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Verfahrensordnung des Internationalen Militärgerichtshofs

angenommen am 29. Oktober 1945.1

Vorschrift 1.

Rechtsgrundlage für die Verkündung der Verfahrensordnung.

Die vorliegende Verfahrensordnung des Internationalen Militärgerichtshofes für den Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher (im folgenden als »Gerichtshof« bezeichnet), wie sie in dem Statut des Gerichtshofes vom 8. August 1945 (im folgenden als »Statut« bezeichnet) festgelegt sind, werden hiermit, gemäß den Bestimmungen des Artikels 13 des Statuts, von dem Gerichtshof verkündet.

Vorschrift 2.

Bekanntmachungen an die Angeklagten und Anspruch auf Rechtsbeistand.

(a) Jeder einzelne in Haft befindliche Angeklagte soll nicht weniger als 30 Tage vor der Hauptverhandlung in einer Sprache, die er versteht, eine Abschrift erhalten, (1) der Anklageschrift, (2) des Statuts, (3) aller sonstigen mit der Anklageschrift eingereichten Urkunden, und (4) einer Darlegung seines Anspruches auf Rechtsbeistand gemäß Absatz (d) dieser Vorschrift, sowie einer Anwaltsliste. Desgleichen soll er Abschriften von etwaigen Verfahrensvorschriften erhalten, die der Gerichtshof gegebenenfalls erlassen wird.

(b) Einzelangeklagte, die sich nicht in Haft befinden, werden in einer von dem Gerichtshof zu bestimmenden Art und Form von der Anklage gegen sie, sowie von ihrem Recht zum Empfang der in Absatz (a) oben aufgezählten Dokumente, unterrichtet werden.

(c) In Bezug auf irgendeine Gruppe oder Organisation hinsichtlich deren die Anklagebehörde ihre Absicht ankündigt, vom Gerichtshof die Feststellung des verbrecherischen Charakters zu verlangen, soll die Zustellung durch Veröffentlichung in einer von dem Gericht zu bestimmenden Art und Weise erfolgen, und diese Veröffentlichung soll eine Erklärung des Gerichtshofes enthalten, daß alle Mitglieder der genannten Gruppen oder Organisationen berechtigt sind, beim Gerichtshof um Gehör gemäß den Vorschriften des Artikels 9 des Statuts einzukommen. Kein hierin enthaltener Punkt soll dahin ausgelegt werden, daß Mitgliedern der genannten Gruppen oder Organisationen, die auf diese Erklärung hin erscheinen, irgendeine Immunität gewährt werde.

(d) Jeder Angeklagte hat das Recht, sich selbst zu verteidigen oder sich des Beistandes eines Verteidigers zu bedienen. Antrag auf einen bestimmten Verteidiger ist sofort bei dem Generalsekretär des Gerichtshofes in dem Gerichtsgebäude in Nürnberg (Deutschland) zu stellen. Der Gerichtshof wird einen Verteidiger für jeden Angeklagten bestellen, der keinen Antrag auf einen bestimmten Verteidiger stellt oder wenn der beantragte bestimmte Verteidiger binnen zehn (10) Tagen nicht auffindbar oder verfügbar ist, es sei denn, daß der betreffende Angeklagte schriftlich erklärt, daß er sich selbst verteidigen wolle. Wenn ein Angeklagter einen bestimmten Verteidiger beauftragt hat, der nicht sogleich auffindbar oder verfügbar ist, so kann dieser oder ein als Ersatz gewählter Verteidiger, falls vor der Hauptverhandlung auffindbar und verfügbar, dem von dem Gerichtshof bestellten Verteidiger beigeordnet werden oder ihn ersetzen, jedoch mit der Maßgabe, daß (1) nur ein Verteidiger für einen jeden Angeklagten in der Hauptverhandlung auftreten darf, außer mit besonderer Erlaubnis des Gerichts, und daß (2) keine Verzögerung der Hauptverhandlung für die Vornahme einer solchen Ersetzung oder Beiordnung gestattet werden wird.