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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Ich ersuche den Hauptanklagevertreter der Französischen Republik die Verlesung der Anklageschrift fortzusetzen.

M. MOUNIER: In Lothringen mußten die Verwaltungsbeamten, um nicht ihre Stellung zu verlieren, eine Erklärung unterschreiben, durch die sie »die Rückkehr ihres Landes zum Reich« anerkannten und sich verpflichteten, den Befehlen ihrer Führer rückhaltlos zu gehorchen, und sich selbst »in den tätigen Dienst des Führers und des nationalsozialistischen Großdeutschland« stellten.

Eine ähnliche Verpflichtung wurde elsässischen Verwaltungsbeamten unter Drohung mit Deportation und Einsperrung aufgezwungen.

Diese Handlungen verletzten den Artikel 45 der Haager Bestimmungen von 1907, die Gesetze und Bräuche des Krieges, die allgemeinen Prinzipien des internationalen Rechts und den Artikel 6 (b) des Statuts.

(J) Germanisierung besetzter Gebiete.

In bestimmten besetzten, von Deutschland als annektiert ausgegebenen Gebieten, zielten die Bestrebungen der Angeklagten methodisch und fortgesetzt darauf ab, diese Gebiete politisch, kulturell, sozial und wirtschaftlich dem Deutschen Reich anzugleichen. Sie bemühten sieh, den bisherigen Volkscharakter dieser Gebiete zum Verschwinden zu bringen. In Verfolgung dieses Plans deportierten die Angeklagten gewaltsam Einwohner, die überwiegend keine Deutschen waren und brachten dafür tausende von deutschen Siedlern in die betreffenden Gebiete.

Ihr Plan umfaßte wirtschaftliche Beherrschung, physische Eroberung, die Einsetzung von Marionetten-Regierungen, angebliche – de jure – Annexion und Zwangsrekrutierungen für die deutsche Wehrmacht.

Diese Taktik wurde in den meisten besetzten Ländern, besonders in Norwegen und Frankreich (besonders in den Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin, Moselle, Ardennes, Aisne, du Nord, Meurthe et Moselle), in Luxemburg, der Sowjetunion, Dänemark, Belgien und Holland verfolgt.

In Frankreich wurde in den Departements Aisne, du Nord, Meurthe-et-Moselle und besonders im Departement Ardennes ländlicher Grundbesitz von einer staatlichen Organisation Deutschlands beschlagnahmt, welche versuchte, ihn unter deutscher Leitung zu bearbeiten. Die Grundeigentümer in diesen Gebieten wurden enteignet und zu Landarbeitern auf ihrem eigenen Lande gemacht.

In den Departements Haut-Rhin, Bas-Bhin und Moselle, waren die Methoden der Germanisierung die Einverleibung, gefolgt von der allgemeinen Wehrpflicht.

1. Seit dem Monat August 1940 wurden Beamte, die sich weigerten den Treueid auf das Reich zu leisten, aus ihrer Stellung entfernt. Am 21. September begannen die Ausweisungen und die Deportierung von Bevölkerungsteilen, und am 22. November 1940 waren über 70000 Lothringer und Elsässer in die südliche Zone Frankreichs vertrieben. Vom 31. Juli 1941 an wurden mehr als 100000 Personen in die östlichen Gebiete des Reichs oder nach Polen deportiert. Das gesamte Eigentum der Deportierten und Vertriebenen wurde eingezogen. Gleichzeitig wurden 80000 Deutsche aus dem Saargebiet und Westfalen in Lothringen angesiedelt und 2000 französische Bauernhöfe auf Deutsche übertragen.

2. Vom 2. Januar 1942 an wurden alle jungen Leute der Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin im Alter von 10 bis 18 Jahren in die Hitlerjugend eingereiht. Dieselben Maßnahmen wurden im Departement Moselle vom 4. August 1942 ab getroffen. Von 1940 ab wurden alle französischen Schulen geschlossen, das Lehrerpersonal entfernt und das deutsche Schulsystem in diesen drei Departements eingeführt.

3. Am 28. September 1940 verfügte eine Anordnung, die sich auf das Departement Moselle erstreckte, die Germanisierung aller französischen Familiennamen und Vornamen. Das gleiche geschah am 15. Januar 1943 in den Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin.

4. Zwei Erlasse vom 23. und 24. August 1942 zwangen französischen Bürgern die deutsche Staatsangehörigkeit auf.

5. Am 8. Mai 1941 wurden für Haut-Rhin und Bas-Rhin und am 23. April 1941 für Moselle Erlasse veröffentlicht, die alle französischen Bürger beiden Geschlechts im Alter von 17 bis 25 Jahren zur Arbeitsdienstpflicht zwangen. Vom 1. Januar 1942 ab war für junge Männer der nationale Arbeitsdienst im Departement Moselle eingeführt; ebenso für junge Mädchen vom 26. Januar 1942. Dasselbe war der Fall in Haut-Rhin und Bas-Rhin mit Wirkung vom 27. August 1942, hier aber nur für junge Männer. Die Jahresklassen 1940, 1941 und 1942 wurden einberufen.

6. Diese Jahresklassen wurden nach Ablauf ihrer Dienstzeit im Arbeitsdienst zur Wehrmacht eingezogen. Am 19. August 1942 führte ein Erlaß die Militärdienstpflicht im Departement Moselle ein; am 25. August 1942 wurden in den drei Departements die Jahresklassen 1940-1944 einberufen. Die Aushebung wurde von den deutschen Behörden zwangsweise gemäß den Vorschriften des deutschen Rechts eingeführt. Die ersten Musterungen fanden am 3. September 1942 statt. Später fanden überall im Haut-Rhin und Bas-Rhin neue Aushebungen der Jahresklassen 1928 bis einschließlich 1939 statt. Die Franzosen, die sich weigerten, diesen Gesetzen zu gehorchen, wurden als Fahnenflüchtige betrachtet und ihre Familien wurden deportiert, während ihr Vermögen eingezogen wurde

Diese Handlungen verletzten die Artikel 43, 46, 55 und 56 der Haager Bestimmungen von 1907, die Gesetze und Bräuche des Krieges, die allgemeinen Prinzipien des Strafrechts, wie sie sich aus den Strafrechten aller zivilisierten Völker herleiten, den einheimischen Strafrechten der Länder, in denen diese Verbrechen begangen wurden, und den Artikel 6 (b) des Statuts.

IX. Verantwortlichkeit von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen für die im Anklagepunkt Drei aufgeführten Verbrechen.

Hierdurch wird Bezug genommen auf die im Anhang A dieser Anklageschrift festgestellte Verantwortlichkeit der einzelnen Angeklagten für die im Anklagepunkt Drei dieser Anklageschrift aufgeführten Verbrechen. Hierdurch wird ferner Bezug genommen auf die im Anhang B dieser Anklageschrift festgestellte Verantwortlichkeit von Gruppen und Organisationen, die darin als verbrecherische Gruppen und Organisationen bezeichnet sind, für die im Anklagepunkt Drei dieser Anklageschrift aufgeführten Verbrechen.

VORSITZENDER: Ich rufe nun den Hauptanklagevertreter für die Sowjetunion auf.

OBERSTLEUTNANT I. A. OZOL, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: