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[Zum Zeugen gewandt]:

Welches war der Bestimmungsort dieser Judentransporte aus Griechenland?

WISLICENY: In allen Fällen Auschwitz.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was geschah letzten Endes mit diesen von Griechenland nach Auschwitz gesandten Juden?

WISLICENY: Sie wurden ausnahmslos der sogenannten »Endlösung« zugeführt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Mußten die Juden während der Zeit vor ihrem Abtransport für ihren eigenen Unterhalt Sorge tragen?

WISLICENY: Ich habe diese Frage nicht genau verstanden.

VORSITZENDER: Oberstleutnant Brookhart, ist dies nicht einerlei, da sie doch der »Endlösung« zugeführt wurden, was meines Wissens nach Tod bedeutet?

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Herr Vorsitzender! Dieser Zeuge wird aussagen, daß 280 Millionen Drachmen in der Griechischen Nationalbank für den Unterhalt dieser Leute hinterlegt wurden, und daß dieser Betrag später von der deutschen Militärverwaltung beschlagnahmt wurde. Das ist alles was ich hoffte, mit dieser Frage beweisen zu können.

[Zum Zeugen gewandt]:

Ist das eine richtige Erklärung Ihrer Aussage?

WISLICENY: Ja. Das Bargeld, das diese Juden besaßen, wurde ihnen abgenommen und auf ein Sammelkonto bei der Bank von Griechenland niedergelegt. Nach Ende des Abtransportes der Juden aus Saloniki wurde dieses Konto von der Militärverwaltung übernommen. Es waren damals etwa 280 Millionen Drachmen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wenn Sie sagten, daß die Juden in Auschwitz der »Endlösung« zugeführt wurden, so wollten Sie damit was sagen?

WISLICENY: Ich meine das damit, was Eichmann mir unter »Endlösung« erklärt hat, daß sie also biologisch vernichtet wurden. Soviel ich aus Gesprächen mit Eichmann entnommen habe, geschah diese Vernichtung in Gaskammern. Die Körper wurden anschließend in Krematorien verbrannt.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Herr Vorsitzender, dieser Zeuge ist in der Lage, über die Aktionen in Ungarn auszusagen, die ungefähr 500000 Juden betroffen haben.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort. Sie müssen nach Ihrem eigenen Ermessen handeln. Ich kann den Fall für Sie nicht vortragen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Ich habe nicht den Wunsch, zusätzliches Beweismaterial vorzubringen.

[Zum Zeugen gewandt]:

Wir wollen uns den Aktionen in Ungarn zuwenden. Wollen Sie die dort vorgenommenen Aktionen und Ihre Teilnahme daran kurz schildern?

WISLICENY: Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Ungarn ging Eichmann persönlich mit einem großen Kommando nach Ungarn herunter. Durch einen Befehl, der vom Chef der Sicherheitspolizei unterzeichnet war, wurde ich zu Eichmanns Kommando bestimmt. Eichmann begann seine Tätigkeit Ende März 1944 in Ungarn. Er nahm Verbindung auf mit Mitgliedern der damaligen Ungarischen Regierung, insbesondere mit Staatssekretär Endre und Staatssekretär von Baky. Die erste Maßnahme, die Eichmann in Verbindung mit diesen ungarischen Regierungsbeamten traf, war eine Konzentrierung der Juden in Ungarn an bestimmten Orten und bestimmten Plätzen. Diese Maßnahmen begannen zonenweise und nahmen ihren Anfang in dem sogenannten Karpatho-Rußland und in Siebenbürgen. Der Beginn dieser Aktion war Mitte April 1944.

In Karpatho-Rußland wurden über 200000 Juden von diesen Maßnahmen betroffen. Dadurch entstanden in den kleinen Städten und Landgemeinden, in denen die Juden konzentriert wurden, unhaltbare Verhältnisse hinsichtlich ihrer Verpflegung und Unterbringung. Aus dieser Situation heraus machte Eichmann den Ungarn den Vorschlag, diese Juden nach Auschwitz und in andere Lager zu übernehmen. Er bestand jedoch darauf, daß ein entsprechender Antrag der Ungarischen Regierung oder eines ungarischen Regierungsmitglieds bei ihm vorgelegt werde. Dieser Antrag fand durch den Staatssekretär von Baky statt. Die Durchführung der Evakuierung wurde von der ungarischen Gendarmerie durchgeführt.

Eichmann selbst beauftragte mich als Verbindungsoffizier bei Oberstleutnant Ferency, der vom ungarischen Innenministerium mit dieser Aktion beauftragt war. Die Abbeförderung der Juden aus Ungarn begann Anfang Mai 1944, und zwar erfolgte der Abtransport ebenfalls zonenweise, beginnend in Karpatho-Rußland, dann Siebenbürgen, dann Nord-Ungarn, dann Süd-Ungarn und dann West-Ungarn. Budapest sollte Ende Juni von Juden geräumt werden; jedoch unterblieb die Räumung, da der Reichsverweser von Horthy es nicht zuließ. Von dieser Aktion wurden ungefähr 450000 Juden betroffen. Eine zweite Aktion fand dann...

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Bevor Sie hierauf eingehen, wollen Sie bitte dem Gerichtshof mitteilen, was zur Organisierung einer Einsatzgruppe zur Lösung der Judenfrage in Ungarn getan wurde?

WISLICENY: Im Anfang März 1944 wurde eine sogenannte Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD in Mauthausen bei Linz zusammengestellt. Eichmann selbst führte ein sogenanntes Sonder-Einsatzkommando, zu dem er alle Leute, die in seiner Abteilung irgendeine Funktion bekleideten, beorderte. Dieses Sonder-Einsatzkommando sammelte sich ebenfalls in Mauthausen; es war personell dem Führer der Einsatzgruppe, damals Standartenführer Dr. Geschke, unterstellt; in sachlicher Hinsicht jedoch unterstand Eichmann nur dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was bedeutet die Bezeichnung »Sonder-Einsatzkommando Eichmann« in Beziehung zu den Vorgängen in Ungarn?

WISLICENY: Eichmanns Tätigkeit in Ungarn umfaßte alle Angelegenheiten, die mit der Judenfrage in Verbindung standen.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Unter wessen unmittelbarer Aufsicht wurde das »Sondereinsatz- Kommando Eichmann« organisiert?

WISLICENY: Ich sagte schon, daß in allen Personalangelegenheiten und wirtschaftlichen Angelegenheiten Eichmann dem Führer der Einsatzgruppe, Standartenführer Dr. Geschke, unterstellt war. In sachlicher Beziehung konnte Geschke Eichmann keine Vorschriften machen. Eichmann berichtete auch über alle Aktionen, die er unternahm, direkt nach Berlin.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wem?

WISLICENY: Entweder an Gruppenführer Müller, oder in wichtigeren Fällen an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, also an Kaltenbrunner.

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Wurde während des Zeitraums, in dem die ungarischen Juden erfaßt wurden, eine Verbindung von dem Vertreter Eichmanns mit dem »Joint Distribution Committee on Jewish Affairs« hergestellt?

WISLICENY: Das »Joint Distribution Committee« bemühte sich, mit Eichmann eine Verbindung zu bekommen, um zu versuchen, das Schicksal der ungarischen Juden abzuwenden. Ich selbst habe diese Verbindung mit Eichmann hergestellt, da ich eine Möglichkeit suchen wollte, daß die halbe Million Juden – daß die Juden in Ungarn nicht von den bisherigen Maßnahmen betroffen wurden. Das »Joint Distribution Committee« hat Eichmann Vorschläge gemacht und als Gegenleistung gefordert, daß die Juden in Ungarn verbleiben sollten. Diese Vorschläge waren besonders finanzieller Natur. Eichmann sah sich veranlaßt, äußerst widerwillig diese Vorschläge an Himmler weiterzuleiten. Himmler hat dann mit den weiteren Verhandlungen einen Standartenführer Becher beauftragt. Standartenführer Becher hat dann mit dem Delegierten des Joint, Dr. Kastner, weitere Verhandlungen gehabt. Eichmann aber hat sich von Anfang an bemüht, diese Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. Noch ehe ein konkretes Resultat herauskam, wollte er fertige Tatsachen schaffen, das heißt möglichst viele Juden nach Auschwitz abbefördern.

VORSITZENDER: Müssen wir auf all diese Verhandlungen eingehen? Können Sie nicht zum Ende der Sache kommen?

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Der Zeuge neigt dazu, lange Antworten zu geben, das hat sich schon in den vorgerichtlichen Verhören ergeben. Ich werde versuchen...

VORSITZENDER: Sie verhören ihn!

OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Jawohl, Herr Vorsitzender.