HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Der Zeuge Schellenberg verläßt den Zeugenstand.]

OBERST AMEN: Ich möchte als nächsten Zeugen Alois Höllriegel aufrufen.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Bitte buchstabieren Sie den Nachnamen.

OBERST AMEN: H-o-e-l-l-r-i-e-g-e-l.

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE ALOIS HÖLLRIEGEL: Alois Höllriegel.

VORSITZENDER: Wollen Sie diesen Eid ablegen?

Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen, wenn Sie wollen.

OBERST AMEN: Was war Ihre Stellung am Ende des Krieges?

HÖLLRIEGEL: Ende des Krieges war ich Unterscharführer in Mauthausen.

OBERST AMEN: Waren Sie Angehöriger der Totenkopf-SS?

HÖLLRIEGEL: Jawohl, ich wurde im Jahre 1939 zur SS eingezogen.

OBERST AMEN: Was war Ihre Tätigkeit und Aufgabe im Konzentrationslager Mauthausen?

HÖLLRIEGEL: Bis zum Winter 1942 war ich bei der Wachkompanie, da mußte ich Posten stehen. Von 1942 bis Ende des Krieges war ich in den Innendienst des Lagers kommandiert.

OBERST AMEN: Und Sie hatten daher Gelegenheit, der Liquidierung von Insassen dieses Lagers durch Erschießen, Vergasen und so weiter beizuwohnen?

HÖLLRIEGEL: Jawohl, ich habe es gesehen.

OBERST AMEN: Haben Sie eine eidesstattliche Erklärung über die Tatsache abgegeben, daß Sie Kaltenbrunner in diesem Lager gesehen haben?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Und daß Kaltenbrunner die Gaskammern gesehen hat und ihm deren Betrieb wohl bekannt war?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Hatten Sie auch Gelegenheit, zu beobachten, ob andere wichtige Persönlichkeiten dieses Lager besucht haben?

HÖLLRIEGEL: Ich kann mich erinnern an Pohl, Glücks, Kaltenbrunner, an Schirach und auch an den Gauleiter von der Steiermark, Uiberreither.

OBERST AMEN: Haben Sie persönlich Schirach im Konzentrationslager Mauthausen gesehen?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Erinnern Sie sich an sein Aussehen so, daß Sie ihn erkennen könnten?

HÖLLRIEGEL: Ich denke, er wird sich in der letzten Zeit wohl etwas verändert haben, aber ich werde ihn schon erkennen.

OBERST AMEN: Wie lange ist es her, daß Sie ihn dort gesehen haben?

HÖLLRIEGEL: Es war im Herbst 1942, seither habe ich ihn nicht mehr gesehen.

OBERST AMEN: Bitte, sehen Sie sich einmal im Gerichtssaal um und erklären Sie, ob Sie Schirach im Gerichtssaal sehen können?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Welche Person ist es?

HÖLLRIEGEL: Er ist in der zweiten Reihe von links die dritte Person.

OBERST AMEN: Die eidesstattliche Erklärung, auf die ich mich beziehe, war US-515.

VORSITZENDER: Was ist die PS-Nummer?

OBERST AMEN: 2753-PS.

[Zum Zeugen gewandt]:

Ich lege Ihnen nun einen Abzug des Beweisstücks 2641-PS vor, und ich bitte Sie, mir zu sagen, ob Sie den Ort erkennen können, an dem sich die abgebildeten Personen befinden?

HÖLLRIEGEL: Soviel man auf diesem Bild erkennen kann, ist das ein Steinbruch; ob es der Steinbruch anschließend dem Lager Mauthausen ist, das kann man hier nicht genau feststellen, da hier zu wenig Blickfeld ist.

OBERST AMEN: Bitte, wiederholen Sie diese Antwort.

HÖLLRIEGEL: Jawohl. Soviel hier auf diesem Bilde erkenntlich ist, kann man nicht genau sagen, ob das der Steinbruch Wiener Graben ist, der sich an das Lager Mauthausen anschloß. Es kann genau so eine andere Steingrube sein. Man müßte mehr Blickfeld haben. Aber ich glaube, daß Besuche öfters stattfanden. Ich nehme an, daß dies der Steinbruch Wiener Graben ist.

OBERST AMEN: Sehr gut. Legen Sie das Bild zunächst einmal beiseite. Hatten Sie Gelegenheit, zu beobachten, wie Insassen des Konzentrationslagers dadurch umgebracht wurden, daß man sie von einem Felsen herunterstieß?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Bitte, erzählen Sie dem Gerichtshof ihre Wahrnehmungen hinsichtlich dieser Vorkommnisse.

HÖLLRIEGEL: Ich kann mich erinnern, es war im Jahre 1941. Ich war damals bei der Wachkompanie und auf dem Turm, der das Gebiet des Wiener Grabens abschloß, und konnte beobachten, vormittags kamen so zirka sechs bis acht Gefangene; ich sah zwei SS dabei, einer war Hauptscharführer Spatzenöcker, und der andere war Unterscharführer Edenhofer. Sie bewegten sich unter den merkwürdigen Gebärden...

VORSITZENDER: Bitte warten Sie. Sie sprechen zu schnell. Sie müssen etwas langsamer sprechen.

HÖLLRIEGEL: Ich sah, daß sie sich dem Steinbruch Wiener Graben, dem Felsabsprung näherten. Ich sah von meinem Wachturm aus, daß diese zwei SS auf die Gefangenen einschlugen, und ich konnte gleich bemerken, daß es den Zweck haben sollte, die Gefangenen zu zwingen, sich herunterzuwerfen oder sie herabzustoßen. Ich bemerkte, wie einer der Gefangenen am Boden lag und mit Füßen getreten wurde und die Gebärde zeigte, er sollte sich hier beim Steinbruch herunterstürzen. Der Gefangene tat das unter den ausgestandenen Hieben, wahrscheinlich in der Verzweiflung, sofort.

OBERST AMEN: Wie hoch war dieser Steinbruch?

HÖLLRIEGEL: Ich schätze dreißig bis vierzig Meter.

OBERST AMEN: Gab es unter Euch Wachmannschaften einen Ausdruck dafür, wenn Gefangene vom Felsen heruntergestürzt wurden?

HÖLLRIEGEL: Jawohl. Sie wurden im Lagermund bezeichnet als Fallschirmspringer.

OBERST AMEN: Der Zeuge steht den andern Vertretern zur Verfügung.

VORSITZENDER: Hat die russische oder französische Anklagevertretung oder die Verteidigung irgendwelche Fragen zu stellen?

DR. SAUTER: Herr Zeuge, mich würde folgendes interessieren. Sie haben vorhin erzählt, Sie seien 1939 zur SS eingezogen worden.

HÖLLRIEGEL: Stimmt auch, am 6. 9.

DR. SAUTER: Moment 'mal. Bitte wiederholen Sie Ihre Antwort.

HÖLLRIEGEL: Das stimmt, ich bin am 6. September 1939 eingezogen worden nach Ebersberg bei Linz.

DR. SAUTER: Haben Sie vorher gar keine Beziehungen zur Partei gehabt?

HÖLLRIEGEL: Jawohl, im April 1938 habe ich mich zur Zivil-SS gemeldet, weil ich in der ganzen vorherigen Zeit von der Schuschnigg-Regierung an arbeitslos war und ohne jede Unterstützung, und daraufhin habe ich mir gesagt, jetzt gehe ich zur Zivil-SS und werde auch eine Arbeit bekommen, um meine Frau heiraten zu können.

DR. SAUTER: Also, wenn ich recht verstanden habe, dann sind Sie zur SS im Jahre 1939 eingezogen worden, weil Sie im Frühjahr 1938 sich bereits freiwillig zur Zivil-SS gemeldet hatten.

HÖLLRIEGEL: Das kann ich nicht genau feststellen; mancher wurde zur Wehrmacht eingezogen, zur Luftwaffe und auch zur Allgemeinen SS.

DR. SAUTER: Sind Sie Österreicher?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

DR. SAUTER: Sie haben also damals in Österreich gewohnt?

HÖLLRIEGEL: Jawohl, in Graz.

DR. SAUTER: Dann würde mich etwas interessieren hinsichtlich des Angeklagten von Schirach. Sie haben den Angeklagten Schirach in Mauthausen gesehen. Wie oft haben Sie ihn dort gesehen?

HÖLLRIEGEL: Ich kann mich ganz genau erinnern, einmal.

DR. SAUTER: Einmal?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

DR. SAUTER: War da der Herr von Schirach allein in Mauthausen oder mit anderen Leuten?

HÖLLRIEGEL: Nein, der Herr Schirach war in Begleitung von mehreren; es wird eine Gruppe gewesen sein von zirka zehn Personen, unter denen, erkannte ich von Schirach und den Gauleiter Uiberreither.

DR. SAUTER: Es sollen damals nicht nur zehn, sondern mindestens zwanzig Personen gewesen sein.

HÖLLRIEGEL: Ich wußte damals nicht, daß ich die Zahl 'mal brauchen könnte, ich habe sie nicht gezählt.

DR. SAUTER: Ja, ich lege deswegen Wert darauf, weil der Angeklagte von Schirach mir berichtete, es sei das eine Besichtigung gewesen, eine offizielle Besichtigung des Lagers Mauthausen, und zwar aus Anlaß einer Tagung der Wirtschaftsberater aller sechs Ostmark-Gaue.

HÖLLRIEGEL: Ja, warum er ins Lager gekommen ist, war mir natürlich unbekannt, aber ich kann mich gut erinnern, diese Gruppe kam mit von Schirach und dem Schutzhaftlagerführer Bachmeyer ins Lager herein. Allerdings konnte ich beobachten, sie hatte den Charakter einer Besichtigung.

DR. SAUTER: Ist Ihnen etwas davon bekannt, daß diese Besichtigung schon einige Tage vorher im Lager bekanntgemacht worden war, und daß wegen dieser Besichtigung gewisse Vorbereitungen im Lager getroffen worden sind?

HÖLLRIEGEL: An das kann ich mich nicht erinnern, an gewisse Vorbereitungen; kann mich nur erinnern, es war in den Abendstunden, die Zeit weiß ich nicht genau; es war gerade Abendzählung, die Gefangenen waren angetreten, und wir diensthabenden Mannschaften mußten auch antreten. Dann sein diese Gruppe 'neinkommen.

DR. SAUTER: Haben Sie selbst nichts gewußt, am Tage vorher schon, oder haben Ihre Kameraden etwas davon gehört, daß am nächsten Tage eine Besichtigung sein wird?

HÖLLRIEGEL: Daran kann ich mich nicht erinnern.

DR. SAUTER: Und ist Ihnen nicht aufgefallen, daß gewisse Vorbereitungen in diesem Lager getroffen worden sind, ganz bestimmte Vorbereitungen?

HÖLLRIEGEL: Ich kann mich nicht erinnern an Vorbereitungen, etwas gemerkt oder gesehen zu haben.

DR. SAUTER: Ich habe an den Zeugen keine weiteren Fragen zu stellen.

DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Herr Zeuge, Sie haben uns einen Vorfall geschildert, der nach Auffassung zivilisierter Menschen nicht anders als wie Mord bezeichnet werden kann, nämlich das Herunterstürzen über eine Steinbruchmauer. Haben Sie diesen Vorfall Ihren Vorgesetzten gemeldet?

HÖLLRIEGEL: Diese Vorfälle sind öfter vorgekommen, und es ist ganz tausendprozentig anzunehmen, daß die Vorgesetzten davon gewußt haben.

DR. STEINBAUER: Also, Sie haben eine Meldung nicht erstattet. Ist es richtig, daß es bei Todesstrafe nicht nur den Häftlingen, sondern auch von seiten der Wachmannschaften verboten war, Vorfälle dieser Art dritten Personen zu schildern?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

DR. STEINBAUER: Ich habe sonst keine Frage.

OBERST AMEN: Bitte betrachten Sie sich nochmals dies Bild.

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Wollen Sie es genau anschauen, dann erzählen Sie mir bitte, ob das der Steinbruch unter dem Felsen ist, den Sie soeben beschrieben haben.

HÖLLRIEGEL: Ja. Soviel ich hier auf dem Bild sehe, nehme ich hundertprozentig an, daß es der Steinbruch Wiener Graben ist. Aber, ob er es ist, ob es dieser Steinbruch wirklich ist, da müßte ich mehr sehen, mehr Hintergrund, man sieht ja zu wenig; aber ich denke, er ist es ganz sicher.

OBERST AMEN: Erkennen Sie die Personen, deren Gesichter auf der Photographie zu sehen sind?

HÖLLRIEGEL: Jawohl.

OBERST AMEN: Bitte, nennen Sie dem Gerichtshof die Namen derer, die Sie erkennen.

HÖLLRIEGEL: Ich erkenne auf dem Bild selbstverständlich zuerst den Reichsführer-SS Himmler, neben ihm den Kommandanten Ziereis vom KZ Mauthausen, ganz rechts erkenne ich den Kaltenbrunner.

OBERST AMEN: Das, Hoher Gerichtshof, ist alles.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen, der Gerichtshof wird sich für 10 Minuten vertagen.