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Schlußfolgerung.

Die Gestapo und der SD wurden für Zwecke verwandt, die gemäß Statut verbrecherisch waren; dazu gehören die Verfolgung und Ausrottung der Juden, Grausamkeiten und Morde in Konzentrationslagern, Ausschreitungen in der Verwaltung der besetzten Gebiete, die Durchführung des Zwangsarbeitsprogrammes und Mißhandlung und Ermordung von Kriegsgefangenen. Der Angeklagte Kaltenbrunner, der ein Mitglied dieser Organisation war, gehörte zu denjenigen, die sie für diese Zwecke verwandten. Bei der Gestapo schließt der Gerichtshof alle Exekutiv- und Verwaltungsbeamten des Amtes IV des RSHA oder solche, die sich mit Gestapo-Angelegenheiten in anderen Abteilungen des RSHA befaßten, sowie alle örtlichen Gestapo-Beamten ein, die innerhalb oder außerhalb Deutschlands ihren Dienst versahen, eingeschlossen die Angehörigen der Grenzpolizei, jedoch nicht eingeschlossen die Mitglieder des Grenz- und Zollschutzes oder der Geheimen Feldpolizei, mit Ausnahme solcher Mitglieder wie sie oben näher beschrieben worden sind.

Auf Vorschlag der Anklagevertretung schließt der Gerichtshof das von der Gestapo für reine Büroarbeiten, stenographische Arbeiten, Pförtner-, Boten- und andere nicht amtliche Routineaufgaben beschäftigte Personal dabei nicht ein.

Was den SD anbelangt, schließt der Gerichtshof die Ämter III, VI und VII des RSHA und alle anderen Mitglieder des SD ein, unter Einbeziehung der örtlichen Vertreter und Agenten, gleichgültig, ob sie ehrenhalber tätig waren oder nicht, und gleichgültig, ob sie nominell Mitglieder der SS waren oder nicht. Mit Rücksicht auf den Vorschlag der Anklage, die ehrenamtlichen Informatoren des SD, die nicht Mitglieder der SS waren, und die Mitglieder der Abwehr, die in den SD überführt worden sind, auszunehmen, schließt der Gerichtshof diese Personen ausdrücklich von der Erklärung aus.

Der Gerichtshof erklärt für verbrecherisch im Sinne des Statuts die Gruppe, die sich zusammensetzt aus jenen Mitgliedern der Gestapo und des SD, welche die im vorhergehenden Absatz aufgezählten Stellungen innehatten und Mitglieder der Organisation wurden oder blieben, in Kenntnis des Umstandes, daß diese für die Ausführung von Taten benützt wurde, die gemäß Artikel 6 des Statuts für verbrecherisch erklärt worden sind, oder die als Mitglieder der Organisation persönlich an der Verübung solcher Verbrechen beteiligt waren. Die Grundlage für diese Urteilsfindung ist die Beteiligung der Organisation an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Krieg; diese, als verbrecherisch erklärte Gruppe, soll daher keine Personen umfassen, die vor dem 1. September 1939 aufgehört haben, die in dem vorhergehenden Absatz aufgezählten Stellungen zu bekleiden.

Die SS.

Zusammensetzung und Bestandteile: Die Anklagebehörde hat die Schutzstaffeln der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (allgemein als SS bekannt) als eine Organisation benannt, die für verbrecherisch erklärt werden sollte. Der Teil der Anklageschrift, der sich mit der SS befaßt, enthält auch den Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (allgemein als SD bekannt). Letztere Organisation, die ursprünglich ein Zweig des Nachrichtendienstes der SS war, wurde späterhin ein wichtiger Teil der Organisation der Sicherheitspolizei und des SD, und wird in dem Urteil des Gerichtshofes über die Gestapo behandelt.

Die SS wurde ursprünglich von Hitler im Jahre 1925 als eine Elite-Abteilung der SA für politische Zwecke unter dem Vorwand, Redner bei öffentlichen Versammlungen der Nazi-Partei zu schützen, gegründet. Nachdem die Nazis an die Macht gekommen sind, wurde die SS benutzt, um die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Zuhörerschaft bei Massendemonstrationen zu kontrollieren, und durch einen Führererlaß wurde sie mit der zusätzlichen Aufgabe der Aufrechterhaltung der »Inneren Sicherheit« beauftragt. Die SS spielte eine wichtige Rolle zu der Zeit der Röhm-Säuberungsaktion vom 30. Juni 1934 und wurde kurz darauf zur Belohnung für ihre Dienste zu einer selbständigen Einheit der Nazi-Partei gemacht.

Als Himmler im Jahre 1929 zuerst zum Reichsführer ernannt wurde, bestand die SS aus 280 Männern, die als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden. Im Jahre 1933 setzte sie sich aus 52000 Männern zusammen, die man aus allen Lebenskreisen entnommen hatte. Der ursprüngliche Verband der SS war die Allgemeine SS, die schon im Jahre 1939 zu einem Korps von 240000 Männern, die nach militärischen Richtlinien und nach Divisionen und Regimentern organisiert waren, angewachsen war. Während des Krieges verringerte sich ihre Mitgliederzahl auf weniger als 40000.

Die SS schloß ursprünglich zwei andere Verbände ein, die SS-Verfügungstruppe, eine Truppe, die aus SS-Mitgliedern bestand, welche sich für einen 4-jährigen Waffendienst an Stelle der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrmacht freiwillig gemeldet hatten, und die SS-Totenkopfverbände, Sondertruppen, die mit der Bewachung von Konzentrationslagern beauftragt waren, und die im Jahre 1934 der SS unterstellt wurden. Die SS-Verfügungstruppe wurde als eine bewaffnete Einheit organisiert, die im Mobilmachungsfalle mit der Wehrmacht eingesetzt werden sollte. Im Sommer des Jahres 1939 wurde die Verfügungstruppe als eine motorisierte Division ausgerüstet, um den Kern der Streitkräfte zu bilden, die im Jahre 1940 als die Waffen-SS bekannt wurden. In jenem Jahre setzte sich die Waffen-SS aus 100000 Männern zusammen, von denen 56000 von der Verfügungstruppe und der Rest von der Allgemeinen SS und den Totenkopfverbänden kamen. Bei Kriegsende wurde ihr Bestand auf ungefähr 580000 Männer und 40 Divisionen geschätzt. Die Waffen-SS stand unter dem taktischen Befehl der Wehrmacht, aber sie wurde durch Verwaltungsorgane der SS ausgerüstet und versorgt, und unterlag der SS-Disziplinargewalt.

Die Zentralorganisation der SS bestand aus 12 Hauptämtern. Die wichtigsten von ihnen waren das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), das schon besprochen worden ist, das WVHA oder das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, das neben seinen anderen Aufgaben die Konzentrationslager verwaltete, ein Rasse- und Siedlungshauptamt zusammen mit Hilfsämtern für die Rückführung von Volksdeutschen (Volksdeutsche Mittelstelle). Die Zentralorganisation der SS besaß auch ein Rechtsamt, die SS verfügte über ihr eigenes Rechtswesen, und ihre Mitglieder unterstanden der Rechtsprechung von besonderen Gerichten. Den SS-Hauptämtern war auch eine Forschungsstiftung angegliedert, die als Forschungsamt- Ahnenerbe bekannt wurde. Es wird behauptet, daß die Wissenschaftler, die dieser Organisation angehörten, in der Hauptsache Ehrenmitglieder der SS gewesen seien. Während des Krieges wurde ein Institut für Wehrwissenschaftliche Forschung dem Ahnenerbe angegliedert, welches umfangreiche Versuche, darunter solche an lebenden Menschen, unternahm. Ein Beamter dieses Instituts war ein gewisser Dr. Rascher, der diese Versuche mit vollem Wissen des Ahnenerbes durchführte, das mit Hilfsgeldern unterstützt und dem Schutze des Reichsführers SS unterstand, der Treuhänder dieser Stiftung war.

Beginnend mit dem Jahre 1933 erfolgte eine stufenweise aber vollständige Verschmelzung der Polizei und SS. Im Jahre 1936 wurde Himmler, der Reichsführer SS, Chef der deutschen Polizei, mit Befehlsgewalt sowohl über die reguläre uniformierte Polizei wie auch über die Sicherheitspolizei. Himmler schuf ein System, unter dem Höhere SS- und Polizeiführer, die für jeden Wehrkreis ernannt wurden, als seine persönlichen Vertreter bei der Gleichschaltung der Aufgaben der Ordnungspolizei, der Sicherheitspolizei und des SD und der Allgemeinen SS in ihren Befehlskreisen fungierten. Im Jahre 1939 wurde das SS- und Polizeiwesen gleichgeschaltet, indem alle Beamten der Sicherheits- und Ordnungspolizei in die SS mit den ihrem Polizeirang gleichstehenden SS-Dienstgraden, aufgenommen wurden.

Bis zum Jahre 1940 war die SS eine völlig freiwillige Organisation. Nach der Errichtung der Waffen- SS im Jahre 1940 fand eine sich langsam steigernde Anzahl von Zwangseinziehungen in die Waffen-SS statt. Es scheint, daß ungefähr ein Drittel der Gesamtzahl derjenigen, die in die Waffen-SS eintraten, zwangsweise eingezogen wurde, und daß die verhältnismäßige Zahl der zwangsweise Eingezogenen bei Kriegsende größer war, als am Anfang, daß aber eine verhältnismäßig hohe Zahl von Freiwilligen bis zum Kriegsende fortbestand.