DAS PRODUKTIONTEAM HINTER DEM "EWIGEN JUDEN"


Filmarbeit ist Teamarbeit, und bei diesem durch- und ständig überarbeiteten Film ist es unmöglich, die Urheber der einzelnen Teile zu identifizieren. Manchmal forderten eine Idee oder das "Bedürfnis" einer Visualisierung neue Aufnahmen, manchmal forderten vorhandene Stock-shots einen neuen Text. Die Arbeit mit dieser Art von Propaganda bzw. Dokumwntarfilm ist äusserst mühsam und zeitraubend.

Es war Dr. Eberhard Taubert, der das Institut zum Studium der Judenfrage für Goebbels (gerade zu Antisemitische Aktion umbenannt) organisiert hatte, der das erste Konzept für einen solchen Film entwickelte. Wieviel davon er auf eigener Veranlassung - und wie viel er nach direktem Befehl von Goebbels - zusammenstellte, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Es steht allerdings fest, dass Goebbels selbst eine übergeordnete Struktur sowie Ideen auf der Sitzung mit Hippler und Taubert am 5.10. 1939 aufzeichnete. Es steht auch fest, dass es Goebbels und Hitler waren, die endgültige Entscheidung für die Produktion und ihre Aufführung im Kino für jedermann trafen.

Die Hierachie bei der Produktion ist aber ganz klar und lässt sich graphisch veranschaulichen (vgl. Graphik im IWF-Edition S. 8. Der Film wäre ohne Hitler als "deutscher Messias" undenkbar und ist als Goebbels' Credo an ihn gedacht. Ausserdem liess Hitler Goebbels den Film mehrmals umarbeiten, und das Endergebnis entspricht wahrscheinlich eher Hitlers Vorstellungen von Antisemitismus und Propaganda als die von Goebbels. Dafür entsprach der Film vom Inhalt her genau den Vorstellungen der beiden.

Als Auftraggeber und Produzent übte Goebbels einen entscheidenden Einfluss auf den Film, obwohl es kann angezweifelt werden, ob er selbst - nach Hitlers vielen Änderungswünschen - tatsächlich mit der Filmsprache (zuviel Text, zuwenig dem Zuschauer selbst überlassen) zufrieden war. Seine am 3. September 1940 bekundeten Begeisterung mag darin liegen, dass Hitler endlich zufrieden war. Sein Seufzer am 11. Oktober 1940 (wo die Kurzfassung ohne Schächten abgenommen wurde) könnte in dieser Richtung interpretiert werden.

Der Zensurkarte zufolge war das Manuskript von Taubert geschrieben. Allerdings befand er sich während der Endproduktion (d.h. ab April 1940) als Sonderführer in Norwegen, und andere Personen werden sein Grundmanus überarbeitet haben. Der Vorspann erklärt deswegen auch nur, dass der Film "nach einer Idee von Dr. E. Taubert" gemacht worden sei.

Die vorgenommene quellenkritische Analyse dokumentiert, dass die einzelnen Sujets und "Dokumentation" vom Institut zum Studium der Judenfrage herstammen. Weitere Vorlagen waren die Ausstellung "Der ewige Jude", die im November 1937 in München er¨ffnet wurde und später auf Tournée geschickt wurde, und der Kompilationsfilm "Juden ohne Maske", die aus Spielfilmzitaten der Weimarer Republik bestand.

Hans Hinkel, der für antisemitische Fragen im Propaganda-ministerium zuständig war, lieferte auch Researchmaterial und organisierte die Probevorführungen vor Propaganda-Experten anderer Institutionen und Organisationen. Der Film wurde nämlich laufend auf seine Wirksamkeit getestet. Weil es zugleich eine offizielle/offiziöse Darstellung der Kernfrage des Nazismus war, fungierte diese Testvorführungen zugleich als Mittel, das gesamte Propagandaapparat - als auch den Teil, der nicht direkt dem Propagandaministerium unterlegt worden war - auf eine radikaliere Linie der Judenpolitik hinaufzuschwören und einzubinden.

Fritz Hippler war der Leiter der Filmabteilung im Propagandaministerium und ist als Hauptkoordinator des Filmprojektes ("executive Producer") anzusehen, auch wenn er damals viele andere Projekte zu betreuen hatte. Er delegierte die Verantwortung der täglichen Arbeit zu Erich Stoll, ein engagierter Nazi, der wahrscheinlich unter Aufsicht von Taubert ergänzendes Material in Polen wie die "Verwandlungsszenen", die "Jeschiwah-Szenen" sowie das Schachern während des "Gottesdienstes".

Albert Endrejat, Anton Hafner, Robert Havemann, Friedrich-Carl Heere und Heinz Winterfeld - alle wohlrennomierte Kameramänner von der Wochenschau - waren zusammen mit Stoll Mitglieder von Hipplers Aufnahmeteam in Lodz zwischen dem 11. und 13. Oktober 1939. Heinz Kluth war dagegen PK-Kameramann, der für die Wochenschau in Warschau arbeitete, wobei nur wenig von seinen Aufnahmen in der Endfassung aufgenommen wurde. Eine solche Namensernennung der Fotografen war immer noch ungewöhnlich bei solchen Filmen. Sie meinten selbst - befragt nach dem Kriege - dass ihre international bekannten Namen zur "Authentizitätsanspruch" des Filmes beihelfen sollte.

Hans Dieter Schiller arbeitete normalerweise als Schneidemeister bei der Wochenschau und war für die ersten Cuts verantwortlich, bis er im Sommer 1940 nach Frankreich als Sonderführer geschickt wurde. Laut eigener Aussage viele Jahre später wurde gerade er einberufen, weil er einen Streit mit Hippler hatte. Albert Baumeister war für den Schnitt der Endfassung verantwortlich und hatte schon den "Feldzug in Polen" für Hippler geschnitten.

Franz R. Friedl - ein freiberuflicher Komponist, der schon für mehrere Wochenschauen und Tendenzfilme die Musik geschrieben hatte - schuf für den Film eine "jüdische" Musik, die Hippler von einem Musikwissenschaftler überprüfen liess, ehe sie Goebbels vorgespielt wurde. Hippler wollte sicherstellen, dass sie dennoch den "arischen" Normen von Komponieren gerecht war!

Svend Noldan lieferte Tricks und Karten, während Stock-shots aus Dokumentar-, Kultur- und Spielfilme sowie Wochenschauen vom Reichsfilmarchiv kamen, wo für Propaganda "brauchbare" Einstellungen nach Inhalt in einem Schlagwortkatalog verzeichnet worden waren. Schliesslich war Dr. Walter Scheunemann von der parteieigenen D.F.G. für die Post-Production verantwortlich, darunter die Aufnahme des Sprechkommentars, der von Harry Giese - einem der beiden Sprecher der Wochenschau - gesprochen wurde.