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Jean-Pierre Renouard.  Die Hoelle gestreift.  Aus dem Franz. von
Rainer Froebe und Marie-Claude Stehr.  Leipzig: Leipziger
Universitaetsverlag, 1999.  177 S. Index. DM 39.90 (Taschenbuch),
ISBN 3-933240-42-5.

Reviewed for H-Soz-u-Kult by Ingrid Schupetta
saa30sc@unidui.uni-duisburg.de, NS-Dokumentationsstelle der Stadt
Krefeld

44 Jahre nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager
Bergen-Belsen schrieb Jean-Pierre Renouard seine Erlebnisse als
politischer Haeftling in Neuengamme, Misburg und Bergen-Belsen sowie
das Fortleben dieser Erinnerungen in seinem spaeteren Leben nieder.
’Un Uniform raye d’ Enfer’ erschien 1993. Die Veroeffentlichung
erhielt noch im gleichen Jahr einen Preis der Academie francaise.
Die deutsche Ausgabe, sorgfaeltig uebersetzt und kommentiert, kam in
diesem Jahr heraus.

Das Buch hat ungewoehnliche Qualitaeten, durch die es eine
Heraushebung aus der Menge der Erinnerungsliteratur verdient. Eine
Besonderheit ist schon die Form. Jean-Pierre Renouard entschied sich
fuer kurze Geschichten in chronologischer Reihung. Er verzichtete
auf allgemeine Ausfuehrungen zum franzoesischen Widerstand, dem
NS-Regime im Allgemeinen und dem KZ-System im Besonderen. Bewusst
konzentrierte er sich auf seine persoenlichen Erfahrungen, die er in
der Darstellung extrem zuspitzt. Keineswegs erscheint er immer als
Held der Handlung - genausowenig wie seine Mithaeftlinge. Das
Kondensat enthaelt zumeist eine Prise getrockneten Humors der Sorte
”Trotz alledem”.

Der Hauptteil des Buches spielt in Misburg bei Hannover in der Zeit
zwischen Juli 1944 und April 1945. Das Zwangsarbeiterlager in
Misburg war eines jener KZ-Aussenlager (in diesem Fall des
Konzentrationslagers Neuengamme), die ueber das gesamte Deutsche
Reich verteilt waren. Es stellte die international
zusammengewuerfelten Arbeitskraefte, die in einer Erdoelraffinerie
(der Deurag-Nerag) Truemmer beseitigen sollten, um nach den
gezielten Luftangriffen der Alliierten die Produktion von Benzin und
Schmieroelen moeglichst schnell fortfuehren zu koennen. Das Lager
lag neben der Hauptstrasse nach Hannover auf einem Gelaende zwischen
dem Mittellandkanal und dem Werk, etwa einen Kilometer vom damaligen
Ortskern entfernt.

Die Haeftlinge hatten - neben der Konfrontation mit Wachmannschaften
und Vorarbeitern - sowohl Kontakt zu anderen Werksangehoerigen, als
auch zur Misburger Bevoelkerung, den “ganz normalen” Deutschen. Der
KZ-Haeftling Jean- Pierre Renouard war gleichermassen ihr genauer
Beobachter. Und dies ist eine andere Besonderheit seiner
Erinnerungen. Sie geben den Lesenden nicht nur einen Einblick in die
besondere Welt der Konzentrationslager, sondern sie spiegeln auch
das Verhalten der Zivilbevoelkerung gegenueber den Haeftlingen. Dass
dieses zwischen Fanatismus (selten) und Gleichgueltigkeit (zumeist)
changiert, im Einzelfall auch an Hilfeleistung grenzt, ist keine
Ueberraschung. Selten aber wird so deutlich geschildert, wie eng
auch die normalen Deutschen mit der Welt der Lager auf Tuchfuehlung
waren. Auschwitz war ein Ort am Ende der Zivilisation. Aber Misburg
war ueberall.

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Last update 13/01/00
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