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[Der Gerichtshof vertagt sich bis

15. November 1945, 10.00 Uhr.]

Vorbereitende Verhandlung.

Donnerstag, 15. November 1945.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat die Verteidigung ersucht, der heutigen Sitzung beizuwohnen, da er wünscht, daß sie sich mit der Art des Verfahrens, das der Gerichtshof während des Prozesses anzuwenden gedenkt, vollkommen vertraut macht. Das Gericht ist sich bewußt, daß das im Statut festgelegte Verfahren sich in gewisser Hinsicht von dem Verfahren unterscheidet, an das die Verteidigung gewöhnt ist. Der Gerichtshof wünscht daher, daß die Verteidigung sich über das Verfahren, das wir einschlagen werden, in keinem Mißverständnis befinden soll.

Artikel 24 des Statuts sieht die Verlesung der Anklageschrift im Gerichtshof vor. Aber in Anbetracht der Länge der Anklageschrift und der Tatsache, daß der Inhalt jetzt wohl bekannt ist, ist es möglich, daß die Verteidiger eine vollständige Verlesung nicht für notwendig halten werden.

Die Eröffnung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft wird notwendigerweise eine lange Zeit in Anspruch nehmen, und während dieser Zeit werden die Verteidiger die Möglichkeit haben, ihre Vorbereitungen für die Verteidigung zu beenden.

Wenn Zeugen für die Staatsanwaltschaft aufgerufen werden, dann müssen die Verteidiger verstehen, daß es ihre Aufgabe ist, die Zeugen unter Kreuzverhör zu nehmen. Es ist nicht die Absicht des Gerichtshofs, die Zeugen selbst ins Kreuzverhör zu nehmen.

Der Gerichtshof wird erst dann die Verteidigung auffordern, ihre Beweisanträge zu stellen, wenn die Anklage abgeschlossen ist.

Wie die Verteidigung bereits weiß, macht der Generalsekretär des Gerichtshofs jede Anstrengung, alles Beweismaterial zu stellen – sei es durch Zeugenaussagen, sei es durch Dokumente –, das von der Verteidigung gefordert und vom Gerichtshof genehmigt wird.

Der Generalsekretär stellt Wohnung, Verpflegung und Transportmittel für die Verteidiger und für die Zeugen während ihres Aufenthalts in Nürnberg zur Verfügung. Und sollten diese Lebensbedingungen auch nicht die besten sein, so wird die Verteidigung doch verstehen, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen große Schwierigkeiten bestehen, und daß jede Anstrengung gemacht werden wird, um alle billigen Forderungen zu erfüllen.

Der Verteidigung sind ein Dokumentenzimmer und ein Auskunftsbüro zur Verfügung gestellt worden, wo sie die ins Deutsche übersetzten Dokumente vorfinden wird – unter Einhaltung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Es ist wichtig, daß die Verteidigung den Generalsekretär so früh wie möglich – und im allgemeinen mindestens drei Wochen im voraus – von den von ihr benötigten Zeugen oder Dokumenten in Kenntnis setzt.

Die Dienste, die die Verteidiger erfüllen, sind wichtige öffentliche Dienste im Interesse der Gerechtigkeit, und die Verteidiger werden den Schutz des Gerichtshofs in der Erfüllung ihrer Aufgaben genießen.

Damit das Verfahren nicht unnötig in die Länge gezogen wird, wäre es wünschenswert, daß die Verteidigung sich darüber verständigt, in welcher Reihenfolge sie die Zeugen für die Anklagevertretung ins Kreuzverhör zu nehmen und ihre Verteidigung vorzubringen wünscht, und daß sie ihre diesbezüglichen Wünsche dem Generalsekretär mitteilt.

Ich hoffe, daß das jetzt Gesagte der Verteidigung in der Vorbereitung ihres Falles helfen wird. Sollten Sie im Zusammenhang mit meinen Ausführungen irgendwelche Fragen zu stellen haben, so werde ich mich bemühen, sie zu beantworten.

DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Herr Vorsitzender!...

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte zum Stand vortreten, Ihren Namen sagen und angeben, wen Sie verteidigen.

DR. THOMA: Ich bin Dr. Thoma, Verteidiger des Angeklagten Rosenberg.

VORSITZENDER: Ja.

DR. THOMA: Ich möchte die Frage stellen, ob der Verteidigung sofort die Stenogramme über die Vernehmung der Zeugen ausgehändigt werden können.

VORSITZENDER: Exemplare der Anklageschrift? Die sind ja den Angeklagten zugestellt worden. Verstehe ich Sie richtig, daß Sie noch zusätzliche Exemplare für die Verwendung der Verteidiger haben wollen?

DR. THOMA: Ich möchte meine Frage genauer stellen. Ich nehme an, daß alle Aussagen der Angeklagten mitstenographiert werden und möchte fragen, ob diese dann in die deutsche Sprache übersetzt werden und dann der Verteidigung ausgehändigt werden, und zwar möglichst bald.

VORSITZENDER: Wenn Sie eine Niederschrift des dem Gerichtshof vorgelegten Materials meinen, so wird das laufend aufgenommen; und wenn es in einer anderen als der deutschen Sprache vorgelegt wird, wird es ins Deutsche übersetzt und der Verteidigung zur Verfügung gestellt werden. Wenn das Beweismaterial in deutscher Sprache ist, so werden Sie es in deutscher Sprache erhalten.

DR. THOMA: Werden wir alle Abschriften über die Vernehmung der Zeugen bekommen?

VORSITZENDER: Ja. Das habe ich mit Niederschrift des dem Gerichtshof vorgelegten Beweismaterials gemeint. Eine Abschrift des Beweismaterials in deutscher Sprache für jeden Zeugen wird Ihnen zur Verfügung gestellt werden.

DR. THOMA: Ich danke schön.

DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Eure Lordschaft, meine Herren Richter! Ich habe den ehrenvollen Auftrag meiner Herren Kollegen auf der Verteidigerbank erhalten, Eurer Lordschaft für die Worte, die Eure Lordschaft jetzt an die Verteidiger gerichtet haben, zu danken. Wir Verteidiger fühlen uns als Gehilfen des Gerichts bei der Findung eines gerechten Urteils und vertrauen uns in der Verhandlungsführung der weisen, lebenserfahrenen Verhandlungsführung Eurer Lordschaft vertrauensvoll an. Eure Lordschaft kann überzeugt sein, daß wir ganz im Sinne der eben von mir skizzierten Aufgabe mitwirken werden bei der schwierigen Aufgabe für dieses Gericht, gerade in diesem Falle ein gerechtes Urteil zu fällen.

VORSITZENDER: Ich nehme an, daß die Verteidigung im jetzigen Stadium der Verhandlungen keine weiteren Fragen zu stellen wünscht. Sie wird verstehen, daß, wenn sie zu einem künftigen Zeitpunkt irgendwelche Fragen zu stellen wünscht, diese an den Generalsekretär zu richten sind.

Das Gericht wird sich bis 2 Uhr vertagen, wenn über den Antrag in Sachen des Angeklagten Streicher verhandelt werden wird.