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[Pause von 15 Minuten.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ersucht, daß, wenn er sich auf 15 Minuten zurückzieht, die Mitglieder der Verteidigung und andere Mitglieder des Gerichtshofs nach Ablauf dieser Frist auf ihre Sitze zurückkehren. Mr. Justice Jackson, wenn ich mich recht erinnere, wünschen Sie bis 5.15 Uhr zu sprechen, und hoffen zu diesem Zeitpunkt, Ihre Rede beenden zu können.

JUSTICE JACKSON: Ja, es wäre wohl das beste.

VORSITZENDER: Dann ist das Gericht damit einverstanden.

JUSTICE JACKSON: Mit Erlaubnis des Gerichtshofs beschäftige ich mich nun mit dem Kapitel »Verbrechen bei der Kriegführung«:

Sogar die kriegerischsten Völker haben im Namen der Menschlichkeit gewisse Begrenzungen in der Grausamkeit der Kriegführung anerkannt. In internationalen Abkommen, denen Deutschland beitrat, wurden dafür Regeln aufgestellt, sie schrieben bestimmte Beschränkungen in der Behandlung Kriegführender vor.

Der Gegner war berechtigt, sich zu ergeben, und hatte Anspruch auf Unterkunft und gute Behandlung als Kriegsgefangener. Wir werden aus deutschen Dokumenten nachweisen, daß diese Rechte verweigert wurden, und daß Kriegsgefangene roh behandelt und häufig ermordet worden sind. Das gilt besonders für gefangene Flieger, oftmals meine Landsleute.

Es wurde befohlen, daß gefangenen englischen und amerikanischen Fliegern nicht länger die Stellung von Kriegsgefangenen zugebilligt werden solle. Sie sollten als Verbrecher behandelt werden, und die Wehrmacht wurde angewiesen, sie gegen Lynchakte durch die Bevölkerung nicht zu schützen (R-118). Die Nazi-Regierung bemühte sieh, die Zivilbevölkerung durch ihre Polizei und Propagandastellen dazu aufzustacheln, Flieger, die abgestürzt oder abgesprungen waren, anzugreifen und zu töten. Der Befehl, der von dem Reichsführer-SS Himmler am 10. August 1943 gegeben wurde, enthielt die Weisung:

»Es ist nicht Aufgabe der Polizei, sich in Auseinandersetzungen zwischen deutschen Volksgenossen und abgesprungenen englischen und amerikanischen Terrorfliegern einzumischen.«

Dieser Befehl wurde am selben Tage durch SS- Obersturmführer Brandt aus Hitlers persönlichem Stab an alle höheren SS- und Polizeiführer mit folgender Weisung weitergeleitet:

»Anliegend übersende ich im Auftrage des Reichsführers-SS eine Anordnung mit der Bitte um Unterrichtung der Befehlshaber der Ordnungspolizei und der Sicherheitspolizei, die diese Weisung mündlich den nachgeordneten Dienststellen zur Kenntnis bringen sollen.« (R-110).

Ebenso werden wir Hitlers Geheimbefehl vom 18. 10. 42 vorlegen, daß Angehörige der »Kommandos« ohne Rücksicht auf ihren Zustand nach Gefangennahme bis auf den letzten Mann niedergemacht werden sollten (498-PS). Wir werden nachweisen, daß Geheimbefehle ausgegeben worden sind – von denen einer durch Heß gezeichnet war –, die mündlich an die Zivilbevölkerung weitergegeben werden sollten, nach denen feindliche Flieger oder Fallschirmjäger festgenommen oder erledigt werden sollten (062-PS). Mit solchen Mitteln wurde zu Mordtaten aufgestachelt und angeleitet.

Dieses Treiben der Nazis, eine rücksichtslose Behandlung feindlicher Truppen durchzusetzen, war am heftigsten im Kampf gegen Rußland. Schließlich wurden alle Kriegsgefangene der Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht entzogen und Himmler und der SS überantwortet (058-PS). Im Osten war das deutsche Wüten am tollsten. Russische Kriegsgefangene wurden auf Befehl gebrandmarkt (1191-PS). Sie wurden ausgehungert (1105-PS).

Ich verlese einige Stellen aus einem Schreiben, das der Angeklagte Rosenberg am 28. Februar 1942 an den Angeklagten Keitel gerichtet hat (081-PS).

»Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in Deutschland ist im Gegenteil eine Tragödie größten Ausmaßes. Von den 3,6 Millionen Kriegsgefangenen sind heute nur noch einige Hunderttausend voll arbeitsfähig. Ein großer Teil von ihnen ist verhungert oder durch die Unbilden der Witterung umgekommen. Tausende sind auch dem Fleckfieber erlegen...

In der Mehrzahl der Fälle haben die Lagerkommandanten es der Zivilbevölkerung untersagt, den Kriegsgefangenen Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, und sie lieber dem Hungertode ausgeliefert...

In vielen Fällen, in denen Kriegsgefangene auf dem Marsch vor Hunger und Erschöpfung nicht mehr mitkommen konnten, wurden sie vor den Augen der entsetzten Zivilbevölkerung erschossen und die Leichen liegen gelassen. In zahlreichen Lagern wurde für eine Unterkunft der Kriegsgefangenen überhaupt nicht gesorgt. Bei Regen und Schnee lagen sie unter freiem Himmel. Ja, es wurde ihnen nicht einmal das Gerät zur Verfügung gestellt, um sich Erdlöcher oder Höhlen zu graben...

Zu erwähnen wären endlich noch die Erschießungen von Kriegsgefangenen... So wurden zum Beispiel in verschiedenen Lagern die ›Asiaten‹ erschossen.«

Brauch der Zivilisation und Abkommen, denen Deutschland beigetreten war, sahen einen bestimmten Schutz für die Zivilbevölkerung vor, die zu ihrem Unglück in Ländern lebte, über die feindliche Heere hinweggerast waren. Die deutschen Besatzungstruppen haben unter der Aufsicht und unter dem Befehl von Männern, die hier vor Ihnen angeklagt sind, eine lange Reihe von Ausschreitungen gegen die Einwohner der besetzten Gebiete begangen, die unglaubhaft waren, wenn nicht erbeutete Befehle vorlägen, und erbeutete Berichte, die zeigen, wie getreulich diese Befehle ausgeführt worden sind.

Wir haben es hier mit einer Art gemeinen Verbrechens zu tun, die von den Verschwörern als Teil des gemeinsamen Planes ersonnen war. Wir können begreifen, warum diese Verbrechen gegen ihre europäischen Feinde nicht zufällig, sondern bedacht und angeordnet waren, wenn wir nach dem inneren Grunde dafür suchen. Hitler erklärte seinen Offizieren am 22. August 1939: »Das Ziel« – in Polen – »ist die Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie« (1014-PS).

Der Vorschlag, aus den besetzten Gebieten die Jugend fortzuschaffen, wurde von Rosenberg mit der Überlegung empfohlen, daß damit eine erwünschte »Minderung der biologischen Kraft« des besiegten Volkes erreicht wird (031-PS).

Germanisieren oder vernichten, das war die Losung. Himmler verkündete:

»Entweder gewinnen wir das gute Blut, das wir verwerten können und ordnen es bei uns ein, oder – meine Herren, Sie mögen es grausam nennen, aber die Natur ist grausam – wir vernichten dieses Blut.«

Für die »rassisch guten Typen« riet Himmler weiter: »Hier haben wir, glaube ich, die Aufgabe, deren Kinder zu uns zu nehmen, sie aus der Umgebung herauszunehmen, und wenn wir sie rauben oder stehlen müßten.« (L-70.) Er bestand auf der Fortschaffung slawischer Kinder, um möglichen Feinden für die Zukunft die Soldaten zu nehmen.

Die Absicht der Nazis war, Deutschlands Nachbarn so zu schwächen, daß Deutschland, selbst wenn es am Ende den Krieg verlieren sollte, doch noch das mächtigste Volk in Europa war. Vor diesem Hintergrund müssen wir den Plan einer rücksichtslosen Kriegführung betrachten, einen Plan, der eben Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeutete.

Geiseln wurden in großer Zahl angefordert und getötet. Massenstrafen wurden verhängt, von einer Grausamkeit, daß ganze Gemeinden vernichtet wurden. In einer Meldung an Rosenberg heißt es, daß in der Slowakei drei Dörfer bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden seien (970-PS). Im Mai 1943 wurde befohlen, ein Dorf von ungefähr vierzig Bauernhöfen und zweihundertzwanzig Einwohnern auszulöschen.. Die gesamte Bevölkerung sollte erschossen, Vieh und Eigentum sollten beschlagnahmt werden, und der Befehl verlangte, daß »das Dorf durch Feuer völlig zerstört wird« (163-PS).

Ein Geheimbericht aus Rosenbergs Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete enthüllt folgendes (1381-PS):

»Die den russischen Landeseinwohnern zugebilligten Ernährungssätze bedeuten nicht die Sicherung der Existenz, sondern nur ein Vegetieren auf beschränkte Dauer. Von einer Bevölkerung, die nicht weiß, ob sie morgen noch ihr Leben fristen kann, die also mit dem Hungertode rechnen muß,...

... auf den Landstraßen ist eine Bevölkerungsmenge auf Wanderschaft, die nach Hunderttausenden zählt und nach sachverständigen Urteilen wohl zu manchen Zeiten eine Million erreichen dürfte. Diese Scharen wandern, um sich Lebensmittel zu beschaffen...

So hat die Aktion Sauckel in der Art der Durchführung im Ostraum eine Unruhe hervorgerufen,... Entlausung russischer Mädchen durch Männer, Aufnahmen von Nacktphotos in erzwungenen Stellungen, Einsperren von Ärztinnen in Waggons, um sie den Transportleitern gefügig zu machen, Transport gefesselter Mädchen im Hemd durch russische Ortschaften zur Bahn und so weiter.

Das gesamte Material ist durch die zuständigen Heeresgebiete an das Oberkommando des Heeres weitergeleitet worden.« (1381-PS.)

Die Verschleppung zur Sklavenarbeit war vielleicht das schrecklichste und größte Sklavenunternehmen der Geschichte. Über wenige Dinge haben wir so reichliches und so belastendes Beweismaterial. Ich habe hier eine Rede, die der Angeklagte Frank, Generalgouverneur von Polen, am 25. Januar 1944 gehalten hat und in der er sich rühmte: »Ich habe 1,3 Millionen polnischer Arbeiter ins Reich geschickt.« (059-PS, Seite 2.)

Der Angeklagte Sauckel berichtete, daß von den fünf Millionen ausländischen Arbeitern, die nach Deutschland gekommen sind, nicht zweihunderttausend freiwillig kamen. Diese Tatsache wurde dem Führer und den Angeklagten Speer, Göring und Keitel berichtet (R-124). Kinder von 10 bis 14 Jahren wurden durch einen telegraphischen Befehl aus Rosenbergs Ministerium für die besetzten Ostgebiete zum Dienst gepreßt:

»Das Kommando ist weiterhin mit der Überführung in das Reich nützlicher russischer Jungen und Mädchen zwischen 10 bis 14 Jahren beauftragt. Ihre Machtbefugnis ist durch die Änderungen, die in Verbindung mit der Evakuierung und dem Transport zu den Aufnahmelagern in Bialystok, Krajewo und Olitei eingetreten sind, nicht berührt. Der Führer wünscht, daß diese Aktion noch verschärft wird« (200-PS).

Wenn nicht genügend Arbeitskräfte zusammenkamen, wurden Kriegsgefangene unter offener Verletzung internationaler Abkommen zu Arbeiten für den Kriegsbedarf gezwungen (016-PS). Die Sklavenarbeiter kamen aus Frankreich, Belgien, Holland, Italien und dem Osten. Sie wurden gewaltsam ausgehoben (R-124, 018-PS, 204-PS). Die Behandlung dieser Sklavenarbeiter wurde in einem Schreiben des Angeklagten Sauckel an den Angeklagten Rosenberg in allgemeinen Ausdrücken umschrieben, die sich leicht in tatsächliche Entbehrungen übersetzen lassen:

»Alle schon in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen, sowohl aus den West- wie den Ostgebieten, müssen, soweit dies noch nicht geschehen ist, ebenfalls restlos der deutschen Rüstungs- und Ernährungswirtschaft zugeführt, ihre Leistung muß auf den denkbar höchsten Stand gebracht werden.... Die restlose Beschäftigung aller Kriegsgefangenen sowie die Hereinnahme einer Riesenzahl neuer ausländischer Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen ist zur undiskutierbaren Notwendigkeit für die Lösung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes in diesem Kriege geworden.

Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, daß sie bei denkbar sparsamstem Einsatz die größtmöglichste Leistung hervorbringen« (016-PS).

Eine lange Reihe von Verbrechen wurde begangen, um den Plan der Nazis zu verwirklichen, die Lebenshaltung ihrer Nachbarn für immer herunterzudrücken und sie körperlich und wirtschaftlich zu schwächen. Sehr viel Eigentum von Zivilpersonen wurde ohne jede militärische Notwendigkeit vernichtet. Fast am Ende des Krieges noch wurden in Holland die Deiche aufgerissen, nicht etwa aus militärischen Gründen, sondern, um die Hilfsquellen des Landes zu zerstören und damit den wirtschaftlichen Wiederaufstieg der sparsamen Holländer zu verzögern.

Die Wirtschaft der besetzten Länder wurde nach sorgfältigem Plan ausgepumpt. Ein Bericht der volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank vom 7. Dezember 1942 gibt dafür ein Beispiel. Es handelte sich um die Frage, ob die Besatzungskosten, die Frankreich aufzubringen hatte, von 15 Millionen Mark täglich auf 25 Millionen Mark erhöht werden sollten. Die Reichsbank untersuchte die französische Wirtschaft, um festzustellen, ob eine solche Belastung tragbar wäre. Sie wies darauf hin, daß der Waffenstillstand Frankreich bis damals mit 18,5 Milliarden Mark – 370 Milliarden Francs – belastet hatte. Sie wies auch darauf hin, daß die Last dieser Zahlungen in zweieinhalb Jahren dem Volkseinkommen Frankreichs im Jahre 1940 gleichkomme, und daß die Höhe der Zahlungen, die in den ersten sechs Monaten des Jahres 1942 geleistet worden seien, dem voraussichtlichen Steueraufkommen Frankreichs für dieses ganze Jahr entspreche. Der Bericht endete:

»Immerhin liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die französische Volkswirtschaft seit dem Waffenstillstand im Juni 1940 mit verhältnismäßig schwereren Tributen belegt worden ist als Deutschland nach dem Weltkrieg. Dabei ist noch zu beachten, daß die wirtschaftlichen Kräfte Frankreichs an die des Deutschen Reiches nie heranreichten und daß das besiegte Frankreich nicht in dem Maße fremde wirtschaftliche und finanzielle Hilfsquellen einschließlich der seiner Kolonien heranziehen konnte wie Deutschland nach dem letzten Weltkrieg (Auslandskredite).«

Der Angeklagte Funk war Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident, der Angeklagte Ribbentrop Reichsaußenminister, der Angeklagte Göring Bevollmächtigter für den Vierjahresplan. Sie alle haben sich an dem Meinungsaustausch beteiligt, von dem das erbeutete Schriftstück ein Teil ist (2149-PS). Trotz dieser Untersuchung der Reichsbank entschlossen sie sich, die Belastung Frankreichs von täglich 15 auf 25 Millionen Mark zu erhöhen.

Es nimmt nicht Wunder, daß die französische Wirtschaft auf solche Weise jede feste Grundlage hat verlieren müssen. Plan und Zwecke werden bereits in einem Schreiben vom 14. September 1940 sichtbar, das der Vorsitzende der deutschen Waffenstillstandskommission, General von Stülpnagel, an den Angeklagten Jodl gerichtet hat und in dem er schreibt: »Die Losung ›geordneter Schwächung Frankreichs‹ ist durch die Wirklichkeit bereits weit übertroffen.« (1756-PS.)

Man wollte jedoch nicht nur die Wirtschaft der Nachbarn Deutschlands schwächen und verwirren, um sich ihrer auf dem Markte zu entledigen, es wurde vielmehr auch in einer noch nicht erlebten Weise geplündert und gestohlen. Wir wollen uns nun über Plünderung nichts vormachen. Ich weiß sehr wohl, daß kein Heer durch ein besetztes Gebiet zieht, ohne daß dabei, wie es nun einmal so geht, gemaust wurde. Gewöhnlich nehmen solche Dinge in dem Maße zu, in dem die Zucht in der Truppe abnimmt. Wenn unser Beweismaterial nichts Ärgeres an Plünderung aufwiese, würde ich gewiß die Angeklagten damit nicht belasten. Wir werden Ihnen, meine Herren Richter, aber nachweisen, daß diese Plünderungen nicht auf Zuchtlosigkeit oder gewöhnlicher menschlicher Schwäche beruhten. Die Deutschen haben das Plündern planmäßig und geordnet betrieben, haben dazu erzogen und es zu einer Amtshandlung erhoben, genau so, wie sie alles andere gründlich und mit Überlegung betrieben haben. Und dann haben sie bis ins einzelne genau Buch geführt, um zu beweisen, daß sie auch hier ihr Bestes getan hätten, was den Umständen nach möglich war. Und diese Verzeichnisse besitzen wir.

Der Angeklagte Rosenberg wurde durch einen unmittelbaren Befehl Hitlers vom 29. Januar 1940 mit der planmäßigen Plünderung der Kunstgegenstände Europas betraut (136-PS). Am 16. April 1943 berichtete er, bis zum 7. April seien 2775 Kisten mit Kunstgegenständen in zweiundneunzig Eisenbahnwagen nach Deutschland geschickt worden; 53 Kunstgegenstände seien unmittelbar an Hitler und 594 an den Angeklagten Göring geschickt worden. Der Bericht führte ungefähr zwanzigtausend beschlagnahmte Gegenstände auf und gab die wichtigsten Orte an, wo sie zur Zeit aufbewahrt würden (015-PS).

Dieses Plündern wurde von Rosenberg noch verherrlicht. Wir besitzen sein Verzeichnis mit Tafeln und Tabellen, neununddreißig Lederbände, die wir später als Beweismaterial vorlegen werden. Man kann diesen Bericht Rosenbergs in seiner Vollendung nur bewundern. Der Geschmack der Nazis umfaßte die ganze Welt. Unter den im Verzeichnis aufgeführten 9455 Gegenständen waren 5255 Gemälde, 297 Skulpturen, 1372 antike Möbelstücke, 307 Tuche und Stoffe und 2224 kleine Kunstgegenstände. Rosenberg bemerkte, daß noch ungefähr weitere zehntausend Gegenstände aufzunehmen seien (015-PS). Er selbst schätzte, daß der Wert fast eine Milliarde Dollar erreichen werde (090-PS).

Ich will nicht auf weitere Einzelheiten der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingehen, wie sie von dem Verbrecherring der Nazis begangen worden sind, dessen Anführer hier vor Ihnen sitzen. Es ist nicht meine Aufgabe in diesem Prozeß, mich mit den einzelnen Verbrechen zu beschäftigen. Ich habe mich mit dem gemeinsamen Plan oder der Absicht des Verbrechens zu befassen und will mich nicht bei einzelnen Verstößen aufhalten. Ich habe nur zu zeigen, in welchem Umfange sich diese Verbrechen zugetragen haben; und ferner, daß diese Männer hier in den verantwortlichen Stellen waren, daß sie die Pläne und die Entwürfe erdacht haben, für die sie daher verantwortlich sind, wenn die tatsächliche Ausführung auch anderen überlassen blieb.

Dieses rücksichtslose Vorgehen, ohne Recht und Gesetz, – am Ende empörte es die Welt. Sie erholte sich von den niederdrückenden Folgen des Überraschungsangriffs, sammelte ihre Kräfte und gebot diesen Männern halt. Sobald der Erfolg die Nazis verließ, fielen ihre Trabanten einer nach dem anderen von ihnen ab. Der tönerne Koloß zerbrach. In jedem besetzten Land erhob sich die Widerstandsbewegung, um die Eindringlinge zu verjagen. Sogar im eigenen Land erkannten Deutsche, daß Deutschland von diesen Wahnsinnigen zugrunde gerichtet werde. Der Versuch vom 20. Juli 1944, Hitler umzubringen – ein Versuch, den Männer in höchsten Stellungen förderten – war ein verzweifeltes Bemühen von Kräften im Innern, ein Ende zu machen, um den Zusammenbruch abzuwenden.

Jetzt, da sie am Scheitern waren, brachen unter den Nazi-Verschwörern Streitigkeiten aus, und so war denn der Niedergang ihrer Macht schneller als ihr Aufstieg. Die deutsche Wehrmacht legte die Waffen nieder, die Regierung löste sich auf, die Führer begingen Selbstmord zu Dutzenden, und durch die Schicksalslaune des Krieges fielen uns diese Angeklagten hier in die Hand. Es sind zwar keineswegs alle Schuldigen, aber von denen, die die größte Verantwortung tragen, sind sie die Überlebenden. Ihre Namen erscheinen immer wieder in den Dokumenten, und auf allen Bildern prangen ihre Gesichter. Von der führenden Schicht der Nazi-Bewegung in der Politik, der Wehrmacht und Finanzwelt, in der Diplomatie, Verwaltung und Propaganda sind sie übriggeblieben. Wer wäre für die Verbrechen verantwortlich, wenn nicht sie!