ja, für eine Weile, zu Teil 5. Ich verweise Sie auf Ihre Erklärung, die wie folgt lautet:
»Jetzt kommen die Schäden, zunächst die Schäden, die der Jude gehabt hat, daß bei Margraf die Juwelen verschwunden sind und so weiter. Die sind weg und werden ihm nicht ersetzt. Den Schaden hat er. Soweit die Juwelen von der Polizei wieder eingebracht werden, verbleiben sie dem Staat.«
Können Sie das finden?
GÖRING: Ja, das ist richtig. Aber auf Grund der Gesetze erfolgte dafür ja eine Entschädigung.
JUSTICE JACKSON: Es nahm auch ein Vertreter von Österreich an dieser Sitzung teil, nicht wahr?
GÖRING: Ja.
JUSTICE JACKSON: Betrachten Sie nun bitte seine Erklärung über die Zustände in Österreich; ungefähr eine Seite weiter.
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie nun, ob er Ihrer Versammlung nicht folgendermaßen Bericht erstattet hat:
»Wir haben darüber in Österreich schon einen genauen Plan, Herr Generalfeldmarschall. In Wien gibt es 12000 jüdische Handwerksbetriebe und 5000 jüdische Einzelhandelsgeschäfte. Für diese zusammen 17000 offenen Läden lag die endgültige Planung für alle Gewerbetreibenden schon vor dem Umbruch vor. Von den 12000 Handwerksbetrieben sollten nahezu 10000 endgültig gesperrt...«
GÖRING: Der Übersetzer kam nicht mit.
JUSTICE JACKSON: Haben Sie es?
GÖRING: Ich habe es, aber nicht der Übersetzer:
»10000 sollten gesperrt und 2000 aufrechterhalten werden. Von den 5000 Einzelhandelsgeschäften sollten 1000 aufrechterhalten, das heißt arisiert, und 4000 geschlossen werden. Nach diesem Plan würden also 3000 bis 3500 von den im ganzen 17000 Geschäften offenbleiben, alle übrigen geschlossen werden. Das ist auf Grund von Untersuchungen für jede einzelne Branche nach den örtlichen Bedürfnissen abgestimmt, mit allen zuständigen Stellen erledigt und kann morgen hinausgehen, sobald wir das Gesetz bekommen, das wir im September erbeten haben, das uns ermächtigen soll, ganz allgemein ohne Zusammenhang mit der Judenfrage Gewerbeberechtigungen zu entziehen. Das wäre ein ganz kurzes Gesetz.
Göring: Die Verordnung werde ich heute machen.«
Selbstverständlich. Es handelt sich hier um ein Gesetz für die Einschränkung des außerordentlich überbesetzten Einzelhandels, das auch ohne Zusammenhang mit der Judenfrage eine Einschränkung der Gewerbetreibenden gebracht haben würde. Dies geht aus dem Protokoll hervor.
JUSTICE JACKSON: Gut, wir wollen jetzt ein bißchen weiterlesen.
Wollen Sie dem Gerichtshof damit sagen, daß sich das nicht auf jüdische Geschäfte bezieht, daß das nichts mit der jüdischen Frage zu tun hatte?
GÖRING: Ich habe gesagt, daß unabhängig von der Judenfrage eine Einschränkung der Gewerbetreibenden bei der Überbesetzung des Einzelhandels erfolgt wäre, und daß dies aus folgendem Satz des Herrn Fischböck hervorgeht, den Sie selbst verlesen haben, daß ich ein Gesetz erbeten habe, das uns ermächtigen soll, ganz allgemein, ohne Zusammenhang mit der Judenfrage, Gewerbeberechtigungen zu entziehen. Das wäre ein ganz kurzes Gesetz. Worauf ich antwortete: Die Verordnung werde ich heute machen.
JUSTICE JACKSON: Nun, wenn Sie...
GÖRING: Daß nun natürlich hierbei in erster Linie die jüdischen Geschäfte ausgeschaltet werden sollten, habe ich schon eingangs gesagt.
JUSTICE JACKSON: Wollen Sie bitte weiter unten lesen, zwei Absätze weiter, wo folgendes steht:
»Ich glaube aber nicht, daß das 100 Geschäfte sein werden, wahrscheinlich weniger. Auf diese Weise könnten wir bis Ende des Jahres die gesamte nach außen sichtbare jüdische Geschäftswelt beseitigt haben.
Göring: Das wäre hervorragend!
Fischböck«...
GÖRING: Jawohl, das war ja der Sinn der Sitzung.
JUSTICE JACKSON:
»Fischböck: Dann wären von 17000 Geschäften 12000 oder 14000 geschlossen und der Rest arisiert oder an die Treuhandstelle übertragen, die dem Staat gehört.
Göring: Ich muß sagen: der Vorschlag ist wunderbar. Dann würde in Wien, einer der Hauptjudenstädte sozusagen, bis Weihnachten oder Ende des Jahres diese ganze Geschichte wirklich ausgeräumt sein.
Funk: Das können wir auch hier machen. Ich habe für diesen Fall eine Verordnung vorbereitet, die besagt, daß Juden vom 1. Januar 1939 ab der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen und Versandgeschäften sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt ist. Ferner ist es ihnen verboten, dafür Angestellte einzustellen oder Leistungen anzubieten, dafür zu werben oder Bestellungen darauf anzunehmen. Wo ein jüdisches Gewerbe geführt wird, ist es polizeilich zu schließen. Ein Jude kann vom 1. Januar 1939 ab nicht mehr Betriebsführer im Sinne des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 sein. Ist ein Jude an leitender Stellung eines Wirtschaftsunternehmens tätig, ohne Betriebsführer zu sein, so kann das Anstel lungsverhältnis durch den Betriebsführer mit einer Frist von sechs Wochen gekündigt werden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist sind alle Ansprüche des Dienstverpflichteten aus dem gekündigten Vertrag einschließlich etwaiger Versorgungsansprüche erloschen. Das ist immer sehr unangenehm und eine große Gefahr. Ein Jude kann nicht Mitglied einer Genossenschaft sein. Jüdische Mitglieder von Genossenschaften scheiden bis 31. Dezember 1938 aus. Eine besondere Genehmigung ist nicht erforderlich. Die zuständigen Reichsminister werden ermächtigt, die zu dieser Verordnung erforderlichen Durchführungsbestimmungen zu erlassen.
Göring: Ich glaube, daß wir diese Verordnung unterschreiben können.«
GÖRING: Ja.
JUSTICE JACKSON: Überspringen Sie jetzt bitte eine ziemlich lange Unterhaltung über die Lage in Wien. Ich verweise Sie auf den Teil, in dem Funk Sie fragt:
»Warum dürfen Juden keine Wertpapiere mehr behalten?
Göring: Damit wäre der Jude beteiligt.«
GÖRING: Ja, das war der Zweck, ihn aus dem Unternehmen herauszubringen. Wenn er die Wertpapiere behielt, hatte er auf Grund seiner Aktienrechte die Beteiligung weiter an dem Unternehmen und konnte auf Grund der Aktienbeteiligung in dem Unternehmen seinen Willen geltend machen.
JUSTICE JACKSON: Sie haben Funks Vorschlag, Juden den Besitz von Wertpapieren zu erlauben, zurückgewiesen.
GÖRING: Jawohl, Schuldverschreibungen habe ich an Stelle der Wertpapiere gesetzt.
JUSTICE JACKSON: Wir überspringen jetzt mehrere Seiten der Debatte, vorausgesetzt, daß Sie uns nicht auf etwas Besonderes aufmerksam machen wollen; wir kommen jetzt zu der Stelle, wo Heydrich seine Ansicht bekanntgibt. Ich verweise auf folgende Unterhaltung:
»Heydrich: Durch legale Maßnahmen sind zum mindesten 45000 Juden herausgebracht worden.
Göring...«
GÖRING: Einen Augenblick, bitte.
Ich habe es jetzt.
JUSTICE JACKSON:
»Heydrich: Durch legale Maßnahmen sind zum mindesten 45000 Juden herausgebracht worden.
Göring: Wie war das möglich?«
Und dann sagt Ihnen Heydrich:
»Heydrich: Wir haben das in der Form gemacht, daß wir den reichen Juden, die auswandern wollten, bei der jüdischen Kultusgemeinde eine gewisse Summe abge fordert haben. Mit dieser Summe und Devisenzuzahlungen konnte dann eine Anzahl der armen Juden herausgebracht werden. Das Problem war ja nicht, den reichen Juden herauszukriegen, sondern den jüdischen Mob.«
Stimmt das?
GÖRING: Einen Augenblick. Ich habe es zwar hier nicht, aber generell stimmt das, ja.
JUSTICE JACKSON: Und etwas weiter unten macht Heydrich Vorschläge und sagt:
»Für die Isolierung möchte ich rein polizeilich einige Vorschläge kurz unterbreiten, die auch wegen ihres psychologischen Einflusses auf die öffentliche Meinung von Wert sind. Zum Beispiel die persönliche Kennzeichnung des Juden, indem man sagt: Jeder Jude im Sinne der Nürnberger Gesetze muß ein bestimmtes Abzeichen tragen. Das ist eine Möglichkeit, die viele andere Dinge erleichtert – in Bezug auf Ausschreitungen sehe ich keine Gefahr –, die uns auch das Verhältnis zum ausländischen Juden erleichtert.
Göring: Eine Uniform!
Heydrich: Ein Abzeichen. Dadurch könnte man auch die Schäden abstellen, die dadurch entstehen, daß die ausländischen Juden, die sich in ihrem Äußeren nicht von inländischen Juden unterscheiden, in Mitleidenschaft gezogen werden.
Göring: Aber lieber Heydrich, Sie werden nicht darum herumkommen, in ganz großem Maßstab in den Städten zu Ghettos zu kommen. Die müssen geschaffen werden.« Haben Sie das gesagt?
GÖRING: Das habe ich gesagt. Es handelte sich auch damals darum, die Zusammenfassung der Juden in gewissen Teilen und Straßen der Städte durchzuführen, weil auf Grund der Mietordnung das anders nicht möglich war, und jeder einzelne Jude an sich, wenn diese Abzeichen gekommen wären, geschützt hätte werden können.
JUSTICE JACKSON: Wir gehen in der Diskussion nunmehr weiter, und ich verweise Sie auf die Warnung von Heydrich in Zusammenhang mit den besprochenen Maßnahmen:
»Göring: Wenn wir überhaupt einmal ein Ghetto haben, könnten wir feststellen, was für Geschäfte da herein müssen, und dann kann man sagen: Du, Jude Soundso, bekommst jetzt mit dem und dem zusammen die Konzession für die Anlieferung. Dann wird eine deutsche Engrosfirma beauftragt, für dieses jüdische Geschäft zu liefern. Dieses Geschäft ist dann nicht ein Einzelgeschäft, sondern eine Konsumwirtschaft, ein Konsumverein für die Juden.
Heydrich: Diese ganzen Maßnahmen werden praktisch organisch zu einem Ghetto führen. Ich muß sagen: Man soll heute nicht ein Ghetto bauen wollen. Aber durch diese Maßnahmen werden die Juden automatisch in ein Ghetto gedrängt in der Form, wie das angedeutet wurde.«
Hat Heydrich diese Warnung ausgesprochen?
GÖRING: Das steht hier, jawohl, aber es geht ja aus den nächsten Gesprächen dann hervor, daß ich sage: »Jetzt kommt das, was Minister Goebbels vorhin sagte: Es kommt das Zwangsvermieten. Jetzt kommen die jüdischen Mietsparteien zusammen.« Um das Zusammenrücken der jüdischen Mietsparteien handelte es sich, damit die Unerquicklichkeiten, die sich aus dem gegenseitigen Vermieten ergaben, aufhören.
JUSTICE JACKSON: Sie haben ausgelassen, daß Funk zu diesem Punkte bemerkt hat:
»Der Jude muß ganz eng zusammenrücken. Was sind 3 Millionen? Da muß der einzelne für den anderen einstehen.
Der einzelne verhungert.«
Finden Sie das?
GÖRING: Ja. Aber es steht auch an einer anderen Stelle in dem Protokoll, wo ganz klar ausgedrückt wird: »Man kann doch die Juden nicht verhungern lassen, und deshalb müssen hier die notwendigen Maßnahmen geschaffen werden.«
JUSTICE JACKSON: Gegen Ende der Sitzung sagten Sie folgendes:
»Ich werde den Wortlaut wählen, daß die deutschen Juden in ihrer Gesamtheit als Strafe für die ruchlosen Verbrechen und so weiter und so weiter eine Kontribution von einer Milliarde auferlegt bekommen. Das wird hinhauen. Die Schweine werden einen zweiten Mord so schnell nicht machen. Im übrigen muß ich noch einmal feststellen: Ich möchte kein Jude in Deutschland sein.«
GÖRING: Das war schon verlesen worden, ja.
JUSTICE JACKSON: Und war das ebenfalls ein Witz?
GÖRING: Ich habe Ihnen genau gesagt, wie es zu der Auferlegung der einen Milliarde gekommen ist.
JUSTICE JACKSON: Sie haben darauf hingewiesen, daß die Chauffeure der Gauleiter daran gehindert werden müssen, sich bei der Arisierung von jüdischem Eigentum zu bereichern. Richtig?
GÖRING: Ja.
JUSTICE JACKSON: Wir wollen jetzt zur Behandlung der Frage der Kunstgegenstände übergehen.
Ich verweise Sie auf Dokument 141-PS, US-368. Das ist die Verordnung, die den Vorrang des Anspruchs auf jüdisches Kunsteigentum festsetzte. Können Sie sich daran erinnern?
GÖRING: Dies ist mehrfach vorgetragen worden, und ich habe neulich dazu ausgiebig Stellung genommen.
JUSTICE JACKSON: Die Anordnung wurde in der Form erlassen, wie sie hier wiedergegeben ist, nicht wahr?
GÖRING: Jawohl, ich habe es ja betont.
JUSTICE JACKSON: Und in Paragraph 5 wird von den Kunstgegenständen gesprochen, die für Abgabe an die französischen Museen geeignet sind und die versteigert werden sollten. Der bei dieser Auktion erzielte Erlös sollte dem französischen Staat zugunsten der Kriegshinterbliebenen übergeben werden. Sie sagen, das sei niemals geschehen?
GÖRING: Ich habe nicht gesagt, daß dies niemals geschehen ist. Das war ja in dem Erlaß hier meine Meinung.
JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie nun, ob dies jemals geschehen ist?
GÖRING: Soweit es sich um den Paragraphen 5 handelt, kann ich das nicht sagen. Ich kann nur Stellung nehmen zu den Zahlungen, die aus Paragraph 2 hervorgehen, die von mir angedeuteten Dinge, die ich also nach den Schätzungen festlegen ließ, und ich habe neulich genau ausgeführt, daß dieser Betrag bereitlag, und daß ich immer wieder anfragte, auf welches Konto er eingezahlt werden soll. Und ich habe jeden einzelnen Gegenstand abschätzen lassen von denen, die zu dieser von mir zu errichtenden Sammlung gehen sollten.
JUSTICE JACKSON: Wo wurde dieser Betrag deponiert?
GÖRING: Auf meiner Bank unter dem Namen Kunstfonds.
JUSTICE JACKSON: Auf welcher Bank?
GÖRING: Es war, das kann ich nicht genau sagen, es waren mehrere Banken, auf welcher Bank das Konto »Kunstfonds« stand, kann ich Ihnen nicht sagen. Dazu müßte ich die Unterlagen hier haben.
JUSTICE JACKSON: Sie waren in verschiedenen Verhören nicht in der Lage zu sagen, wo sich dieser Fonds befindet, stimmt das?
GÖRING: Ich kann das nicht sagen, aber es brauchte ja nur meine Sekretärin verhört zu werden, die sämtliche Fonds führte; die kann Ihnen das ganz genau sagen.
JUSTICE JACKSON: Dieser Befehl, 141-PS, wurde vom Einsatzstab Rosenberg durchgeführt, nicht wahr?
GÖRING: Ja.
JUSTICE JACKSON: Wußten Sie, wer ihn tatsächlich durchgeführt hat? Kannten Sie Turner?
GÖRING: Ich habe den Namen nicht verstanden.
JUSTICE JACKSON: Kannten Sie Herrn Turner?
GÖRING: Ich kenne einen Turner, der aber mit dem Einsatzstab, dem Sonderstab Rosenberg, nichts zu tun hatte, und der in Jugoslawien, soviel ich weiß, war.
JUSTICE JACKSON: War Staatsrat Turner nicht in Paris im Zusammenhang mit den Kunstsammlungen?
GÖRING: Ich wiederhole noch einmal, damit kein Irrtum möglich ist. Sie sagten Turner, oder Körner?
JUSTICE JACKSON: Turner.
GÖRING: Körner?
JUSTICE JACKSON: Turner.
GÖRING: Turner, ich weiß nicht, daß er mit dem Einsatzstab Rosenberg zu tun hatte.
JUSTICE JACKSON: Aber Sie kannten ihn? Stimmt das?
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Kannten Sie Dr. Bunjes?
GÖRING: Bunjes, jawohl.
JUSTICE JACKSON: Kannten Sie ihn?
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Er hatte mit den erbeuteten oder beschlagnahmten jüdischen Kunstgegenständen zu tun, nicht wahr?
GÖRING: Ich glaube nicht, daß Dr. Bunjes damit zu tun hatte, er war in einem anderen Kunstgebiet zuständig, sondern zu tun damit hatten der Einsatzstab Rosenberg und gewisse Organe der Militärverwaltung.
JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen nun, damit Sie mir folgen können, und zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses das Schriftstück 2523-PS, US-783 vorlegen lassen. Es handelt sich um einen Brief des Dr. Bunjes, und ich frage Sie nunmehr, ob dieser Ihrer Erinnerung an gewisse Ereignisse nachhelfen wird?
»Ich wurde am Dienstag, den 4. 2. 1941, zum ersten Male um 18.30 Uhr, zum Vortrag bei Herrn Reichsmarschall im Quai d'Orsay befohlen. Bei dem Vortrag war zugegen Herr Feldführer von Behr vom Einsatzstab Rosenberg. Man kann mit Worten natürlich kaum den herzlichen Ton andeuten, in dem die Unterhaltung verlief.«
Können Sie sich an eine derartige Zusammenkunft erinnern?
GÖRING: Nein, sie ist nicht so bedeutend, daß ich mich erinnere, aber ich will sie keinesfalls abstreiten.
JUSTICE JACKSON: Vielleicht wird das Folgende Ihrem Erinnerungsvermögen nachhelfen:
»Herr Reichsmarschall verließ dann aber zunächst das Thema und ließ sich berichten über den gegenwärtigen Stand der Erfassung jüdischen Kunstbesitzes in den westlichen besetzten Gebieten. Bei dieser Gelegenheit übergab er Herrn von Behr die Photographien derjenigen Kunstgegenstände, die der Führer in seinen Besitz bringen möchte. Weiter übergab er Herrn von Behr die Photos derjenigen Kunstgegenstände, die Herr Reichsmarschall selbst erwerben will.«
GÖRING: Ich kann hier nicht folgen.
JUSTICE JACKSON: Haben Sie die betreffende Stelle noch nicht gefunden, oder erinnern Sie sich der Zusammenkunft nicht?
GÖRING: Nein, ich habe die Stelle noch nicht gefunden. Ich bitte mir Zeit zu lassen, damit ich den Zusammenhang dieses Schreibens, das ja weder von mir stammt, noch an mich gerichtet ist, erkennen kann.
JUSTICE JACKSON: Ich will Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren Absatz desselben lenken. Vielleicht wird es Ihr Gedächtnis auffrischen:
»Am Mittwoch, den 5. 2. 1941, wurde ich von Herrn Reichsmarschall in das Jeu de Paume beordert. Um 15.00 Uhr besuchte Herr Reichsmarschall in Begleitung von General Hanesse, Herrn Angerer und Herrn Hofer die dort neuerdings ausgestellten jüdischen Kunstschätze.«
GÖRING: Ja, ich habe ja in meiner Aussage bereits betont, daß ich die im Jeu de Paume ausgestellten Kunstschätze ausgewählt habe. Das ist richtig.
JUSTICE JACKSON: Jetzt kommen wir schon ein Stück weiter. Ich setze fort:
»Anschließend besichtigte Herr Reichsmarschall die aufgestellten Kunstschätze unter meiner Führung und traf eine Auswahl derjenigen Kunstwerke, die dem Führer zugeführt werden sollen und derjenigen, die in seine eigene Sammlung gebracht werden sollen.
Ich machte bei dieser Besprechung unter vier Augen Herrn Reichsmarschall noch einmal darauf aufmerksam, daß eine Protestnote der Französischen Regierung gegen die Tätigkeit des Einsatzstabes Rosenberg vorliege unter Bezugnahme auf die von Deutschland im Waffenstillstand von Compiegne anerkannte Haager Landkriegsordnung und wies darauf hin, daß bei Herrn General von Stülpnagel über die Behandlung der sichergestellten jüdischen Kunstschätze anscheinend eine Auffassung herrsche, die der von Herrn Reichsmarschall vertretenen zuwiderliefe.
Herr Reichsmarschall ließ sich darauf eingehend informieren und traf folgende Anordnung:
1. ›Maßgeblich sind meine Befehle. Sie handeln unmittelbar nach meinen Befehlen.‹ Die im Jeu de Paume zusammengetragenen Kunstgegenstände werden auf Befehl des Reichsmarschalls sofort in einen Sonderzug verladen und nach Deutschland gebracht. Diejenigen Kunstgegenstände, die in den Besitz des Führers übergehen sollen und diejenigen Kunstgegenstände, die der Reichsmarschall für sich beansprucht, werden in zwei Eisenbahnwagen verladen, die dem Sonderzug des Reichsmarschalls angehängt und bei dessen Abreise nach Deutschland – Anfang nächster Woche – nach Berlin mitgenommen werden. Herr Feldführer von Behr wird Herrn Reichsmarschall in seinem Sonderzug auf der Fahrt nach Berlin begleiten.
Auf meinen Einwand, daß die Juristen wahrscheinlich anderer Meinung sein würden und von Seiten des Militärbefehlshabers in Frankreich wahrscheinlich Einwendungen erhoben würden, antwortete Herr Reichsmarschall wörtlich: ›Lieber Bunjes, das lassen Sie meine Sorge sein, der höchste Jurist im Staate bin ich‹.
Herr Reichsmarschall versprach, am Donnerstag, den 6. Februar, den schriftlichen Befehl zur Überführung der sichergestellten jüdischen Kunstschätze nach Deutschland aus seinem Hauptquartier durch Kurier an den Chef des Militärverwaltungsbezirkes Paris zu übersenden.«
Nun, hat dies jetzt Ihr Gedächtnis etwas aufgefrischt?
GÖRING: Ich entsinne mich dessen durchaus nicht, aber es steht ja nicht bis auf einen einzigen Satz im Widerspruch zu meinen Ausführungen, die ich darüber im Zusammenhang mit den Kunstschätzen gemacht habe. Der einzige Unsinn, der hier drin steht, ist der, daß ich sicherlich niemals gesagt habe, daß ich der höchste Jurist im Staate bin, denn das war ich Gott sei Dank nicht. Das ist eine Äußerung, die Herr Bunjes gebraucht hat, und ich kann ja hier nicht verantwortlich gemacht werden für jede Äußerung, die irgend jemand zu einem anderen gemacht hat, ohne daß ich die Möglichkeit hatte, sie richtigzustellen. Im übrigen, das andere entspricht meiner Darstellung, die ich neulich gegeben habe.
JUSTICE JACKSON: Nun, die Kunstschätze wurden dann in Waggons verladen und nach Berlin befördert? Ist das richtig?
GÖRING: Zum Teil, ja.
JUSTICE JACKSON: Ich lenke nunmehr Ihre Aufmerksamkeit auf Dokument 014-PS, US-784 und lasse es Ihnen übergeben. Ich ersuche Sie jetzt, Ihr Gedächtnis aufzufrischen und mir zu sagen, ob dieser Bericht an den Führer mit Ihrer Aussage übereinstimmt?
»Ich melde, daß der Haupttransport...«
GÖRING: Ich möchte betonen, die Meldung stammt nicht von mir.
JUSTICE JACKSON: Das weiß ich. Ich möchte nur wissen, ob der Inhalt richtig ist.
»Ich melde, daß der Haupttransport des in Paris von meinem Einsatzstab sichergestellten, herrenlosen jüdischen Kulturgutes am Sonnabend, den 15. dieses Monats, als Sonderzug am Bergungsort in Neuschwanstein eingetroffen ist. Der vom Reichsmarschall Hermann Göring zur Verfügung gestellte Sonderzug umfaßte 25 D-Zug-Packwagen mit wertvollsten Gemälden, Möbeln, Gobelins, Kunsthandwerk- und Schmuckgegenständen. Der Transport umfaßte in der Hauptsache den wichtigsten Teil der Sammlungen Rothschild, Seligmann...«
und ein halbes Dutzend anderer Namen. Haben Sie die Stelle gefunden und stimmt das?
GÖRING: Ob das so richtig ist, weiß ich nicht, da die Meldung nicht von mir stammt. Das einzige, an was ich mich erinnern kann, ist, daß ich gebeten worden bin vom Einsatzstab, dafür zu sorgen, daß ihnen genügend Sonderwagen, Packwagen zur Verfügung gestellt würden zum Abtransport der Kunstschätze, da Jeu de Paume kein sicherer Ort bei irgendwelchen Bombenangriffen gewesen sein würde. Neuschwanstein liegt im Süden von München. Es handelte sich hier um die Gegenstände, die zum Führer gingen.
Ich möchte aber auf den nächsten Satz des nicht von mir verfaßten Dokuments hinweisen. Er lautet wie folgt:
»Die Beschlagnahmeaktion meines Einsatzstabes hat auf Grund Ihres Befehls, mein Führer, im Oktober 1940 in Paris begonnen.«
Es deckt sich also mit dem, was ich in meiner früheren Aussage gesagt habe.
JUSTICE JACKSON: Würden Sie auch noch weiter lesen?
GÖRING: Sie meinen, wo steht:
»Außer diesem Sonderzug sind bereits vorher die vom Reichsmarschall ausgewählten Hauptwerke – hauptsächlich der Sammlung Rothschild – in zwei Sonderwagen nach München gebracht worden und dort in den Luftschutzräumen des Führerbaues deponiert.«
Es sind die von mir zunächst für den Führer bestimmten kostbarsten Kunstwerke, die auf Wunsch des Führers dort in den Luftschutzkeller geschickt werden sollten, haben also nicht unmittelbar mit meinen Dingen zu tun; aber ich habe es ja nicht bestritten und das eingehend ausgeführt.
JUSTICE JACKSON: Bei Ihrem Verhör vor der Amerikanischen Kommission für Auslandsguthaben gaben Sie den Wert Ihrer Kunstschätze zur Zeit der Übergabe an den Staat mit 50 Millionen Reichsmark an, soweit ich mich erinnere. Ist das richtig?
GÖRING: So stimmt das nicht. Diese Kommission wollte unter allen Umständen eine Wertfestsetzung haben, und es ging die Diskussion lange hin und her. Und ich sagte der Kommission ausdrücklich, daß ich den Wert gar nicht feststellen könne, da ich die Dinge nicht vor mir habe und auch kein Verzeichnis und sie nicht so im Kopfe besitze, ferner auch die jeweiligen Schwankungen und Einschätzungen betrachtet werden müßten, und in einem Falle Liebhaberwert und im anderen Falle Handelswert eingesetzt werden müßte. Da ich die Niederschriften dieser Protokolle trotz meiner Bitten nicht gesehen habe und sehr häufig gerade bei diesen Protokollen Mißverständnisse entstanden sind, vermag ich nur die Protokolle anzuerkennen, die ich unterschrieben habe.
JUSTICE JACKSON: Nun, stellen Sie die folgende Tatsache in Zweifel? »Als ich die Nachricht dem Finanzminister bekanntgab, schätzte ich den Wert zu jener Zeit mit 50 Millionen Reichsmark.« Sagten Sie das oder nicht?
GÖRING: Ich kann nicht den Wert angeben, ich habe nur dem Finanzminister seinerzeit gesagt, daß meine gesamte Sammlung, auch meine eigene, in den Staatsbesitz übergehen würde. Und weil ich meine Sammlerleidenschaft kannte, dachte ich mir, ist es durchaus möglich, daß mir plötzlich etwas geschehen kann und ich mein gesamtes, auch privates Vermögen in diese Kunstsachen gegeben habe, und folgedessen es sein kann, daß auf Grund meiner Bestimmungen der gesamte Kunstbesitz in Staats- beziehungsweise Volkseigentum übergeht, meine Familie auf diese Weise vis-a-vis de rien stehen könnte, und er möchte dann eine entsprechende Rente oder Ausgleich aussetzen. Das waren die Verhandlungen mit dem Finanzminister, die er bezeugen kann.
JUSTICE JACKSON: Welcher Teil Ihrer Kunstsammlung wurde nach 1933 erworben?
GÖRING: Ich habe die Frage nicht verstanden.
JUSTICE JACKSON: Welcher Teil Ihrer Kunstsammlung wurde nach 1933 erworben?
GÖRING: Im einzelnen kann ich das nicht sagen, eine ganze Reihe von Bildern und Statuen.
JUSTICE JACKSON: Sie haben behauptet, daß ein Teil Ihrer Kunstsammlung von Ihnen käuflich erworben wurde?
GÖRING: Sicherlich.
JUSTICE JACKSON: Und im Zusammenhang damit wurden Erkundigungen über Ihre finanziellen Transaktionen eingezogen, stimmt das?
GÖRING: Das weiß ich nicht, wer die Untersuchungen angestellt hat.
JUSTICE JACKSON: Wurde Ihnen nicht eine Frage über den Empfang eines Betrags von RM 7276000,- von der Reemtsma-Zigarettenfabrik gestellt?
GÖRING: Nein, bin ich nie gefragt worden.
JUSTICE JACKSON: Man hat Sie niemals darüber befragt?
GÖRING: Nein, weder über die Summe noch über die Zigarettenfabrik, noch sonst etwas.
JUSTICE JACKSON: Lassen Sie mich über diesen Punkt Ihrem Gedächtnis etwas nachhelfen. Haben Sie diesen Leuten und auch Oberst Amen nicht im Laufe von Verhören erklärt, daß Ihnen dieses Geld von der Zigarettenfabrik für die Streichung von deren Steuerrückständen übergeben worden war?
GÖRING: Nein, ich habe sogar bestritten, daß deren rückständige Steuern gestrichen worden seien. Ich erinnere mich jetzt, daß die Frage in einem anderen Zusammenhang an mich gestellt worden ist. Von der Wirtschaft wurde ein Teil in der sogenannten Adolf- Hitler-Spende aufgebracht, und diese Summe wurde vom Führer für allgemeine Kulturaufgaben mir zur Verfügung gestellt, diese Teilsumme.
JUSTICE JACKSON: Von der Zigarettenfabrik?
GÖRING: Nicht von der Zigarettenfabrik; sondern für die Adolf-Hitler-Spende hat sich eine Reihe von Wirtschaftlern eingesetzt, und unter anderem hat Herr Reemtsma diesen Betrag im Laufe der Jahre an mich gegeben, nach Vereinbarung mit dem Führer. Ein Teil davon ist für die Staatstheater eingesetzt worden, ein Teil für den Ausbau der Kunstsammlungen und andere kulturelle Ausgaben.
JUSTICE JACKSON: Nun, Sie wurden am 22. Dezember 1945 von der Abteilung für Auslandsguthaben der US-Untersuchungskommission für Kartelle und Auslandsguthaben verhört. Ist das richtig?
GÖRING: Ich darf hier vorher ausdrücklich nun bemerken, daß ich aufgefordert worden bin, ob ich hierzu bereit wäre, Aussagen zu machen, und daß diese Aussagen in keiner Weise mit diesem Prozeß in Verbindung gebracht würden. Deshalb sei auch die Anwesenheit meines Verteidigers nicht notwendig. Diese Zusage ist ausdrücklich gegeben worden und ist mir wiederholt worden durch die Gefängnisleitung und vor dem Verhör nochmals bestätigt worden, daß diese Aussage in keiner Weise mit dem derzeitigen Prozeß in Verbindung gebracht werden sollte. An sich ist es mir gleichgültig. Sie können sie gerne bringen. Ich möchte aber wegen der Methode dies ausdrücklich hier festgestellt haben.
DR. OTTO STAHMER: Ich erhebe gegen die Aussage hiermit Widerspruch, und zwar mit der Begründung, die soeben von dem Zeugen gegeben worden ist. Ich selbst bin vor einiger Zeit, ich glaube es war um Weihnachten, von den Herren des amerikanischen Schatzamts, glaube ich, befragt worden, ob sie über Vermögensangelegenheiten den Angeklagten Göring vernehmen können, mit dem ausdrücklichen Hinweis, ich brauche bei seiner Vernehmung nicht zugegen sein, weil sie mit dem Prozeß nichts zu tun hat und nicht hierfür verwertet werden solle.
JUSTICE JACKSON: Ich bin nicht in der Lage, dies zu bestätigen oder abzustreiten und will daher dieses Thema jetzt nicht weiter verfolgen. Ich glaube nicht, daß eine Abmachung getroffen wurde, diese Tatsachen nicht zu behandeln. Ich wurde hierüber nicht unterrichtet, aber falls es geschehen ist, wäre es sinnwidrig gewesen.
Sie sind über den Empfang von Kunstgegenständen von Monte Cassino gefragt worden?
GÖRING: Ja.
JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie, ob es nicht den Tatsachen entspricht, daß Ihnen eine Altarstatue aus dem Kloster Cassino übergeben wurde, über die Sie mit besonderer Wertschätzung gesprochen haben.
GÖRING: Ich bin froh, auch diese Sache aufklären zu können. Nachdem das Kloster Monte Cassino vollständig zerschossen worden war und von einer Fallschirmdivision verteidigt wurde, erschien eines Tages eine Abordnung und brachte eine völlig wertlose, vom Kunststandpunkt völlig wertlose Figur irgendeines oder einer Heiligen als letzte Erinnerung an dieses zusammengeschossene Kloster. Ich habe den Männern gedankt und habe dann dem Direktor meiner Kunstsammlungen die Sache gezeigt, und er betrachtete sie ebenfalls als völlig wertlos. Sie blieb dann in dem Kasten und wurde irgendwo abgestellt. Die übrigen in Monte Cassino...
VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß die Übertragung laut genug durchkommt, die Stenotypisten können es nicht hören.
GÖRING: Die übrigen in Monte Cassino befindlichen Kunstgegenstände sind nach meiner Kenntnis folgendermaßen abtransportiert worden: Ein sehr großer Teil besonders der Dinge, die dem alten Kloster persönlich gehörten, nach dem Vatikan. Ich muß das daraus entnehmen, daß der Abt des Klosters mir und meiner Division einen persönlichen, allerdings lateinisch geschriebenen, außerordentlichen Dankesbrief für diese Aktion übermittelte. Zum zweiten: Die Kunstschätze, soweit ich mich der Lage erinnere, die von dem Museum in Neapel dort in Monte Cassino lagen, sind zum allergrößten Teil ebenfalls durch uns nach Venedig geschafft und dort der Italienischen Regierung übergeben worden. Einige wenige Bilder und Statuen sind nach Berlin gebracht worden und wurden mir dort gegeben. Ich habe dem Führer am selben Tage die Liste übergeben und eine Zeit später aus meinem Luftschutzkeller auch diese Gegenstände, damit er darüber mit Mussolini verhandeln könnte. Ich habe von diesen Gegenständen nicht einen einzigen für meine Sammlung behalten. Hätten meine Truppen nicht eingegriffen, so wären diese unerhörten Kunstschätze, die in Monte Cassino untergebracht waren, und die dort dem Kloster selbst gehörten, durch das Bombardement des Gegners, nämlich des amerikanisch-englischen Angreifers, restlos vernichtet worden. So sind sie heute vorhanden.
JUSTICE JACKSON: Sie sagen von keinem Wert, keinem wesentlichen Wert?
GÖRING: Das ist meine Überzeugung heute noch, und ich habe mich vor allem auf das Urteil meiner Sachverständigen verlassen. Ich habe auch diese Figur deshalb niemals aus dieser Kiste herausgenommen. Sie war für mich uninteressant; andererseits wollte ich den Männern, die sie mir gebracht haben, einige Worte der Freundlichkeit sagen.
JUSTICE JACKSON: Der Arbeitermangel im Reich war gegen November 1941 akut geworden, stimmt das?
GÖRING: Das ist richtig.
JUSTICE JACKSON: Und Sie selbst erteilten die Richtlinien für den Einsatz von russischen Kriegsgefangenen, nicht wahr?
GÖRING: Wozu?
JUSTICE JACKSON: Für die Kriegsindustrie: Panzer, Artillerie, Flugzeugteile?
GÖRING: Das ist richtig.
JUSTICE JACKSON: In der Sitzung vom 7. November 1941 haben Sie diesen Befehl erteilt, nicht wahr?
GÖRING: Auf welcher Sitzung das war, kann ich nicht sagen. Ich habe nur generell die Weisungen herausgegeben.
JUSTICE JACKSON: Und die Weisung lautete, russische Kriegsgefangene in den Sammellagern außerhalb der deutschen Reichsgrenzen auszusuchen, so schnell wie möglich zu verschicken und in folgender Reihenfolge zu verwenden: Bergbau, Eisenbahnarbeiten, Kriegsindustrie zur Herstellung von Panzern, Artilleriegeschützen und Flugzeugteilen, Landwirtschaft, Bauindustrie und so weiter. Sie haben diese Weisung erteilt, nicht wahr?
GÖRING: Wenn mein Name daruntersteht, werde ich sie erteilt haben. An Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern.
VORSITZENDER: Welche Nummer hat das Dokument, Herr Jackson?
JUSTICE JACKSON: Ich bitte, Ihnen Dokument 1193-PS zu zeigen.
GÖRING: Ich habe es noch nicht gesehen.