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[Zum Zeugen gewendet:]

Waren Sie als Mitglied der Abwehr im allgemeinen über die Pläne des Deutschen Reiches, Krieg zu führen, gut unterrichtet?

LAHOUSEN: Sofern sie in ihren Auswirkungen die Tätigkeit oder die Mitwirkung des Amtes AuslandAbwehr in der Vorbereitung betroffen haben.

OBERST AMEN: Gelangte irgendwelche Kenntnis von Informationen zu Ihnen, welche gewöhnlichen Mitarbeitern oder Offizieren in der Armee nicht zugänglich waren?

LAHOUSEN: Ja, naturgemäß; das lag im Wesen meiner Dienststellung.

OBERST AMEN: Gelangten Sie in Ihrer Gruppe auf Grund der Kenntnisse, die Sie auf diese Weise erhielten, zu einer Entscheidung, ob der Angriff auf Polen ein unprovozierter Angriffsakt war oder nicht?

LAHOUSEN: Ich bitte, die Frage noch einmal zu wiederholen.

VORSITZENDER: Oberst Amen, das ist eine der hauptsächlichen Fragen, die der Gerichtshof zu entscheiden hat. Sie dürfen nicht Beweisstücke vorlegen, die eine vom Gerichtshof zu entscheidende Frage betreffen.

OBERST AMEN: Sehr gut, Herr Vorsitzender. Der Zeuge steht nun für das Kreuzverhör zur Verfügung.

VORSITZENDER: Wünscht einer der Anklagevertreter dem Zeugen einige Fragen zu stellen? General Rudenko?

GENERAL R. H. RUDENKO, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Zeuge Lahousen, Sie haben bereits genaue Antworten auf die Fragen von Oberst Amen gegeben. Ich möchte Sie gern nach gewissen Einzelheiten fragen. Habe ich Sie richtig verstanden, als Sie sagten, daß aufständische ukrainische Einheiten unter Leitung des deutschen Oberkommandos organisiert wurden?

LAHOUSEN: Das waren ukrainische Emigranten aus Galizien.

GENERAL RUDENKO: Und aus diesen Auswanderern wurden Kommandos gebildet?

LAHOUSEN: Ja – »Kommandos« ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Es waren Leute, die in Lagern zusammengefaßt und einer militärischen oder halbmilitärischen Ausbildung unterzogen wurden.

GENERAL RUDENKO: Was waren die Aufgaben dieser Kommandos?

LAHOUSEN: Es waren, wie ich schon erwähnt habe, Organisationen von Auswanderern aus der galizischen Ukraine, die mit dem Amt Ausland/Abwehr zusammengearbeitet haben.

GENERAL RUDENKO: Welches waren die tatsächlichen Aufgaben dieser Kommandos?

LAHOUSEN: Die Aufgabe wurde jeweils mit Beginn der Kampfhandlungen von der vorgesetzten Dienststelle, das war also in der Befehlslinie des Amtes, dem ich angehört habe, das OKW, bestimmt.

GENERAL RUDENKO: Was für Aufgaben hatten diese Gruppen?

LAHOUSEN: Diese Kommandos sollten Störaufgaben im Rücken der feindlichen Front durchführen, Störaufgaben aller Art.

GENERAL RUDENKO: In welchem Gebiete?

LAHOUSEN: In jenem Territorium, mit dem Deutschland sich im Kriegszustand befand, also im konkreten Fall, um den es sich in dieser Angelegenheit handelt, mit Polen; in Polen richtiger gesagt.

GENERAL RUDENKO: Natürlich in Polen. Was wurde außer Sabotage noch gemacht?

LAHOUSEN: Sabotageunternehmungen, wie Sprengung von Brücken und anderen Objekten, die militärisch wichtig waren. Was militärisch wichtig war, wurde vom Wehrmachtsführungsstab bestimmt. Die Tätigkeit im besonderen habe ich soeben geschildert, also Zerstörungen von militärisch oder für die Operationen wichtigen Objekten.

GENERAL RUDENKO: Und die terroristische Betätigung? Ich fragte Sie über die terroristischen Handlungen dieser Einheiten?

LAHOUSEN: Politische Aufgaben bekamen sie von uns, das heißt vom Amt Ausland/Abwehr, nicht; die politischen Aufgaben wurden von den hierfür zuständigen verantwortlichen Dienststellen des Reiches gestellt, allerdings oft in fälschlicher...

GENERAL RUDENKO: Sie haben mich mißverstanden. Sie sprechen über Sabotage, und ich fragte Sie wegen terroristischer Handlungen dieser Organisationen. Verstehen Sie mich? War Terror eine ihrer Aufgaben? Ich möchte nochmals wiederholen: wurden den Organisationen außer Sabotagehandlungen auch Terrorhandlungen zugewiesen?

LAHOUSEN: Niemals von unserer Seite.

GENERAL RUDENKO: Sie haben mir gesagt, daß von Ihrer Seite die Frage des Terrors nie aufgeworfen wurde. Wer hat also diese Frage aufgeworfen und wer hat daran gearbeitet?

LAHOUSEN: Um das ist es ja immer gegangen. Jede einzelne militärische Abwehr bekam immer wieder in verschiedener Form die Anregung oder Aufforderung, unsere rein militärischen und auf die Bedürfnisse der Wehrmachtsführung abgestellten Aufgaben mit politischen oder Terrormaßnahmen zu verbinden, so auch zum Beispiel, wie aus dem Aktenvermerk klar hervorgeht, in der Vorbereitung des Feldzugs gegen Polen.

GENERAL RUDENKO: Als Sie die Frage von Oberst Amen beantworteten, ob der Rotarmist als ein ideologischer Feind angesehen wurde und deshalb entsprechenden Maßnahmen unterliegen sollte, was meinten Sie da mit entsprechenden Maßnahmen? Ich wiederhole meine Frage. Sie haben gesagt, daß der Rotarmist von Ihnen, das heißt vom deutschen Oberkommando, als ideologischer Feind betrachtet wurde und entsprechenden Maßnahmen unterworfen werden sollte. Was heißt das? Was wollen Sie mit entsprechenden Maßnahmen sagen?

LAHOUSEN: Unter den besonderen Maßnahmen verstehe ich ganz klar alle die brutalen Maßnahmen, die in der Praxis getroffen wurden, von denen ich gesprochen habe, und von denen ich überzeugt bin, daß sie viel, viel zahlreicher waren, als ich aus meinem immerhin beschränkten Gesichtskreis dazu sagen kann oder mir bekannt ist.

GENERAL RUDENKO: Sie haben bereits dem Gerichtshof gesagt, daß es besondere Kommandos gab, die die Kriegsgefangenen auswählten und siebten. Soviel ich weiß, wurde die Auswahl in der folgenden Weise getroffen: Es wurde entschieden, wer getötet wurde und wer in Internierungslager kam. Stimmt das?

LAHOUSEN: Ja, die besonderen Kommandos, also die Einsatzkommandos des SD., waren wohl nur mit der Hinrichtung der ausgesonderten Kriegsgefangenen befaßt.

GENERAL RUDENKO: Damit ist der Befehlshaber der Kommandos verantwortlich und trifft die Entscheidung über die Frage, wer getötet wird und wer nicht getötet wird.

LAHOUSEN: Ja, um dieses Thema ging auch die Besprechung bei Reinecke, daß dem Leiter eines solchen Kommandos in die Hände gegeben wurde, zu entscheiden, wer als bolschewistisch verseucht im Sinne des Befehls anzusehen sei und wer nicht.

GENERAL RUDENKO: Und der Befehlshaber des Kommandos traf also die Entscheidung nach eigenem Ermessen, was mit ihnen geschehen sollte?

LAHOUSEN: Ja, wenigstens bis zu dem Zeitpunkt, also bis zu der Besprechung, an der ich im Auftrag von Canaris teilnahm; denn darum ging es ja unter anderem bei der Besprechung.

GENERAL RUDENKO: Sie haben uns über Ihren und Canaris' Einspruch gegen die Greueltaten, die Erschießungen usw. berichtet. Was waren die Ergebnisse dieser Proteste?

LAHOUSEN: Sie haben, wie ich schon ausgeführt habe, äußerst bescheidene Resultate gehabt, die man kaum als Resultat bezeichnen kann; denn man kann die Tatsache, daß die Hinrichtungen, statt vor den Augen der Truppe, 500 Meter abseits stattfanden, nicht in irgendeinem Sinne als Resultat bezeichnen.

GENERAL RUDENKO: Welche Besprechung haben Sie mit Müller über dieses Thema gehabt, Zugeständnisse seinerseits betreffend? Sie haben uns gesagt, als Sie von General Alexandrow gefragt wurden...

LAHOUSEN: Wer war Alexandrow?

GENERAL RUDENKO: Sie wurden von Oberst Rosenblith, einem Vertreter der Sowjetdelegation, verhört. Ich bedauere, ich habe einen Fehler gemacht. Sie erinnern sich vielleicht noch an Ihre Mitteilung gegenüber Oberst Rosenblith bezüglich des Gesprächs und der Zugeständnisse, die Müller gemacht hat. Ich möchte Sie bitten, uns diesen Teil nochmals zu wiederholen.

LAHOUSEN: Der Name Alexandrow hat für mich keinen Sinn. Was bedeutet der Name Alexandrow in diesem Zusammenhang?

GENERAL RUDENKO: Alexandrow ist von mir irrtümlich erwähnt worden; lassen Sie es. Mich interessiert die Angelegenheit Müller, soweit sie Erschießungen, Mißhandlungen und anderes betrifft.

LAHOUSEN: Mit Müller hatte ich ein sehr ausführliches Gespräch, besonders bezüglich des Themas der Aussonderungen; und zwar habe ich den Vorfall als konkretes Beispiel für die Methoden angeführt, die die Aussonderung von Krimtataren, also von sowjetrussischen Soldaten, die ihrer Nationalität nach von der Krim stammten, beinhaltet hat, und Fälle, in denen Leute, die Mohammedaner waren, aus bestimmten Gründen als Juden erklärt und deswegen hingerichtet wurden. Also abgesehen von der Brutalität dieser und aller ähnlicher Maßnahmen zeigt es sich auch, nach welchen völlig unsinnigen Gesichtspunkten, beziehungsweise nach Gesichtspunkten, die sich ein normaler Mensch nicht erklären kann, diese ganze Sache erfolgt ist. Auf das habe ich unter anderem hingewiesen.

GENERAL RUDENKO: Sie haben uns gesagt, wie diese Methoden ausgeführt wurden.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann Sie nicht verstehen, fahren Sie bitte etwas langsamer fort.

GENERAL RUDENKO: Haben Sie den Bericht über Ihre Unterredung mit Müller beendet?

LAHOUSEN: Nein, ich habe noch nicht geendet. Mit Müller habe ich mich sehr viel auseinandergesetzt; es war der Kernpunkt aller dieser Gespräche. Über alle diese Themen, über die ich hier Zeugnis abgelegt habe, habe ich ja zunächst mit Müller als dem zuständigen Manne, wenigstens in seinem Sektor zuständigen Manne, gesprochen und die Dinge ihm gegenüber vorgebracht; und Reinecke hat ja nur dann in diesem seinem Standpunkt entschieden, in meinem, beziehungsweise des Amtes, entgegengesetztem Sinne. Ich bitte mir zu sagen, auf welchen Kernpunkt Sie eingehen wollen, dann werde ich gern wiederholen.

GENERAL RUDENKO: Sie haben meistens von Morden, Erschießungen und so weiter gesprochen, besonders von Erschießungen. Ich interessiere mich sehr dafür. Was hat Müller darüber gesagt? Wie sollten die Erschießungen stattfinden, besonders nachdem Sie dagegen Protest erhoben hatten?

LAHOUSEN: Er hatte mir in ziemlich zynischer Form erklärt: »Dann werden die Erschießungen eben abseits vorgenommen werden, wenn die Truppe, wie Sie es darstellen, so furchtbar gestört ist und der Geist darunter leidet et cetera.« Das war der wesentliche Sinn.

GENERAL RUDENKO: War das das Ergebnis Ihrer Einsprüche?

LAHOUSEN: Das war das dürftige Resultat des Protestes. Und dann noch eine gewisse Zusicherung....

GENERAL RUDENKO: Nun noch eine letzte Frage. Was die Zustände in Konzentrationslagern anbetrifft, wo russische Gefangene hingebracht wurden und wo Massenhinrichtungen stattfanden, war das alles die Folge von Weisungen des deutschen Oberkommandos?

LAHOUSEN: In irgendeiner Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen, dem Reichssicherheitshauptamt. Ich muß zu all' dem, was ich gesagt habe, erklären, daß ich selbst damals die Berichte nicht gelesen habe, sondern nur aus der Besprechung oder in der Hauptsache aus der Besprechung mit Reinecke, der mir als Vertreter des OKW gegenübergetreten ist, und mit besagtem Müller erfahren habe, daß in fast allen Besprechungen die Zusammenarbeit oder die Koordination zum Ausdruck gekommen ist.

GENERAL RUDENKO: Entschuldigen Sie, haben Sie diese Information in privaten oder offiziellen Besprechungen oder Konferenzen erhalten?

LAHOUSEN: Das war eine ganz ausgesprochen amtliche Besprechung, die von General Reinecke als dem Vorsitzenden einberufen war. Und ich war nicht als »Lahousen« da, sondern als Vertreter des Amtes Ausland/Abwehr.

GENERAL RUDENKO: Kamen die Befehle, die in diesen Sitzungen ausgegeben wurden, direkt an Sie vom Deutschen Oberkommando?

LAHOUSEN: Sie sind vom OKW und von irgendeiner höchsten Stelle des Reichssicherheitshauptamtes ausgegangen, wie von Reinecke erklärt wurde. Ich selbst habe sie aber nicht mit eigenen Augen gelesen oder gesehen. Das ist alles, was ich erklären kann.

GENERAL RUDENKO: Während dieser Konferenzen haben Sie doch gehört, wo und wann diese Befehle erörtert wurden?

LAHOUSEN: Ja, die Besprechung selbstverständlich; deren Verlauf habe ich ja geschildert, oder ihren wesentlichen Ablauf.

GENERAL RUDENKO: Und wurden in diesen Konferenzen, welche Sie bereits erwähnt haben, Fragen über Ermordungen und Verbrennen von Städten erörtert?

LAHOUSEN: Über das Brennen hat man bei dieser Besprechung nichts erwähnt, wohl aber über die ergangenen Befehle bezüglich der Behandlung der Gefangenen.

GENERAL RUDENKO: Nur über die Ermordungen?

LAHOUSEN: Über die Exekutionen.

GENERAL RUDENKO: Das ist alles.

VORSITZENDER: Will der französische Anklagevertreter irgendwelche Fragen stellen?

M. DUBOST: Eine einzige Frage; Wer gab die Befehle zur Vernichtung der Kommandos?

LAHOUSEN: Sie meinen wohl die Tötung von Angehörigen der Kommandotruppen?

M. DUBOST: Wer hat den Befehl für die Hinrichtung gegeben?

LAHOUSEN: Den Befehl habe ich selbst nicht gelesen. Es ist nach dem, was damals in unserem Kreise über dieses Thema gesprochen wurde, anzunehmen, daß die Idee von Hitler selbst stammt. Wer für die Umwandlung dieser Idee in einen Befehl entscheidend war, kann ich nicht sagen.

M. DUBOST: Welche Befehle haben Keitel und Jodl behandelt? Welche Befehle haben sie gegeben?

LAHOUSEN: Das kann ich nicht sagen, weil ich es nicht weiß.

M. DUBOST: Welches waren nach Ihrer Kenntnis die Gründe für diese Befehle?

LAHOUSEN: Die Gründe für diese Befehle waren, nicht nur nach meiner Ansicht, sondern wie es damals ganz klar ausgesprochen wurde, und ich glaube, auch im Befehl, den ich damals nicht selbst gelesen habe, festgelegt wurde, eine abschreckende Wirkung zu erzielen und damit die Tätigkeit der Kommandos zu unterbinden und lahmzulegen.

M. DUBOST: Wer hat den Befehl gegeben, General Giraud zu ermorden?

LAHOUSEN: Ich habe den ersten Teil dieser Frage nicht gehört.

M. DUBOST: Wer hat den Befehl zur Tötung Weygands und Girauds gegeben?

LAHOUSEN: Der Befehl zur Beseitigung, das ist also, um es klar auszudrücken, zur Ermordung von Weygand und Giraud, hat mir Canaris als von Keitel erhalten übermittelt.

Ich habe im übrigen durch persönliche Bemerkung von Keitel mir gegenüber im Falle Weygand, bei einem Vortrag, der am 23. Dezember 1940 nach meinen Aufzeichnungen von Canaris bei Keitel erfolgte, und bei dem ich anwesend war, diesen Befehl und diese Absicht direkt übermittelt bekommen in Form der Frage nach dem Stand der Angelegenheit Weygand.

Ich habe im zweiten Fall, das ist im Fall Giraud, die Tatsache, daß dieser Befehl von Keitel an Canaris ergangen ist, erstens durch Canaris selbst erfahren, ebenso die anderen anwesenden Abteilungschefs; ich habe weiter zum zweiten Male, bei einem Vortrag, bei dem ich mit Canaris bei Keitel im Juli 1942 anwesend war, ihn in ähnlicher Form wie bei Weygand mitgeteilt bekommen, und schließlich unmittelbar im Telephongespräch, das ich hier geschildert habe, durch Keitel in dringlicher Form.