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[Das Gericht vertagt sich bis 14.05 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

MR. BIDDLE: Als Sie von dem schriftlichen Vertrag zwischen den Führern der Einsatzgruppen und der Armee sprachen, wissen Sie, ob die Aufgaben und Ziele der Einsatzgruppen in diesem Vertrage beschrieben wurden? Sagte dieser Vertrag, was die Gruppen zu tun hätten?

OHLENDORF: Das kann ich nicht mehr sagen; auf keinen Fall die Aufgabe der Liquidation.

MR. BIDDLE: Haben Sie die Frage verstanden?

OHLENDORF: Jawohl. Ich habe nicht mehr recht in Erinnerung, ob etwa ein allgemeiner Satz in dem Vertrag gestanden hat über die sicherheitspolizeiliche Aufgabe und Tätigkeit in dem Operationsraum; aber ich bin sicher, daß über die Aufgabe der Liquidierung nichts drin gestanden hat.

MR. BIDDLE: Sie erklärten, daß ein allgemeiner Befehl ergangen sei, der sich auf die Liquidierung aller Juden bezog? War dieser Befehl schriftlich?

OHLENDORF: Nein.

MR. BIDDLE: Wissen Sie, wer den Befehl gab?

OHLENDORF: Ist die Frage in Bezug auf die Tätigkeit der Einsatzgruppen gerichtet?

MR. BIDDLE: Ja.

OHLENDORF: In Bezug auf die Einsatzgruppen ist der Befehl zum erstenmal über Himmler, Heydrich, Streckenbach an die Einsatzgruppen gegeben und zum zweitenmal von Himmler persönlich wiederholt.

MR. BIDDLE: Wurde ein ähnlicher Befehl an die Armee geschickt?

OHLENDORF: In dieser Form ist mir ein solcher Befehl an die Armee nicht bekannt.

VORSITZENDER: Hat irgendein Verteidiger den Wunsch, mit diesem Zeugen ein Kreuzverhör anzustellen?

DR. OTTO NELTE, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KEITEL: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, daß einige Wochen vor Beginn des Rußland-Feldzugs Verhandlungen stattfanden über die Aufgaben der Einsatzgruppen und der Einsatzkommandos. Waren Sie bei diesen Verhandlungen persönlich zugegen?

OHLENDORF: Darf ich vorher kurz insofern berichtigen, als der Hauptgegenstand nicht die Aufgaben, sondern die Einrichtung im Rahmen des Operationsraums...

VORSITZENDER: Einen Augenblick! Wiederholen Sie bitte.

OHLENDORF: Darf ich insofern berichtigen, als nach meiner Erinnerung das Hauptthema nicht die Aufgaben der Einsatzgruppen waren, sondern die Einrichtung dieser mobilen Organisationen für eine Tätigkeit im Rahmen der operierenden Heeresteile.

DR. NELTE: Es handelte sich also um Aufgaben im Bereich des Heeres.

OHLENDORF: Jawohl.

DR. NELTE: Sie haben ausgesagt, daß das schriftliche Abkommen zwischen RSHA einerseits und OKW und OKH andererseits abgeschlossen worden sei. Ist Ihnen der befehlsmäßige Unterschied zwischen OKW und OKH bekannt?

OHLENDORF: Jawohl.

DR. NELTE: Wer vom OKW war bei diesen Verhandlungen zugegen?

OHLENDORF: Ich kann keinen Namen sagen, da ich selbst bei diesen Verhandlungen nicht zugegen gewesen bin, sondern die Verhandlungen wurden geführt einerseits von Heydrich und andererseits von seinem Beauftragten Schellenberg.

DR. NELTE: Schellenberg hat in einer eidesstattlichen Erklärung, die hier vorgelegt worden ist, auch über diese Frage gesprochen, hierbei aber den Generalquartiermeister Wagner genannt als diejenige Stelle, mit der er zu verhandeln hatte. Ist Ihnen jetzt vielleicht erinnerlich, ob dies auch bei diesen Verhandlungen der Fall war, von denen Sie sprechen?

OHLENDORF: Mir ist jedenfalls der Generalquartiermeister Wagner, einer der wenigen Namen, die mir überhaupt aus diesen Verhandlungen noch in Erinnerung sind, als einer der genannten Namen bekannt.

DR. NELTE: Es ist Ihnen bekannt, daß Generalquartiermeister Wagner mit dem OKW als Institution nichts zu tun hatte?

OHLENDORF: Jawohl.

DR. NELTE: Sie können uns also keine Persönlichkeit benennen, die als Repräsentant des OKW anzusehen wäre?

OHLENDORF: Nein, kann ich Ihnen nicht nennen. Ich habe auch nur gesagt, daß ich mich erinnert habe, und zwar habe ich den Briefkopf OKW – OKH optisch noch in Erinnerung und habe mir diesen doppelten Titel auch dadurch erklärt, daß wahrscheinlich wesentliche Verhandlungen mit Canaris gepflogen wurden und daher Vereinbarungen mit Canaris mit in diesen Vertrag einbezogen worden sind und auf diese Weise der auch für mich ungewöhnliche Briefkopf OKH plus OKW zustande kam, während an sich, materiell, das OKH natürlich die für Marsch und Verpflegung zuständige Dienststelle ist.

DR. NELTE: Einen gemeinsamen Briefkopf OKW – OKH hat es in natura natürlich nicht gegeben. Es kann sich also dann in Ihrem Fall lediglich um irgendeine Schreibmaschinenabschrift wohl gehandelt haben?

OHLENDORF: Ich habe einen im Abzugsverfahren hergestellten Bogen im Kopf.

DR. NELTE: Wissen Sie, welche Unterschriften dieses Schriftstück trug, das Sie in optischer Erinnerung haben?

OHLENDORF: Kann ich mich leider nicht mehr erinnern.

DR. NELTE: Ein Herr Richter hat schon die Frage gestellt, daß sich naturgemäß aus einem solchen Abkommen Befehle entwickeln müssen. Ist in einem solchen Befehl vielleicht der Name OKW erwähnt oder die Unterschrift?

OHLENDORF: Ich verstehe jetzt nicht, was für Befehle Sie meinen.

DR. NELTE: Wenn ein Abkommen zwischen zwei verschiedenen Institutionen erfolgt, wie Reichssicherheitshauptamt einerseits und, sagen wir, OKH andererseits, so muß die Stelle, die nachher das, was da verabredet ist, durchführen soll, in einer Form Kenntnis erlangen, die militärisch Befehl genannt wird. Ist ein solcher vom OKW ausgehender Befehl Ihnen bekannt?

OHLENDORF: Es sind ja Befehle von seiten des Heeres oder des OKW nicht an mich gekommen, sondern ich kriegte ja nur Befehle oder Wünsche ausgesprochen von der Armee.

DR. NELTE: Von der Armee oder von Ihrer vorgesetzten Dienststelle?

OHLENDORF: Nein, ich meine jetzt von... also, wenn ich an das Heer denke...

DR. NELTE: Also, es bestanden zwischen Ihnen als Leiter der Einsatzgruppe und dem OKW als Institution keinerlei Beziehungen?

OHLENDORF: Keine unmittelbare Verbindung. Mir ist wohl bekannt, daß einzelne Berichte auf dem Dienstwege bis zum OKW hinaufgegangen sind.

DR. NELTE: Wenn Sie das wissen, können Sie mir sagen, an welche Stelle, da das OKW deren ja viele hatte.

OHLENDORF: Ich möchte annehmen, daß das auch wieder an Canaris letzten Endes gelangt ist.

DR. NELTE: Ich danke.

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: In Ihrer Stellung als Chef des SD werden Sie, Herr Zeuge, sich auch ein Bild machen können über die Vertrauenswürdigkeit der Mitglieder des Reichskabinetts und über die Geheimhaltung wichtigster Dinge. Ich bitte, mir die Frage zu beantworten, ob der Befehl, der heute hier erörtert worden ist, bezüglich der Liquidierungen, nach Ihrer Ansicht im Reichskabinett geboren und, ob dieser Befehl nach Ihrer Ansicht auch den einzelnen Reichskabinettsmitgliedern mitgeteilt worden ist?

OHLENDORF: Ich bin überzeugt, daß beide Fragen mit »nein« zu beantworten sind.

DR. KUBUSCHOK: Weiterhin möchte ich einige Fragen an den Zeugen richten, für den Angeklagten Speer, da der Verteidiger des Angeklagten Speer abwesend ist, und ich diese Aufgabe kollegialiter übernommen habe.

Ist Ihnen, Herr Zeuge, bekannt, daß der Angeklagte Speer im Gegensatz zu Anordnungen Hitlers Maßnahmen getroffen hat zur Verhinderung der Zerstörung industrieller oder sonstiger Anlagen?

OHLENDORF: Jawohl.

DR. KUBUSCHOK: Daß sich diese Maßnahmen auch erstreckt haben über das Inland hinaus auf das damals noch besetzte Gebiet von Oberschlesien und so weiter.

OHLENDORF: Ich glaube, daß der Zeitraum, in dem mir dies bekannt gewesen ist, so spät war, daß, abgesehen von geringen Gebieten im Westen, ein Ostraum nicht mehr dafür in Frage kam.

DR. KUBUSCHOK: Eine weitere Frage, die Sie vielleicht wissen könnten. Wissen Sie, daß der Angeklagte Speer Mitte Februar dieses Jahres ein Attentat gegen Hitler vorbereitet hat?

OHLENDORF: Nein.

DR. KUBUSCHOK: Wissen Sie, daß Speer es unternommen hat, Himmler den Alliierten auszuliefern, damit er sich verantworten könne und eventuell Nichtschuldige klarlegen könnte?

OHLENDORF: Nein.

DR. KUBUSCHOK: Diese Frage wird dann eventuell durch einen anderen Zeugen bestätigt werden.

Sind Sie über die Vorgänge des 20. Juli eingehend im Bilde?

OHLENDORF: Zu einem erheblichen Teil.

DR. KUBUSCHOK: Ist Ihnen bekannt, daß auch in den Kreisen der Attentäter des 20. Juli der Angeklagte Speer für die Fortführung seines Ministeriums in Aussicht genommen war?

OHLENDORF: Jawohl.

DR. KUBUSCHOK: Ist Ihnen etwas Näheres darüber bekannt?

OHLENDORF: Von seiten der am 20. Juli Beteiligten ist mir nur bekannt, daß sie ihn auf einem Organisationsschema für die Weiterführung des Rüstungsministeriums vorgesehen hatten.

DR. KUBUSCHOK: Glauben Sie, Herr Zeuge, daß dieser Plan der Attentäter des 20. Juli darauf zurückzuführen war, daß der Angeklagte Speer nach seiner Tätigkeit nicht nur in diesen Kreisen, sondern auch sonst als ein reiner Fachmann und nicht Politiker angesehen wurde?

OHLENDORF: Die Frage ist sehr schwer zu beantworten. Es ist sehr schwer, als nicht politisch zu gelten, wenn man in einer so engen Beziehung zur letzten politischen Entscheidungsstelle des Reiches gestanden hat und vielleicht der wesentlichste Faktor gewesen ist, aus dessen Anregungen und Vorschlägen die Entscheidungen kamen; andererseits war bekannt oder galt Minister Speer nicht als ein ausgesprochen politischer Mensch.

DR. RUDOLF MERKEL, VERTEIDIGER FÜR DIE GESTAPO: Herr Zeuge, wissen Sie, daß im April 1933 die Gestapo in Preußen errichtet worden ist?

OHLENDORF: Mir ist der Monat nicht bekannt, aber das Jahr ist mir bekannt.

DR. MERKEL: Wissen Sie, was der Zweck der Errichtung dieser Einrichtung war?

OHLENDORF: Die Bekämpfung des politischen Gegners, der staatsgefährlich werden konnte.

DR. MERKEL: Ist Ihnen etwas darüber bekannt, wie diese Einrichtung, die also ursprünglich nur für Preußen gedacht war, auf das übrige Reichsgebiet ausgedehnt wurde?

OHLENDORF: Es wurden entweder im Jahre 33 oder im Jahre 34 in allen Ländern politische Polizeien als Einrichtungen geschaffen. Diese politischen Polizeien wurden 1934 nach meiner Erinnerung dem Reichsführer-SS als politischem Polizeikommandeur der Länder befehlsmäßig unterstellt. Die erste zusammenfassende Kommandostelle war das Preußische Geheime Staatspolizeiamt. Nach Schaffung des Hauptamtes »Sicherheitspolizei« wurden diese Führungsaufgaben von Himmler an Heydrich weiter delegiert, der sie mit dem Hauptamt »Sicherheitspolizei« durchführte.

DR. MERKEL: Wer hat in den einzelnen Ländern die Staatspolizei geschaffen und eingerichtet?

OHLENDORF: Das kann ich Ihnen nicht beantworten.

DR. MERKEL: Wissen Sie etwas darüber, ob schon vor 1933 im ehemaligen Reichsgebiet eine ähnliche Einrichtung, eine politische Polizei, bestanden hat?

OHLENDORF: Ja, die hat bestanden. Soweit ich mich erinnere, zum Beispiel beim Polizeipräsidium in Berlin, und, glaube ich, Ia. Jedenfalls gab es Einrichtungen der politischen Polizei.

DR. MERKEL: Wissen Sie etwas über den Aufgabenkreis dieser Einrichtung, die vor 1933 bestand?

OHLENDORF: Ja, dieselben; jedenfalls im Grunde dieselben Aufgaben.

DR. MERKEL: Wissen Sie etwas darüber, wie der Personalbestand der Gestapo geschaffen wurde, die also doch im großen und ganzen eine Neueinrichtung war, also nicht etwa nur durch Übernahme bereits bestehenden Personals geschaffen wurde.

OHLENDORF: Als ich die Staatspolizei kennengelernt habe, war es sicherlich so, daß der Grundstock der sachbearbeitenden Kräfte aus der Kriminalpolizei übernommen war, und daß die führenden Männer in den Staatspolizeistellen, das heißt also, in den regionalen Dienststellen der Staatspolizei, zum überwiegenden Teil aus der inneren Verwaltung, eventuell auch aus den Länderpolizeiverwaltungen berufsmäßig erwachsen waren, zu einem Teil sogar abkommandiert waren aus dieser inneren Verwaltung. Dasselbe traf auch für die Sachbearbeiter innerhalb des Amtes IV beziehungsweise des Geheimen Staatspolizeiamtes zu.

DR. MERKEL: Sie sagen, die Beamten wurden zum größten Teil kommandiert.

OHLENDORF: Zum größten Teil kommandiert habe ich nicht gesagt, sondern zum Teil.

DR. MERKEL: Zum Teil kommandiert. Bestand für einzelne dieser Mitglieder der Gestapo die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, oder nicht in die Gestapo übernommen zu werden, wenn sie es nicht wünschten?

OHLENDORF: Ein absolutes Wehren würde ich nicht bejahen. Es wird einzelnen gelungen sein, sich sehr geschickt eventuell davor zu bewahren, wenn er es nicht wollte. Aber, wenn er innerhalb der inneren Verwaltung zu einer solchen Dienststelle abkommandiert wurde, dann mußte er eben als Beamter folgen. Er mußte als Beamter...

DR. MERKEL: Die Mitglieder der Gestapo waren offenbar fast ausschließlich oder ausschließlich Beamte? Wissen Sie darüber Bescheid?

OHLENDORF: Im Kriege sicherlich auch nicht mehr. Aber in der Regel sollte man davon ausgehen, daß sie, soweit sie Sachbearbeiter waren, Beamte sind. Aber sie waren natürlich zum Teil in der Ausbildung noch nicht Beamte, und sie waren auch zum Teil übernommen als Angestellte, vor allen Dingen als Hilfskräfte.

DR. MERKEL: Können Sie etwas über die ungefähre Anzahl der Mitglieder der Gestapo gegen Ende des Krieges angeben?

OHLENDORF: Ich schätze den Gesamtapparat der Staatspolizei, einschließlich der Regionalstellen und einschließlich der besetzten Gebiete, auf etwa 30000.

DR. MERKEL: Es gab also innerhalb der Gestapo auch einen erheblichen Prozentsatz von Beamten, die lediglich Verwaltungsbeamte waren und mit der Exekutive also nichts zu tun hatten?

OHLENDORF: Selbstverständlich.

DR. MERKEL: Wie groß ist der Prozentsatz dieser Verwaltungsbeamten, die reine Verwaltungstätigkeit ausübten?

OHLENDORF: Da muß man ja vorweg auch noch einmal dabei betrachten, daß in dieser Zahl auch die Hilfskräfte einschließlich der Mädchen einbegriffen waren; es ist mir also nicht ohne weiteres möglich, hier eine Verhältniszahl sofort herauszubringen; aber sicherlich ist eine Zahl, ein Sachbearbeiter zu drei bis vier, nicht in der Exekutive tätigen Personen, nicht zu hoch gegriffen.

DR. MERKEL: Wissen sie etwas darüber, wer für die Führung und Verwaltung der Konzentrationslager verantwortlich war?

OHLENDORF: Der Obergruppenführer Pohl.

DR. MERKEL: Hatte die Gestapo irgendetwas mit der Führung und Verwaltung der Konzentrationslager zu tun oder nicht?

OHLENDORF: Nach meinem Wissen nichts.

DR. MERKEL: Es waren also auch bei den Konzentrationslagern keine Gestapoleute tätig oder irgendwie bei den Maßnahmen, die in den Konzentrationslagern vorkamen, befaßt?

OHLENDORF: So weit ich von der Peripherie her Einblick bekommen habe, waren in den Konzentrationslagern von der Staatspolizei nur Vernehmungsbeamte tätig.

DR. MERKEL: War die Gestapo in irgendeiner Form an den Massenhinrichtungen. Ihrer Einsatzgruppe, die Sie heute früh geschildert haben, beteiligt?

OHLENDORF: Nur so wie andere Leute, die in der Einsatzgruppe vorhanden waren.

DR. MERKEL: Ich bitte das Gericht, mir nach der Rückkehr des Angeklagten Kaltenbrunner noch die Möglichkeit zu geben, weitere Fragen an den Zeugen zu richten, da ich ja lediglich auf die Informationen angewiesen bin, die ich von Kaltenbrunner bekommen habe.

VORSITZENDER: Ich glaube, daß der Gerichtshof bereit sein wird, Ihnen die Möglichkeit zu geben, weitere Fragen später zu stellen.

DR. MERKEL: Ich danke Ihnen.

PROFESSOR DR. FRANZ EXNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Zeuge, Sie haben von den Verhandlungen gesprochen, die im OKW stattgefunden haben, und die dann zu einer Vereinbarung geführt haben zwischen OKW und OKH einerseits und dem Reichssicherheitshauptamt auf der anderen Seite, und da würde mich interessieren: Können Sie behaupten, daß bei diesen Verhandlungen über die Vereinbarung die Rede war von Ausrottung und Tötung von Juden?

OHLENDORF: Ich kann zwar nichts Konkretes darüber sagen, aber ich glaube es nicht.

PROF. DR. EXNER: Sie glauben es nicht?

OHLENDORF: Nein.

PROF. DR. EXNER: Ferner, Sie haben erzählt, daß der Oberbefehlshaber der 11. Armee von den Liquidierungen wußte; da möchte ich zunächst einmal fragen: Wissen Sie etwas bezüglich der anderen Armee- Oberbefehlshaber?

OHLENDORF: Im allgemeinen müssen sie ja informiert gewesen sein durch die Ansprache des Führers vor dem Ausbruch des Russen-Feldzugs.

PROF. DR. EXNER: Das ist ein Schluß, den Sie ziehen?

OHLENDORF: Jawohl; nein, es ist nicht ein Schluß, den ich ziehe, sondern es ist lediglich die Wiedergabe des Inhalts der Ansprache, die, nach den Ausführungen von Himmler, der Führer den Oberbefehlshabern gegeben hat.

PROF. DR. EXNER: Ach so! Nun, Sie haben von Weisungen gesprochen, welche der Armee-Oberbefehlshaber von der 11. Armee gegeben hat. Welcher Art waren die Weisungen?

OHLENDORF: Ich habe einmal vom Oberbefehlshaber gesprochen im Fall Nikolajew, und zwar wurde damals die Weisung gegeben, daß die Liquidationen 200 km weit vom Sitz des Oberkommandos der Armee entfernt durchgeführt werden sollen. Ich habe zum zweiten Male nicht vom Armee-Oberbefehlshaber, sondern vom Armee-Oberkommando gesprochen, nämlich in Simferopol, und zwar deshalb, weil ich nicht mit Bestimmtheit sagen kann, von wem diese Bitte, die Liquidation zu beschleunigen, an das in Simferopol zuständige Einsatzkommando gegeben worden ist.

PROF. DR. EXNER: Ja, das ist ja die Frage, die ich an Sie richten wollte: Mit welcher Person von der 11. Armee haben Sie seinerzeit verhandelt?

OHLENDORF: Ich persönlich habe überhaupt darüber nicht verhandelt, weil ich mit diesen Fragen ja nicht unmittelbar zu tun hatte, sondern das Armee- Oberkommando hat mit dem örtlich zuständigen Einsatzkommando darüber verhandelt, und zwar entweder über die zuständige Stelle der Armee, die auch sonst mit dem Einsatzkommando dauernd in Verbindung stand, nämlich der I-C oder der I-CAO, oder es ist vom OQ-Stab behandelt worden.

PROF. DR. EXNER: Wer gab Ihnen Anweisungen für den Marsch?

OHLENDORF: Die Anweisungen für den Marsch kamen in der Regel vom Chef des Stabes.

PROF. DR. EXNER: Vom Chef des Stabes. Armee- Oberkommandant war damals in der Zeit, von der wir sprechen, von Manstein. Haben Sie je einen Befehl in Ihrer Angelegenheit bekommen, der von Manstein unterschrieben war?

OHLENDORF: Ich kann mich an keinen solchen Befehl erinnern; aber es sind beim Marsch, bei der Besprechung des Marsches, entschuldigen Sie, aber es sind mündliche Besprechungen mit Manstein und dem Chef des Stabes und mir gepflogen worden.

PROF. DR. EXNER: Bei der Besprechung des Marsches?

OHLENDORF: Jawohl.

PROF. DR. EXNER: Sie sagten, die Armee sei gegen diese Liquidierungen gewesen. Können Sie etwas darüber sagen, inwiefern das in Erscheinung getreten ist?

OHLENDORF: Nicht die Armee, sondern die führenden Personen waren innerlich gegen die Liquidationen eingestellt.

PROF. DR. EXNER: Ja, aber ich meine, inwiefern haben Sie das erkannt?

OHLENDORF: In gemeinsamen Gesprächen; denn es waren ja nicht nur die führenden Personen der Armee gegen diese Liquidationen eingestellt, sondern der überwiegende Teil derjenigen, die diese Liquidationen durchführen mußten.

PROF. DR. EXNER: Ich danke Ihnen.

PROFESSOR DR. HERBERT KRAUS, STELLVERTRETENDER VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Kennen Sie die in Ihrer Abteilung geführten Personalakten über Reichsbankpräsident Schacht?

OHLENDORF: Nein.

PROF. DR. KRAUS: Nein. Ist Ihnen bekannt, warum der frühere Reichsbankpräsident Schacht nach dem 20. Juli 44 verhaftet und in ein Konzentrationslager verbracht wurde?

OHLENDORF: Wahrscheinlich war die Gelegenheit des 20. Juli günstig, den als parteifeindlich bekannten Reichsbankpräsidenten Schacht jetzt eventuell auch zu überführen, indem er durch Zeugen oder sonstwie auch im Zusammenhang mit dem 20. Juli hätte belangt werden können.

PROF. DR. KRAUS: Also ist der Angeklagte Schacht bei Ihnen als parteifeindlich bekannt gewesen?

OHLENDORF: Jawohl, und zwar mindestens seit dem Jahre 37/38.

PROF. DR. KRAUS: Im Jahre 1937 oder 1938? Sie haben ihn auch im Verdacht gehabt, daß er an Putschen beteiligt war?

OHLENDORF: Ich persönlich nicht, denn ich habe mit diesen Fragen nichts zu tun gehabt; er stand erst einmal wegen seiner bekannten Feindlichkeit im Verdacht; soweit ich orientiert bin, hat sich dieser Verdacht aber nicht erhärtet.

PROF. DR. KRAUS: Können Sie mir ferner sagen, wer die Verhaftung Schachts veranlaßt hat?

OHLENDORF: Das kann ich nicht sagen.

PROF. DR. KRAUS: Also, Sie wissen auch nicht, ob diese Verhaftung vom Führer oder von Himmler oder von einer niederen Stelle kam?

OHLENDORF: Von einer niederen Stelle halte ich für ausgeschlossen.

PROF. DR. KRAUS: Also, Sie nehmen an vom Führer?

OHLENDORF: Zum mindesten von Himmler.

DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Herr Zeuge, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, es wurde Anfang 1933 nach der Machtübernahme durch Hitler in Preußen die Gestapo geschaffen; es bestand aber schon eine Einrichtung mit gleichen Aufgaben in Preußen, zum Beispiel beim Polizeipräsidium in Berlin, mit der Abteilung Ia, nur war die gegen den Nationalsozialismus gerichtet, während es jetzt umgekehrt ist; aber sie hatten also auch die Aufgabe, politische Gegner zu überwachen und eventuell festzusetzen, also den Staat gegen diese politischen Gegner zu sichern.

OHLENDORF: Ja.

DR. STAHMER: Sie sagten ferner, es sei dann 1933, nach der Machtübernahme, auch in allen anderen Ländern, außer Preußen, eine politische Polizei mit gleichen Aufgaben geschaffen worden?

OHLENDORF: Ja, im Laufe der Jahre 33/34.

DR. STAHMER: Es hat dann – diese in den verschiedenen Ländern bestehenden politischen Polizeien wurden dann 1934 zusammengefaßt, und Himmler wurde die Führung übertragen.

OHLENDORF: Zuerst wurden sie nicht zusammengefaßt, sondern Himmler wurde Chef aller Länder-Polizeien.

DR. STAHMER: Nun, noch eine Frage. War die preußische Gestapo 1933 schon führend für die anderen Länder oder erst, nachdem 1934 Himmler die Führung übernommen hat?

OHLENDORF: Ich glaube nicht, daß die preußische Staatspolizei, die ja von Reichsmarschall Göring geführt wurde, unter seiner Führung auch für die übrigen Länder zuständig geworden ist.

FLOTTENRICHTER OTTO KRANZBÜHLER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN DÖNITZ: Ich spreche als Vertreter des Verteidigers für den Angeklagten Großadmiral Raeder. Herr Zeuge, Sie erwähnten eben eine Ansprache des Führers vor den Oberbefehlshabern, in der der Führer die Oberbefehlshaber unterrichtet haben soll über die Liquidierung der Juden. Welche Besprechung meinen Sie dabei?

OHLENDORF: Eine Besprechung, die kurz vor dem Rußland-Feldzug mit den Oberbefehlshabern der Heeresgruppen und der Armeen stattgefunden haben muß, beim Führer.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Waren die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile nicht dabei?

OHLENDORF: Ist mir nicht bekannt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Waren Sie selbst bei der Besprechung zugegen?

OHLENDORF: Nein. Ich habe diese Besprechung wiedergegeben aus einem Gespräch mit Himmler.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Fand dieses Gespräch mit Himmler vor einem größeren Kreise statt, oder war es ein persönliches?

OHLENDORF: Es war ein persönliches Gespräch.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hatten Sie den Eindruck, daß Himmler Tatsachen wiedergab, oder halten Sie es für möglich, daß er Ihnen für Ihre schwierige Aufgabe eine Rückenstärkung geben wollte?

OHLENDORF: Nein, sondern das Gespräch hat erst viel, viel später stattgefunden und kam nicht aus solchen Motiven, sondern aus der Verbitterung über die Haltung einzelner Wehrmachtsgenerale, und Himmler wollte zum Ausdruck bringen, daß diese Wehrmachtsgenerale sich von dem Geschehen nicht absetzen könnten, weil sie genau dieselbe Verantwortung mitgetragen hätten wie alle übrigen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wann fand diese Unterhaltung statt mit Himmler?

OHLENDORF: Im Mai, in Flensburg, dieses Jahres, 1945.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Danke schön.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Zeuge, bezüglich des Befehlsapparats, den das Reichssicherheitshauptamt hatte, um seine Maßnahmen durchzusetzen, die Befehle durchzugeben an die taktischen Stellen, SD und an die KZ, bestand da ein eigener Befehlsapparat oder wurde der Befehlsapparat der Organisation der Politischen Leiter benutzt; das heißt, gingen diese Befehle über die Gauleitung und über die Kreisleitung?

OHLENDORF: Davon ist mir nichts bekannt. Das halte ich für ausgeschlossen.

DR. SERVATIUS: Sie halten es für ausgeschlossen, daß die Gau- und Kreisleitung darüber unterrichtet war? Wie war es ungefähr...

OHLENDORF: Augenblick. Sie haben mich gefragt, ob der Befehlsweg darüber ging; Sie haben mich nicht gefragt, ob sie unterrichtet gewesen wären.

DR. SERVATIUS: Wurden diese Stellen unterrichtet über diese Befehle?

OHLENDORF: Entweder die Inspekteure oder Gestapoleiter oder SD-Führer galten als polizeiliche oder politische Referenten des Gauleiters beziehungsweise Reichsstatthalters, und diese Dienststellenleiter waren verpflichtet, dem Gauleiter über ihr Tätigkeitsgebiet Bericht zu erstatten. Wie intensiv das geschehen ist, kann ich nicht übersehen, sondern hängt ab von der Aktivität und der Art der Zusammenarbeit des Gauleiters mit diesen Dienststellen; jedenfalls ist es undenkbar, daß etwa die Staatspolizei auf die Dauer in einem solchen Raum diese ihre Tätigkeit ohne Kenntnis der verantwortlichen Parteiorgane hätte ausüben können.

DR. SERVATIUS: Bezog sich dies auch auf die Berichterstattung, die von unten nach oben ging, also auf die Tätigkeit der KZ?

OHLENDORF: Die KZ standen ja außerhalb der Staatspolizei; da bin ich überzeugt, weil es sich um reine Reichsangelegenheiten handelte, daß hier eine solche intensive Berührung der Gauleiter mit den KZ, wie zwischen den Gauleitern und der dauernden Tätigkeit der Staatspolizei, nicht wird stattgefunden haben.

DR. SERVATIUS: Ich vertrete auch den Angeklagten Sauckel. Sind Sie unterrichtet über den Einsatz von Fremdarbeitern, der durch die SS erfolgte, der Fremdarbeiter, die letzten Endes aus dem KZ kamen?

OHLENDORF: Nur oberflächlich.

RA. BABEL: Herr Zeuge, Sie haben heute Vormittag Zahlen genannt, und zwar von 8000 und 30000 des Sicherheitsdienstes. Ich möchte nun feststellen, wie diese Zahlen zu verstehen sind. Sind die 3000 Mitglieder des Sicherheitsdienstes, von denen Sie heute Vormittag gesprochen haben, der gesamte Bestand des Sicherheitsdienstes im damaligen Zeitpunkt gewesen, oder sind das nur die Teile gewesen, die bei den mobilen Verbänden, von denen Sie auch gesprochen haben, im Felde verwendet wurden?

OHLENDORF: Nein, sondern insgesamt, der gesamte Bestand, und zwar einschließlich der Angestellten und der weiblichen Hilfskräfte.

RA. BABEL: Einschließlich der Angestellten und der weiblichen Hilfskräfte. Und die 30000, von denen wir weiter gesprochen haben, das waren also ehrenamtliche Mitarbeiter, die nur in Deutschland verwendet worden sind, im Inland?

OHLENDORF: Jawohl, in der Regel jedenfalls.

RA. BABEL: Ja, und die zu einem erheblichen Teil nicht SS-Angehörige und auch nicht Parteiangehörige waren?

OHLENDORF: Jawohl.

RA. BABEL: Wie groß war nun der Bestand der mobilen Verbände, die bei solchen Exekutionen verwendet worden sind, des SD?

OHLENDORF: Der SD hatte gar keine mobilen Verbände, sondern es waren lediglich einzelne Angehörige des SD zu den Dienststellen draußen abkommandiert. Ein SD ist als eigene Dienststelle nirgendwo tätig geworden.

RA. BABEL: Wie groß war nun der Bestand an solchen Abgeordneten wohl, nach Ihrer Beobachtung und Ihren Erfahrungen?

OHLENDORF: Der war ganz gering.

RA. BABEL: Na, ungefähr?

OHLENDORF: Ich schätze, daß im Einsatzkommando durchschnittlich zwei bis drei SD-Sachbearbeiter waren.

RA. BABEL: Nun möchte ich auch Auskunft, oder wünsche ich Auskunft über den Bestand der SS im gesamten. Haben Sie darüber Kenntnis?

OHLENDORF: Nein, ich habe keinerlei Vorstellung.

RA. BABEL: Gar keine. Waren bei diesen Einsatzgruppen auch irgendwelche Teile der Waffen-SS oder der anderen untergeordneten Gruppen der SS irgendwie beteiligt?

OHLENDORF: Wie ich heute Vormittag schon gesagt habe, war jeder Einsatzgruppe oder sollte jeder Einsatzgruppe eine Kompanie Waffen-SS beigegeben sein.

RA. BABEL: Eine Kompanie. Wie groß ist der Bestand einer Kompanie damals gewesen?

OHLENDORF: Das weiß ich nicht, wie stark die Waffen-SS bei den anderen Einsatzgruppen gewesen ist. Ich schätze, daß bei mir etwa 100 Mann gewesen sind.

RA. BABEL: Waren Totenkopf-Verbände auch beteiligt?

OHLENDORF: Nein.

RA. BABEL: War die Leibstandarte »Adolf Hitler« irgendwie beteiligt?

OHLENDORF: Das ist ganz zufällig gewesen. Ich kann Ihnen nicht eine Formation sagen, aus der diese Waffen-SS genommen war.

RA. BABEL: Dann eine weitere Frage, die heute Vormittag auch schon gestreift worden ist. Wann ist der Sicherheitsdienst entstanden, und was waren zunächst seine Aufgaben?

OHLENDORF: Der Sicherheitsdienst ist meines Wissens 1932 entstanden.

RA. BABEL: Und die Aufgaben desselben, damals?

OHLENDORF: Er war sozusagen der I-C Apparat der Partei, das heißt, er sollte über den Gegner unterrichten und den Gegner, wenn notwendig, täuschen.

RA. BABEL: Haben sich diese Aufgaben im Laufe der Zeit verändert und wann?

OHLENDORF: Ja, nach der Machtübernahme hat zuerst die Bekämpfung des Gegners mit im Vordergrund gestanden auf einigen Gebieten und die Personalauskunft als Hauptbestandteil gegolten. Damals konnte man aber von einer echten Nachrichtenorganisation noch nicht sprechen. Die eigentliche Entwicklung des SD-Apparates im Inland-Nachrichtendienst ist erst ab 1936/37 erfolgt. Ab dieser Zeit hat sich die Arbeit immer mehr aus der Personalbearbeitung in die Sachbearbeitung umgewandelt. Mit der Umorganisation 1939, bei Auflösung des SD-Hauptamtes, wurde die Behandlung des Gegners aus der SD-Arbeit völlig eliminiert und die SD-Arbeit auf Sacharbeit eingestellt. Die Aufgabe bestand darin, die Maßnahmen, die die Führungsstellen des Reiches und der Länder durchführten, auf ihre Wirkungen hin zu beobachten und festzustellen, wie die betroffenen Kreise darauf reagieren; außerdem festzustellen, wie die Stimmung und Haltung des Volkes und seiner einzelnen Schichten im Laufe des Kriegsgeschehens sich gestaltete. Es war tatsächlich die einzige kritische Stelle innerhalb des Reiches, die nach objektiven Sachgesichtspunkten Tatbestände bis in die Spitzen hineinbrachte. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Partei diese Arbeit in keinem Stadium bis 1945 hin legitimiert hat, sondern die einzige Legitimation für diese kritische Arbeit von Reichsmarschall Göring kam, und zwar nach Beginn des Krieges, da er auf diese Weise bei den Sitzungen des Reichsverteidigungsrates die Möglichkeit hatte, die anderen Ressorts auf fehlerhafte Entwicklungen hinzuweisen. Diese sachliche kritische Arbeit ist tatsächlich nach 1939 der überwiegende und hauptsächliche Inhalt der SD-Inlands-Nachrichtenarbeit gewesen.

RA. BABEL: Eine weitere Frage. Inwieweit sind Teile des Sicherheitsdienstes in Konzentrationslagern zum Einsatz gekommen?

OHLENDORF: Ich muß bitten, daß Sie jetzt immer unterscheiden zwischen SD-Inland mit der Führungsstelle des Amtes III und dem SD-Ausland. Für den SD-Ausland kann ich keine Auskunft geben, aber der Chef des Amtes, Schellenberg, ist ja im Justizpalast anwesend. Vom Amt III aus ist mir kein einziger Fall bekannt, daß der SD-Inland Vertreter oder überhaupt irgendetwas mit den Konzentrationslagern zu tun gehabt hätte.

RA. BABEL: Nun noch eine persönliche Frage, die Sie persönlich betrifft. Von wem haben Sie die Befehle zu Liquidierungen der Juden und so weiter erhalten, und in welcher Form?

OHLENDORF: Meine Aufgabe war nicht die Aufgabe der Liquidierung, sondern ich hatte den Stab, der die Einsatzkommandos draußen zu führen hatte, und die Einsatzkommandos selbst haben bereits in Berlin diesen Befehl im Auftrag von Himmler-Heydrich-von Streckenbach bekommen. Und dieser Befehl wurde von Himmler erneut in Nikolajew gegeben.

RA. BABEL: Sie hatten also selbst mit der Ausführung dieser Befehle an sich nichts zu tun?

OHLENDORF: Insofern, als ich die Einsatzgruppe führte, hatte ich die Aufgabe, zu sehen, wie die Einsatzkommandos diese ihnen gegebenen Befehle durchführten.

RA. BABEL: Hatten Sie nun keine Bedenken dagegen, daß diese Befehle ausgeführt wurden?

OHLENDORF: Selbstverständlich.

RA. BABEL: Und warum wurden diese Befehle trotzdem ausgeführt?

OHLENDORF: Weil es mir undenkbar erscheint, daß ein untergeordneter Führer Befehle, die die Staatsführung gibt, nicht durchführt.

RA. BABEL: Diese Ansicht haben Sie für sich. Nun wird dieselbe Einstellung – das wird ja nicht nur Ihre Einstellung gewesen sein, sondern die Einstellung des größten Teiles der Beteiligten. Ist nicht aus den Kreisen der Männer, die diese Befehle ausführen mußten, an Sie das Ansinnen gestellt worden, sie von solchen Aufgaben zu entbinden?

OHLENDORF: Da kann ich mich keines konkreten Falles erinnern. Ich habe einige ausgeschlossen, die mir nervenmäßig für die Aufgabe nicht geeignet erschienen und habe sie auch zum Teil nach Haus geschickt.

RA. BABEL: Wurde den Leuten die Rechtmäßigkeit dieser Befehle vorgetäuscht?

OHLENDORF: Ich verstehe Ihre Frage nicht, denn der Befehl war von dem Vorgesetzten gegeben, so daß für die einzelnen Personen die Frage der Rechtmäßigkeit gar nicht kommen konnte; denn sie hatten ja denjenigen, die diesen Befehl gaben, den Eid des Gehorsams geleistet.

RA. BABEL: Konnte sich der einzelne Mann der Ausführung dieser Befehle mit Aussicht auf Erfolg widersetzen?

OHLENDORF: Nein, denn der Erfolg wäre Kriegsgericht mit entsprechendem Urteil gewesen.

VORSITZENDER: Ja, Herr Oberst Amen. Wollen Sie ein Rückkreuzverhör anstellen?

OBERST AMEN: Ich habe nur einige wenige Fragen zu stellen, Herr Vorsitzender.