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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Ja, Oberst Amen.

[Zeuge Lahousen nimmt den

Zeugenstand wieder ein.]

OBERST AMEN: Vor der Mittagspause haben Sie über eine Besprechung aus dem Jahre 1941 mit Reinecke und anderen Zeugnis abgelegt. Hatte Ihnen Canaris vor dieser Besprechung gesagt, welche Bitte Sie an die Leute, die an der Versammlung teilnahmen, richten sollten?

LAHOUSEN: Vor der Besprechung hat Canaris mir dahin Richtlinien erteilt, daß ich, wie schon erwähnt, sachliche Argumente vorbringen solle, um den Befehl zu Fall zu bringen oder seine Auswirkungen herabzumildern, im übrigen, daß ich mir nicht einfallen lassen solle, etwa irgendwie Erwägungen allgemein menschlicher Natur in diesem Kreise fallen zu lassen, da ich mich ja sonst nur lächerlich machen würde.

OBERST AMEN: Und wollen Sie nun dem Gerichtshof, soweit Sie sich erinnern können, erklären, was sich im Verlaufe dieser Besprechung zutrug, und was gesagt wurde?

LAHOUSEN: Die Besprechung eröffnete General Reinecke einleitend mit der Erläuterung der Befehle im Sinne dessen, was ich bereits vor der Verhandlungspause ausgesagt habe. Er erklärte die Notwendigkeit dieser Maßnahmen, und bezeichnete es insbesondere für notwendig, daß diese Auffassung auch der Wehrmacht und ganz besonders dem Offizierskorps klar gemacht werden müsse, das sich anscheinend noch in den Gedankengängen der Eiszeit bewege und nicht in denen der nationalsozialistischen Gegenwart.

OBERST AMEN: Welche Ansichten haben Sie in dieser Besprechung vorgebracht?

LAHOUSEN: Ich habe auftragsgemäß den Standpunkt des Amtes Ausland Abwehr, also von Canaris, vertreten und habe erstens im wesentlichen auf die äußerst ungünstigen Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Truppen hingewiesen, im besonderen auf die Front, die den Befehl niemals verstehen würde; besonders der einfache Soldat würde ihn niemals verstehen. Außerdem hätten wir Berichte, daß die Exekutionen manchmal vor den Augen der Truppen stattfanden.

Zum zweiten habe ich die Bedenken meines Amtes vorgebracht, die die Tätigkeit der Abwehrabteilungen selbst betrafen, nämlich die ungünstigen Auswirkungen auf den Gegner, das heißt, praktisch das Verhindern des Überlaufens von Russen, die sich ohne Gegenwehr bis zum letzten ergeben hatten. Dann die großen Schwierigkeiten, die die Abwehrabteilungen bei der Gewinnung von Agenten hätten, also von Leuten, die aus irgendwelchen Gründen sich freiwillig bereit erklärt hatten, für die Deutschen zu arbeiten.

OBERST AMEN: Damit kein Mißverständnis im Verhandlungsbericht entsteht – denn ich glaube, die Übersetzung war etwas verworren – möchte ich ein paar dieser Argumente wiederholen lassen. Was haben Sie in dieser Besprechung über die Wirkung der Ausführung dieser Befehle auf russische Soldaten gesagt?

LAHOUSEN: Ich habe vor allem darauf hingewiesen, daß durch diese Befehle Elemente unter den russischen Soldaten, die geneigt wären, überzulaufen, davon abgehalten würden und zweitens, daß Leute, die sich aus irgendwelchen Gründen zu Diensten Deutschlands für die Abwehr angeboten hätten, auch davon abgehalten würden, und daß, in Summa, vor allem das Gegenteil von dem erreicht würde, was offensichtlich beabsichtigt war, nämlich, daß der Widerstandswille des russischen Soldaten, des Rotarmisten, bis zum äußersten gesteigert würde.

OBERST AMEN: Und damit es uns vollkommen klar ist, was sagten Sie über die Wirkung der Durchführung dieser Befehle auf deutsche Truppen?

LAHOUSEN: Ich habe gesagt, daß, wie uns aus vielen Berichten von der Front offenkundig geworden ist, die Wirkung auf die Moral, die Stimmung und nicht zuletzt die Disziplin der Truppe eine verheerende war.

OBERST AMEN: Gab es bei dieser Besprechung irgendwelche Erörterung über Völkerrecht?

LAHOUSEN: Nein. Über Völkerrecht wurde in diesem Zusammenhang nicht gesprochen. Es wurde noch auf die Art der Aussonderung unter den Kriegsgefangenen hingewiesen, die eine völlig willkürliche war, abgesehen von dem grundsätzlichen Befehl an sich.

OBERST AMEN: Darauf werden wir gleich zurückkommen. Wurden Ihre Ansichten in dieser Besprechung angenommen?

LAHOUSEN: Meinen Ansichten, die die Ansichten des Amtes Abwehr waren, das ich zu vertreten hatte, wurde in allerschärfster Form von Müller entgegengetreten, der mit den üblichen Schlagworten die Argumente, die ich vorgebracht habe, zurückwies, und der einzig und allein die Konzession machte, daß, um auf die Truppe Rücksicht zu nehmen, die Hinrichtungen künftighin nicht vor den Augen der Truppe, sondern abseits stattfinden würden. Außerdem machte er noch gewisse Konzessionen in der Frage der Aussonderung, die eine völlig willkürliche war und den Einsatzführern oder den Gesichtspunkten der Einsatzführer überlassen blieb.

OBERST AMEN: Und haben Sie in Verfolg dieser Besprechung erfahren, ob ein Befehl erlassen wurde dahingehend, daß diese Ermordungen nicht vor den Augen deutscher Truppen stattfinden sollten?

LAHOUSEN: Ich habe damals außer der erwähnten Zusage von Müller nichts weiter darüber gehört. Ich habe erst jetzt in einem Befehl, der mir vorgelegt wurde, den Niederschlag dieser Aussprache und der damals mir gemachten Zusage bestätigt gefunden.

OBERST AMEN: Wurde bei dieser Besprechung über die Art, in der diese Befehle durchzuführen seien, gesprochen?

LAHOUSEN: Ja, es ist bei dieser Besprechung der ganze Fragenkomplex erläutert worden, also auch die Art, wie Befehle durchgeführt werden sollten; nach meiner Erinnerung durch Einsatzkommandos des SD, die sowohl die Aussonderung der dafür in Frage kommenden Leute in den Lagern oder in den Sammelplätzen der Kriegsgefangenen, als auch die Exekutionen durchzuführen hatten. Weiter wurden Maßnahmen insbesondere von Reinecke besprochen, die die Behandlung der kriegsgefangenen Russen in den Lagern zum Gegenstand hatten. Reinecke hatte sich in sehr scharfer Form nicht meine Argumente, sondern die von Müller vertretenen zu eigen gemacht und sie in der allerschärfsten Form und mit den schärfsten Worten auch vertreten.

OBERST AMEN: Wollen Sie nun dem Gerichtshof auf Grund dessen, was Sie in dieser Besprechung hörten, die genaue Art, in welcher die Aussonderung dieser Gefangenen stattfand, schildern und auf welche Art bestimmt wurde, wer von den Gefangenen getötet werden sollte?

LAHOUSEN: Die Gefangenen wurden von den eigens hierzu bestimmten Sonderkommandos des SD ausgesondert, und zwar nach ganz eigenartigen und willkürlichen Gesichtspunkten. Die einen Führer der Einsatzkommandos hielten sich an rassische Merkmale; das heißt, wenn einer der Gefangenen den rassischen Gesichtspunkten nicht entsprach, vor allem selbstverständlich ein Jude oder jüdischer Typus, oder wer sonst als rassisch minderwertig angesehen wurde, so verfiel er der Exekution. Der andere Einsatzführer traf diese Auswahl unter dem Gesichtspunkt des Intellekts oder der Intelligenz. Der dritte Einsatzführer hatte wieder irgendwelche anderen, gewöhnlich sehr eigenartigen Gesichtspunkte, so daß ich mich zu der Frage an Müller veranlaßt fühlte: »Sagen Sie, abgesehen von allem anderen, nach welchen Grundsätzen wird diese Aussonderung durchgeführt? Geht man nach Körpergröße oder nach Schuhnummer?« Müller hat diese, sowie alle anderen Einwände, wie schon erwähnt, schärfstens zurückgewiesen und Reinecke hat den Standpunkt von Müller in schärfster Form übernommen, statt daß er, was ja der Sinn meines Vertrags war, meine, das heißt die Auffassung des Amtes Ausland/Abwehr, die ihm eine goldene Brücke bauen wollte, übernahm. Das ist im wesentlichen der Sinn der Besprechung, an der ich teilnahm.

OBERST AMEN: Und haben Sie aus amtlichen Berichten etwas über die Art und Weise erfahren, auf die diese Befehle durchgeführt wurden?

LAHOUSEN: Über das, was sich täglich zugetragen hat, waren und wurden wir ja laufend durch unsere Organe orientiert, die an der Front oder in den Lagern tätig waren. In den Lagern waren ja Offiziere von der Abwehrabteilung III tätig, und auf diesem Wege, also auf dem normal dienstlichen Wege, erhielten wir in Form von Berichten und mündlichen Vorträgen Kenntnis über die Durchführung aller dieser Maßnahmen und über ihre Auswirkungen.

OBERST AMEN: War die Auskunft, die Sie erhielten, geheim und vertraulich oder war sie auch anderen zugänglich?

LAHOUSEN: Die Informationen waren in dem Rahmen, in dem sich fast der gesamte Verkehr in unseren Abteilungen abspielte, vertraulich gehalten. Sie waren aber praktisch in einem großen Kreis der Wehrmacht bekannt, nämlich die Vorgänge, die sich in den Lagern, beziehungsweise bei dieser Aussonderung abgespielt haben.

OBERST AMEN: Haben Sie bei dieser Besprechung von Reinecke etwas über die Behandlung russischer Kriegsgefangener in Kriegsgefangenenlagern gehört?

LAHOUSEN: Es wurde in dieser Besprechung auch über die Behandlung der russischen Kriegsgefangenen in den Lagern selbst geredet; und zwar wurde von Reinecke der Standpunkt vertreten, daß auch in den Lagern die Behandlung natürlich nicht so fein sein könne und dürfe wie etwa die Behandlung gefangener Soldaten der alliierten Mächte, sondern daß auch hier entsprechende unterscheidende Grundsätze, wie schon erwähnt, angewendet werden müßten. Es könne also nicht darauf verzichtet werden, daß die Lagermannschaften mit Peitschen ausgerüstet werden, und daß sie das Recht bekämen, bei dem geringsten Anschein, sei es eines einfachen Fluchtversuchs oder irgendeiner sonstigen unerwünschten Handlung, von der Waffe Gebrauch zu machen.

OBERST AMEN: Welche andere Ausrüstung außer den Peitschen wurde den Stalag-Wachen noch gegeben?

LAHOUSEN: Das sind Einzelheiten, auf die ich mich jetzt nicht besinnen kann; ich kann nur dem Sinn nach wiedergeben, was in dieser Besprechung behandelt wurde.

OBERST AMEN: Was sagte Reinecke überhaupt über die Peitschen?

LAHOUSEN: Reinecke sagte, daß die Bewachungsmannschaften von Peitschen, beziehungsweise von den Stöcken oder dergleichen Gebrauch machen müßten.

OBERST AMEN: Haben Sie auf offiziellem Wege von einem Befehl gehört, russische Kriegsgefangene zu brandmarken?

VORSITZENDER: Oberst Amen, ich glaube, Sie sollten von »Sowjet«- und nicht von »russischen« Gefangenen sprechen.

OBERST AMEN: Jawohl, Herr Vorsitzender. Haben Sie von einem solchen Befehl gehört?

LAHOUSEN: Ich habe in einer Besprechung, bei der alle schon öfter erwähnten Abteilungschefs oder wenigstens die Mehrzahl zugegen waren, davon gehört.

OBERST AMEN: Wissen Sie, ob irgendwelche Proteste hinsichtlich dieses Befehls erhoben wurden?

LAHOUSEN: Es ist ein sehr scharfer Protest sofort nach Kenntnisnahme dieses Befehls, beziehungsweise der Absicht, sowjetische Kriegsgefangene durch Brennen zu kennzeichnen, durch Canaris erfolgt, wieder über das Amt Ausland, und zwar durch Bürckner.

OBERST AMEN: Was hat Ihnen Canaris überhaupt über diesen Befehl gesagt?

LAHOUSEN: Canaris hat mir, das heißt, nicht nur mir, sondern uns, gesagt, daß diese Frage bereits in einem Gutachten von irgendwelchen Ärzten behandelt worden ist, daß sich Leute dazu hergegeben haben, solch einen Wahnsinn sogar schriftlich in einem Gutachten zu behandeln. Das war der wesentliche Teil dessen, was über das Thema damals gesprochen wurde.

OBERST AMEN: Welche Information über Pläne, sowjetische Kriegsgefangene auf deutsches Gebiet zu bringen, haben Sie überhaupt auf offiziellem Wege erhalten?

LAHOUSEN: In dem gleichen Zusammenhang und in dem gleichen Kreis, ich muß es immer wiederholen, also in Besprechungen zwischen Canaris und seinen Abteilungschefs, habe ich gehört und weiß ich, daß seitens des Generalstabs die Verbringung von Kriegsgefangenen der Sowjetunion in das deutsche Heimatgebiet vorbereitet war, daß aber diese Verschickung plötzlich abgestoppt wurde. Soweit mir erinnerlich ist, ist dies durch das Eingreifen von Hitler selbst geschehen. Das führte zu den Zuständen, die sich dann in den Lagern draußen im Operationsgebiet entwickelt haben, wo man Gefangene zusammenstopfte, die nicht ernährt, nicht entsprechend bekleidet oder entsprechend untergebracht werden konnten. Infolgedessen brachen Seuchen und Kannibalismus aus.

OBERST AMEN: Ich bin nicht ganz sicher, ob wir einige Ihrer vorherigen Antworten richtig gehört haben. Wollen Sie nochmals anfangen, uns über die in diesen Befehlen gemachte Abänderung zu erzählen?

LAHOUSEN: Darf ich bitten, die Frage nochmals zu wiederholen?

OBERST AMEN: Sie bezogen sich auf eine Änderung in den Plänen, sowjetische Gefangene in deutsches Gebiet zurückzunehmen. Ist das richtig?

LAHOUSEN: Ja, sie wurden eben nicht zurück nach Deutschland gebracht.

OBERST AMEN: Und was war das Ergebnis dieser Aktion, nämlich, daß sie auf direkten Befehl von Hitler hin nicht zurückgebracht wurden?

LAHOUSEN: Das Ergebnis war, was eben von mir vorher geschildert wurde.

OBERST AMEN: Aber ich möchte Sie bitten, daß Sie es wiederholen, da uns ein Teil Ihrer Antwort während der Übersetzung verlorenging. Bitte, wiederholen Sie es noch einmal!

LAHOUSEN: Enorme Massen von Kriegsgefangenen blieben im Freien ohne jede angemessene Betreuung, und zwar Betreuung im Sinne des Kriegsgefangenenabkommens; ich meine Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Betreuung und dergleichen; es gab keine angemessene Verpflegung, keine ärztliche Betreuung, keine angemessene Unterbringung; die meisten von ihnen mußten auf dem nackten Boden schlafen, so daß sehr viele von ihnen ums Leben gekommen sind. Seuchen sind ausgebrochen, ja, sogar Kannibalismus, das heißt, daß menschliche Wesen durch Hunger dazu getrieben wurden, einander aufzufressen.

OBERST AMEN: Waren Sie persönlich an der Front, um diese Zustände zu beobachten?

LAHOUSEN: Ich habe bei wiederholten Reisen, die ich mit Canaris unternommen habe, einige von diesen Zuständen mit eigenen Augen gesehen. Es sind dies Eindrücke, die ich damals mitgenommen habe, und von denen ich Aufzeichnungen gemacht habe, die unter meinen Papieren vorgefunden wurden.

OBERST AMEN: Haben Sie auch Informationen über diese Dinge auf offiziellem Wege durch die Abwehr erhalten?

LAHOUSEN: Ja, ich habe sie eben von der mir unterstehenden Dienststelle meiner Abteilung und der des Amtes Ausland erfahren.

OBERST AMEN: Wie weit war die Wehrmacht Ihrer offiziellen Information nach an der Mißhandlung dieser Gefangenen beteiligt?

LAHOUSEN: Nach meiner Information war die Wehrmacht zumindest in alle Fragen, die das Thema Kriegsgefangenenwesen betreffen, verwickelt. Nicht in der Frage der Exekutionen, die ja von Kommandos des SD und des Reichssicherheitshauptamtes durchgeführt wurden.

OBERST AMEN: Aber ist es nicht Tatsache, daß die Kriegsgefangenenlager vollkommen der Befehlsgewalt der Wehrmacht unterstanden?

LAHOUSEN: Ja, die Kriegsgefangenen standen unter der Zuständigkeit des OKW.

OBERST AMEN: Aber bevor die Gefangenen in diese Lager gesteckt wurden, waren die Einsatzkommandos der SS in erster Linie verantwortlich für die Beseitigung und Auswahl der Leute für die Erschießung; ist das nicht richtig?

LAHOUSEN: Ja.

OBERST AMEN: Erhielten Sie auf offiziellem Wege Informationen über das Vorliegen eines Befehls, britische Kommandos zu erschießen?

LAHOUSEN: Ja.

OBERST AMEN: Was unternahmen Canaris oder Sie selbst auf diesen Befehl hin?

LAHOUSEN: Der Befehl, beziehungsweise, soweit ich mich erinnere, schon die Absicht, daß ein solcher Befehl erlassen werden sollte, wurde in unserem Kreis, also zwischen Canaris und den Abteilungschefs, besprochen. Er fand selbstverständlich einmütige Ablehnung. Ich sage selbstverständlich, abgesehen von den rein völkerrechtlichen Erwägungen, weil ja dem Amt Ausland/Abwehr eine Formation unterstand, die meiner Abteilung angegliedert war, und zwar das Regiment Brandenburg, das ähnliche Aufgaben und die gleiche Tätigkeit wie die Kommandos auszuüben hatte. Ich habe daher als Chef der Abteilung, der dieses Regiment angegliedert war, und für das ich mich verantwortlich fühlte und fühlen mußte, in Besorgnis vor Repressalien, die in Auswirkung dieses Befehls zu erwarten waren, sofort schärfstens gegen diesen Befehl protestiert.

OBERST AMEN: Haben Sie persönlich an dem Entwurf dieses Protestes mitgearbeitet?

LAHOUSEN: Ich weiß, daß zweimal, entweder, gleich als der Befehl erfolgt war, schriftlich oder mündlich, und ein zweites Mal, nachdem bereits Exekutionen auf Grund dieses Befehls durchgeführt wurden, seitens Canaris – wieder über das Amt Ausland, und zwar durch Bürckner – Proteste gegen diese Befehle ergangen sind oder eingelegt wurden. Für den Entwurf einer dieser schriftlich ergangenen Proteste, ich weiß nicht, welcher, ob der erste oder der zweite, schriftlich ergangen ist, habe ich selbst einen Beitrag geleistet, eben jenen Beitrag, der die Interessen meiner Abteilung, also des Regiments Brandenburg, das eine dem Kommando ähnliche, sehr ähnliche Tätigkeit auszuüben hatte, betraf,

OBERST AMEN: An wen gingen diese Proteste normalerweise?

LAHOUSEN: Die Proteste gingen an den Vorgesetzten von Canaris, also den Chef des OKW.

OBERST AMEN: Wer war das?

LAHOUSEN: Das war damals Keitel.

OBERST AMEN: Gingen diese Proteste normalerweise auch an Jodl?

LAHOUSEN: Das kann ich nicht sagen, aber es ist möglich.

OBERST AMEN: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, was die Grundlage für die von Ihnen eingeleiteten Proteste war?

LAHOUSEN: Die Grundlage war vor allem die völkerrechtswidrige Auffassung, daß Soldaten, also nicht Spione oder Agenten, sondern Soldaten, die als solche deutlich erkennbar waren, nach der Gefangennahme getötet wurden. Das war der wesentliche Punkt, der namentlich auch meine Abteilung berührt hat, weil meiner Abteilung auch Soldaten angehört haben, die als Soldaten solche oder ähnliche Aufgaben durchzuführen hatten.

OBERST AMEN: Wurden noch irgendwelche anderen Gründe als Protest gegen diese Befehle angeführt?

LAHOUSEN: Ja, es wurden sicherlich auch andere Gründe angeführt, und zwar je nach den Interessen der Abteilungen, die dieser Befehl berührte; für das Amt Ausland der Gesichtspunkt des Völkerrechts, für die Abwehrabteilung III die Tatsache, daß die Abwehrabteilung III wohl interessiert war an der Befragung solcher bei Kommandoaktionen gefangengenommener Soldaten, aber niemals an der Tötung dieser Soldaten.

OBERST AMEN: Gab es noch irgendwelche andere Chefs im Amt Abwehr, die an der Ausarbeitung dieser Proteste mitarbeiteten?

LAHOUSEN: Soviel ich mich heute noch daran erinnere, nein.

OBERST AMEN: Haben Sie nicht Admiral Bürckner erwähnt?

LAHOUSEN: Bürckner gehörte ja zum Amt Ausland/Abwehr, er ist aber nicht der Chef des Amtes Ausland/Abwehr gewesen, sondern nur Chef des Amtes Ausland.

OBERST AMEN: Haben Sie je von einem unter dem Namen »Gustav« bekannten Unternehmen gehört?

LAHOUSEN: Der Name »Gustav« beinhaltete keine Operation, sondern nur eine Aktion oder ein Unternehmen, ähnlich, das heißt nicht nur ähnlich, sondern gleich jenem, das die Beseitigung des Marschall Weygand zum Ziele hatte.

OBERST AMEN: Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, was »Gustav« bedeutete?

LAHOUSEN: »Gustav« war der vom damaligen Chef des OKW gebrauchte Deckname in den Gesprächen über General Giraud.

OBERST AMEN: Wenn Sie sagen, Chef des OKW, meinen Sie da Keitel?

LAHOUSEN: Ja.

OBERST AMEN: Und meinen Sie General Giraud von der französischen Armee?

LAHOUSEN: Ja, ich beziehe mich auf General Giraud von der französischen Armee, der meiner Erinnerung nach im Jahre 1942 aus Königstein geflüchtet ist.

OBERST AMEN: Wissen Sie etwas von irgendeinem Befehl, der bezüglich General Girauds erlassen wurde?

LAHOUSEN: Ja.

OBERST AMEN: Wer gab diesen Befehl?

LAHOUSEN: Einen solchen Befehl gab an Canaris der damalige Chef des OKW, Keitel, heraus. Es war kein schriftlicher, sondern ein mündlicher Befehl.

OBERST AMEN: Wieso haben Sie von diesem Befehl erfahren?

LAHOUSEN: Von diesem Befehl weiß ich, ebenso wie einige andere Abteilungschefs, und zwar Bentivegni, Chef der Abwehrabteilung I, Pieckenbrock und noch einige andere Offiziere aus einer Besprechung bei Canaris.

OBERST AMEN: Was war der Inhalt des Befehls?

LAHOUSEN: Der wesentliche Inhalt des Befehls war der, Giraud, ähnlich wie Weygand, zu beseitigen.

OBERST AMEN: Wenn Sie »beseitigen« sagen, was meinen Sie damit?

LAHOUSEN: Ich meine damit dasselbe, was bei Marschall Weygand gemeint und befohlen war, nämlich, ihn zu töten.

OBERST AMEN: Erinnern Sie sich an das ungefähre Datum, an welchem dieser Befehl von Keitel an Canaris gegeben wurde?

LAHOUSEN: Dieser Befehl wurde an Canaris mehrfach gegeben, beziehungsweise mehrfach wiederholt. Wann er das erstemal gegeben wurde, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, weil ich selbst nicht dabei war. Er dürfte nach der Flucht Girauds aus Königstein und vor dem Attentat auf Heydrich in Prag erstmalig gegeben worden sein. Nach meinen Aufzeichnungen sprach Keitel mir gegenüber in Anwesenheit von Canaris über dieses Thema im Juli desselben Jahres.

OBERST AMEN: Gut, was hat Keitel Ihnen persönlich zuerst über die Angelegenheit gesagt?

LAHOUSEN: Er hat – ich kann es naturgemäß nicht im Wortlaut wiederholen, aber dem Sinne nach – die Absicht bekanntgegeben, Giraud »umlegen« zu lassen und mich, ähnlich wie im Falle Weygand, über den damaligen Stand der Dinge befragt.

OBERST AMEN: Und was sagten Sie zu ihm bei dieser Gelegenheit?

LAHOUSEN: Ich kann mich an den Wortlaut nicht erinnern, ich werde irgendeine ausweichende oder hinhaltende Antwort gegeben haben.

OBERST AMEN: Wurde diese Frage von Ihnen später noch einmal irgendwann diskutiert?

LAHOUSEN: Diese Frage wurde meiner Erinnerung nach im August, das genaue Datum ist in meinen Aufzeichnungen festgehalten, nochmals diskutiert. Canaris rief mich am Abend in meiner Privatwohnung an und sagte mir ziemlich ungeduldig, er werde von Keitel schon wieder bedrängt wegen Giraud; wir, das heißt die Abteilungschefs, möchten morgen zusammenkommen, um über diese Angelegenheit weiterzusprechen. Am nächsten Tag, Samstag, fand die Besprechung in unserem Kreise statt. Canaris wiederholte im wesentlichen nun nicht nur mir gegenüber, sondern in dem größeren Kreis, was er mir am Abend vorher gesagt hatte, nämlich, daß er von Keitel dauernd bedrängt werde, und daß nun endlich einmal etwas in dieser Angelegenheit geschehen müsse. Unsere Haltung war dieselbe wie in der Angelegenheit Weygand. Es wurde von allen Anwesenden dieses neuerliche Ansinnen, eine Mordaktion einzuleiten und durchzuführen, glatt abgewiesen. Wir hatten diese unsere Auffassung auch Canaris, der selbstverständlich der gleichen Ansicht war wie wir, mitgeteilt, und Canaris ging darauf zu Keitel hinunter, um ihn zu bewegen, die militärische Abwehr völlig aus solchen Sachen herauszuhalten und diese Angelegenheit, wie schon früher von ihm beantragt und vielleicht vereinbart, das weiß ich nicht, völlig dem SD zu überlassen.

In der Zwischenzeit, während wir alle oben waren, machte Pieckenbrock, und ich erinnere mich genau an jedes Wort, das er damals sagte, folgende Bemerkung: »Man müßte Herrn Keitel doch endlich einmal klar sagen, daß er seinem Herrn Hitler melden solle, daß wir, das heißt die militärische Abwehr, keine Mörderorganisation sind wie der SD oder die SS.« Nach einer kurzen Zeit kam Canaris zurück und sagte, es wäre nun klar, er hätte bei Keitel erreicht und ihn auch zur Überzeugung gebracht, daß wir, das heißt die militärische Abwehr, völlig aus dieser Sache auszuscheiden hätten, und daß die weitere Behandlung dem SD überlassen bliebe. Ich muß hier einschalten und zurückgreifen auf das, was mir Canaris schon seinerzeit, also gleich als diese Befehle oder dieser Befehl gegeben wurden, gesagt hatte, daß nämlich die Durchführung auf jeden Fall verhindert werden würde. Dafür werde er sorgen, und ich solle ihn unterstützen.

OBERST AMEN: Ich glaube, Sie haben uns noch nicht gesagt, wer nun dieser Besprechung beiwohnte?

LAHOUSEN: An dieser Besprechung haben die drei Abwehrchefs teilgenommen, Oberst Pieckenbrock, den ich schon genannt habe, Oberst Bentivegni und ich, wahrscheinlich auch General Oster, möglicherweise Bürckner, (daran kann ich mich aber nicht erinnern), aber ich glaube es nicht, denn in meinen Aufzeichnungen, die diese Besprechung festhalten, sind nur drei Abteilungschefs genannt, die alle drei strikt das Ansinnen abgelehnt haben.

OBERST AMEN: Welches war die nächste Gelegenheit, bei der diese Sache wieder an Sie herangetragen wurde?

LAHOUSEN: Einige Zeit später – es war im September, das genaue Datum ist festgehalten – wurde ich in meiner Privatwohnung vom damaligen Chef des OKW, Keitel, angerufen. Er fragte mich: »Was ist mit ›Gustav‹? Sie wissen doch, was mit ›Gustav‹ gemeint ist?« Meine Antwort: »Ja, das weiß ich.« »Wie steht die Angelegenheit? Ich muß es dringend wissen.« Meine Antwort: »Darüber bin ich nicht orientiert, das hat sich Canaris selbst vorbehalten, und Canaris ist nicht hier, er ist in Paris.« Darauf Befehl von Keitel, beziehungsweise bevor er mir den Befehl gab, stellte er noch eine Frage: »Sie wissen doch, daß die anderen die Sache machen sollen?« Mit den anderen waren die SS, beziehungsweise der SD, gemeint. Meine Antwort: »Ja, das weiß ich.« Darauf der Befehl von Keitel: »Dann gehen Sie sofort zu Müller und erkundigen Sie sich über den Stand der ganzen Aktion; ich muß es dringend wissen.« Ich sagte darauf: »Jawohl«, ging sofort in das Amt Ausland/Abwehr zu General Oster und unterrichtete ihn über das Vorgefallene, bat ihn um Rat, was nun in dieser für Canaris und mich äußerst kritischen und schwierigen Lage zu machen sei, unterrichtete ihn, was Oster ebenfalls schon wußte, daß Canaris dem SD bis dahin kein Wort von dem gesagt hatte, was der SD durchführen sollte, also von der Ermordung Girauds. Oster riet mir, sofort nach Paris zu fliegen und Canaris zu orientieren und zu warnen.

Ich flog noch am nächsten Tag nach Paris, traf Canaris in einem Hotel beim Abendessen in einem kleinen Kreis, bei dem auch Admiral Bürckner anwesend war. Ich orientierte Canaris über das Vorgefallene. Canaris war sehr bestürzt und fand zunächst keinen Ausweg. Während des Essens fragte mich Canaris vor Bürckner und noch zwei anderen anwesenden Offizieren, das war der Oberst Rudolf und ein anderer Herr, dessen Namen ich heute nicht mehr weiß, wann Giraud aus Königstein geflüchtet sei, dann, nach dem Datum, wann die Abwehr-III-Tagung in Prag war, und als drittes Datum, wann das Attentat auf Heydrich war.

Die diesbezüglichen Daten, die ich ja nicht auswendig im Kopfe hatte, gab ich Canaris. Als er die drei Daten hatte, war er sichtlich erleichtert, und seine Miene, die sehr bestürzt war, erhellte sich. Er war also sichtlich erleichtert in jeder Beziehung.

Ich muß einschalten, daß bei der Abwehr-III-Tagung, um die es sich gedreht hat, Heydrich anwesend war. Das war eine Zusammenkunft, eine Tagung zwischen Abwehr III und koordinierten Leuten vom SD, die also auch mit der Spionageabwehr zu tun hatten. Canaris hatte nun seinen ganzen Plan auf diesen drei Daten aufgebaut. Der Plan bestand darin, den Anschein zu erwecken, daß er Heydrich bei dieser Tagung den Befehl weitergegeben hätte, die Aktion durchzuführen, also den Tod Heydrichs auszunützen und damit die ganze Sache zu Fall zu bringen.

Am nächsten Tage flogen wir nach Berlin, und Canaris meldete bei Keitel, daß die Sache in Ordnung sei und er, Canaris, Heydrich bei der vorerwähnten Abwehr-III-Tagung in Prag die nötige Orientierung gegeben habe und Heydrich alles eingeleitet habe, daß hiernach bereits eine Sonderaktion gestartet sei, um Giraud ermorden zu lassen. Damit war diese Angelegenheit erledigt und zu Fall gebracht.

OBERST AMEN: Ich glaube, es ist ein Fehler in der Übersetzung vorgekommen. Wollen Sie bitte zu der Stelle zurückkehren, da Sie sich zuerst über Heydrich in Verbindung mit Canaris äußerten, und die Geschichte wiederholen, denn ich glaube, daß die Übersetzung falsch war. Mit anderen Worten, kommen Sie zu dem Punkte zurück, wo Canaris plötzlich erleichtert schien und Ihnen zu erzählen anfing, was anscheinend die Lösung sein könnte.

LAHOUSEN: Canaris war, sichtlich für alle Anwesenden, erleichtert, als er von mir oder durch mich die drei Zeitdaten erfahren hatte. Denn seine ganzen Pläne oder sein Manöver war, und das ist typisch für seine Wesensart, eine rein intellektuelle, eine rein geistige Kombination, eben aus den drei Zeitdaten. Weiterhin war wesentlich die Flucht von Giraud, also das Datum von Girauds Flucht und die Abteilung-III-Tagung. Denn, wenn diese Abteilung-III-Tagung vor der Flucht Girauds gewesen wäre, so wäre die Kombination wahrscheinlich nicht stichhaltig vorzubringen gewesen.

VORSITZENDER: Oberst Amen, was ist der Grund für diese Wiederholung?

OBERST AMEN: Es ist ein Fehler in dem Bericht. Wenn es der Gerichtshof wünscht, werde ich diese Wiederholung abbrechen.

VORSITZENDER: Dem Gerichtshof erscheint das Gesagte vollständig klar.

OBERST AMEN: Sehr wohl. Was ereignete sich dann später in der Sache Giraud?

LAHOUSEN: Später ereignete sich nichts mehr. Giraud flüchtete, wie bekannt, nach Nordafrika. Ich habe nur gehört, aber viel später, daß Hitler über diese Flucht außer sich war und sie als ein totales Versagen des Sicherheitsdienstes bezeichnete; das soll in stenographischen Aufzeichnungen des Führer- Hauptquartiers festgelegt sein. Der Mann, der mir das übermittelt hat, ist im Bereich der amerikanischen Zone.

OBERST AMEN: War Ihnen Oberst Rowohl bekannt?

LAHOUSEN: Ja.

OBERST AMEN: Wer war er?

LAHOUSEN: Rowohl war ein Offizier der Luftwaffe, Oberst der Luftwaffe.

OBERST AMEN: Was war die Tätigkeit der Sonderstaffel, der er angehörte?

LAHOUSEN: Rowohl hatte eine Sonderstaffel für Höhenflug, die mit Amt Ausland/Abwehr in der Aufklärung gewisser Gebiete beziehungsweise Staaten zusammenarbeitete.

OBERST AMEN: Waren Sie je zugegen, wenn er Canaris berichtete?

LAHOUSEN: Ja, ich war ab und zu anwesend.

OBERST AMEN: Können Sie sich erinnern, was Rowohl bei diesen Gelegenheiten Canaris berichtete?

LAHOUSEN: Rowohl berichtete über das Ergebnis seiner Flüge, seiner Aufklärungsflüge und legte das Bildmaterial vor, das, ich glaube, bei Abwehr I, die hierfür zuständig war, und zwar bei der Gruppe »Luft«, irgendwelcher Auswertung unterzogen wurde.

OBERST AMEN: Wußten Sie, über welchen Gebieten diese Aufklärungsflüge unternommen wurden?

LAHOUSEN: Sie wurden unternommen über Polen, dann England und im Südostraum; näher kann ich das nicht bezeichnen, das heißt, welche Gebiete oder welche Staaten des Südostraumes; ich weiß nur, daß diese Staffel in Budapest eingesetzt war für Erkundungszwecke, beziehungsweise Aufklärungszwecke.

OBERST AMEN: Sahen Sie selbst einige dieser Photographien?

LAHOUSEN: Jawohl.

OBERST AMEN: Wollen Sie dem Gerichtshof die Daten geben, an denen Ihres Wissens diese Aufklärungsflüge über London und Leningrad gemacht wurden?

LAHOUSEN: Die genauen Daten kann ich nicht angeben. Ich erinnere mich nur an meine Anwesenheit bei Besprechungen zwischen Rowohl und Canaris daran, Pieckenbrock war auch ab und zu anwesend, daß diese Aufklärungsflüge in den genannten Räumen stattgefunden haben; daß Bildmaterial vorgelegen hat; daß die Staffel von ungarischen Flugplätzen, also aus dem Raum Budapest, geflogen ist, weil ich selbst einmal mit so einer Maschine von Budapest nach Berlin zurückgeflogen bin, und weil ich einige Leute, also einige Piloten aus dieser ihrer Tätigkeit her kannte.

OBERST AMEN: Ich will Sie nun über das Jahr oder die Jahre befragen, während denen diese Erkundungsflüge unternommen wurden.

LAHOUSEN: Sie wurden im Jahre 1939, und zwar vor Beginn des Polen-Feldzugs unternommen.

OBERST AMEN: Wurden diese Flüge geheimgehalten?

LAHOUSEN: Ja. Sie wurden naturgemäß geheimgehalten.

OBERST AMEN: Und warum wurden diese Flüge von Ungarn aus unternommen; wissen Sie etwas davon?

LAHOUSEN: Das müßte ein Fachmann der Luftwaffe erläutern.

OBERST AMEN: Haben Sie einen Bericht über die Behandlung der Juden in gewissen Gebieten in Ihrem Besitz?

LAHOUSEN: Ja, ich habe einen Bericht, der auf dem Abwehrweg, wahrscheinlich über die Abwehr Abteilung III, an das Amt gekommen ist, und den ich für die Aufzeichnungen von Canaris und in Abschrift für mich habe anfertigen lassen. Er handelt von den Judenerschießungen in Borrisow.

OBERST AMEN: Ist das ein offizieller Bericht?

LAHOUSEN: Ja. Der Bericht kam den Abwehrweg. Es muß sich auf Grund des Dokuments feststellen lassen, von welcher Stelle er an uns gekommen ist. Es ist in diesem Zusammenhang, also Judenerschießungen in Borrisow, auch der Name eines mir sehr gut bekannten Abwehroffiziers, der auch Österreicher war wie ich, genannt.

OBERST AMEN: Wenn es der Gerichtshof gestattet, möchte ich nun eine Photokopie oder Kopien von den Eintragungen, die der Zeuge in allen Einzelheiten gemacht hat, als Beweisunterlage vorlegen und auch eine Photokopie des Berichts. Die Originale sind hier im Gerichtssaal, können aber nicht aus dem Kasten, in dem sie enthalten sind, herausgenommen werden. Sie sind durch eine Bombenexplosion derart beschädigt, daß ein Herausheben aus dem Kasten sie vollständig zerstören würde; wir haben sie aber photokopieren lassen, und die Photokopien sind nun vorhanden. Jener Brief würde Beweisstück 3047-PS, US-80 sein.

VORSITZENDER: Oberst Amen, verstehe ich recht, daß nur jene Teile dieser Dokumente, die hier vor dem Gerichtshof verlesen werden, als Beweisstücke gelten?

OBERST AMEN: Sie wurden vom Zeugen benutzt, seine Erinnerung aufzufrischen.

VORSITZENDER: Ja, das ist mir bekannt.

OBERST AMEN: Und keines derselben wurde vollständig im Gerichtssaal verlesen, aber es kann jederzeit geschehen, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Wenn Sie wünschen, daß sie als Urkundenbeweis gelten sollen, so müssen Sie sie selbstverständlich verlesen. Oberst Amen, wollen Sie diese Dokumente noch weiter verwenden, außer zum Auffrischen des Erinnerungsvermögens des Zeugen?

OBERST AMEN: Ich glaube nicht, Herr Vorsitzender; da ich sie aber in dieser Weise gebraucht habe, so halte ich es für nicht mehr wie recht, sie dem Gerichtshof als Beweisstück zur Kenntnisnahme und Prüfung vorzulegen. Was mich betrifft, so haben sie ihren Zweck erfüllt.

VORSITZENDER: Wenn die Verteidigung sie zum Zweck des Kreuzverhörs zu sehen wünscht, kann dies natürlich geschehen.

OBERST AMEN: Gewiß, Herr Vorsitzender. Ich habe sie bereits als Beweisstück 3047-PS, US-80 angeboten.

VORSITZENDER: Aber anderweitig können sie nicht als Beweisstück verwendet werden.

OBERST AMEN: Ganz richtig.

VORSITZENDER: Dieses Bündel Papiere scheint einen Bericht über die Hinrichtungen von Juden in Borrisow zu enthalten.

OBERST AMEN: Ja.

VORSITZENDER: Auch das wird nicht als Beweisstück erscheinen, es sei denn, daß Sie es vorlesen.

OBERST AMEN: Ganz richtig, Herr Vorsitzender. Ich will in den Ihnen soeben unterbreiteten Vorschlag noch einschließen, daß ich von unserem Beweismaterial nichts offiziell vorlegen oder verlesen werde, wenn es nicht ausdrücklich vom Gerichtshof gewünscht wird.

VORSITZENDER: Sehr gut, der Gerichtshof wünscht es nicht.

OBERST AMEN: Sehr wohl.