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OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Ich lege aus dem zweiten Band als nächstes Dokument 3360-PS, Beweisstück US-499, vor. Bevor ich dieses Dokument den Übersetzern gebe, möchte ich es dem Hohen Gerichtshof zeigen. Es handelt sich um ein Original- Fernschreiben, das an die Gestapo-Dienststelle in Nürnberg gesandt wurde. Es wurde durch den CIC Leutnant Stevens bei Hersbruck, Deutschland, gefunden. Wie zu sehen ist, sind Teile dieses Dokuments verbrannt. Es hing mit einigen anderen Dokumenten zusammen, die vergraben worden sind. Sie wurden teilweise verbrannt, als man sie vergrub. Dies ist eines der Telegramme. Es stammt von der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeistelle Nürnberg-Fürth, und trägt das Datum vom 12. Februar 1944. Ich zitiere von diesem Telegramm:

»RSHA IV Fl – 45/44 – der Generalgrenzinspekteur – Dringend. – Sofort vorlegen. –

Behandlung wiederergriffener flüchtiger Ostarbeiter. Auf Grund eines Befehls des RFSS sind ab sofort sämtliche wiederergriffene flüchtige Ostarbeiter ohne jede Ausnahme den Konzentrationslagern zuzuführen. Zwecks Berichterstattung an RFSS bitte ich um einmalige Meldung durch FS an das Referat ROEM IV D (Ausl. Arb.) am 10. 3. 44, wieviele derartige Ostarbeiter bzw. Ostarbeiterinnen vom heutigen Tage bis zum 10. 3. 44 einem Konzentrationslager zugeteilt worden sind.«

Auf diese Art und Weise hielt die Gestapo und der SD die Kontrolle über die in das Reich verschleppten Zwangsarbeiter aufrecht.

Das nächste Thema, mit dem ich mich jetzt befassen werde, besagt, daß die Gestapo und der SD gefangengenommene Kommandos und Fallschirmspringer exekutierte und Zivilpersonen schützte, die alliierte Flieger gelyncht hatten. Am 4. August 1942 gab Keitel einen Befehl heraus, demzufolge die Verantwortung für Gegenmaßnahmen gegen einzelne Fallschirmspringer und kleinere Trupps, die besondere Aufträge hatten, der Gestapo und dem SD übertragen wurde. Um dies zu beweisen, lege ich Dokument 553-PS, US-500, vor. Ich zitiere von der ersten Seite der Übersetzung den ersten Teil des Absatzes 3:

»Soweit Einzelabspringer durch Angehörige der Wehrmacht festgenommen werden, sind sie, unter Benachrichtigung der zuständigen Abwehrstelle, unverzüglich der nächsten Dienststelle des Chefs der Sicherheitspoli zei und des SD zu übergeben.«

Und nun, Hoher Gerichtshof, wenn ich von dem Text abgehen darf, Oberst Taylor wird den Fall gegen das Nazi-Oberkommando und einige seiner Befehle vortragen. Dies ist ein Befehl, und es gibt noch einen anderen, mit dem er sich ausführlich befassen wird. Meine Absicht bei Vorlage dieses Befehles ist jetzt nur, zu zeigen, welche Rolle die Gestapo und der SD im Zusammenhang mit diesen Befehlen gespielt haben.

Der nächste Befehl, den ich vorlege, ist Dokument 498-PS im ersten Band, Beweisstück US-501. Hier handelt es sich um den berühmten Kommandobefehl, den der Führer selbst am 18. Oktober 1942 unterzeichnet hat. Es sind nur zwölf Ausfertigungen von diesem Befehl gemacht worden, und er trägt die persönliche Unterschrift Adolf Hitlers. Eine Ausfertigung ging an den Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei. Dieser Befehl, den ich nicht verlese, da ich gleich zu dem Teil gelangen möchte, den ich zitieren will, bestimmt, daß alle Kommandos, ob in Uniform oder nicht in Uniform oder unbewaffnet, bis zum letzten Mann abgeschlachtet werden sollen. Ich möchte unten den Beginn des Absatzes 4 zitieren, um die Teilnahme des SD zu beweisen:

»Gelangen einzelne Angehörige derartiger Kommandos als Agenten, Saboteure usw. auf einem anderen Weg – z.B. durch die Polizei in den von uns besetzten Län dern – der Wehrmacht in die Hände, so sind sie unverzüglich dem SD zu übergeben.«

Ein weiterer solcher Befehl ist Dokument 526-PS, US-502, auf das ich jetzt Bezug nehme. Dieses Dokument handelt von einigen angeblichen Saboteuren, die in Norwegen landeten; es trägt das Datum vom 10. Mai 1943 und den Vermerk: Geheime Kommandosache. Ich zitiere den ersten Absatz, der die Schiffsmannschaft beschreibt:

»Am 30. 3. 43 wurde im Toftefjord (70. Breitegrad) feindlicher Kutter gestellt; Kutter wurde vom Feind gesprengt; Besatzung: 2 Mann tot, 10 Gefangene.«

Das war die Mannschaft. Unten, auf dem gleichen Befehl, im dritten Satz von unten erscheint die folgende Feststellung:

»Führerbefehl durch SD vollzogen.«

Wir haben Dokument R-110 bereits als Beweisstück US-333 vorgelegt Es war der Himmler-Befehl vom 10. August 1943 an die Sicherheitspolizei, der vorschrieb, daß es nicht die Aufgabe der Polizei sei, bei Zusammenstößen zwischen Deutschen und englischen und amerikanischen Terrorfliegern, die abgesprungen waren, einzugreifen. Der Befehl wurde von Himmler selbst unterschrieben und hier ist die Unterschrift. Er liegt bereits als Beweismittel vor, ich möchte den Gerichtshof nur noch einmal darauf aufmerksam machen.

Als nächstes möchte ich zu dem Thema übergehen, daß Gestapo und SD Zivilpersonen aus den besetzten Gebieten zu geheimen Verfahren und Bestrafungen nach Deutschland brachten. Es handelt sich um den sogenannten Nacht-und-Nebel-Erlaß, der am 7. Dezember 1941 von Hitler herausgegeben wurde. Dieser Erlaß ist noch nicht zum Beweis vorgelegt worden.

Ich nehme Bezug auf Dokument L-90, im ersten Band, US-503. Dieser Erlaß, demzufolge Personen, die Verbrechen gegen das Reich oder gegen die Besatzungstruppen begangen hatten, ausgenommen jene Fälle, in welchen die Todesstrafe sicher war, heimlich nach Deutschland gebracht und der Sicherheitspolizei und dem SD zum Verfahren oder zur Bestrafung in Deutschland selbst übergeben werden sollten. Und hier ist das Originaldokument, von dem wir zitieren, beginnend mit der ersten Seite der Übersetzung. Es ist auf dem Briefpapier des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei geschrieben, datiert München, den 4. Februar 1942, und betrifft:

»Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht.

I. Folgende vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht unter dem 12. Dezember 1941 bekanntgemachten Anordnungen werden zur Kenntnis gebracht:

1. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht.

Es ist der lange erwogene Wille des Führers, daß in den besetzten Gebieten bei Angriffen gegen das Reich oder die Besatzungsmacht den Tätern mit anderen Maßnahmen begegnet werden soll als bisher. Der Führer ist der Ansicht: Bei solchen Taten werden Freiheitsstrafen, auch lebenslängliche Zuchthausstrafen als Zeichen von Schwäche gewertet. Eine wirksame und nachhaltige Abschreckung ist nur durch die Todesstrafe oder durch Maßnahmen zu erreichen, die die Angehörigen und die Bevölkerung über das Schicksal des Täters im Ungewissen halten. Diesem Zwecke dient die Überführung nach Deutschland.

Die anliegenden Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten entsprechen dieser Auffassung des Führers. Sie sind von ihm geprüft und gebilligt worden. Keitel.«

Und dann folgen einige der Richtlinien und einige Beschreibungen. Es ist ein langes Dokument, mit Beilagen, und wir wenden uns nun der Seite 4 unten der englischen Übersetzung zu:

»Soweit die SS und Polizeigerichtsbarkeit für Straftaten der unter 1 bezeichneten Art zuständig sind, ist sinngemäß zu verfahren.«

Weiter kommen wir im Zusammenhang mit der gleichen Urkunde zu Seite 20, Teil 2 der englischen Übersetzung, einem geheimen Schreiben an die Abwehr. Ich zitiere von Seite 2. Es ist das Schreiben vom 2. Februar 1942, und ich beginne mit den Worten:

»In der Anlage werden übersandt:

1. Ein Erlaß des Führers und Oberbefehlshabers der Wehrmacht vom 7. 12. 41.

2. Eine Durchführungsverordnung vom gleichen Tage.

3. Ein Anschreiben des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht vom 12. 12. 41.

Der Erlaß bringt eine grundsätzliche Neuerung. Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht befiehlt, daß die von Zivilpersonen in den besetzten Gebieten begangenen Straftaten der bezeichneten Art von den zuständigen Kriegsgerichten in den besetzten Gebieten nur abzuurteilen sind, wenn

a) das Urteil auf Todesstrafe lautet und

b) das Urteil innerhalb von 8 Tagen nach der Festnahme verkündet wird.

Nur wenn beide Voraussetzungen gewährleistet werden, verspricht sich der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht von der Behandlung der Strafverfahren in den besetzten Gebieten die erforderliche abschreckende Wirkung. Andernfalls sollen künftig die Beschuldigten heimlich nach Deutschland gebracht und die weitere Behandlung der Strafsachen hier betrieben werden. Die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme liegt

a) in dem spurlosen Verschwindenlassen der Beschuldigten,

b) darin, daß über ihren Verbleib und ihr Schicksal keinerlei Auskunft gegeben werden darf.«

Wenn wir den folgenden Absatz überspringen, kommen wir zu dem nächsten Absatz:

»Wenn nach Ansicht des zuständigen Kriegsgerichtes bzw. des Militärbefehlshabers eine alsbaldige Aburteilung am Orte nicht möglich ist, und die Täter daher nach Deutschland abzutransportieren sind, so teilen dies die Abwehrstellen unmittelbar dem Reichssicherheits hauptamt in Berlin SW 11, Prinz-Albrecht-Straße 7, zu Händen Herrn Kriminaldirektor Dr. Fischer mit, unter Angabe der genauen Zahl der Häftlinge und der Gruppen, die nach Lage des einzelnen Falles zusammengehören. Soweit im einzelnen Falle der übergeordnete Befehlshaber ein dringendes Interesse an der Aburteilung durch ein Wehrmachtsgericht hat, ist dies dem Reichssicherheitshauptamt mitzuteilen. Durchschlag der ganzen Mitteilung an das Reichssicherheitshauptamt ist an das Amt Ausl Abw, Abt Abw III, zu senden.

Das Reichssicherheitshauptamt wird je nach den Unterbringungsmöglichkeiten eine Stapostelle bestimmen, die die Häftlinge übernimmt. Diese Stapostelle setzt sich mit der zuständigen Abwehrstelle in Verbindung und vereinbart mit dieser die Einzelheiten des Abtransports, insbesondere ob dieser durch GFP, die Feldgendarmerie oder durch die Gestapo selbst erfolgen soll, sowie ferner Art und Ort der Materialübergabe.«

Nachdem die Zivilpersonen in Deutschland angekommen waren, durfte kein Wort über die Behandlung ihrer Fälle ihrem Heimatland oder ihren Angehörigen bekanntgegeben werden.

Wir legen nunmehr Dokument 668-PS, US-504, vor. Es ist ein Schreiben des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 24. Juni 1942, und ich zitiere von der ersten Seite der englischen Übersetzung:

»Es ist der Sinn der Richtlinien des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungs macht in den besetzten Gebieten vom 7. 12. 41«, das ist der Befehl, den ich soeben vorgelesen habe, »durch die Überführung der wegen deutschfeindlicher Betätigung in den besetzten Gebieten festgenommenen Personen in das Reichsgebiet bei den Angehörigen und Bekannten aus Abschreckungsgründen Ungewißheit über das Schicksal der Häftlinge entstehen zu lassen. Diese Zielsetzung würde durchbrochen werden, wenn die Angehörigen bei Todesfällen benachrichtigt werden würden. Eine Freigabe der Leiche zur Bestattung in der Heimat ist aus gleichen Gründen und darüber hinaus auch deshalb unzweckmäßig, weil der Bestattungsort zu Demonstrationszwecken mißbraucht werden kann.

Ich schlage daher vor, für die Behandlung der Todesfälle folgende Regelung zu treffen:

a) eine Benachrichtigung der Angehörigen unterbleibt,

b) die Leiche wird am Sterbeort im Reichsgebiet beigesetzt,

c) der Beisetzungsort wird einstweilen nicht bekanntgegeben.«

Wir kommen nunmehr zu der nächsten Tätigkeit der Gestapo und des SD, die darin bestand, daß sie Staatsangehörige der besetzten Länder verhafteten, mit einem besonderen Verfahren und durch summarische Methoden vor Gericht stellten und bestraften. Ich lege zum Beweise als nächstes Dokument 674-PS, US-505, vor.

Unter bestimmten Umständen verhaftete die Gestapo Zivilpersonen in den besetzten Ländern, nahm sie in Schutzhaft und schritt zu Exekutionen. Sogar, wenn Gerichte die Kompetenz hatten, solche Fälle zu behandeln, ging die Gestapo nach ihrem eigenen Verfahren vor, ohne auf das normale Strafverfahren Rücksicht zu nehmen.

Das Dokument 674-PS, US-505, ist ein Schreiben des Generalstaatsanwalts in Kattowitz vom 3. Dezember 1941 an den Reichsminister der Justiz zu Händen des Oberregierungsrats Stadermann oder seines Vertreters im Amt in Berlin gerichtet. Der Gegenstand des Schreibens lautet:

»Polizeiliche Exekutionen und Beschleunigung der Strafverfahren. Ohne Auftrag, Anlage: 1 Berichtsdurchschlag.«

Ich zitiere vom Anfang:

»Vor etwa 3 Wochen sind in Tarnowitz im Zusammenhang mit der Zerschlagung einer hochverräterischen Organisation von 350 Mitgliedern die 6 (zum Teil Volksdeutschen) Haupttäter von der Polizei erhängt worden, ohne daß die Justiz davon Kenntnis hatte. Solche Exekutionen sind bereits früher an kriminellen Tätern im Bezirk in Bielitz gleichfalls ohne Kenntnis der zuständigen Strafverfolgungsbehörde erfolgt. Am 2. Dezember 1941 hat der Leiter der Staatspolizeistelle Kattowitz, Oberregierungsrat Mildner, dem Unterzeichneten mündlich berichtet, daß er diese Exekutionen mit Ermächtigung des Reichsführers der SS als notwendige Sofortmaßnahme durch öffentliches Erhängen am Tatorte angeordnet habe, und daß die Maßnahmen zur Ab schreckung auch künftig solange fortgesetzt werden müßten, bis die verbrecherischen und aktivistischen deutschfeindlichen Kräfte im eingegliederten Ostgebiet zerschlagen seien oder andere Sofortmaßnahmen, u. U. auch der Gerichte, gleiche abschreckende Wirkung gewährleisteten. So wurden auch heute in dem Gebiete in und um Sosnowitz 6 Haupträdelsführer einer anderen polnischen hochverräterischen Organisation zur Abschreckung öffentlich erhängt.

Gegenüber diesem Verfahren haben die Unterzeichneten erhebliche Bedenken geäußert.

Abgesehen davon, daß solche Maßnahmen der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen sind und den nicht außer Kraft gesetzten Justizgesetzen widersprechen, kann hierfür justizpolitisch ein die Ausnahmebehandlung durch die Polizei allein rechtfertigender Notstand u. E. nicht anerkannt werden.

Denn soweit die Strafgerichtsbarkeit in unserem Bezirk im Rahmen der gegebenen Zuständigkeit in Betracht kommt, ist sie durchaus in der Lage, dem Gebote sofortiger strafrechtlicher Reaktion durch eine besondere Gestaltung sondergerichtlicher Tätigkeit (Einrichtung eines sog. Blitzsondergerichts) Rechnung zu tragen. Anklageerhebung und Hauptverhandlung könnten so beschleunigt werden, daß zwischen Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft und Hinrichtung nicht mehr als 3 Tage liegen, falls die Gnadenpraxis vereinfacht und die Entscheidung u. U. auf fernmündlichem Wege eingeholt wird. Dies haben die Unterzeichneten gestern gegenüber dem Leiter der Staatspolizei Kattowitz zum Ausdruck gebracht.

Wir vermögen nicht zu glauben, daß polizeiliche Exekutionen krimineller, insbesondere deutscher Täter bei der Erschütterung des Rechtsgefühls vieler deutscher Volksgenossen als wirksamer angesprochen werden können. Auf die Dauer dürften sie vielmehr trotz der öffentlichen Abschreckung zu einer Verrohung der Gemüter führen, die dem beabsichtigten Zweck der Befriedigung zuwiderläuft. Diese Erwägungen wollen indessen zu einer künftigen gesetzlichen Zuständigkeit eines Standgerichts für Polen und Juden nicht Stellung nehmen.«

Ich verweise nunmehr auf das Dokument 654-PS, US-218, das bereits zum Beweis vorgelegt worden ist. Es hängt mit diesem Thema zusammen, und daher möchte ich es gern in ein paar Worte zusammengefaßt wiedergeben.

Es besagt, daß am 18. September 1942 der Reichsjustizminister Thierack und Himmler sich darüber einigten, daß antisoziale Elemente Himmler übergeben werden sollten, um zu Tode gearbeitet zu werden. 654-PS sieht eine besondere Strafverfahrensordnung vor, die von der Polizei auf Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer angewandt werden sollte, welche man nicht vor ordentliche Strafgerichte stellen wollte. Ich verweise nochmals auf dieses Dokument, weil es sich auf dieselbe Sache bezieht.

Ein weiteres Dokument, das ich nicht verlesen, aber erwähnen möchte, ist der Befehl des RSHA vom 5. November 1942, Dokument L-316, US-346. Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, etwas davon zu verlesen außer um festzustellen, daß dieses Schreiben das Strafverfahren vorschreibt; es ist der letzte Absatz kurz vor der Unterschrift:

»Hieraus ergibt sich, daß die Strafrechtspflege gegen Fremdvölkische aus den Händen der Justiz in die Hände der Polizei überführt werden muß.«

Das ist der Teil, der die Beteiligung der Polizei beweist, und ich möchte nicht weiter daraus zitieren.

Als nächstes komme ich zu dem Thema, nach welchem die Gestapo und der SD Personen exekutierte oder in Konzentrationslager für Verbrechen sperrte, die angeblich von ihren Verwandten begangen worden waren. Ich lege dazu das im ersten Band enthaltene Dokument L-37 als Beweisstück US-506 vor.

Dies ist ein Schreiben vom 19. Juli 1944. Ich darf die Aufmerksamkeit des Hohen Gerichtshofs auf die Tatsache lenken, daß es vom Jahre 1944 datiert und von dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Distrikt Radom an die Außendienststelle in Tomaschow gesandt worden ist.

In Parenthese möchte ich hinzufügen, daß das große Haftbuch, das wir zum Beweis vorlegten, eine Anzahl von Fällen enthält, die sich auf den Distrikt Radom beziehen; und der Hohe Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß es sich um eine Liste von Leuten aus dem Distrikt Tomaschow handelt. Der Gegenstand dieses Briefes behandelt »Kollektivhaftung der Familienangehörigen von Attentätern und Saboteuren«. Ich beginne nach dem Wort »Vorgang ohne«:

»Der Höhere SS- und Polizeiführer Ost hat am 28. Juni 1944 folgenden Befehl erlassen:

Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Monaten im Generalgouvernement derart verschlechtert, daß nunmehr mit radikalsten Mitteln und allerschärfsten Maßnahmen gegen fremdvölkische Attentäter und Saboteure durchgegriffen werden muß. Reichsführer-SS hat mit Zustimmung des Generalgouverneurs angeordnet, daß in allen Fällen, in denen Attentate oder Attentatsversuche auf Deutsche erfolgt sind, oder Saboteure lebenswichtige Einrichtungen zerstörten, nicht nur die gefaßten Täter erschossen werden, sondern daß darüber hinaus die sämtlichen Männer der Sippe gleichfalls zu exekutieren und die dazugehörigen weiblichen Angehörigen über 16 Jahre in das KZ einzuweisen sind. Strikte Voraussetzung ist hierfür selbstverständlich, daß, wenn der oder die Täter nicht festgenommen, ihre Namen und Wohnorte einwandfrei ermittelt worden sind. Als männliche Angehörige der Sippe haben beispielsweise zu gelten: der Vater, Söhne (soweit sie über 16 Jahre alt sind), Brüder, Schwäger, Vettern und Onkel des Täters. Analog ist gegen die Frauen vorzugehen.

Mit diesem Verfahren ist beabsichtigt, eine Gesamthaftung durch alle Männer und Frauen der Sippe des Täters sicherzustellen. Es wird ferner damit der Lebenskreis des politischen Verbrechers auf das empfindlichste getroffen. Diese Praxis hat beispielsweise schon Ende 1939 in den neuen Ostgebieten, insbesondere im Warthegau, die besten Erfolge gezeitigt. Sowie dieser neue Modus in der Bekämpfung von Attentätern und Saboteuren den Fremdvölkischen bekannt wird – dies kann durch Mundpropaganda geschehen –, werden die weiblichen Angehörigen einer Sippe, in der sich Mitglieder der Widerstandsbewegung oder Banden befinden, erfahrungsgemäß einen vorbeugenden Einfluß ausüben.«

Der SD und die Gestapo haben auch Kriegsgefangene Verhören dritten Grades unterzogen. Ich beziehe mich auf Dokument 1531-PS, US-248. Das Dokument enthält einen Befehl vom 12. Juni 1942 mit Müllers Unterschrift, worin verschärfte Vernehmungen erlaubt werden, vorausgesetzt, daß der Gefangene wichtige Tatsachen, wie zum Beispiel über die Untergrundbewegung, enthüllen könnte; man sollte aber nicht Geständnisse über die eigenen Straftaten des Gefangenen erzwingen.

Ich zitiere von Seite 2 der englischen Übersetzung, zweiter Absatz:

»Die verschärfte Vernehmung darf unter dieser Voraussetzung nur angewendet werden gegen Kommunisten, Marxisten, Bibelforscher, Saboteure, Terroristen, Angehörige der Widerstandsbewegungen, Fallschirm-Agenten, Asoziale, polnische oder sowjetrussische Arbeitsverweigerer oder Bummelanten.

In allen übrigen Fällen bedarf es grundsätzlich meiner vorherigen Genehmigung.«

Ich gehe dann zu Punkt 4 am Ende über:

»Die Verschärfung kann je nach der Sachlage unter anderem bestehen in:

Einfachste Verpflegung (Wasser und Brot), hartes Lager, Dunkelzelle, Schlafentzug, Ermüdungsübungen, aber auch in der Verabreichung von Stockhieben (bei mehr als 20 Stockhieben muß ein Arzt zugezogen werden).«

Am 24. Februar 1944 veröffentlichte der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Distrikt Radom einen vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau erlassenen Befehl, Dokument L-89, US-507, im ersten Band. Dieser folgte eng den Bestimmungen des soeben verlesenen Befehls. Ich zitiere den ersten Absatz auf der ersten Seite hinter der Liste der Dienststellen:

»Wegen der bisher verschiedenartig gehandhabten verschärften Vernehmung und zur Vermeidung von Übergriffen sowie zum Schutze der Beamten gegen etwaige Strafverfahren ist vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau in Anlehnung an die für das Reich geltenden Bestimmungen für die Sicherheitspolizei im Generalgouvernement folgendes angeordnet worden.«

Dann folgen die Vorschriften. Die Bedeutung dieses Dokuments besteht in dem Beweis dafür, daß noch im Jahre 1944 Vernehmungen dritten Grades durch die Gestapo durchgeführt wurden.

Ich wende mich jetzt zur Tätigkeit der Gestapo und des SD in ihrer Eigenschaft als diejenigen Dienststellen, die sich primär mit der Verfolgung der Juden befaßten. Ich werde das früher vorgelegte Beweismaterial nicht nochmals bringen, ausgenommen jene Teile, die sich auf die Beteiligung dieser Organisationen beziehen.

Die Verantwortung der Gestapo und des SD für das Massenvernichtungs-Programm, das durch die Einsatzgruppen der Sipo und des SD in den Vernichtungslagern, in die Juden geschickt wurden, ausgeführt wurde, ist bereits vorgetragen worden. Ich zitiere dem Hohen Gerichtshof Dokument 2615-PS, das bereits vorgelegt worden ist, worin die Zahl der hingerichteten Juden von Eichmann genannt worden war. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nur auf den Umstand lenken, daß Eichmann der Chef der Abteilung B IV der Gestapo war, und daß diese Abteilung der Gestapo sich mit den jüdischen Angelegenheiten befaßte, einschließlich der Evakuierungspläne, der Unterdrückung der volks- und staatsfeindlichen Elemente und der Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft.

Die Gestapo befaßte sich auch mit der Durchführung der benachteiligenden Gesetze, die bereits vorgelegt worden sind. Ich möchte den Hohen Gerichtshof nun auf Dokument 3058-PS, US-508 hinweisen. Ich möchte zeigen, daß es sich hier um ein rotumrandetes Dokument handelt, das von Heydrich selbst unterschrieben, an den Angeklagten Göring gerichtet und vom 11. November 1938 datiert ist. Ich übergebe es dem Gerichtsschreiber. Es ist eine Anlage beigefügt, die besagt, daß diese Angelegenheit dem Angeklagten Göring vorgelegt worden ist.

Dieses Dokument betrifft einen Bericht über die Tätigkeit der Gestapo in Verbindung mit den judenfeindlichen Demonstrationen, die, wie Sie sich erinnern werden, im Herbst 1938 stattfanden. Es ist ein Bericht von Heydrich persönlich an Göring. Der Brief ist an den Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring gerichtet und trägt das Datum vom 11. November 1938; die vorhergehenden Dokumente zeigten, daß diese Tätigkeit kurz vorher erfolgte, und daß der Befehl dazu im Zusammenhang mit der Judenverfolgung und -ausrottung erging.

»Der Umfang der Zerstörung jüdischer Geschäfte und Wohnungen läßt sich bisher ziffernmäßig noch nicht belegen. Die in den Berichten aufgeführten Ziffern: 815 zerstörte Geschäfte, 29 in Brand gesteckte oder sonst zerstörte Warenhäuser, 171 in Brand gesteckte oder zerstörte Wohnhäuser, geben, soweit es sich nicht um Brandlegungen handelt, nur einen Teil der wirklich vorliegenden Zerstörungen wieder. Wegen der Dringlichkeit der Berichterstattung mußten sich die bisher eingegangenen Meldungen lediglich auf allgemeinere Angaben wie ›zahlreiche‹ oder ›die meisten Geschäfte zerstört‹ beschränken. Die angegebenen Ziffern dürften daher um ein Vielfaches überstiegen werden.

An Synagogen wurden 191 in Brand gesteckt, weite re 76 vollständig demoliert. Ferner wurden 11 Gemeindehäuser, Friedhofskapellen usw. in Brand gesetzt und weitere 3 völlig zerstört.

Festgenommen wurden rund 20000 Juden, ferner 7 Arier und 3 Ausländer. Letztere wurden zur eigenen Sicherheit in Haft genommen.

An Todesfällen wurden 36, an Schwerverletzten ebenfalls 36 gemeldet. Die Getöteten, bzw. Verletzten sind Juden. Ein Jude wird noch vermißt. Unter den getöteten Juden befindet sich ein, unter den Verletzten 2 polnische Staatsangehörige.«

Auf das Schreiben, das diesem Dokument beigefügt ist, möchte ich den Hohen Gerichtshof hinweisen.

»Generalfeldmarschall«, das ist Göring, »hat Kenntnis genommen. Es ist nichts zu veranlassen. Im Auftrage, 15. November 1938.«

Die Unterschrift ist unleserlich.

In demselben Zusammenhang ist Heydrich von Göring beauftragt worden, das gesamte Programm durchzuführen, und wir bringen als nächstes Beweisstück das Dokument 710-PS, US-509, einen Befehl vom 31. Juli 1941. Es ist auf dem Briefpapier des Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches, Beauftragter für den Vierjahresplan, Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung, geschrieben, von Berlin, 31. Juli 1941 datiert und an den Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, SS- Gruppenführer Heydrich, gerichtet:

»In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlaß vom 24. I. 39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigsten Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa.

Soferne hierbei die Zuständigkeiten anderer Zentralinstanzen berührt werden, sind diese zu beteiligen.

Ich beauftrage Sie weiter, mir in Bälde einen Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen.« Unterschrift »Göring.«

Der Gerichtshof hat das Beweismaterial über die Endlösung des Judenproblems bereits entgegengenommen, so, wie Heydrich sie sich vorstellte, und wie sie von der Sicherheitspolizei und dem SD unter ihm und unter dem Angeklagten Kaltenbrunner durchgeführt wurde. Die Lösung lautete: Versklavung und Massenmord.

Schließlich möchte ich in meiner Beweisführung gegen die Gestapo und den SD noch darauf hinweisen, daß diese Organisationen die Haupttriebkräfte für die Kirchenverfolgung waren. Das Beweismaterial über die Kirchenverfolgung ist bereits vorgelegt worden. In diesem Kampf spielten Gestapo und SD eine geheime, aber außerordentlich bezeichnende Rolle.

Die Abteilung C 2 des SD befaßte sich mit der Erziehung und dem religiösen Leben, die Abteilung B 1 der Gestapo mit politischem Katholizismus, die Abteilung B 2 mit politischem Protestantismus und Abteilung B 3 mit anderen Kirchen und der Freimaurerei.

Die Kirche war einer der Feinde des Nazi-Staates, und die Gestapo hatte die besondere Aufgabe, sie zu bekämpfen. Sie erließ Verbote gegen die Kirchen, löste Kirchenorganisationen auf und nahm Geistliche in Schutzhaft.

Ich lege nun Dokument 1815-PS, US-510, vor. Es ist ein sehr umfangreiches Aktenstück, dieses Originaldokument, und ich möchte daraus nur einige Teile verlesen. Es handelt sich um ein Aktenstück der regionalen Gestapo-Dienststelle in Aachen und enthüllt es als ein Ziel der Gestapo, im Kirchenkampf die Kirche zu vernichten. Ich lese vom Anfang der ersten Seite der englischen Übersetzung. Die Urkunde ist datiert vom 12. Mai 1941, Berlin, und stammt vom RSHA, Abteilung IV, B 1. Sie ist an alle Staatspolizei-Leitstellen gerichtet, nachrichtlich an die SD-Leit- Abschnitte und die Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD. Es betrifft die »Bearbeitung der politischen Kirchen«:

»Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes hat angeordnet, daß mit sofortiger Wirkung die sicherheitsdienstliche und sieherheitspolizeiliche Bearbeitung der politischen Kirchen, die bisher auf die SD-Abschnitte und Staatspolizeistellen verteilt war, vollständig auf die Staatspolizeistellen übergeht.«

Dann bezieht sich das Dokument auf den Geschäftsverteilungsplan des RSHA vom 1. März 1941:

»Neben der Gegnerbekämpfung übernehmen damit die Staatspolizeistellen auch den gesamten Gegnernachrichtendienst auf diesem Gebiet.

Damit die Staatspolizeistellen in der Lage sind, diese Arbeit aufzunehmen, hat der Chef der Sicherheitspolizei und des SD angeordnet, daß die bisherigen Kirchenbearbeiter bei den SD-Abschnitten in gleicher Dienststellung zu den Staatspolizeistellen vorläufig kommandiert werden und dort die Leitung der nachrichtendienstlichen Arbeit auf diesem Gebiet übernehmen. Auf Anordnung des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes und nach Vereinbarung mit den Leitern der Ämter III, II und I, werden somit die in anliegender Liste aufgeführten Kirchensachbearbeiter...«

VORSITZENDER: Ist es notwendig, uns darüber alle Einzelheiten zu geben?

OBERST STOREY: Nein, Hoher Gerichtshof, ich glaube nicht. Ich möchte jedoch daraus zitieren. Es soll nur beweisen, wie diese Leute vorgingen.

Etwas später, am 22. und 23. September 1941, fand im Hörsaal des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin eine Besprechung der sogenannten Kirchenbearbeiter statt, die den regionalen Gestapodienststellen, wie vorher erwähnt, angeschlossen waren. Es wurden Notizen aufgenommen, und dieses Dokument hier enthält diese Aufzeichnungen der Besprechung. Das Programm wird aufgezeigt, die Pläne in Bezug auf die Kirchen werden ausgearbeitet, und ich möchte daraus nur die Schlußerklärungen dieser sogenannten Kirchenbearbeiter vorlesen; es ist nur ein kurzes Zitat:

»Jeder von Ihnen muß mit dem Herzen und mit einem wahren Fanatismus an die Arbeit gehen. Wenn bei dieser Arbeit auch mal hier und da Fehler unterlaufen, so darf dies keinesfalls entmutigen, denn Fehler werden überall gemacht. Hauptsache ist, daß immer wieder durch Entschlossenheit, Wille und wirksame Initiative dem Gegner entgegengetreten wird.«

Der »Gegner« ist die Kirche. Und dann das Letzte, worauf ich abschließend in Zusammenhang mit diesem Dokument hinweisen will! Auf Seite 8 der englischen Übersetzung werden das unmittelbare und das endgültige Ziel beschrieben.

»Das Nahziel: Die Kirche darf keinen Schritt des inzwischen verlorenen Bodens wieder gewinnen.

Das Fernziel: Zerschlagung der konfessionellen Kirchen durch Vorlage des gesamten nachrichtenmäßig zu sammelnden Materials zur gegebenen Zeit mit dem Ziele, der Kirche die hochverräterische Betätigung während des deutschen Lebenskampfes vorzuhalten.«

Dies, Hoher Gerichtshof, beschließt die tatsächlichen dokumentarischen Ausführungen, die ich im Zusammenhang mit dem SD und der Gestapo machen will. Eng damit verbunden ist der Fall gegen Kaltenbrunner, den Vertreter dieser Organisationen, der gleich nach der Mittagspause durch Leutnant Whitney Harris vorgetragen werden wird. Es werden auch ein oder zwei Zeugen im Zusammenhang mit diesen Organisationen und im Zusammenhang mit Kaltenbrunner vorgeführt werden.

Ich möchte mit folgenden Worten schließen:

Das Beweismaterial zeigt, daß die Gestapo vom Angeklagten Göring im April 1933 in Preußen mit dem ausdrücklichen Ziel geschaffen worden war, als eine Polizeistelle die tatsächlichen und ideologischen Feinde des Nazi-Regimes niederzuschlagen. Weiterhin, daß die Gestapo in Preußen und in anderen Ländern des Reiches ein Programm des Terrors gegen alle diejenigen durchführte, die als gefährlich für die Herrschaft der Verschwörer über das deutsche Volk angesehen wurden. Ihre Methoden waren äußerst grausam. Sie arbeiteten außerhalb der Gesetze und schickten ihre Opfer in Konzentrationslager. Der Ausdruck »Gestapo« wurde das Symbol für Gewalt und Terror des Nazi-Regimes.

Hinter der Bühne und im geheimen bespitzelte der SD durch sein weitverzweigtes Netz von Informationspersonen das deutsche Volk in seinem alltäglichen Leben, auf den Straßen, in den Läden und sogar in den geheiligten Räumen der Kirchen.

Die zufälligste Bemerkung eines deutschen Staatsangehörigen konnte ihn vor die Gestapo bringen, wo über sein Schicksal und seine Freiheit ohne Rücksicht auf das Gesetz entschieden wurde. In dieser Regierung, in welcher die Herrschaft des Rechts durch die tyrannische Herrschaft einiger Männer ersetzt wurde, war die Gestapo das Hauptinstrument der Unterdrückung.

Die Gestapo und der SD spielten eine wichtige Rolle bei fast jeder verbrecherischen Handlung der Verschwörung. Die Art dieser Verbrechen, ganz abgesehen von den vielen tausenden Einzelfällen von Folterung und Grausamkeiten bei der Überwachung Deutschlands zu Gunsten der Verschwörer, liest sich wie eine Seite aus dem Notizbuch des Teufels.

Sie fabrizierten die Grenzzwischenfälle, die Hitler als Vorwand zum Angriff gegen Polen benutzte.

Sie ermordeten Hunderttausende von hilflosen Männern, Frauen und Kindern durch die berüchtigten Einsatzgruppen.

Sie entfernten Juden, politische Führer und Wissenschaftler aus Kriegsgefangenenlagern und ermordeten sie.

Sie brachten wiedereingefangene Kriegsgefangene in Konzentrationslager und ermordeten sie.

Sie errichteten Konzentrationslager, sie teilten sie in Klassen ein und sandten Tausende von Menschen zur Vernichtung und Sklavenarbeit dorthin.

Sie räumten Europa von Juden und waren verantwortlich für den Tod von Hunderttausenden in den Vernichtungslagern.

Sie trieben Hunderttausende von Staatsangehörigen aus den besetzten Ländern zusammen und sandten Sklavenarbeiter in Arbeitserziehungslager.

Sie exekutierten gefangene Kommandos und Fallschirmspringer und schützten Zivilpersonen, die alliierte Flieger lynchten. Sie brachten Zivilpersonen aus den besetzten Ländern nach Deutschland, um sie im geheimen vor Gericht zu stellen und zu bestrafen.

Sie verhafteten, richteten und bestraften Staatsangehörige aus den besetzten Gebieten durch besondere Strafverfahren, die kein gerechtes Verfahren gewährleisteten, sowie durch summarische Methoden.

Sie ermordeten die Familienangehörigen der Personen, die angeblich Verbrechen begangen hatten, oder schickten sie in Konzentrationslager.

Sie befahlen die Ermordung von Gefangenen in Sipo- und SD-Gefängnissen, um ihre Befreiung durch die alliierten Armeen zu verhindern.

Sie beteiligten sich an der Beschlagnahme und dem Raub öffentlichen und privaten Eigentums.

Sie waren die wichtigsten Organe für die Verfolgung der Juden und Kirchen.

Bei der Ausführung dieser Verbrechen handelte die Gestapo als eine Organisation, die von ihrer Leitung in Berlin zentral geführt und überwacht wurde. Berichte wurden nach Berlin gesandt, und alle wichtigen Entscheidungen kamen aus Berlin. Die regionalen Stellen hatten nur eine beschränkte Befugnis, Personen in Konzentrationslager zu verschicken. Alle Fälle, mit Ausnahme der kurzfristigen, mußten Berlin zwecks Zustimmung vorgelegt werden.

Die Gestapo war organisch aufgebaut. Ihre Hauptabteilungen beschäftigten sich mit den Gruppen und Einrichtungen, gegen welche die schlimmsten, soeben aufgezählten Verbrechen gerichtet waren.

Bei der Ausführung dieser Verbrechen handelte die Gestapo als eine Einheit, jede Abteilung spielte ihre Rolle in den allgemeinen verbrecherischen Handlungen, die von Berlin angeordnet wurden. Die Geheime Staatspolizei sollte als Organisation für die ungeheueren Verbrechen, an welchen sie teilgenommen hat, zur Rechenschaft gezogen werden.

Der SD war immer eine Abteilung der SS. Sein verbrecherischer Charakter bezieht sich direkt auf den verbrecherischen Charakter der SS und trägt zu ihm bei.

Was die Gestapo betrifft, so behaupten wir, daß sie eine Organisation im Sinne des Artikels 9 des Statuts war, ferner, daß die Angeklagten Göring und Kaltenbrunner, die im Artikel 6 des Statuts beschriebenen Verbrechen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder und Führer der Gestapo begangen haben, und schließlich, daß die Gestapo als eine Organisation an der Verschwörung teilnahm und sie unterstützte, an der Verschwörung, die die im Artikel 6 des Statuts beschriebenen Verbrechen plante und ausführte.

Und zum Schluß halte ich hier in meiner Hand eine Broschüre, die zu Ehren des berüchtigten Heydrich, des früheren Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, veröffentlicht worden ist. Ich zitiere aus einer Rede, die von Heydrich am Deutschen Polizeitag 1941 gehalten wurde. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Rede amtlich Kenntnis zu nehmen. Ich zitiere:

»Geheime Staatspolizei, Kriminalpolizei und Sicherheitsdienst sind noch umwoben vom raunenden und flüsternden Geheimnis des politischen Kriminalromans. In einer Mischung von Furcht und Gruseln und doch im Inland mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit ob ihres Vorhandenseins sagt man den Männern dieser Arbeit im Ausland gern Brutalität, ans Sadistische grenzende Unmenschlichkeit und Herzlosigkeit nach.«

Dies sind die Worte Heydrichs, welcher früher Chef dieser Organisation gewesen ist.

Herr Vorsitzender, wünschen Sie fortzufahren?

DR. KURT KAUFFMANN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KALTENBRUNNER: Ich habe soeben gehört, daß heute Nachmittag gegen Kaltenbrunner verhandelt werden soll. Ich halte es deshalb für zweckmäßig, einen auf Kaltenbrunner bezüglichen Antrag schon jetzt zu stellen, vor der Pause, nicht erst heute Nachmittag. Mein Antrag ist folgender:

Ich bitte, das Verfahren gegen Kaltenbrunner für die Zeit seiner Abwesenheit auszusetzen. Kaltenbrunner hat an dem bisherigen Verfahren nur an wenigen Tagen teilnehmen können. Der Grund für seine Abwesenheit ist eine Krankheit, die nach meiner Auffassung ernstlicher Natur sein muß. In einem so bedeutenden Prozeß kann nur eine sehr schwere Krankheit die Abwesenheit eines Angeklagten rechtfertigen. Irgendwelche ärztliche Mitteilungen über seinen jetzigen Zustand besitze ich nicht. Es erscheint mir fast zweifelhaft, ob er überhaupt noch einmal verhandlungsfähig sein wird. Wie dem aber auch sei, mein jetziger Antrag auf vorläufige Aussetzung des Verfahrens steht mit Artikel 12 des Statuts nicht im Widerspruch: Ist ein Angeklagter am Leben, aber nicht auffindbar, so darf auch in seiner Abwesenheit gegen ihn verhandelt werden. Dieser Gedanke ist besonders dann berechtigt, wenn sich ein Angeklagter verborgen hält und damit die Verhandlung in seiner Abwesenheit selbst verschuldet. Kaltenbrunner ist jedoch hier, in Haft. Er hat sich dem Verfahren nicht entzogen und wünscht nichts anderes, als zu den Anschuldigungen Stellung nehmen zu können. Wenn aber ein Angeklagter ohne eigene Schuld abwesend sein muß, so würde eine trotzdem durchgeführte Verhandlung mit der Gerechtigkeit wohl kaum in Einklang stehen; Artikel 12 des Statuts erwähnt das Moment der Gerechtigkeit ausdrücklich.

Ich würde eine weitere Verhandlung umsomehr bedauern, als Kaltenbrunner gerade jetzt Gelegenheit haben muß, mir als Verteidiger Informationen zu erteilen. Die Spezialanklageschrift ist ihm nicht einmal bekannt. Sie wurde erst vor der Weihnachtspause übergeben.

Ich brauche nicht zu betonen, wie sehr die Aufgaben der Verteidigung durch eine Weiterführung des Verfahrens erschwert, ja fast unmöglich gemacht würden.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird den Antrag, der seitens des Verteidigers für den Angeklagten Kaltenbrunner gemacht worden ist, erwägen und seine Entscheidung in Kürze bekanntgeben. Das Gericht vertagt sich nunmehr bis um 2.00 Uhr.

OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Darf ich im Zusammenhang damit eine Erklärung abgeben?

VORSITZENDER: Ja, gewiß.

OBERST STOREY: Das Beweismaterial gegen Kaltenbrunner steht im Zusammenhang mit der Rolle, die er in diesen Organisationen gespielt hat, und wir dachten, daß, um Zeit zu sparen, die Individualanklage gegen Kaltenbrunner zur gleichen Zeit vorgebracht werden könnte. Sollte sie nicht in diesem Zusammenhang vorgelegt werden können, dann würde dies in wenigen Tagen, zu Beginn nächster Woche, im Zusammenhang mit den anderen Einzelangeklagten geschehen. Der Verteidiger bemerkt, daß Kaltenbrunner wahrscheinlich längere Zeit nicht anwesend sein können wird, und ich glaubte, diese Erklärung machen zu sollen.

VORSITZENDER: Ja.