Widerspruch
der britischen Anklagevertretung
gegen den Antrag für den Angeklagten
Gustav Krupp v. Bohlen
British War Crimes Exekutive (E.S.)
12. November 1945
An den Internationalen Militärgerichtshof.
Der Britische Hauptankläger hatte die Gelegenheit, sich mit dem Gesuch des Verteidigers des Angeklagten Krupp von Bohlen und Halbach zu beschäftigen,
1) daß das Verfahren gegen den Angeklagten verschoben werde, bis er wieder verhandlungsfähig ist;
2) daß auf keinen Fall gegen den Angeklagten in seiner Abwesenheit verhandelt werden solle.
Der Britische Hauptankläger widerspricht diesem Gesuch aus den folgenden Gründen:
1) Der Gesundheitszustand ist derartig, daß mit aller Wahrscheinlichkeit der oben genannte Angeklagte nie wieder verhandlungsfähig sein wird und daß deshalb, wenn nicht in seiner Abwesenheit verhandelt wird, er überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
2) Obschon es in gewöhnlichen Fällen unerwünscht ist, daß gegen einen Angeklagten verhandelt wird, wenn er die gegen ihn erhobene Anklage nicht verstehen oder Anweisungen für seine Verteidigung nicht geben kann, bestehen jedoch in diesem Falle besondere Gründe, die es unerläßlich machen, daß gegen den Angeklagten Gustav Krupp von Bohlen und Halbach doch in seiner Abwesenheit verhandelt wird.
3) Weil es sich um einen Fall von Verschwörung handelt, – behauptet der Britische Anklagevertreter – wäre das gesamte Beweismaterial, das sich auf die Tätigkeit und die Reden des genannten Angeklagten und die Handlungen der Friedrich Krupp AG. bezieht, als Beweismaterial gegen die übrigen Angeklagten zu benutzen, falls die Anklage einen prima facie Beweis erbringen kann,
a) daß die Verschwörung bestand;
b) daß der genannte Angeklagte ein Mitglied dieser Verschwörung war.
Ein solcher prima facie Beweis ist in der Anklageschrift, die dem Gerichtshof vorgelegt wurde, und in dem Beweismaterial gegen diesen Angeklagten ebenso wie in der amerikanischen Antwort auf sein Gesuch enthalten.
4) Wenn diese Behauptung des Britischen Hauptanklägers richtig ist – und die Beweise dafür können und werden dem Gerichtshof gegeben werden-dann kann wenigstens erwogen werden, ob es für den Angeklagten selbst nicht vorzuziehen ist, durch einen Verteidiger vertreten zu sein, der sich nach besten Kräften an dem Beweisverfahren beteiligen könnte.
5) Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, von der der Gerichtshof Kenntnis nehmen sollte, daß die Firma Friedrich Krupp AG. eine gewaltige Organisation ist. Es bestehen deshalb innerhalb der Firma Krupp viele Quellen, aus denen der Verteidiger Auskünfte schöpfen kann, die ihn befähigen, sich mit den Behauptungen der amerikanischen Antwort zu befassen. Bliebe der Angeklagte Gustav Krupp nicht weiter unter den Angeklagten aufgeführt, dann wäre auch kein vorbildlicher und geeigneter Anwalt mehr vorhanden, der sich mit diesen Behauptungen zugunsten der anderen Angeklagten, gegen die sie ja noch weiterhin erhoben werden, befassen könnte.
6) Es ist der Kern der Anklage in diesem Verfahren, daß eine Anzahl von Verschwörern einen gemeinsamen Plan faßten und zusammenarbeiteten, um einen Angriffskrieg zu führen und un endliches Leid über die Welt zu bringen. Das öffentliche Interesse daran, daß dieser Angeklagte einerseits für die Kriegsrüstung, andrerseits für die Verwendung von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Konzentrationslagerhäftlingen in der Rüstungswirtschaft verantwortlich ist, ist ein Teil der »Interessen der Gerechtigkeit« im Sinne des Artikels 12 des Statuts.
7) Schließlich wird nachdrücklich gefordert, daß der vom Gerichtshof am 18. Oktober 1945 in Berlin öffentlich geäußerte Wunsch, das Verfahren am vereinbarten Tage, nämlich am 20. November beginnen zu lassen, verwirklicht und durchgeführt wird. Die Britische Delegation ist entschieden gegen jede Verschiebung.
Unterschrift: HARTLEY SHAWCROSS,
Britischer Hauptankläger.