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Martin Rink. Vom "Partheygaenger"
zum Partisanen. Die Konzeption des kleinen Krieges in Preussen 1740-1813.
Europaeische Hochschulschriften, Reihe III:
Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, 1999. 473 S. . DM 138.00
(cloth), ISBN 3-631-35109-7.
Reviewed by Martin
Winter, Universitaet Potsdam . In der Arbeit wird deutlich, dass, wie bereits Johannes Kunisch hervorgehoben hatte, die Kriegfuehrung der Revolutionskriege in der Tradition der Entwicklungen des kleinen Krieges des 18. Jahrhunderts stand. Diese Kampfform widersprach in eklatanter Weise dem alleinigen Gewaltanspruch der Herrscher und der verwissenschaftlichten und rationalisierten Kriegfuehrung im Zeitalter des Absolutismus. Charakteristisch hierfuer ist in erster Linie der von Gerhard Ritter gepraegte Begriff der 'gezaehmten Bellona', der eine weitgehende Trennung von zivilem und militaerischen Bereich zugrunde legt. Nicht mehr Kriegsunternehmer waren die Akteure des Krieges, sondern die zentralisierte Staatsgewalt, die das Heer gleich einer Maschine nach rationalen Erwaegungen aufbaute, versorgte und einsetzte. Jenseits dieser idealisierten Seite dieses "grossen Krieges" operierten jedoch kleinere und leicht bewegliche Einheiten, deren Aufgabenspektrum mit Aufklaerung, Fouragieren, Stoerung der gegnerischen Nachschub- und Kommunikationswege nur grob umrissen werden kann. Ohne diese "leichten Truppen" waere die Fuehrung der hoch spezialisierten Armeen des 18. Jahrhunderts nicht moeglich gewesen. Das selbstaendige Operieren der Akteure des kleinen Krieges, die nicht in das regulaere Versorgungssystem der stehenden Truppen einbezogen waren, brachte diese im Einsatz auch immer in den direkten Kontakt mit der Bevoelkerung der betroffenen Gebiete, der zwischen "Bedrohung, Schutz und Freundlichkeit" (121 ff.) schwankte. Dieses unabhaengige Operieren und die dabei auch auftretende situationsbedingte eigenmaechtige Entscheidung ueber Gewalt standen im Widerspruch zu dem angestrebten Gewaltmonopol des absoluten Staates. Die Arbeit von Rink gliedert sich in insgesamt neun groessere Abschnitte. Zunaechst illustriert der Autor die Erscheinungsformen des kleinen Krieges anhand von drei Beispielen vom Anfangs- und Endpunkt des Untersuchungszeitraums, angefangen bei den leichten Truppen der Habsburger, ueber die Tirailleurs bei Auerstedt bis hin zur Guerilla Taktik der aufstaendischen Tiroler im Jahre 1809. In den folgenden zwei Kapiteln werden strukturell "Zeitalter und Militaersystem", sowie "Entstehung und Eigenart" des kleinen Krieges behandelt. Chronologisch werden sodann die einzelnen Entwicklungen untersucht: das "Zeitalter Friedrichs des Grossen", das "Zeitalter der Revolutionen", die "Entwicklung einer neuen Taktik" durch die spaeteren Militaerreformer in den 1790er Jahren, das "Jahr 1809", sowie der "kleine Krieg im Befreiungskampf 1813" . Den Abschluss bildet das Kapitel "Der kleine Krieg - Verwandlung und Kontinuitaet", in dem der Autor in einer Mischung aus Resuemee und Ausblick auf die Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts seit Clausewitz eingeht. Der Autor schoepft aus einem breiten Fundus an Quellen, der in seiner Fuelle ueberrascht, stellt man die Vernichtung des deutschen Heeresarchivs in den letzten Kriegstagen in Rechnung. Neben der Auswertung themenrelevanter Literatur wurden verschiedene Quelleneditionen, Bestaende verschiedener "ziviler" Archive, Nachlaesse, Denkschriften, die zeitgenoessische Militaerpublizistik und militaerische Dienstvorschriften herangezogen. Der Autor unterliegt jedoch in weiten Teilen seines Buches der Versuchung, dieses Quellenmaterial in mehr oder weniger langen Passagen direkt in seinem Text zu zitieren. Dies traegt zwar vielfach zur Illustration bei, macht jedoch die Lektuere zu einem bisweilen muehsamen Unterfangen. Eine staerkere Auslagerung der Quellenzitate in den Anmerkungsapparat oder einen separaten Quellenteil waere hier von Vorteil gewesen. Eine Ueberarbeitung fuer den Druck in dieser Hinsicht und die Ergaenzung um ein Register waeren hier nach Meinung des Rezensenten sinnvoll gewesen, um die Thematik auch einem breiteren Leserkreis zu erschliessen. Der Rezensent haette sich weiterhin eine prononciertere Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit gewuenscht. Es gelingt Rink nachzuweisen, dass es sich bei der Taktik des kleinen Krieges um eine "uralte" Erscheinung handelt, die lange vor dem Untersuchungszeitraum bekannt war und sich zwischen 1740 und 1813 kaum veraendert hat. Hierbei wird deutlich, dass die militaerische Fuehrung im Zeitalter des Absolutismus trotz der angestrebten "Norm" des regulierten Krieges bei der Fuehrung der hoch entwickelten Heere immer wieder auf leichte Truppen und die Taktik des kleinen Kriegs zurueckgreifen musste. Das Personal der leichten Truppen war mit der Durchfuehrung selbstaendiger Operationen vertraut, was an die Soldaten und Offiziere voellig andere Anforderungen stellte als dieses bei den regulaeren Truppen der Fall war, die fuer den Einsatz in "rangierten Schlachten" ausgebildet worden waren und in eine strikte Befehlshierarchie eingebunden waren. Martin Rink verdeutlicht die Tendenz, Elemente der Taktik des kleinen Krieges in die regulaeren Verbaende zu integrieren. Am Beispiel Preussens zeigt er, wie dies immer wieder zu einer Erstarrung fuehrte. Zu den Konzeptionen Friedrichs II. bemerkt Rink: "Der kleine Krieg wurde so in der Taktik der Linie nicht nur einbezogen, sondern gewissermassen von ihr aufgesogen."(173) So kam es, dass die gegnerische Kleinkriegfuehrung wiederholt als neuartige Erscheinung empfunden wurde. Letztendlich konnte erst die totale Niederlage der preussischen Truppen 1806 einen fundamentalen Wandel in der preussischen Heeresorganisation und Kriegfuehrung einleiten. Rink analysiert hier detailreich die Tradition, in der die preussischen Militaerreformer standen und stellt diese in den Rahmen des zeitgenoessischen militaerischen Denkens. Revolutionaer war in diesem Zusammenhang nicht die Anwendung einer neuen Taktik, sondern die Einbeziehung politischer, nationaler "Triebkraefte". "Hinter den Schriften zum Volksaufstand von 1808 bis 1813 stand nicht die pragmatische Absicht, eine bestehende Taktik zu verbessern, sondern die, alle Mittel zum Krieg zu mobilisieren." (415) Eine andere Qualitaet entwickelte der 1809 begonnene Guerillakrieg in Spanien: "Bei der Guerilla, - d.h. beim Landsturmkonzept - handelte es sich nicht nur um einen Volkskrieg, sondern um den kleinen Krieg in strategischer Dimension." (277) Zu einer derart radikalen Konzeption eines allgemeinen Aufstandes, welche die bestehende Ordnung in fundamentaler Weise bedrohte, waren weite Teile des preussischen Offizierskorps und der Beamtenschaft nicht bereit. Hier muendeten die neuen Konzeptionen in eine geregelte "Reform von oben", nicht in eine Revolution. Rink moechte in seiner Untersuchung jedoch weit ueber die
Beschreibung der Entwicklung der taktischen Konzeption des kleinen
Krieges hinausgehen und diesen in den gesellschaftlichen Kontext des 18.
und fruehen 19. Jahrhunderts einordnen. Relativ breiten Raum raeumt er
hierbei der Eroerterung des "Zeitalters und Militaersystems"
ein. Ob jedoch die "vormoderne Gesellschaft" tatsaechlich von
einer "Atmosphaere der Brutalitaet" gekennzeichnet war und im
Uebergang vom Spaetmittelalter zur fruehen Neuzeit die "Abwesenheit
eines verbindlichen Rechtssystems fuer alle" praktisch einen " Inwieweit die Untersuchung der Konzeption des kleinen Krieges
geeignet ist, die Disziplinierung als "Saekulartrend des 18.
Jahrhunderts" naeher zu beleuchten, muss hinterfragt werden. Das
Bild des regulierten Militaersystems des 18. Jahrhunderts dient Rink als
Projektionsebene, vor der sich die Akteure des kleinen Krieges mit ihrer
ungeregelten Kampfweise deutlich abheben. Gerade neuere Forschungen
haben jedoch gezeigt, dass das aeussere Erscheinungsbild des Militaers
nicht unbedingt Rueckschluesse auf den tatsaechlichen Grad der
Disziplinierung des einzelnen Soldaten in den regulaeren Truppen erlaubt.[4]
Wiederholt fuehrt Rink an, dass die zunehmende Disziplinierung der
Soldaten - Offiziere wie Mannschaften - letztlich zu einer "verinnerlichten
Disziplin" gefuehrt haette. Dieser Disziplinierungsvorgang habe der
militaerischen Fuehrung erst eine erhoehte Kontrolle und
Durchsetzungsgewalt an die Hand gegeben, auf deren Grundlage die Taktik
des kleinen Krieges strategisch nutzbar gemacht werden konnte. Die
Antwort, worin die Mittel einer derartigen Disziplinierung der Soldaten
bestanden haetten, bleibt der Autor schuldig. Er umgeht dieses Problem
mit dem Verweis, dass Regulierung gleichzeitig auch Disziplinierung
bedeute, wie sich deutlich auch an den Bestrebungen, den kleinen Krieg
in eine regelhafte Form zu bringen, zeigen wuerde. Schliesslich haetten
die Rationalisierung des Verwaltungsapparates und der militaerischen und
zivilen Infrastruktur zu dieser verbesserten Disziplin gefuehrt.
Unbenommen bleibt, dass die Kommunikations- und
Kontrollmoeglichkeiten der militaerischen Fuehrung im
Untersuchungszeitraum deutlich zugenommen hatten. Einwaende erhebt der
Rezensent jedoch gegen die in diesem Zusammenhang vorgebrachte These,
dass eine angeblich in den protestantischen Laendern staerker
vorangetriebene Sozialdisziplinierung zu einem "weniger 'revolutionaeren'
Gebaren der Insurgenten preussischer Praegung" im Kampf gegen
Napoleon gefuehrt haetten (302) und dies erst das geregelte
Zusammenwirken der Landwehr mit den regulaeren Einheiten moeglich
gemacht haette. Einerseits sei hier auf die Forschungen zur
Konfessionalisierungsfrage verwiesen. Andererseits lagen die
Verhaeltnisse, welche in Spanien und Tirol zum Aufstand der Bevoelkerung
fuehrten, grundsaetzlich anders als dies beispielsweise in Preussen der
Fall war. In beiden Faellen waren dynastische und religioese
Loyalitaeten und somit die bestehende Ordnung durch die
Besatzungsmaechte in Frage gestellt worden. In Spanien waren die
Bourbonen durch Napoleon zum Thronverzicht gezwungen worden, in Tirol
die Fuerstbischoefe von Trient und Chur des Landes verwiesen, der
religioese Kultus staatlich reglementiert worden; selbst der Name Tirol
wurde verboten und die gleichnamige Burg verkauft. In Preussen war die
bestehende Ordnung nicht in aehnlicher Weise erschuettert worden. Ob die
oben beschriebene Argumentation ausreicht, um die erfolgreiche
Disziplinierung, damit einen spezifisch preussisch-deutschen Etatismus
und letztendlich die Sonderwegsthese zu untermauern, muss mit einem
deutlichen Fragezeichen versehen werden.
Aehnliche Einwaende sind gegen die These vorzubringen, dass die
Regulierung und Disziplinierung schliesslich die "affektbegleitete
Aufschaukelung der Leidenschaften zwischen Panduren und Buergerschuetzen",
wie sie noch 1742 bei der Belagerung von Cham durch den Baron Franz von
Trenck zu beobachten war, vermieden haette. Rink stellt diesem Ereignis
die geregelte Belagerung und Einnahme von s'Hertogenbosch unter
Beteiligung der preussischen Landwehr 1814 gegenueber. Einerseits lassen
sich auch im 18. Jahrhundert geregelte Uebergaben unter Beteiligung
leichter Truppen finden und andererseits waren auch die Befreiungskriege
nicht frei von Exzessen von Landwehrregimentern.
Sinnvoller erscheint es dem Rezensenten, nach den situationsbedingten
Ursachen von gewaltsamen Uebergriffen und Exzessen im Krieg zu fragen.
Dass auch die preussischen Soldaten der Befreiungskriege nicht in dem
Masse diszipliniert waren, wie dies das vorgebrachte Beispiel nahelegt,
geht beispielsweise aus dem Kriegstagebuch Ludwig von Gerlachs hervor.
Dieser berichtet, dass sich die "maerkischen Landwehren" bei
der Pluenderung der franzoesischen Stadt Gembloux am 17. Juni 1815
besonders hervorgetan haetten. Bei der Pluenderung von Wavre am
folgenden Tag zertreuten sich die Soldaten beim Pluendern in die Haeuser
und liessen sich kaum mehr zusammenbringen. Er erwaehnt auch ein
Standrecht ueber einen Husaren, bei dem Scharnhorst offenbar von den
Soldaten mit Steinen beworfen wurde. Selbst hoehere Offiziere haetten
sich der Pluenderung nicht enthalten.[5] Folgt man den zeitgenoessischen
Berichten vom Einsatz preussischer Freiwilligeneinheiten, wonach
vielfach der Befehl gegeben worden sei, keine Gefangenen zu machen und
kein Pardon zu geben, so zeigt dies den bewussten Einsatz von Affekten
und Hass im Kampf durch die militaerische Fuehrung. Inwieweit diese
Affekte im Einsatz noch steuerbar gewesen sind, bleibt zumindest
fraglich. Ohne Zweifel unterscheiden sich derartige Vorkommnisse
deutlich von den Greueltaten, welche aus dem spanischen Guerillakrieg,
oder der neuntaegigen Pluenderung und Einaescherung Chams 1742
ueberliefert sind, doch stellt sich die Frage, ob es sich hierbei - wie
durch den Autor dargestellt - um ein "reguliertes" Vorgehen
handelt, wie die in der vorliegenden Arbeit erwaehnte Einnahme von
s'Hertogenboch suggeriert.
Die vorgebrachten Einwaende sollen nicht die Leistung Rinks
schmaelern, der mit seiner Arbeit eine fundierte und reichhaltig mit
Quellen belegte Entwicklung der Konzeption des kleinen Krieges bis in
das fruehe 19. Jahrhundert vorgelegt hat.
Anmerkungen*
[1]. Kunisch, Johannes, Der kleine Krieg. Studien zum Heerwesen des
Absolutismus (Frankfurter Historische Abhandlungen, Bd. 4), Wiesbaden
1973.
[2]. Hahlweg, Werner, Preussische Reformzeit und revolutionaerer
Krieg, (Beiheft zur Wehrwissenschaftlichen Rundschau), Berlin u.
Frankfurt/M. 1962.
[3]. Zu den landlaeufigen Vorstellungen vom finsteren gesetzlosen
Mittelalter siehe beispielsweise: Althoff, Gerd (Hg.), Die Deutschen und
ihr Mittelalter, Darmstadt 1992; oder Boockmann, Hartmut, Tausend Jahre
Verlegenheit zwischen Antike und Neuzeit: Vorstellungen vom Mittelalter
- Umrisse des Mittelalters, in: Ders./Juergensen, Kurt (Hg.), Nachdenken
ueber Geschichte. Beitraege aus der Oekumene der Historiker in Memoriam
Karl Dietrich Erdmann, Neumuenster 1991.
[4]. Einen Ueberblick bietet: Nowosadtko, Jutta, Ordnungselement oder
Stoerfaktor? Zur Rolle der stehenden Heere in der fruehneuzeitlichen
Gesellschaft, in: Proeve, Ralf (Hg.), Klio in Uniform. Probleme und
Perspektiven einer modernen Militaergeschichte der Fruehen Neuzeit,
Koeln u.a.1997, S. 5-34.
[5]. Kriegstagebuch 1815 Ludwigs von Gerlach, in: Hans Joachim
Schoeps (Hg.), Aus den Tagen preussischer Not und Erneuerung.
Tagebuecher der Gebrueder Gerlach und ihres Kreises 1805-1820, Berlin
1966, S. 150 ff. Demnach haette auch Bluecher eine Vorliebe fuer "schoene
kaiserliche Uhren" gehabt. Ebd., S. 155. |