(G) Frevelhafte Zerstörung von großen und kleinen Städten und Dörfern und Verwüstungen ohne militärisch begründete Notwendigkeit.
»Die Angeklagten zerstörten in frevelhafter Weise große und kleine Städte...«
VORSITZENDER: Wollen Sie bitte auf Absatz 2 (G) übergehen? Der französische Anklagevertreter hat den ersten Absatz gelesen.
HAUPTMANN KUCHIN: Ich fing an...
VORSITZENDER: Ich glaube, daß der erste Absatz bereits verlesen wurde. Wir können beim zweiten Absatz beginnen: »In den östlichen Ländern verfolgten die Angeklagten...«
HAUPTMANN KUCHIN: 2. Östliche Länder.
In den östlichen Ländern verfolgten die Angeklagten eine Politik der frevelhaften Zerstörung und Verwüstung. Einige Einzelheiten davon sind – unter Vorbehalt weiteren Beweisvorbringens – im vorangehenden Abschnitt: »Plünderung öffentlichen und privaten Eigentums« behandelt.
In Griechenland wurden die Dörfer Amelofito, Kliston, Kizonia, Messovunos, Selli, Ano-Kerzilion und Kato-Kerzilion völlig zerstört.
In Jugoslawien machte der deutsche Militärbefehlshaber am 15. August 1941 amtlich bekannt, daß das Dorf Skela auf Befehl des Kommandanten durch Feuer dem Erdboden gleichgemacht und die Einwohner getötet worden seien.
Auf Befehl des Feldkommandanten Hörsterberg zerstörte eine Strafexpedition, bestehend aus SS- Truppen und Feldgendarmerie die Dörfer Makovac und Kriva Reka in Serbien, wobei alle Einwohner getötet wurden.
General Fritz Neidhold (369. Infanterie-Division) gab am 11. September 1944 den Befehl, die Dörfer Zagniezde und Udora zu zerstören, wobei alle Männer gehängt und alle Frauen und Kinder vertrieben wurden.
Auch in der Tschechoslowakei richteten die Nazi- Verschwörer sinnlose Zerstörungen bewohnter Ortschaften an. Lezaky und Lidice wurden niedergebrannt und die Einwohner getötet.
(H) Zwangsweise Rekrutierung von Zivilarbeitern.
Überall in den besetzten Gebieten rekrutierten die Angeklagten die Einwohner zwangsweise zur Arbeit und verlangten ihre Dienstleistungen...
VORSITZENDER: Ich glaube, daß Abschnitt (H) schon gelesen wurde, der erste Teil des Abschnitts (H). Sie brauchen bloß Absatz 2 (H) zu Lesen.
HAUPTMANN KUCHIN: 2. Östliche Länder:
Aus der in Anklagepunkt Drei VIII B 2 erwähnten großen Zahl von Bürgern der Sowjetunion und der Tschechoslowakei wurden viele so zur Zwangsarbeit angezogen.
IX. Verantwortlichkeit von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen für die im Anklagepunkt Drei aufgeführten Verbrechen.
Hierdurch wird Bezug genommen auf die im Anhang A dieser Anklageschrift festgestellte Verantwortlichkeit der einzelnen Angeklagten für die im Anklagepunkt Drei dieser Anklageschrift aufgeführten Verbrechen. Hierdurch wird ferner Bezug genommen auf die im Anhang B dieser Anklageschrift festgestellte Verantwortlichkeit von Gruppen und Organisationen, die darin als verbrecherische Gruppen und Organisationen bezeichnet sind, für die im Anklagepunkt Drei dieser Anklageschrift aufgeführten Verbrechen.
Anklagepunkt vier – Verbrechen gegen die Humanität
(Artikel 6, besonders 6 (c) des Statuts.)
X. Anklage: In einer Reihe von Jahren vor dem 8. Mai 1945 haben sämtliche Angeklagte Verbrechen gegen die Humanität in Deutschland und in allen jenen Ländern, die von den deutschen Streitkräften seit dem 1. September 1939 besetzt waren, sowie in Österreich, der Tschechoslowakei, in Italien und auf hoher See begangen.
Alle Angeklagten haben, in Zusammenwirken mit anderen, einen gemeinschaftlichen Plan oder eine Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen die Humanität entworfen und ausgeführt, wie in Artikel 6 (c) des Statuts definiert. Dieser Plan schloß u. a. die Ermordung und Verfolgung aller ein, die der Nazi- Partei feindlich gegenüberstanden oder dessen verdächtig waren, sowie aller, die in Opposition zu dem in Anklagepunkt Eins dargelegten gemeinsamen Plan standen oder dessen verdächtig waren.
Die erwähnten Verbrechen gegen die Humanität wurden von den Angeklagten und anderen Personen begangen, für deren Handlungen die Angeklagten unter Artikel 6 des Statuts verantwortlich waren, da jene anderen Personen, als sie die bezeichneten Kriegsverbrechen begingen, in Ausführung des gemeinsamen Planes und der Verschwörung zur Begehung der erwähnten Kriegsverbrechen handelten, eines gemeinsamen Planes und einer Verschwörung, an deren Formulierung und Ausführung sämtliche Angeklagten als Führer, Organisatoren, Anstifter und Mittäter teilnahmen.
Diese Methoden und Verbrechen stellten Verletzungen internationaler Vereinbarungen, internationaler Strafgesetze und der allgemeinen Grundsätze des Strafrechts dar, wie sie sich aus dem Strafrecht sämtlicher zivilisierter Völker herleiten, und waren Bestandteile eines systematischen Vorgehens der Angeklagten. Diese Handlungen standen im Widerspruch zu Artikel 6 des Statuts.
Die Anklagebehörde wird auch die im Anklagepunkt Drei vorgetragenen Tatsachen gleichzeitig als Verbrechen gegen die Humanität geltend machen.
a) Ermordung, Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche Handlungen gegen Zivilbevölkerungen vor oder während des Krieges.
Für die oben erwähnten Zwecke betrieben die Angeklagten in Deutschland eine Politik der Verfolgung, Unterdrückung und Ausrottung aller Zivilpersonen, die der Nazi-Regierung und dem in Anklagepunkt Eins beschriebenen gemeinsamen Plan oder Verschwörung feindlich waren oder von denen man dies annahm oder von denen man annahm, sie könnten der Nazi-Regierung und dem gemeinsamen Plan oder Verschwörung in Zukunft feindlich sein. Sie haben jene Personen ohne gerichtlichen Prozeß ins Gefängnis geworfen, sie in »Schutzhaft« genommen oder in Konzentrationslager geschickt und sie Verfolgung, Erniedrigung, Plünderung, Versklavung, Folter und Mord ausgesetzt.
Um den Willen der Verschwörer auszuführen, wurden Sondergerichte bestellt; es wurde privilegierten Zweigen und Behörden des Staates und der Partei erlaubt, außerhalb des Bereiches selbst des nazifizierten Rechts zu arbeiten, und alle Tendenzen und Elemente, die als »unerwünscht« angesehen wurden, zu vernichten. Die verschiedenen Konzentrationslager schließen ein: Buchenwald, das 1933, und Dachau, das 1934 geschaffen wurde. In diesen und anderen Lagern wurden die Zivilpersonen zu Sklavenarbeit verwendet, ermordet und auf verschiedene Weisen, einschließlich jener in Anklagepunkt Drei oben dargelegten, mißhandelt; und diese Handlungen und diese Politik wurden nach dem 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945 auf die besetzten Gebiete ausgedehnt.
b) Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen in Ausführung von und in Zusammenhang mit dem in Anklagepunkt Eins erwähnten gemeinsamen Plan.
In Ausführung und in Verbindung mit dem gemeinsamen, in Anklagepunkt Eins erwähnten Plan wurden, wie oben dargelegt, Gegner der deutschen Regierung ausgerottet und verfolgt. Diese Verfolgungen waren gegen Juden gerichtet. Sie waren auch gegen Personen gerichtet, von denen man annahm, daß ihre politische Überzeugung und ihr geistiges Streben in Gegensatz zu den Zielen der Nazis stand. Juden wurden seit 1939 systematisch verfolgt; sie wurden ihrer Freiheit beraubt, in Konzentrationslager geworfen, wo sie gemordet und mißhandelt wurden. Ihr Eigentum wurde beschlagnahmt. Hunderttausende von Juden wurden vor dem 1. September 1939 auf diese Weise behandelt.
Nach dem 1. September 1939 wurden die Judenverfolgungen verdoppelt. Millionen von Juden wurden von Deutschland und den besetzten westlichen Ländern in die östlichen Länder zur Vernichtung gesandt.
Die folgenden Einzelheiten sind lediglich Beispiele; das Recht zur Beibringung von Beweisen anderer Fälle bleibt vorbehalten.
Die Nazis mordeten unter anderen Kanzler Dollfuß, den Sozialdemokraten Breitscheid und den Kommunisten Thälmann. Sie warfen zahlreiche politische und religiöse Persönlichkeiten in Konzentrationslager, z.B. Kanzler Schuschnigg und Pastor Niemöller.
Auf Befehl des Chefs der Gestapo fanden im November 1938 judenfeindliche Demonstrationen in ganz Deutschland statt. Jüdisches Eigentum wurde zerstört, 30000 Juden wurden verhaftet und in Konzentrationslager geworfen und ihr Eigentum beschlagnahmt.
Von den unter Ziffer VIII A der Anklage erwähnten ermordeten und mißhandelten Menschen waren Millionen von Juden.
Unter anderen Massenermordungen von Juden waren die folgenden:
In Kislovodsk wurden alle Juden gezwungen, ihr Eigentum abzugeben; 2000 wurden in einem Panzerabwehrgraben in Mineralnyje Wody erschossen; 4300 weitere Juden wurden in dem gleichen Graben erschossen.
60000 Juden wurden auf einer Insel in der Düna in der Nähe von Riga erschossen.
20000 Juden wurden in Luzsk erschossen.
32000 Juden wurden in Sarny erschossen.
60000 Juden wurden in Kiew und Dniepropetrowsk erschossen.
Tausende von Juden wurden wöchentlich in Gaswagen vergast, die durch Überlastung zusammenbrachen.
Als die Deutschen von der Roten Armee zum Rückzug gezwungen wurden, vernichteten sie Juden lieber, als ihre Befreiung zuzulassen. Viele Konzentrationslager und Ghettos wurden errichtet, in denen Juden gefangen gehalten, gefoltert und ausgehungert wurden und gnadenlosen Abscheulichkeiten und schließlicher Vernichtung ausgesetzt waren.
Ungefähr 70000 Juden wurden in Jugoslawien getötet.
XI. Verantwortlichkeit von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen für das den Gegenstand von Anklagepunkt Vier bildende Verbrechen.
Es wird hiermit auf die in Anlage A der Anklageschrift enthaltenen Angaben betreffend die Verantwortlichkeit der einzelnen Angeklagten für das unter Anklagepunkt Vier angeführte Verbrechen Bezug genommen. Ferner wird auf die in der Anlage B der Anklageschrift enthaltenen Angaben betreffend die Verantwortlichkeit der Gruppen und Organisationen, hier als verbrecherische Gruppen und Organisationen bezeichnet, für das in Anklagepunkt Vier der Anklageschrift dargelegte Verbrechen Bezug genommen.
Diese Anklage wird hiermit vor dem Gerichtshof in englischer, französischer und russischer Sprache erhoben, wobei jeder Text gleiche Geltung hat. Die hierin gegen die oben erwähnten Angeklagten enthaltenen Anklagen werden hiermit dem Gerichtshof überreicht.
Robert H. Jackson, für die Vereinigten Staaten von Amerika; Francois de Menthon, für die Französische Republik; Hartley Shawcross, für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland; R. A. Rudenko, für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Berlin, 6. Oktober 1945.
VORSITZENDER: Ist jemand für die Verlesung der Anhänge bestimmt worden?
MR. ALDERMAN: Hoher Gerichtshof! Ich werde Anhang A und B verlesen und der britische Anklagevertreter wird Anhang C verlesen. Ich möchte ein Wort der Erklärung bezüglich Anhang A hinzufügen. Der Gerichtshof hat sicherlich bemerkt, daß die Sitze der Angeklagten auf den Bänken in der gleichen Reihenfolge angeordnet sind, wie ihre Namen in der Anklageschrift erscheinen. Eines technischen Fehlers wegen sind sie in Anhang A nicht der gleichen Reihenfolge nach angeführt. Ich glaube es wäre zu schwierig, sowohl für die Dolmetscher, als auch für mich, der wirklichen Anordnung zu folgen und ich werde daher, wenn es der Gerichtshof gestattet, Anhang A so lesen, wie er gedruckt ist.