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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Ich möchte bekanntgeben, daß sich der Gerichtshof heute um 4.00 Uhr vertagen wird.

MAJOR FARR: Durch ihre Tätigkeit in Bezug auf die Konzentrationslager erfüllte die SS einen Teil ihrer Aufgabe, die Sicherheit des Nazi-Regimes zu gewährleisten. Aber noch ein weiterer besonderer Teil dieser Aufgabe darf nicht vergessen werden. Der Gerichtshof wird sich Himmlers Definition jener Aufgabe, die ich schon früher erwähnt habe, erinnern: die Verhütung einer bolschewistisch-jüdischen Revolution von Untermenschen. Klarer ausgedrückt heißt das: Teilnahme am Nazi-Programm, der Judenverfolgung und Ausrottung.

Es würde müßig sein, mich des längeren auf das Beweismaterial über diesen Programmpunkt zu beziehen, das dem Gerichtshof vor ein oder zwei Tagen von Major Walsh vorgelegt wurde. Ich möchte nur auf einige wenige Dokumente aufmerksam machen, um zu zeigen, wie jede Abteilung und Gliederung der SS in das Programm verwickelt war.

Die Rassenphilosophie der SS, mit der ich mich schon zu Beginn befaßt habe, machte diese Organisation zu einem natürlichen Werkzeug bei der Durchführung aller Arten von antisemitischen Maßnahmen. Die Einstellung der SS zur Judentrage wurde in der SS-Zeitschrift »Das Schwarze Korps« öffentlich festgelegt, und zwar in einer Erklärung ihres Schriftleiters Gunter d'Alquen in der Ausgabe vom 8. August 1940; sie wurde schon als Beweisstück US-269 verlesen. Es handelt sich um unser Dokument 2668-PS. Ich werde nicht noch einmal die Stelle zitieren, in der d'Alquen erklärt, daß die Judenfrage erst gelöst ist, wenn der letzte Jude ausgetrieben ist, und daß der deutsche Friede, der Europas harrt, ein Friede ohne Juden sein muß.

Der Versuch, die Judenfrage durch »spontane« Demonstrationen in Deutschland, die nach der Ermordung von vom Rath im November 1938 erfolgten, zu lösen, wurde dem Gerichtshof schon vorgetragen. Bei diesen Demonstrationen waren alle Gliederungen der SS zum Einsatz aufgerufen. Ich beziehe mich auf das Fernschreiben von SS-Gruppenführer Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, vom 10. November 1938. Es ist unser Dokument 3051-PS. Teile dieses Fernschreibens sind bereits als Beweisstück US-240 verlesen worden. Ich möchte einen weiteren Absatz zitieren, der noch nicht verlesen wurde. Er erscheint auf Seite 2 der Übersetzung, der vierte Absatz. Ich zitiere:

»Die Leitung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen hinsichtlich der Demonstrationen gegen Juden liegt bei den Staatspolizeistellen,« – womit die Gestapo gemeint ist – »soweit nicht die Inspekteure der Sicherheitspolizei Weisungen erteilen. Zur Durchführung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen können Beamte der Kriminalpolizei sowie Angehörige des SD, der Verfügungstruppe und der Allgemeinen SS zugezogen werden.«

Mit dem Ausbruch des Krieges und dem Marsch der Nazi-Armeen in Europa nahm die SS an der Lösung der Judenfrage in anderen europäischen Ländern teil. Die Lösung bedeutete nichts anderes als Ausrottung. Zum größten Teil Wurden diese Massenmorde als »Antipartisanen«- oder »Antiguerilla«-Aktionen ausgegeben; damit gehörten zu den Opfern nicht nur Juden, sondern auch Sowjets, Polen und andere östliche Völker. Mit dieser Antipartisanen-Tätigkeit werde ich mich in kurzem beschäftigen.

Ich möchte jetzt auf einige Aktionen zu sprechen kommen, die sich im wesentlichen gegen Juden richteten. Um ein Beispiel zu nennen, führe ich die Massenvernichtungen von Juden in den Gaswagen an, die in unserem Dokument 501-PS beschrieben sind; Major Walsh verlas das Dokument als Beweisstück US-288 ins Protokoll. Ich glaube nicht, daß dieses Dokument in unserem Dokumentenbuch erscheint; ich will auch daraus nichts verlesen, sondern nur darauf hinweisen, daß diese Gaswagen, wie sich aus den Briefen ergibt, von der Sicherheitspolizei und dem SD unter der Leitung des Reichssicherheitshauptamtes, RSHA, betrieben wurden. Ein anderes Beispiel ist der Bericht des SS-Gruppenführers und Generalleutnants der Polizei Katzmann an den SS-Obergruppenführer und General der Polizei Krüger mit dem Titel »Lösung der Judenfrage in Galizien«; es ist unser Dokument L-18, das schon als Beweisstück US-277 eingereicht worden ist. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß die Lösung, die in der Evakuierung und Vernichtung aller Juden in Galizien und in der Beschlagnahme ihres Eigentums bestand, unter der energischen Leitung der SS und Polizeiführer unter Mithilfe von SS-Polizeieinheiten durchgeführt wurde. Ich möchte drei kurze Stellen aus dem Bericht vortragen, die noch nicht verlesen wurden. Zuerst den Text zu einer Photographie auf Seite 3 der Übersetzung und auf Seite 3 a des Originalberichts. Es ist der erste Punkt auf Seite 3 der Übersetzung. Ich zitiere:

»Groß war die Freude der SS-Männer, als der Reichsführer-SS im Jahre 1942 persönlich einige Lager an der Rollbahn besichtigte.«

Die zweite Stelle ist eine Aufstellung, die sich auf Seite 11 der Übersetzung und auf Seite 17 des Berichts befindet. Ich lese Punkt 3 der Aufstellung:

»3. Überwiesener Betrag an den SS-Wirtschafter:

a) Lager: 6.867.251,00 Zl

b) Wirtschafts- und Rüstungs-Betriebe: 6.556.513,69 Zl

Insgesamt: 13.423.764,69 Zl

Weitere Überweisungen an den SS-Wirtschafter werden laufend monatlich durchgeführt.«

Die dritte Stelle, die ich verlesen möchte, sind die zwei letzten Absätze des Berichts auf Seite 20 der Übersetzung und auf Seite 64 des Originaldokuments. Ich lese die zwei letzten Absätze des Berichts:

»Trotz der außerordentlichen Belastung, die jeder einzelne SS- und Polizei-Angehörige während dieser Aktionen durchzumachen hatte, ist die Stimmung und der Geist der Männer vom ersten bis zum letzten Tage außerordentlich gut und lobenswert gewesen.

Nur durch persönliches Pflichtbewußtsein jedes einzelnen Führers und Mannes ist es gelungen, dieser Pest in kürzester Frist Herr zu werden.«

Das letzte Beispiel für die Teilnahme der SS an den Judenausrottungen, auf das ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs lenken möchte, ist der schändliche Bericht des SS-Brigadeführers und Generalmajors der Polizei Stroop über die Zerstörung des Warschauer Ghettos. Es ist unser Dokument 1061-PS. Dieser Bericht wurde von Major Walsh als Beweisstück US- 275 vorgelegt; der Gerichtshof hat erklärt, daß er den gesamten Bericht zum Beweise annähme, ohne daß es notwendig sei, ihn vollständig zu verlesen. Ich werde daher keine weiteren Stellen verlesen, möchte aber besonders auf zwei Abschnitte hinweisen, die die Zusammensetzung der Kräfte behandeln, die für diese furchtbare Aktion eingesetzt waren. Seite 1 der Übersetzung gibt einen Überblick über die eingesetzten Einheiten.

VORSITZENDER: Ist es hier?

MAJOR FARR: Unser Dokument 1061-PS. Ich bin gerade dabei, Ihre Aufmerksamkeit auf eine Tabelle der Einsatzkräfte zu lenken, die bei dieser Aktion Verwendung fanden. Sie gibt die Durchschnittszahl der täglich verwendeten Offiziere und Mannschaften der einzelnen Einheiten wieder. Sie werden bemerken, daß sich unter den eingesetzten Einheiten der Stab des SS- und Polizeiführers, zwei Bataillone der Waffen- SS, zwei Bataillone des 22. SS-Polizeiregiments und Angehörige der Sicherheitspolizei befanden. Die Rolle, die die Waffen-SS spielte, wurde vom Verfasser des Berichts besonders lobend hervorgehoben. Der Gerichtshof wird sich an die von Major Walsh verlesene Stelle erinnern, die von dem Draufgängertum der Männer der Waffen-SS, der Polizei und der Wehrmacht spricht, und in der der Verfasser sagt:

»Wenn man berücksichtigt, daß die Männer der Waffen-SS zum größten Teil vor ihrem Einsatz nur eine 3-4 wöchentliche Ausbildung hinter sich hatten, so muß der von ihnen gezeigte Schneid, Mut und die Einsatzfreudigkeit besonders anerkannt werden.«

Der Gerichtshof hat bereits von der stolzen Prahlerei Himmlers über die Rolle, die die SS bei der Vernichtung der Juden spielte, gehört. Sie erfolgte in seiner Posener Rede, unser Dokument 1919-PS; sie wurde bei der Darstellung des Tatbestands über die Konzentrationslager in das Protokoll verlesen. Die Stelle, auf die ich mich beziehe, erscheint in der Mitte der Seite 4 der Übersetzung und auf Seite 66 des Originals. Da sie schon verlesen wurde, brauche ich sie nicht nochmals zu zitieren; ich möchte aber den Gerichtshof darauf hinweisen, daß Himmler erklärte, nur die SS könnte dieses Vernichtungsprogramm der Juden durchgeführt haben, und daß ihre Teilnahme an diesem Programm ein Ruhmesblatt in ihrer Geschichte wäre, das niemals voll gewürdigt werden könne.

Ich will nun darüber sprechen, wie sich die SS in das Programm des Angriffskrieges der Verschwörer einfügte; ebenso will ich ihre Verantwortlichkeit für die Verbrechen gegen den Frieden, die in der Anklageschrift eingeführt sind, erörtern. Von Anfang an leistete sie für die Angriffsziele der Verschwörer wertvolle Beiträge.

Erstens war sie eine der halbmilitärischen Organisationen, mit denen die Verschwörer den Aufbau einer Armee in Verletzung des Versailler Vertrags bemäntelten.

Zweitens förderte sie durch angeschlossene SS-Organisationen in anderen Ländern und durch einige Abteilungen ihrer eigenen obersten Führung den Aufbau von »Fünften Kolonnen« außerhalb Deutschlands und bereitete den Weg für den Angriff vor.

Drittens nahm sie mit ihren militärischen Einheiten an Angriffshandlungen teil, die dann auch schließlich durchgeführt wurden.

Der Gerichtshof hat gerade den Beweisvortrag gegen die SA gehört, welcher zeigte, daß die SA von 1933 bis 1938 militarisiert wurde und tatsächlich nichts anderes als eine getarnte Armee war. Ein Teil dieses Beweismaterials bezog sich auch auf die SS. Der halbmilitärische Charakter der »Allgemeinen SS« ist offenkundig. Ich habe schon den militärischen Charakter ihres Aufbaus beschrieben, die militärische Disziplin, die von ihren Mitgliedern verlangt wurde, und die Schritte, die sie unternahm, um junge Leute militärpflichtigen Alters für sich anzuwerben. Außer dieser freiwilligen Armee stellte die SS schon im Jahre 1933 eine vollbewaffnete Berufstruppe auf. Es waren die »SS-Verfügungstruppe« und die »Totenkopf verbände«, mit denen ich mich gestern befaßt habe.

Während die Verschwörer in Deutschland die SS zu einer militärischen Macht ausbauten, benutzten sie sie in anderen Ländern dazu, den Grundstein für den Angriff zu legen. Das Beweismaterial, das Herr Alderman bezüglich der Vorbereitung für den Anschluß von Österreich vorgelegt hat, zeigt, welche Rolle die SS-Standarte 89 bei der Ermordung von Dollfuß gespielt hat, und beschreibt die Gedenktafel, die zu Ehren der SS-Männer, die an diesem Mord teilgenommen hatten, errichtet wurde. Ich weise auf Beweisstücke US-59 und US-60, unsere Dokumente L-273 und 2968-PS, hin, die von Herrn Alderman eingereicht wurden. Der Gerichtshof wird sich auch an die darauffolgenden Ereignisse in der Nacht des 11. März 1938 erinnern, als die SS in Wien einmarschierte und alle Regierungsgebäude und die wichtigsten Stellen der Stadt besetzte; die geschichtlichen Ereignisse sind in einem von Herrn Alderman verlesenen Bericht des Gauleiters Rainer, unser Dokument 812-PS, Beweisstück US-61, und in der Aufzeichnung über ein Telephongespräch zwischen Göring und Dombrowski, Dokument 2949-PS, Beweisstück US-76, Band 2, Seite 461 des Sitzungsprotokolls, niedergelegt.

Auf dieselbe Weise ging man in der Tschechoslowakei vor. Henleins Freikorps spielte in diesem Lande dieselbe Rolle der Fünften Kolonne, wie sie die österreichische SS in Österreich gespielt hatte; als Belohnung hierfür wurde sie im September 1938 dem Reichsführer-SS unterstellt. Ich beziehe mich auf unser Dokument 388-PS, das Herr Alderman als Beweisstück US-26 in das Sitzungsprotokoll Band 3, Seite 96, verlesen hat. Die angeführten Stellen sind Nummer 37 und 38 der sogenannten Schmundtakte.

Wie außerdem Nummer 36 der von Herrn Alderman in das Sitzungsprotokoll verlesenen Akte zeigt, hatte die SS ihre eigenen bewaffneten Einheiten, 4 Bataillone »Totenkopfverbände«, die tatsächlich in der Tschechoslowakei operierten, bevor das Münchener Abkommen unterschrieben war. Die SS-Vorbereitungen für den Angriff auf die Tschechoslowakei beschränkten sich nicht auf militärische Einwirkungen. Eine der Abteilungen der obersten SS-Führung, die »Volksdeutsche Mittelstelle« – auf der Tabelle durch das dritte Kästchen von oben ganz rechts angezeigt –, war der Mittelpunkt für die Tätigkeit der Fünften Kolonne. Der Gerichtshof wolle sich der in den Aktennotizen des Deutschen Auswärtigen Amtes erwähnten geheimen Besprechung zwischen Hitler und Henlein im März 1938 erinnern, Beweisstück US-95, auf der die Linie festgelegt wurde, die die Sudetendeutsche Partei einzuhalten hatte. Die Volksdeutsche Mittelstelle wurde bei dieser Besprechung durch Professor Haushofer und SS-Obergruppenführer Lorenz vertreten. Als das Auswärtige Amt im August 1938 Henleins Sudetendeutscher Partei weitere Zuschüsse zur Verfügung stellte, enthielt die Aufzeichnung über die Empfehlung weiterer Zuschüsse die bezeichnende Fußnote: »Volksdeutsche Mittelstelle wird... unterrichtet.« Ich beziehe mich auf Beweisstück US-96, unser Dokument 3059, das Herr Alderman in das Sitzungsprotokoll, Band 3, Seiten 89 und 90, verlesen hat.

Als schließlich der Zeitpunkt zum Losschlagen kam, war die SS bereit. Ich zitiere aus dem Nationalsozialistischen Jahrbuch für 1940, unser Dokument 2164-PS, Beweisstück US-255, Seite 1, Absatz 2 der Übersetzung und Absatz 3 auf Seite 365 des Originaltextes:

»Als an jenem denkwürdigen 1. Oktober 1938 der Einmarsch in die befreiten Gebiete des Sudetenlandes begann, da waren sowohl die Verfügungstruppen als auch die Totenkopfverbände mit an der Spitze.«

Ich lasse nun den Rest des Absatzes aus und fahre mit dem nächsten Absatz fort:

»Der 15. März 1939 ergab eine ähnliche Verwendung der Schutzstaffel, als es galt, in der auseinandergefallenen Tschechoslowakei Ordnung zu schaffen. Mit der Gründung des Protektorats Böhmen-Mähren fand die Aktion ihren Abschluß.

Nur eine Woche später, am 22. März 1939, kehrte auf Grund der Vereinbarungen mit Litauen auch das Memelland zum Reich zurück, und wieder war es die Schutzstaffel, hier in erster Linie die ostpreußische SS, die bei der Befreiung des Gebiets hervorragend beteiligt war.«

Beim letzten Akt der Entfesselung des Krieges, dem Angriff auf Polen im September 1939, spielte die SS die Rolle eines Regisseurs. Der Gerichtshof wird sich an die mündliche Aussage von Erwin Lahousen über den fingierten Angriff von Deutschen in polnischen Uniformen auf die Radiostation Gleiwitz erinnern; Lahousen nannte das eine der mysteriösesten Aktionen, die sich bei der Abwehr abspielten. Als er über seine Aufgabe, polnische Uniformen und Ausrüstungen herbeizuschaffen, sprach, sagte er in Band 2 Seite 496 des Sitzungsprotokolls:

»Diese Ausrüstungsgegenstände mußten bereitgestellt werden und wurden eines Tages von irgendeinem Mann der SS oder des SD – der Name ist im offiziellen Kriegstagebuch der Abteilung enthalten – abgeholt.«

Der Krieg brach los und die Waffen-SS nahm wieder ihren Platz in der Vorhut der angreifenden Streitkräfte ein.

Während des Krieges wurden die besonderen Fähigkeiten der SS im großen ausgenutzt, Fähigkeiten, wie sie nicht nur ihre Kampftruppe, sondern auch ihre anderen Gliederungen besaßen. Ich wende mich nun der Betrachtung einiger Aufgaben zu, die der SS während des Krieges übertragen waren, Aufgaben, die die Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einschlossen, wie sie in der Anklageschrift beschrieben sind.

Der Gerichtshof hat bereits zum Beweis unser Dokument 447-PS, Beweisstück US-135, erhalten. Es ist eine Weisung des Angeklagten Keitel vom 13. März 1941, die sich auf einige Vorbereitungen bezieht, die drei Monate vor dem Angriff auf Rußland getroffen wurden. Absatz 2 b dieser Weisung, die in das Sitzungsprotokoll verlesen wurde, sah vor, daß der Reichsführer-SS im Operationsgebiet mit Sonderaufgaben zur Vorbereitung der politischen Verwaltung betraut wurde, die sich aus dem beginnenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme ergeben würden.

Einer der Schritte, die von dem Reichsführer-SS zur Durchführung dieser »Sonderaufgaben« unternommen wurden, war die Bildung und Verwendung sogenannter »Bandenkampfverbände«. Sie wurden von Himmler in seiner Posener Rede behandelt. Das ist unser Dokument 1919-PS, Absatz 5, auf Seite 3 der Übersetzung, und der letzte Absatz auf Seite 57 des Originals. Ich lese die zwei Absätze, in denen er über die Bandenkampfverbände spricht:

»Inzwischen habe ich in dieser Zeit auch noch die Dienststelle des Chefs der Bandenkampfverbände eingerichtet. Chef der Bandenkampfverbände ist unser Kamerad SS-Obergruppenführer von dem Bach. Ich habe es für notwendig gehalten, daß der Reichsführer-SS der maßgebliche Befehlshaber für alle diese Kämpfe ist, da ich die Überzeugung habe, daß wir am besten gegen diesen ausgesprochen politischen Kampf unserer Gegner anzugehen in der Lage sind. Wir haben, soweit uns die dafür bereitgestellten und von uns aufgestellten Verbände nicht immer wieder zum Stopfen von Lücken an der Front weggenommen wurden, sehr gute Erfolge gehabt. Beachtlich ist, daß wir durch die Einrichtung dieser Dienststelle in der Reihenfolge Division, Korps, Armee die nächste Stufe, nämlich die des Oberkommandos einer Armee oder sogar einer Gruppe – wenn Sie es so nennen wollen – für die SS erreicht haben.«

Was die SS mit ihren Divisionen, Korps und Armeen, aus denen die Bandenkampfverbände gebildet wurden, anfing, geht aus dem Bericht über die Tätigkeit dieser Einheit hervor. Ich lege als Beweis den Tätigkeits- und Lagebericht Nummer 6 der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der USSR für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 1941 vor. Es ist unser Dokument R-102, Beweisstück US-470, und befindet sich in Band 2 des Dokumentenbuchs. Der Bericht zeigt, daß die sogenannte Bandenkampftätigkeit in Wirklichkeit nichts anderes als ein Name für die Vernichtung von Personen, die man für politisch unerwünscht hielt, und von Juden war. Der Bericht stellt sich als eine sehr sorgfältig aufgebaute und eingehende Beschreibung dieser Vernichtung dar. Abschnitt I beschreibt die Standorte der verschiedenen Einsatzgruppen, Abschnitt II ihre Vollzugstätigkeit. Abschnitt II ist unterteilt; jeder Unterabschnitt befaßt sich mit einer anderen geographischen Gegend, dem Ostland, Weißruthenien und der Ukraine.

Für jede Gegend fällt der Tätigkeitsbericht unter drei Überschriften: a) Partisanentätigkeit und -bekämpfung; b) Festnahme und Erschießungen von Kommunisten und Funktionären; c) Juden. Ich werde nur ein paar typische Absätze lesen, die beinahe blindlings ausgewählt wurden. Um zu zeigen, welche Einheiten beteiligt waren, zitiere ich zunächst den zweiten und dritten Absatz auf Seite 4 der Übersetzung; sie befinden sich auf Seite 1 des Originaltextes:

»Die derzeitigen Standorte sind:

Einsatzgruppe A: seit dem 7. Oktober 1941 Krasnowardeisk,

Einsatzgruppe B: weiterhin in Smolensk,

Einsatzgruppe C: seit dem 27. September 1941 in Kiew,

Einsatzgruppe D: seit dem 27. September 1941 in Nikolajew.

Die den Einsatzgruppen unterstellten Einsatz- und Sonderkommandos befinden sich weiterhin mit vorrückenden Heeresteilen auf dem Marsch in die ihnen zugewie senen Gebietsabschnitte.«

Ich lese nun aus dem Abschnitt »Ostland«, Unterabschnitt »Juden«, und beginne mit dem ersten Absatz auf Seite 5 der Übersetzung, dem zweiten Absatz auf Seite 8 des Originals:

»Die männlichen über 16 Jahre alten Juden wurden mit Ausnahme der Ärzte und der Judenältesten exekutiert. Zum Teil ist diese Maßnahme noch im Gange. Nach Abschluß der Aktion werden im Ostland nur noch 500 Jüdinnen und Kinder vorhanden sein.«

Ich gehe nun zu dem Abschnitt »Weißruthenien«, Unterabschnitt »Partisanentätigkeit und -bekämpfung« über. Der Abschnitt, den ich verlesen werde, beginnt auf Seite 6, Absatz 5 der Übersetzung, Seite 11, Absatz 1 des Originals. Ich zitiere:

»In Wultschina wurden 8 Jugendliche als Partisanen festgenommen und erschossen. Es handelte sich um Zöglinge aus einem Kinderheim. Sie hatten Waffen gesammelt und im Walde verborgen. Bei Nachforschungen wurden aufgefunden: 3 schwere Maschinengewehre, 15 Gewehre, mehrere 1000 Schuß Munition, mehrere Handgranaten und einige Päckchen Giftgas Ebrit.

b) Festnahme und Erschießungen von Kommunisten, Funktionären und Kriminellen.

Einen weiteren breiten Raum der sicherheitspolizeilichen Tätigkeit nahm die Bekämpfung der Kommunisten und Kriminellen ein. Ein Sonderkommando erschoß in der Berichtszeit 63 Funktionäre, NKGB-Agenten und Agitatoren.«

Der Unterabschnitt über Verhaftungen und Erschießungen von Kommunisten, Funktionären und Kriminellen in Weißruthenien endet wie folgt; und ich zitiere Absatz 14 auf Seite 6 der Übersetzung, Absatz 5 auf Seite 12 des Originals:

»Die in der Berichtszeit erfolgten Liquidierungen haben den Stand von 37180 Personen erreicht.«

Die letzte Stelle, die ich zitieren möchte, findet sich in dem Abschnitt »Die Ukraine«, Unterabschnitt »Juden«, Absatz 10 auf Seite 8 der Übersetzung, vorletzter Absatz auf Seite 18 des Originals und lautet:

»In Shitomir mußten 3145 Juden erschossen werden, da sie erfahrungsgemäß als Träger der bolschewistischen Propaganda und Sabotage in Betracht gezogen werden mußten.«

Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, befaßt sich dieser Bericht mit der Tätigkeit der vier Einsatzgruppen A, B, C und D. Ein eingehender Bericht über die Einsatzgruppe A bis zum 15. Oktober 1941 befindet sich in unserem Dokument L-180; es ist bereits als Beweisstück US-276 vorgelegt worden; einige Absätze wurden bereits daraus verlesen. Wir werden noch einmal bei dem Fall der Gestapo darauf zurückkommen. Ich möchte nur zwei Absätze verlesen, die zeigen, aus welchen verschiedenartigen Bestandteilen die SS in einer solchen Einsatzgruppe zusammengesetzt war.

Ich möchte darauf hinweisen, daß dieser sorgfältig gebundene Bericht, den der Gerichtshof schon gesehen hat, eine zusammengefaltete Anlage enthält, in der eine Aufstellung der bei dieser Aktion eingesetzten Leute in graphischer Darstellung erscheint. Ich werde die auf dieser Tabelle verzeichneten Beteiligten alsbald verlesen. Zunächst werde ich aber den vierten Absatz auf Seite 5 der Übersetzung zitieren...

VORSITZENDER: Bezieht sich das von Ihnen soeben vorgelegte Buch auf die Vernichtung der Juden in Galizien?

MAJOR FARR: Es ist der Bericht der Einsatzgruppe A, einer Anti-Partisanen-Einsatzgruppe, die in den Baltischen Staaten im Jahre 1941 operierte. Der Absatz, den ich vorlesen will, ist Absatz 4 auf Seite 5 der Übersetzung und der erste Absatz auf Seite 12 des Originals:

»Aus der geschilderten Gesamtsituation ergab und ergibt sich, daß die der Einsatzgruppe zugeteilten Angehörigen von Geheimer Staatspolizei, Krimmalpolizei und Sicherheitsdienst in der Hauptsache in Litauen, Lettland, Estland und Weißruthenien, zu einem geringen Teil vor Petersburg, die Kräfte der Ordnungspolizei und Waffen-SS jedoch in der Hauptsache vor Petersburg zu Maßnahmen gegen die zurückflutende Zivilbevölkerung eingesetzt sind, und zwar jeweils unter eigener Führung. Diese Maßnahme ist deshalb um so leichter möglich, weil den Einsatzkommandos in Litauen, Lettland und Estland einheimische Polizeikräfte, über deren Zuteilung die Anlage 1 Aufschluß gibt, zur Verfügung stehen und nach Weißruthenien bisher 150 lettische Hilfskräfte entsandt wurden.

Die Verteilung der Führer von Sicherheitspolizei und SD in den einzelnen Phasen ergibt sich aus der Anlage 2, der Vormarsch und der Einsatz der Einsatzgruppe und der Einsatzkommandos aus Anlage 3. Nicht unerwähnt möge bleiben, daß die zugeteilten Führer von Waffen-SS und Ordnungspolizei, soweit sie Reservisten sind, erklärt haben, auch später bei Sicherheitspolizei und SD bleiben zu wollen.«

Ich zitiere nun aus der schon erwähnten Anlage 1 a, die die Zusammensetzung der Gruppe zeigt. Sie befindet sich auf Seite 14 der Übersetzung. Es ist die graphische Tabelle, die ich dem Gerichtshof soeben gezeigt habe; die Übersetzung faßt nur die einzelnen Teile zusammen:

»Gesamtstärke der Einsatzgruppe A: 990

Waffen-SS 340 34,4 %

Kraftfahrer 172 17,4 %

Verwaltung 18 1,8 %

SD 35 3,5 %

Kripo 41 4,1 %

Stapo 89 9 %

Hilfspolizei 87 8,8 %

Ordnungspolizei 133 13,4 %

Weibliche Angestellte 13 1,3 %

Dolmetscher 51 5,1 %

Fernschreiber 3 0,3 %

Funker 8 0,8 %«

Der Gerichtshof wird bemerken, daß in dieser Liste die Waffen-SS, der SD, die Kriminalpolizei, die Gestapo und die Ordnungspolizei erscheinen, die alle Teile der SS waren oder der SS unterstanden.

Ein Abschlußbericht über die Bandenkampftätigkeit möge noch erwähnt werden. Es ist ein Bericht des Generalkommissars für Weißruthenien an den Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Es ist unser Dokument R-135, das sich, wie ich glaube, im Dokumentenbuch unter 1475-PS befindet, da beide Dokumentennummern miteinander verbunden wurden. Das Dokument wurde bereits als Beweisstück US-289 von Major Walsh vorgelegt; er verlas den Brief des Reichskommissars für das Ostland, der den fraglichen Bericht übermittelte, in das Sitzungsprotokoll. Der verlesene Brief erscheint auf Seite 1 der Übersetzung; ich möchte ein oder zwei Absätze aus dem Bericht selbst verlesen, die sich auf Seite 3 der Übersetzung befinden. Er beschäftigt sich mit dem Ergebnis des Polizeiunternehmens »Cottbus«. Ich zitiere den ersten Absatz:

»SS-Brigadeführer, Generalmajor der Polizei von Gottberg meldet, daß das Unternehmen ›Cottbus‹ im genannten Zeitraum folgendes Ergebnis hatte:

Feindtote: 4500

Bandenverdächtige Tote: 5000

Deutsche Tote: 59.«

Ich glaube, es ist nicht notwendig, in der Liste fortzufahren; ich gehe nun zu Absatz 4 des Berichts über:

»Die genannten Zahlen zeigen, daß auch hier wieder mit einer sehr starken Vernichtung der Bevölkerung zu rechnen ist. Wenn bei 4500 Feindtoten nur 492 Gewehre erbeutet wurden, dann zeigt dieser Unterschied, daß sich auch unter diesen Feindtoten zahlreiche Bauern des Landes befinden. Besonders das Bataillon Dirlewanger ist dafür bekannt, daß es zahlreiche Menschenleben vernichtet. Unter den 5000 Bandenverdächtigen, die erschossen wurden, befinden sich zahlreiche Frauen und Kinder.

Auf Anordnung des Chefs der Bandenbekämpfung, SS-Obergruppenführer von dem Bach, haben auch Einheiten der Wehrmannschaften an dem Unternehmen teilgenommen.«

Weiter will ich nicht zitieren.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß SS-Obergruppenführer von dem Bach von Himmler in seiner Posener Rede als »unser Kamerad« bezeichnet wurde, dem er die Bandenbekämpfung übertragen hatte.

An den soeben erwähnten Unternehmen waren die Gestapo, die Ordnungspolizei, die Waffen-SS und die SS-Polizeiregimenter sämtlich gemeinsam beteiligt, aber diese Einheiten wurden auch einzeln eingesetzt, um Aufgaben dieser Art durchzuführen.

Ich unterbreite nun einen Brief des Chefs des Kommandoamtes der Waffen-SS, unser Dokument 1972-PS, Beweisstück US-471. Es ist ein Schreiben des Chefs des Kommandoamtes der Waffen-SS an den Reichsführer-SS vom 14. Oktober 1941 und betrifft: Zwischenbericht über zivilen Ausnahmezustand. Ich werde dieses Schreiben verlesen und zitiere:

»Über den Einsatz der Waffen-SS im Protektorat Böhmen und Mähren anläßlich des zivilen Ausnahmezustandes erstatte ich folgenden Zwischenbericht:

Zu Erschießungen, bzw. zur Aufsichtführung bei Erhängungen werden im gegenseitigen Wechsel sämtliche Bataillone der Waffen-SS im Protektorat Böhmen und Mähren herangezogen.

Es fanden bisher statt:

in Prag: 99 Erschießungen,

21 Erhängungen,

in Brünn:54 Erschießungen,

17 Erhängungen,

insgesamt:

191 Hinrichtungen

(hiervon 16 Juden).

Ein ausführlicher Bericht über sonstige Maßnahmen und über das Verhalten der Führer, Unterführer und Männer folgt nach Beendigung des zivilen Ausnahmezustandes.«

Es ist nicht überraschend, daß Einheiten der Waffen-SS und die Abteilungen, die für Vernichtungsaktionen und Hinrichtungen von Zivilpersonen eingesetzt worden waren, auch bei der Ausführung gewöhnlicher Kriegsoperationen die Gesetze der Kriegführung verletzt haben.

Ich lege zum Beweis einen Ergänzungsbericht des Untersuchungsgerichts des Oberkommandos der Alliierten Streitkräfte in Europa, Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force, über Erschießungen von alliierten Kriegsgefangenen durch die 12. SS-Panzer- Division in der Normandie, Frankreich, in der Zeit vom 7. bis 21. Juni 1944 vor. Es ist unser Dokument 2997-PS, Beweisstück US-472. Auszüge aus diesem Bericht, die aus dem amtlichen Protokoll über das Verfahren des Untersuchungsgerichts und der Erklärung über dessen Entscheidungen bestehen, befinden sich im Dokumentenbuch unter dieser Dokumenten- Nummer. Sie sind ins Deutsche übersetzt worden. Nach Artikel 21 des Statuts hat dieser Gerichtshof die Verpflichtung, von Dokumenten der in den verschiedenen alliierten Ländern zur Untersuchung von Kriegsverbrechen eingesetzten Komitees, sowie von Protokollen und Entscheidungen von Militär- und anderen Gerichtshöfen einer der Vereinten Nationen amtlich Kenntnis zu nehmen. Dieser Bericht fällt genau unter diese Bestimmung. Ohne deshalb Teile des Dokuments zu verlesen, werde ich die Entscheidungen des Untersuchungsgerichts zusammenfassen, die sich auf Seite 8 bis 10 des Dokuments befinden. Der Gerichtshof kam zu dem Schluß, daß sich zwischen dem 7. und 17. Juni 1944 in der Normandie sieben Fälle von Verletzung der Kriegsgesetze ereigneten...

VORSITZENDER: Auf welcher Seite steht das?

MAJOR FARR: Ich zitiere nicht, ich fasse nur die Seiten 8 bis 10 der Übersetzung zusammen.

In sieben Fällen seien die Kriegsgesetze verletzt worden; 64 unbewaffnete alliierte Kriegsgefangene in Uniform, von denen viele vorher verwundet worden wären, und von denen keiner Widerstand geleistet oder einen Fluchtversuch unternommen hätte, seien erschossen worden; die Täter seien Mitglieder der 12. SS-Panzer-Division der sogenannten Hitler-Jugend- Division gewesen; die Mannschaft der 15. Kompanie des 25. Panzer-Grenadier-Regiments dieser Division habe Geheimbefehle erhalten, daß SS-Truppen keine Gefangene machen sollten, sondern die Gefangenen nach dem Verhör hinzurichten hätten. Ähnliche Befehle seien den Männern des 3. Bataillons des 26. SS-Panzer-Grenadier-Regiments der Division und des 12. SS-Pionier- und Aufklärungsbataillons gegeben worden. Daraus müsse zwangsläufig gefolgert werden, daß sich die ganze Division über die offene Billigung der Richtlinie, keinen Pardon zu gewähren und Gefangene nach dem Verhör zu exekutieren, im klaren gewesen sei.

Andere Kämpfende traf ein ähnliches Schicksal durch andere Gliederungen der SS. Ich weise auf die Tötung alliierter Flieger, Kommandos, Fallschirmjäger und entwichener Kriegsgefangener hin, die dem SD zur Vernichtung übergeben wurden. Das Beweismaterial für diese Handlungen wird bei dem Fall gegen die Gestapo vorgelegt werden.

Kämpfenden, die gefangengenommen worden waren, trat die SS noch in einer anderen Form gegenüber. In dem Fall gegen die Gestapo wird Beweismaterial über Kommandogruppen vorgelegt werden, die in Kriegsgefangenenlagern stationiert waren, um Gefangene für eine »Sonder-Behandlung«, wie es die Nazi beschönigend nannten, auszusuchen. Schließlich wurde die gesamte Kontrolle über die Kriegsgefangenen dem Reichsführer-SS übertragen.

Ich habe heute Morgen unser Dokument 058-PS, das die Leitung aller Kriegsgefangenenlager durch Himmler vorsah, als Beweisstück unterbreitet. Der letzte, aber wesentliche Teil der Verschwörung, in dem die SS eine führende Rolle spielte, muß noch erwähnt werden. Die dauernde Besiedlung der eroberten Länder, die Zerstörung ihrer nationalen Existenz und die dauernde Ausdehnung der deutschen Grenzen waren grundlegende Ziele in den Plänen der Verschwörer.

Der Gerichtshof hat vor ein oder zwei Tagen Beweismaterial erhalten, wie diese Ziele durch Zwangsevakuierung und Umsiedlung der Bewohner eroberter Gebiete, durch Beschlagnahme ihres Eigentums, durch Entnationalisierung und Umerziehung deutschstämmiger Personen und durch die Besiedlung der eroberten Gebiete mit Deutschen verwirklicht wurden.

Die SS war ganz folgerichtig die Stelle, die dieses Programm zu formulieren und durchzuführen hatte. Ich habe bereits zahlreiche Erklärungen Himmlers, nach denen die SS dazu erzogen wurde, die Rolle der Aristokratie im neuen Europa zu spielen, in das Protokoll verlesen. Er setzte diese Lehren in die Praxis um, als er am 7. Oktober 1939 zum Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums ernannt wurde. Der Erlaß, durch den er dieses Amt erhielt, ist bereits als unser Dokument 686-PS, Beweisstück US- 305, vorgelegt worden. Ich werde ihn deshalb nicht verlesen.

Um die Pläne für das Programm der Evakuierung und Umsiedlung zu fassen und durchzuführen, wurde eine neue Abteilung in der Obersten SS-Führung geschaffen: Das Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums. Dies ist auf der Tabelle durch das vierte Kästchen von oben auf der äußersten rechten Seite angedeutet.

Die Aufgaben dieses Amtes sind im Organisationsbuch der NSDAP von 1943, unserem Dokument 2640-PS, umrissen, das bereits als Beweisstück US- 323 vorgelegt wurde. Ich will die Beschreibung der Aufgaben jenes Amtes verlesen, die sich im letzten Absatz auf Seite 3 der Übersetzung und auf Seite 421 des Originals befindet. Ich zitiere:

»Dem Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums liegt im Reich und in den unter der Oberhoheit des Reiches stehenden Gebieten die gesamte Siedlungs- und Aufbauplanung und deren Durchführung ob, einschließlich aller mit der Siedlung zusammenhängenden Verwaltungs- und Wirtschaftsfragen, insbesondere der Menscheneinsatz zum Zwecke der Siedlung.«

Das Siedlungsprogramm hatte zwei Hauptziele: erstens die Vernichtung der besiegten Völker durch Ausrottung, Deportation und Beschlagnahme ihres Eigentums, zweitens Ansiedlung von Volksdeutschen auf dem neu erworbenen Land.

Die Vernichtungsaktionen, die von der SS ausgeführt wurden, und über die ich soeben Beweismaterial vorgelegt habe, trugen teilweise dazu bei, die eroberten Gebiete von Personen zu befreien, die für den Nazi-Plan als gefährlich angesehen wurden. Aber nicht jeder Unerwünschte konnte liquidiert werden. Massendeportationen erfüllten den doppelten Zweck, Arbeitskräfte zu gewinnen und das Land für deutsche Siedler freizumachen.

Ich habe bereits Beweismaterial über die Beteiligung von SS-Dienststellen bei der Verschleppung von Personen in Konzentrationslager vorgelegt.

Das Evakuierungs- und Umsiedlungsprogramm forderte die Errichtung weiterer Verschleppungs- Dienststellen. Ich zitiere aus unserem Dokument 2163-PS, dem nationalsozialistischen Jahrbuch für 1941, Beweisstück US-444. Die fragliche Stelle findet sich auf Seite 3 der Übersetzung, Absatz 5, und auf Seite 195 des Originals:

»Der Reichsführer-SS hatte seit längerer Zeit in der Volksdeutschen Mittelstelle (VM) unter der Leitung des SS-Obergruppenführers Lorenz eine Dienststelle zur Verfügung, der die Behandlung Volksdeutscher Fragen und die Erhebung erforderlicher Unterlagen oblag.

Neben der VM wurden die Einwandererzentralstelle (EWZ) beim Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS (unter Leitung des SS-Sturmbannführers Dr. Sandberger) und der Ansiedlungsstab beim Reichskommissar geschaffen, die im Zusammenwirken mit der NSV und der Reichsbahn die Rückwanderung der Volksdeutschen in Angriff nahm.«

Ich lege nunmehr als Beweismaterial die eidesstattliche Erklärung des SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS und Polizei, Otto Hoffmann, vor. Es ist unser Dokument L-49, Beweisstück US- 473. Hoffmann war bis zum Jahre 1943 Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS. Die eidesstattliche Erklärung wurde am 4. August 1945 in Freising, Deutschland, abgegeben. Ich werde den Absatz 2 dieser Erklärung verlesen:

»Die Exekutive, das heißt die Durchführung aller sogenannten Umsiedlungsaktionen, das heißt die Verschickung der polnischen, jüdischen und nicht deutschblütigen Ansiedler einer für die Verdeutschung bestimmten, in Polen gelegenen Gegend, ist in den Händen des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes (Heydrich und später Kaltenbrunner seit Ende 1942) gelegen. Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes hat auch die Aufsicht und den Befehl über die sogenannte Einwandererzentrale (EWZ), die die nach Deutschland zurückgekehrten Auslandsdeutschen klassifiziert und auf die einzelnen von ihm schon freigemachten Höfe verwiesen hat, innegehabt. Dies letztere geschah im Einvernehmen mit dem Stabshauptamt des Reichsführers-SS.«

Andere SS-Stellen waren in das Deportationsprogramm verwickelt. Der Gerichtshof hat bereits unser Dokument 1352-PS als Beweisstück US-176 erhalten. Es ist ein Bericht über die Beschlagnahme polnischer landwirtschaftlicher Betriebe vom 22. Mai 1940, unterschrieben von »Kusche«. Teile dieses Dokuments, die sich mit der Beschlagnahme polnischer landwirtschaftlicher Betriebe und der Deportation der polnischen Besitzer nach Deutschland befassen, wurden bereits in das Sitzungsprotokoll verlesen. Ich will nur noch einen weiteren Absatz zitieren, der zeigt, wie SS-Männer in dieses Unternehmen verwickelt waren. Es ist der ganze erste Absatz auf Seite 2 der Übersetzung und Absatz 2 auf Seite 10 des Originals.

Zu der Deportation polnischer Landwirte sagt dieser Bericht:

»Transportmittel bis zur Eisenbahn können gestellt werden:

1. von den Betrieben der Ostdeutschen Landbewirtschaftungs-Gesellschaft,

2. von der SS-Unterführerschule in Lublinitz und dem KZ in Auschwitz.

Die beiden letzten Stellen werden auch ohne weiteres die erforderlichen SS-Männer für den Tag der Beschlagnahme und so weiter abkommandieren.«

In welchem Ausmaß fast alle Abteilungen der obersten SS-Führung an dem Evakuierungsprogramm Anteil nehmen, zeigt das Protokoll einer Besprechung vom 4. August 1942, die die Aussiedlung von Elsässern zum Gegenstand hatte. Es ist unser Dokument R-114, das als Beweisstück US-314 überreicht wurde. Ich werde nur die Liste der Anwesenden und der von ihnen bei dieser Konferenz vertretenen Ämter verlesen, da der Bericht selbst schon zum Teil in das Sitzungsprotokoll verlesen wurde. Ich beginne mit dem Anfang des Dokuments, Seite 1 von R-114:

»Vermerk über Besprechung am 4. August 1942.

Betrifft: Richtlinien für die Behandlung von ausgesiedelten Elsässern.

Anwesende: SS-Hauptsturmführer Dr. Stier, SS-Hauptsturmführer Petri, R. R. Hofmann, Dr. Scherler, SS-Untersturmführer Förster.«

Neben diesen Namen befindet sich der Vermerk »Stabshauptamt«, sodann:

»SS-Obersturmführer Dr. Hinrichs, Leiter des Bodenamtes und Ansiedlungsstabes Straßburg, SS-Sturmbannführer Brückner, Volksdeutsche Mittelstelle, SS-Hauptsturmführer Hummitsch, Reichssicherheitshauptamt, SS-Untersturmführer Dr. Sieder, Rassen- und Siedlungshauptamt, Dr. Labes, D.U.T.«

Die SS vernichtete und deportierte nicht nur die besiegten Völker und beschlagnahmte ihr Eigentum, sondern besiedelte auch die eroberten Gebiete mit sogenannten Volksdeutschen. Nicht alle Deutschen wurden jedoch als verläßliche Ansiedler betrachtet. Diejenigen, denen man nicht traute, wurden zur Wiedereindeutschung und Umschulung gemäß den Nazi-Richtlinien nach Deutschland gebracht.

Ein typisches Beispiel für das Schicksal solcher Deutscher ist in unserem Dokument R-112, das bereits als Beweisstück US-309 vorgelegt wurde, enthalten. Es ist ein Erlaß des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums. Dieser Erlaß betraf, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, die Behandlung, die den sogenannten »polonisierten« Deutschen zuteil werden sollte. Nach den Bestimmungen dieses Erlasses waren zwei SS-Stellen für die Wiedereindeutschungsmaßnahmen verantwortlich, nämlich die höheren SS- und Polizeiführer und die Gestapo.

Ich glaube, es ist unnötig, aus diesem Bericht zu zitieren, da Teile bereits in das Sitzungsprotokoll verlesen worden sind. Ich will den Gerichtshof besonders auf die Abschnitte III und IV des Erlasses, Seite 7 der Übersetzung, aufmerksam machen; beide Abschnitte zeigen, daß die Höheren SS- und Polizeiführer sowie die Gestapo für die Wiedereindeutschungsaktionen verantwortlich waren.

An dem Endstadium des Verfahrens der Besiedlung eroberter Länder mit rassisch und politisch erwünschten Deutschen waren noch weitere SS-Stellen beteiligt. Ich zitiere wiederum aus unserem Dokument 2163-PS, dem Nationalsozialistischen Jahrbuch 1941, Beweisstück US-444. Die Stelle findet sich auf Seite 3 der Übersetzung, Absatz 7 und auf Seite 195 des Originals. Ich zitiere:

»Zahlreiche SS-Führer und SS-Männer wirkten in unermüdlicher Arbeit mit an der planvollen Völkerwanderung, die in der Geschichte kein Vorbild kennt.

Es ergab sich eine Menge von behördlichen und verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten, die aber sofort durch den unbürokratischen Arbeitsgang, der vor allem durch den Einsatz von SS-Führern gewährleistet wurde, behoben wurden.

Der im Normalfall 3-4 Stunden währende Arbeitsgang, der Durchschleusung genannt wird, führte den Umsiedler durch 8-9 Dienststellen, die sich organisch aneinanderreihen: Die Meldestelle, die Karteistelle, die Ausweis- und Lichtbildstelle, die Vermögensstelle, die erbbiologische und gesundheitliche Begutachtung, die in Händen von Ärzten und Sanitätsdienstgraden der SS und auch der Wehrmacht lag. – Die SS-Oberabschnitte Alpenland, Nordwest, Ostsee, Fulda-Werra, Süd und Südost, das SS-Hauptamt, die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Wien und die SS-Reiterschule Hamburg stellten den größten Teil der in der Umsiedlungsarbeit eingesetzten SS-Führer und Unterführer zur Verfügung.«

Ich lasse die nächsten drei Abschnitte aus und gehe zum Schluß der Ausführungen des Jahrbuchs über die Teilnahme der SS am Siedlungsprogramm über:

»Die Siedlung, Ansetzung und Betreuung des neu gewonnenen Bauerntums im befreiten Osten wird in alle Zukunft eines der vornehmsten Aufgabengebiete der Schutzstaffel sein.«

VORSITZENDER: Dies dürfte ein günstiger Zeitpunkt sein, bis 2 Uhr zu unterbrechen.

MAJOR FARR: Jawohl, Herr Vorsitzender.