ÜBERSETZUNG DER BUCHBESPRECHUNGEN IN DEN DREI GRÖSSTEN TAGESZEITUNGEN DÄNEMARKS


1. Dr.phil.habil. Kristian Hvidt, Berlingske Tidende 3.12.96

Ekelhaft gutes Buch

Originelle und wohldokumentierte Biographie stellt Tese auf wie Hitler zum Völkermord aufgegeilt wurde

Für diejenigen, die vergessen haben oder zu jung sein sollten, den Nazismus in Deutschland zu kennen, ist dieses Buch über Hitler und seine nächsten, schlimmsten Freunde ein Erlebnis - wohlgemerkt von den erschütternden und entsetzlichen. Stig Hornshøj-Møller, 47 Jahre, ist mehrere Jahre lang Lehrer in Dänisch an der Freien Universität in Berlin gewesen und hat sich mit der Nazizeit und speziell mit ihren Filmen beschäftigt. Mit seinen besonderen Voraussetzungen hiervon hat er ein Buch geschrieben, das es schwierig zu lesen ist, ohne sich als niedergesenkt in einer stinkenden Kloake zu fühlen - man bekommt all das schlimmste beim Nazismus vorgeführt. Ich glaube nie, dass ich ein grösseres Unbehagen gespürt zu haben als beim Lesen dieses Buches. Und damit hat der Autor ja merkwürdigerweise gerade das höchste Ziel für denjenigen erreicht, der Hitler und seine Untaten beschreiben soll. Denn es gibt keine ermildernde, oder gar ermunternde, Seiten bei dieser Sache.

Nebulose Drohungen

Das, was dieses Buch von anderen dänischproduzierten Bücher über die Hitler-Zeit unterscheidet, ist, dass die Leser selbst reiche Gelegenheit zum Lesen von Hitlers eigenen Reden und Schriften bekommt, es wird fleissig aus den Texten zitiert, die die deutsche Bevölkerung während einer Generation paralysierten und vergifteten. Man wird darüber verblüfft, dass seine Reden eigentlich ziemlich inhaltslos waren - sie enthielten nebulose Drohungen, drohende Prophezeihungen, Selbstmitleid im Stile mit: "Jetzt lachen die Feinde über mich, aber sie werden sehen, was geschehen wird." Man kann es nicht unterlassen, sich darüber zu wundern, wie 60 Millionen Deutsche, das am besten ausgebildete Volk Europas, sich von solchen eklen Kläffen eines Köters hinreissen lassen konnten. Die Wirkung seiner Reden wurden dank seiner nächsten Helfern, Heinrich Himmler, Joseph Goebbels und Herman Göring, vergrössert, die gut in einem Abschnitt dank ihrer eigenen Zeugnissen über ihre immensen Bewunderung des Abgottes charakterisiert werden.

Aber der am meisten originelle und wohldokumentierte Teil sind die letzten Kapitel des Buches, die periode ab 1939, wo Hitler in einer Rede im Reichstag eine künftige "Lösung" der Judenfrage andeutet. In den folghenden zwei Jahren drängte Hitler ganz langsam seine Männer in Richtung des systematischen Massenmordes in den Vernichtungslagern.

"Der ewige Jude"

Der Autor des Buches verwendet hier sein spezielles Wissen zur langdauernden Vorarbeit zum Film "Der ewige Jude", den Goebbels und Hitler während beinahe zwei Jahren bearbeiteten und umarbeiteten. Es betraf einen Sprechertext, in dem das Wesen des Antisemitismus in einer solchen Weise ausgedrückt worden war, damit er ins Herz der Deutschen traf. Der Text wurde von einer langen Bildsequenz mit blutspritzenden Schlachtungen von Vieh nach dem jüdischen Ritus. Es ist der Hauptgedanke des Buches, dass die Ausarbeitung dieses Film Hitler dazu aufgeilte, den Befehl zum Völkermord wirklich zu formulieren und weiterzugeben. Die entscheidenden Schritte fanden im Sommer 1940 gleich nach dem Sieg über Frankreich statt, wo Hitlers Rachedurst und Übermut seine Kulmination erreichte.

Es liegt eine gewaltige Vorarbeit in diesem Buch - dem Vorwort zufolge hat es 25 Jahre gedauert - und es ist deswegen auch zu einer detailenreiche und vermutlich neubrechende Biographie über Hitler und den Antisemitismus geworden. Das da mit dem "Hitler-Mythus", so wie er im Titel verwendet wird, macht den Leser etwas unsicher. Das Wort Mythus ist viel gebraucht, misbraucht und wage und diese und das grosse Gewicht, das auf Symbolen verschiedener Art legt wird, werden nach meiner Meinung mehr überspielt als erforderlich.

Aber auf jeden Fall wird dieses Buch als die am meisten wohldokumentierte und ausführliche Hitler-Biographie dänischer Herkunft stehen bleiben.

Bildtext: Es lebe Deutschland, Plakat aus den 1930'er Jahren, schmückt den Umschlag auf Stig Hornshøj-Møllers "Der Führer-Mythus" und es wird darauf aufmerksam gemacht, dass TV 2 die Rechte für eine grössere Serie, basiert auf dem Buch, gekauft hat.


2. Dr. Steffen Heiberg, Politiken, 1.12.96

Dänischer Historiker betrachtet den Führer-Mythus

Hitlers Vietnamsyndrom

Der Historiker Stig Hornshøj-Møller hat ein spannendes Buch über den Zusammenhang zwischen Hitlers Selbstinszenierung, dem Führer-Mythus und dem Völkermord an die Juden geschrieben. Der Ausgangspunkt ist eine Behauptung davon, dass Hitler, nachdem er von einer Granate im November 1918 verwundet und erblindet wurde, ein Reaktionsmuster entwickelte, das das sogenannte Vietnamsyndrom Post Traumatic Stress Disorder (PTSD) ähnelt.

Das PTSD-Syndrom ist eine Art der Persönlichkeitsspaltung, die von einem Versuch hervorgerufen worden ist, die Wirkungen eines Chock zu verdrängen. Oft wird ein neues Ich gebildet, das von der Person oft als Gott (oder Satan) oder als ein Bewusstsein aufgefasst wird, womit die Person in Frage auf sich selbst von aussen sieht. Allmählich übernimmt die alte Persönlichkeit wieder die Steuerung des Alltages, aber das 'neue' Ich wird oft weiterleben in Form einer 'inneren Stimme'.

Hitler schreibt in Mein Kampf, dass es während seiner Erblindung im Feltlazarett war, dass er sich dafür entschied, Politiker zu werden. Das Syndrom aktivierte frühere Erfahrungen und Erlebnisse, u.a. von den traumatischen Jugendjahren in Wien, wo sein Hass zu den Juden entstanden werden könnte. Der Unterschied zwischen einst und jetzt war, dass er nach dem Chock aktiv damit anfing, die Aussenwelt nach seinen eigenen Vorstellungen einzurichten. Die Ambition des Autor ist es zu beleuchten, wie es Hitler gelang, seine eigene innere Bilder an andere zu übertragen.

Das Hauptgewicht liegt deswegen auf einer Analyse der Kommunikation von Normen und Symbolen in der deutschen Gesellschaft. Hervorragend ist die Darstellung des Filmmediums als Propaganda. Eine grimmige Pointe ist, dass ein inszenierter Propagandafilm wie Der ewige Jude aus 1940 auf die Inszenierenden zurückwirkte, in letzter Instanz Hitler selbst, der dadurch in seinen Vorstellungen von und Hass zu den Juden bekräftigt wurde. Es wird dafür argumentiert, dass es gerade die gefühlmässige Rückwirkung auf Hitler selbst war, die Holocaust auslöste, obwohl die formelle Entscheidung erst auf der Wannsee-Konferenz in 1942 getroffen wurde (Anmerkung des Verfassers: So nicht im Buch!).

Es ist einleuchtend, dass der Schlüssel zu Hitlers Reaktionsmuster u.a. in Traumen der Jugendzeit in Wien und Fronterlebnissen während des 1. Weltkrieges gesucht werden muss. Auf der anderen Seite ist es ein Gebiet, wo jede Deutung mit grosser Unsicherheit behaftet ist. Die PTSD-Diagnose öffnet unzweifelhaft für neue Einsichten und Möglichkeiten in der Hitler-Forschung.

Aber wenn Hitlers Manipulation der Aussenwelt in einem so hohen Masse gelang, ist es nach meiner Meinung darauf zurückzuführen, dass seine Ideen stark an verbreitete Vorurteile und Vorstellungen in der deutschen Gesellschaft appellierten. Fundamental gesehen handelte es sich um ein politisches Programm, womit sich ein bedeutender Teil der deutschen Bevölkerung identifizieren konnte. Deswegen wirkte die Propaganda.

Der Nazismus und in letzter Instanz Holocaust war die unheimliche Konsequenz eines Zusammenspiel zwischen witschaftlichen und sozialen Prozessen, kollektiven mentalen Phänomenen sowie den eigenen Traumen der Führern, insbesonders Hitlers. Hitlers Erfolg ist ein unheimliches Zeugnis davon, wie leichtes Spiel politischer Irrationalismus in selbst der am meisten hochentwickelten Gesellschaft bekommen kann, falls die mentalen und sozialen Voraussetzungen vorhanden sind.

Viel könnte gegen Hornshøj-Møllers Buch eingewandt werden. Aber es ist selten, dass ein Historiker von einem Buch mit einem so hohen Ambitionsniveau so gut davonkommt. Das ist insbesonders auf sein sicheres Begriffsapparat und seine Fähigkeit, die Sprache zu verwenden, zurückzuführen.

 

Bildtext: Der Granatschock und die Theorie von PTSD wirft neues Licht über Hitlers Judenhass, obwohl nicht Röntgenlicht wie dieses, das hier die Konturen des Kraniums des Führers zum Erscheinen bringt.


3. Gerhardt Eriksen, Morgenavisen Jyllands-Posten, 2.12.96

Keine Entschuldigung

Noch ein grosses Buch über den österreichischen Verbrecher und seine reichsdeutschen Genossen, die auf ungeheuerste Weise ihren Stempel auf dieses Jahrhundert gesetzt haben - ist das nicht zu viel?

So konnte die spontane Reaktion sehr gut bei den meisten beim Anblick von Adolf Hitler in mythologischer Darstellung auf dem Umschlag von Stig Hornshøj-Møllers Katalog über nazistische Verbrechen sein. Und grosses Mitgefühl muss man notwendigerweise mit dem Autor haben, der nicht allein in den vielen Untaten des Nazismus während eines Vierteljahrhunderts geforscht hat, aber auch in Details den zweifelslos ausserordentlich ekelhaften Film von Propagandaminister Joseph Goebbels studiert hat (die deutschen Behörden erlauben nicht, dass er von anderen als Forschern gesehen wird). Aber alle werden bald die Möglichkeit bekommen, einzelne Sequenzen daraus zu sehen, wenn TV 2 fertig zur Ausstrahlung einer grösseren Dokumentation auf der Grundlage von gerade dem Buch von Hornshøj-Møller wird.

Gutgeschrieben

Bis dann kann man mit gutem Gewissen, allen denkenden Wesen - nicht zuletzt den jenigen, die einer Jugend im grossen und ganzen ohne Wissen über diese Ereignisse vor mehr als 50 Jahren - empfehlen, den "Führer-Mythus" zu lesen.

Es ist kraft seines Inhaltes strenges Lesen - Seite für Seite sachliche Dokumentation darüber, was man doch alles Menschen im Dienste des Nazismus oder einer anderen krankhaften Ideologie zu tun einreden kann.

Aber Hornshøj-Møllers Buch hat gute Lesequalitäten: Es ist gutgeschrieben und enthält zahlreiche spannende Details und Beobachtungen über die ungewöhnlich unangenehmen Personen an der nazistischen Spitze - das bewirkt alles, dass der Leser durch die Seiten fliegt. Hinzu kommt, dass die Darstellung ein durchgehendes, wesentliches Thema hat, nämlich die ganze Entwicklung von Gedanke zur Wirklichkeit im ungehueren Projekt Holocaust, die Vernichtung von mindestens fünf Millionen Juden.

Verliert Urteilskraft

Ein Nebenthema, das viel für den Autor bedeutet, ist die Genesis des "Ewigen Juden", den er als Werk von Hitler und Goebbels wertet, hergestellt in der Absicht, die vertrauten Männer zu indoktrinieren, die in Praxis Holocaust durchführen sollten. Wonach Hitler seine Verantwortung für den Massenmord vernebelen konnte.

Hornshøj-Møller zieht die Konklusion, dass die Geschichte über den Film "Der ewige Jude" ein unheimliches Beispiel dafür ist, was geschehen kann, wenn medieproduzierte "Wirklichkeit" auch als die wirkliche Wirklichkeit aufgefasst wird. Das Ergebnis ist, dass derjenige, dem die Propaganda ausgesetzt wird, nicht mehr zwischen gut und böse unterscheiden kann.

Der Autor zieht eine Parallelle zwischen Holocaust und dem Völkermord im ehemaligen Jugoslawien in der Nachkriegszeit. Die Völker Europas haben offensichtlich nichts gelernt.

Aber dafür gibt es keine Entschuldigung.

Bildtext: Hitler fotografiert zusammen mit der Familie Goebbels im Jahre 1938 für Propagandazwecke.