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[Das Gericht setzt die Verhandlung für

10 Minuten aus.]

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wann traten Sie zum erstenmal mit der Abteilung IV-A-4 des RSHA in Verbindung?

WISLICENY: Das geschah 1940; ich traf Eichmann zufällig...

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was war Ihre Stellung?

WISLICENY: Eichmann machte mir den Vorschlag, nach Bratislava zu gehen, um dort als Berater bei der Slowakischen Regierung für die Judenfrage zu fungieren.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wie lange bekleideten Sie nachher diese Stellung?

WISLICENY: Ich war bis zum Frühjahr 1943 in Bratislava; dann fast ein Jahr in Griechenland, und dann vom März 1944 bis zum Dezember 1944 bei Eichmann in Ungarn. Im Januar 1945 bin ich dann aus Eichmanns Abteilung ausgeschieden.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Hörten Sie in Ihrer dienstlichen Stellung als Angestellter der Abteilung IV-A-4 von irgendwelchen Befehlen, die Anweisung zur Ausrottung der Juden gaben?

WISLICENY: Ja, ich habe einen solchen Befehl zum erstenmal von Eichmann im Sommer 1942 erfahren.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Schildern Sie nun dem Gerichtshof, unter welchen Umständen dies geschah und welches der wesentliche Inhalt des Befehls war.

WISLICENY: Im Frühjahr 1942 waren etwa 17000 Juden als Arbeitskräfte aus der Slowakei nach Polen gebracht worden. Es handelte sich um eine Vereinbarung mit der Slowakischen Regierung. Die Slowakische Regierung fragte ferner an, ob die zu diesen Arbeitskräften gehörenden Familienmitglieder nicht ebenfalls nach Polen gebracht werden könnten. Ursprünglich lehnte Eichmann diesen Antrag ab. Im April oder Anfang Mai 1942 teilte er mir dann mit, daß nunmehr auch geschlossene Familien nach Polen gebracht werden könnten. Eichmann war selbst im Mai 1942 in Bratislava und hat mit den verantwortlichen slowakischen Regierungsmitgliedern gesprochen. Er besuchte Minister Mach und den damaligen Ministerpräsidenten Professor Tuka. Er gab damals der Slowakischen Regierung die Versicherung ab, daß diese Juden in den polnischen Ghettos menschlich und anständig behandelt würden. Dies war ein besonderer Wunsch der Slowakischen Regierung. Infolge dieser Zusicherung wurden etwa 35000 Juden aus der Slowakei nach Polen abtransportiert. Die Slowakische Regierung bemühte sich jedoch, daß diese Juden tatsächlich menschlich behandelt wurden, insbesondere war sie bemüht, für die Juden, die die christliche Konfession angenommen hatten, etwas zu tun. Ministerpräsident Tuka hat mich wiederholt zu sich kommen lassen und den Wunsch ausgesprochen, daß eine slowakische Delegation in die Gebiete reisen durfte, in denen sich die slowakischen Juden angeblich befanden. Ich habe diesen Wunsch Tukas an Eichmann weitergeleitet; er ist sogar auch von der Slowakischen Regierung notifiziert worden.

Eichmann gab zunächst einmal eine ausweichende Antwort. Ich bin dann Ende Juli oder Anfang August zu ihm nach Berlin gefahren und habe ihn noch einmal eindringlich gebeten, den Wunsch der Slowakischen Regierung zu erfüllen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, daß im Ausland Gerüchte im Umlauf seien, wonach alle Juden in Polen ausgerottet würden. Ich habe darauf hingewiesen, daß von Seiten des Papstes eine Intervention bei der Slowakischen Regierung erfolgt wäre. Ich habe darauf hingewiesen, daß ein solches Vorgehen, wenn es wirklich stimmen sollte, unser Ansehen, das heißt das deutsche Ansehen, im Ausland ungeheuer schädigen würde; aus all diesen Gründen bat ich ihn, er möge diese Besichtigung zulassen; nach einer längeren Diskussion erklärte mir Eichmann, er könnte einen solchen Besuch in den polnischen Ghettos unter gar keinen Umständen genehmigen.

Auf meine Frage, warum, sagte er, daß diese Juden zum größten Teil nicht mehr am Leben seien.

Ich fragte ihn daraufhin, wer einen solchen Befehl gegeben hätte. Er berief sich, es wäre ein Befehl von Himmler. Ich bat ihn daraufhin, er möchte mir einen solchen Befehl zeigen, denn ich könnte mir nicht vorstellen, daß ein solcher Befehl tatsächlich schriftlich existierte. Er hat...

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt, als Sie sich mit Eichmann trafen?

WISLICENY: Dieses Zusammentreffen mit Eichmann fand in Berlin, Kurfürstenstraße 116, in den Amtsräumen Eichmanns statt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Fahren Sie fort in der Beantwortung der vorhergehenden Frage; sprechen Sie weiter über die Unterhaltung mit Eichmann, über die näheren Umstände und über den Befehl!

WISLICENY: Eichmann sagte mir, er könnte mir auch diesen Befehl schriftlich zeigen, wenn es mein persönliches Gewissen beruhigte. Er holte aus seinem Panzerschrank einen schmalen Aktenband, in dem er blätterte, und zeigte mir ein Schreiben Himmlers an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD. In diesem Schreiben stand sinngemäß etwa folgendes:

Der Führer hätte die Endlösung der Judenfrage befohlen. Mit der Durchführung dieser sogenannten Endlösung wurde der Chef der Sicherheitspolizei und des SD und der Inspekteur des Konzentrationslagerwesens beauftragt. Es sollten von der sogenannten Endlosung alle arbeitsfähigen Juden weiblichen und männlichen Geschlechts vorläufig zurückgestellt werden, die in den Konzentrationslagern zu Arbeiten verwendet werden sollten. Dieses Schreiben war von Himmler selbst unterzeichnet. Es ist da gar kein Irrtum möglich, denn ich kannte die Unterschrift Himmlers genau. Ich...

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: An wen war dieser Befehl gerichtet?

WISLICENY: An den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, das heißt an die Dienststelle des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: War dieser Befehl noch an irgendwelche anderen Stellen gerichtet?

WISLICENY: Ja, den Inspekteur des Konzentrationslagerwesens. An beide Dienststellen war dieser Befehl adressiert.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Hatte dieser Befehl irgendeine besondere Anordnung zwecks Geheimhaltung?

WISLICENY: Er war geheime Reichssache.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Welches war das ungefähre Datum dieses Befehls?

WISLICENY: Dieser Befehl war von April 1942.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Von wem war er unterschrieben?

WISLICENY: Von Himmler persönlich.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Und Sie haben diesen Befehl persönlich in Eichmanns Büro überprüft?

WISLICENY: Ja. Eichmann reichte mir das Aktenstück herüber, und ich habe den Befehl selbst gesehen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wurde von Ihnen wegen der Bedeutung des in dem Befehl gebrauchten Wortes »Endlösung« eine Frage gestellt?

WISLICENY: Eichmann erklärte mir anschließend diesen Begriff. Er sagte mir, daß in diesem Begriff und in dem Worte »Endlösung« sich die planmäßige biologische Vernichtung des Judentums in den Ostgebieten verbarg. Auch in späteren Diskussionen über das gleiche Thema tauchte dieses Wort »Endlösung« immer wieder auf.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Haben Sie irgendetwas zu Eichmann gesagt, das sich auf die ihm in diesem Befehl gegebene Vollmacht bezog?

WISLICENY: Eichmann sagte mir, daß er persönlich mit der Durchführung dieses Befehls innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes beauftragt wäre. Er hätte für die Durchführung dieses Befehls alle Vollmachten von seiten des Chefs der Sicherheitspolizei bekommen; er wäre persönlich verantwortlich, daß dieser Befehl durchgeführt würde.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Haben Sie zu Eichmann über diese Vollmacht irgendwelche Bemerkung gemacht?

WISLICENY: Ja. Ich war mir vollkommen darüber klar, daß dieser Befehl ein Todesurteil für Millionen von Menschen bedeutete. Ich habe Eichmann gesagt »Gott gebe es, daß unsere Feinde niemals Gelegenheit hätten, Gleiches dem deutschen Volke zuzufügen«, daraufhin sagte Eichmann, ich sollte nicht sentimental werden; es wäre ein Führerbefehl, und der müßte durchgeführt werden.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wissen Sie, ob dieser Befehl in Kraft blieb, während Eichmann im Amte war?

WISLICENY: Ja.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wie lange?

WISLICENY: Dieser Befehl blieb in Kraft bis zum Oktober 1944. Zu diesem Zeitpunkt gab Himmler einen Gegenbefehl, der die Vernichtung der Juden untersagte.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wer war der Chef des Reichssicherheitshauptamtes zur Zeit, als dieser Befehl zum erstenmal gegeben wurde?

WISLICENY: Das war Heydrich.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wurde dieses Programm mit der gleichen Strenge unter Kaltenbrunner fortgesetzt?

WISLICENY: Ja. Es hat gar keinerlei Abschwächung oder Änderung erfahren.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Sagen Sie uns, falls es Ihnen bekannt ist, wie lange Kaltenbrunner Eichmann kannte?

WISLICENY: Aus verschiedenen Äußerungen von Eichmann habe ich entnommen, daß Kaltenbrunner und Eichmann sich sehr lange kannten. Beide waren aus Linz, und als Kaltenbrunner zum Chef der Sicherheitspolizei ernannt wurde, gab Eichmann seiner Befriedigung darüber Ausdruck. Er sagte damals zu mir, daß er Kaltenbrunner persönlich gut kenne, daß auch Kaltenbrunner seine Familie aus Linz sehr genau kenne.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Erwähnte Eichmann jemals, daß seine Freundschaft und seine Beziehungen zu Kaltenbrunner für ihn von Nutzen seien?

WISLICENY: Ja, er sagte wiederholt, wenn er irgendwelche ernstlichen Schwierigkeiten hätte, so könnte er jederzeit zu Kaltenbrunner persönlich gehen. Er brauchte aber nicht oft an ihn zu appellieren, da sein Verhältnis zu seinem unmittelbaren Chef, dem Gruppenführer Müller, sehr gut war.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Waren Sie zugegen als Eichmann und Kaltenbrunner sich trafen?

WISLICENY: Ja, einmal habe ich gesehen, daß Kaltenbrunner Eichmann persönlich herzlichst begrüßte. Das war im Februar 1945 in Eichmanns Dienststelle in Berlin. Kaltenbrunner kam jeden Mittag zum Essen nach der Kurfürstenstraße 116. Dort versammelten sich die Chefs der Ämter zum gemeinsamen Mittagessen mit Kaltenbrunner, und bei einer solchen Gelegenheit habe ich selbst gesehen, daß Kaltenbrunner Eichmann herzlich begrüßte und sich nach dem Ergehen seiner Familie in Linz erkundigte.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Ist Ihnen im Hinblick auf die Verwaltung seines Büros bekannt, inwieweit Eichmann seine Angelegenheiten Heydrich und später Kaltenbrunner zur Genehmigung unterbreitete?

WISLICENY: Der normale Dienstweg von Eichmann zu Kaltenbrunner führte über Gruppenführer Müller. Berichte an Kaltenbrunner wurden meines Wissens in regelmäßigen Abständen von Eichmann angefertigt und Kaltenbrunner vorgelegt. Ich weiß auch, daß er im Sommer 1944 persönlich bei Kaltenbrunner zur Berichterstattung war.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Hatten Sie jemals Gelegenheit, Akten im Büro Eichmanns durchzusehen?

WISLICENY: Ja, ich habe öfters in Vorgänge, Akten, in Eichmanns Büro Einsicht nehmen können. Ich weiß, daß Eichmann alle Fragen, die seinen besonderen Auftrag betrafen, alle Akten besonders, vorsichtig behandelte. Er war in allen Dingen ein ausgesprochener Bürokrat; über jede Unterredung, die er mit irgendeinem seiner Vorgesetzten hatte, fertigte er sofort eine Aktennotiz an. Er hat mich immer wieder darauf hingewiesen, daß dies das Wichtigste wäre, damit er jederzeit von oben gedeckt wäre. Er selbst scheute jede eigene Verantwortung und war sehr bemüht, für alle Maßnahmen, die er traf, eine Deckung seiner Verantwortlichkeit seinen Vorgesetzten gegenüber, in diesem Falle von Müller und Kaltenbrunner, zu erreichen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Haben Sie jemals die Abschrift eines typischen Berichts, der von Eichmanns Büro durch Müller und Kaltenbrunner zu Himmler kam, in den Akten gesehen?

WISLICENY: Ja, solche Abschriften waren selbstverständlich vielfach in den Akten vorhanden. Der normale Weg war folgendermaßen: Eichmann ließ einen Entwurf durch den Sachbearbeiter anfertigen, oder er fertigte den Entwurf selbst an. Dieser Entwurf ging zu Gruppenführer Müller, seinem Amtschef. Entweder unterzeichnete Müller diesen Entwurf selbst, oder er überließ die Unterzeichnung Eichmann. In den meisten Fällen, wenn es sich um Berichte an Kaltenbrunner oder Himmler handelte, unterzeichnete Müller diese Berichte. Wenn der Bericht ohne Änderung von Müller abgezeichnet war, kam er in Eichmanns Büro zurück, und es wurde eine Reinschrift angefertigt mit einem Durchschlag. Diese Reinschrift ging wieder zu Müller zur Unterschrift, und von da aus wurde sie weiter, entweder an Kaltenbrunner oder an Himmler expediert. In einzelnen Fällen, wo es sich um Berichte an Himmler handelte, hat Kaltenbrunner diese Berichte selbst unterschrieben. Ich habe solche Durchschläge, die Kaltenbrunners Signum trugen, selbst gesehen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wir wollen uns jetzt Gebieten und Ländern zuwenden, in denen antijüdische Maßnahmen getroffen wurden. Wollen Sie uns erklären, von welchen Ländern Sie persönlich Kenntnis haben?

WISLICENY: Zunächst einmal habe ich eine persönliche Kenntnis über alle Maßnahmen, die in der Slowakei getroffen wurden. Ferner weiß ich über die Evakuierung der Juden aus Griechenland nähere Einzelheiten und besonders über die Evakuierung aus Ungarn. Ich weiß ferner noch über gewisse Maßnahmen in Bulgarien und in Kroatien. Von anderen Maßnahmen in anderen Ländern habe ich selbstverständlich gehört, ohne durch eigene Anschauung oder durch genaue Berichte mir ein Bild über die Situation machen zu können.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was die Maßnahmen in der Slowakei angeht, so haben Sie bereits die 17000 Juden erwähnt, die besonders ausgewählt und aus der Slowakei deportiert wurden. Wollen Sie bitte dem Gerichtshof von anderen weiteren Maßnahmen, die sich auf Juden in der Slowakei bezogen, Mitteilung machen?

WISLICENY: Ich erwähnte vorhin schon, daß diesen ersten 17000 Arbeitskräften etwa 35000 Juden, und zwar geschlossene Familien, folgten. Im August oder Anfang September 1942 wurde diese Aktion in der Slowakei eingestellt. Die Gründe dafür waren, daß ein großer Teil der Juden, die noch in der Slowakei vorhanden waren, Ausnahmebewilligungen des Staatspräsidenten oder verschiedener Ministerien zum Verbleiben im Lande hatten; im übrigen wohl auch die ungenügende Antwort, die ich der Slowakischen Regierung auf ihre Bitte um Besichtigung der Judenlager in Polen geben konnte.

Dieser Zustand dauerte bis zum September 1944. Von August 1942 bis September 1944 sind keine Juden aus der Slowakei abtransportiert worden. Es waren noch etwa immerhin 25000 bis 30000 Juden in der Slowakei vorhanden.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was geschah mit der ersten Gruppe von 17000 besonders ausgewählten Arbeitern?

WISLICENY: Diese Gruppe wurde nicht vernichtet, sondern wurde restlos zu Arbeitszwecken in den Konzentrationslagern in Auschwitz und Lublin eingesetzt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Woher wissen Sie das?

WISLICENY: Diese Einzelheit weiß ich, weil der Kommandant von Auschwitz, Höß, 1944 in Ungarn eine solche Bemerkung zu mir machte. Er sagte mir damals, daß diese 17000 Juden seine besten Arbeitskräfte in Auschwitz wären.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wie hieß dieser Kommandant?

WISLICENY: Der Kommandant von Auschwitz hieß Höß.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was geschah mit den ungefähr 35000 Familienangehörigen der jüdischen Arbeiter, die ebenfalls nach Polen deportiert wurden?

WISLICENY: Sie wurden entsprechend dem Befehl behandelt, den mir Eichmann im August 1942 gezeigt hatte. Ein Teil von ihnen blieb am Leben, soweit er zu Arbeitszwecken einzusetzen war. Die anderen wurden getötet.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Woher wissen Sie das?

WISLICENY: Das weiß ich von Eichmann und auch selbstverständlich von Höß aus den Gesprächen in Ungarn.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wieviele aus dieser Gruppe blieben am Leben?

WISLICENY: Höß bezifferte damals in einem Gespräch mit Eichmann, bei dem ich Zeuge war, den Anteil der Juden, die am Leben blieben und zur Arbeit eingesetzt wurden, auf etwa 25 bis 30 Prozent.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wissen Sie, was mit den 25000 Juden, die in der Slowakei bis September 1944 zurückblieben, geschehen ist?

WISLICENY: Nach Ausbruch des slowakischen Aufstandes im Herbst 1944 wurde Hauptsturmführer Brunner, einer von Eichmanns Gehilfen, in die Slowakei gesandt. Mein Wunsch, in die Slowakei zu gehen, wurde von Eichmann abgelehnt. Brunner hat dann mit Hilfe von deutschen Polizeikräften und slowakischen Gendarmeriekräften diese Juden in einigen Lagern konzentriert und nach Auschwitz abtransportiert; nach Angaben von Brunner wurden davon etwa 14000 Menschen betroffen. Eine kleine Gruppe, die in dem Lager Szered zurückgeblieben war, wurde meines Wissens im Frühjahr 1945 nach Theresienstadt überführt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was geschah mit diesen Juden, dieser Gruppe von 25000, nachdem sie aus der Slowakei abtransportiert waren?

WISLICENY: Ich nehme an, daß sie ebenfalls noch der sogenannten »Endlösung« zugeführt wurden, da der Befehl Himmlers zum Einstellen dieser Aktion erst einige Wochen später erfolgte.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was nun die Aktionen in Griechenland angeht, von denen Sie persönlich Kenntnis haben, wollen Sie dem Gerichtshof über diese in zeitlicher Reihenfolge Mitteilung machen?

WISLICENY: Im Januar 1943 ließ mich Eichmann nach Berlin kommen und sagte mir, daß ich nach Saloniki gehen sollte, um dort in Verbindung mit der deutschen Militärverwaltung in Mazedonien die Judenfrage in Saloniki zu lösen. Vorher war bereits Eichmanns ständiger Vertreter, Sturmbannführer Rolf Günther, in Saloniki gewesen. Als Zeitpunkt meiner Abreise nach Saloniki war der Februar 1942 vorgesehen. Ende Januar 1942 wurde mir von Eichmann mitgeteilt, daß zur technischen Durchführung aller Aktionen in Griechenland Hauptsturmführer Brunner von ihm bestimmt sei, der mit mir nach Saloniki abreisen würde. Brunner war mir nicht unterstellt, sondern operierte selbständig. Wir sind dann im Februar 1942 nach Saloniki gefahren und haben dort mit der Militärverwaltung Verbindung aufgenommen. Als erste Aktion...

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Mit wem in der Militärverwaltung hatten Sie zu tun?

WISLICENY: Es war Kriegsverwaltungsrat Dr. Merten, der Chef der Militärverwaltung beim Wehrmachtsbefehlshaber Saloniki-Ägäis.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Ich glaube, Sie haben sich ein oder zweimal auf das Jahr 1942 bezogen. Haben Sie jedesmal 1943 sagen wollen, als Sie von Griechenland sprachen?

WISLICENY: Das ist ein Irrtum. Die Ereignisse in Griechenland fanden 1943 statt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Welche Vereinbarungen wurden durch Dr. Merten getroffen, und welche Schritte wurden unternommen?

WISLICENY: In Saloniki wurden zunächst einmal die Juden in bestimmten Stadtvierteln der Stadt konzentriert. In Saloniki lebten etwa 50000 Juden spaniolischer Abkunft. Im Anfang März kam dann, nachdem diese Konzentrierung durchgeführt war, ein Fernschreiben von Eichmann an Brunner, das die sofortige Abtransportierung aller in Saloniki und Mazedonien befindlichen Juden nach Auschwitz befahl. Mit diesem Befehl sind Brunner und ich zur Militärverwaltung gegangen; von seiten der Militärverwaltung wurden keinerlei Ausstände gemacht, und die Maßnahmen wurden vorbereitet und durchgeführt. Brunner selbst hat die ganze Aktion in Saloniki geleitet. Die Zugsgarnituren, die zum Abtransport notwendig waren, wurden bei der Transportkommandantur der Wehrmacht angefordert. Brunner brauchte lediglich anzugeben, wieviel Waggons und zu welchem Zeitpunkt er diese Waggons benötigte.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wurden irgendwelche jüdische Arbeiter auf Verlangen des Dr. Merten oder der Militärverwaltung zurückbehalten?

WISLICENY: Ja, zu Bauarbeiten an Bahnstrecken hatte die Militärverwaltung etwa 3000 männliche jüdische Arbeitskräfte angefordert, die ihr auch übergeben wurden. Nach Beendigung dieser Bahnarbeiten wurden die Juden wieder an Brunner zurückgegeben; sie wurden gleichfalls, wie alle anderen, nach Auschwitz abtransportiert. Diese Arbeiten fanden im Rahmen der Organisation Todt statt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wieviele jüdische Arbeiter wurden für die Organisation Todt zurückbehalten?

WISLICENY: Etwa 3000 bis 4000.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Befanden sich unter den zum Abtransport versammelten Juden auch Kranke?

WISLICENY: Im eigentlichen Lager, Konzentrierungslager, waren keine besonderen Krankheitsfälle zu verzeichnen. Jedoch herrschte in den einzelnen Stadtvierteln, die von Juden bewohnt waren, Flecktyphus und auch andere ansteckende Krankheiten, wie besonders Lungentuberkulose.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Haben Sie wegen dieses Typhus irgendwelche Verbindung mit Eichmann aufgenommen?

WISLICENY: Ich habe Eichmann durch ein Telefongespräch, nachdem das Fernschreiben über den Abtransport aller Juden aus Saloniki eingetroffen war, auf diese Typhusfälle aufmerksam gemacht. Er ist aber nicht auf diesen Einwand eingegangen, sondern befahl die sofortige Aufnahme des Abtransportes.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wieviele Juden wurden insgesamt in Griechenland erfaßt und abtransportiert?

WISLICENY: Es waren über 50000 Juden; ich glaube etwa 54000 Juden, die aus Saloniki und Mazedonien abtransportiert wurden.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Worauf begründen Sie diese Zahl?

WISLICENY: Ich habe selbst einen umfassenden Bericht, den Brunner nach Beendigung des Abtransportes an Eichmann verfaßte, gelesen. Brunner verließ Saloniki Ende Mai 1943. Ich selbst war von Anfang April bis Ende Mai nicht in Saloniki, so daß Brunner die Aktion allein durchgeführt hat.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wieviele Transporte wurden für den Abtransport der Juden aus Saloniki benötigt?

WISLICENY: Es waren über 20, etwa zwischen 20 und 25 Transportzüge.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wieviele wurden in jedem Transport verschickt?

WISLICENY: Die Belegung war mindestens 2000; in manchen Fällen auch zweieinhalbtausend.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Welche Art von Eisenbahnwagen wurde für diese Transporte verwendet?

WISLICENY: Es wurden geschlossene Güterwaggons verwendet; den zu Evakuierenden wurde Verpflegung auf ungefähr zehn Tage mitgegeben, die im wesentlichen aus Brot, Oliven und anderen trockenen Lebensmitteln bestand, außerdem Wasser und verschiedene andere sanitäre Einrichtungen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wer stellte diese Eisenbahnwaggons zur Verfügung?

WISLICENY: Das Transportmaterial wurde von der Transportkommandantur der Wehrmacht gestellt, das heißt die Waggons und die Lokomotiven; die Lebensmittel wurden von der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was hatte die Unterabteilung IV-A-4 zu tun, um diese Transportmittel zu erhalten, und wer in dieser Unterabteilung befaßte sich damit?

VORSITZENDER: Oberstleutnant Brookhart, Sie brauchen auf solche Einzelheiten nicht einzugehen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Herr Vorsitzender, diese spezielle Frage wird meiner Meinung für die Beteiligung der Militärverwaltung von Bedeutung sein, aber ich kann die Besprechung anderer Einzelheiten einschränken.

VORSITZENDER: Gewiß. Sie haben ziemlich viel Zeit verwendet, um zu beschreiben, wieviele von ihnen zusammengetrieben wurden, ob es 60000 waren, oder wieviele für die Organisation Todt zurückbehalten wurden; alle diese Einzelheiten sind wirklich unnötig.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Gewiß, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie müssen nach eigenem Ermessen handeln, wieviel Sie weglassen können. Ich weiß nicht, welche Einzelheiten und welche Tatsachen Sie beweisen wollen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Herr Vorsitzender, dieser Zeuge hat bestätigt, daß er in der Lage ist, über nahezu alle Einzelheiten in diesen Balkanländern auszusagen. Wir wünschen nicht, noch mehr zusätzliches Beweismaterial vorzubringen, aber seine Zeugenaussage gibt ein vollständiges Bild des Verfahrens vom Chef des Reichssicherheitshauptamtes an über die verschiedenen Feldoperationen bis zur »Endlösung«.

VORSITZENDER: Gut, was soll er betreffs dieser 50000 Juden beweisen?

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was endgültig mit ihnen in Auschwitz geschah, soweit es ihm bekannt ist.

VORSITZENDER: Gut, Sie können fortfahren, um darzulegen, was man schließlich mit ihnen getan hat.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Jawohl, Herr Vorsitzender.