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[Prof. Dr. Exner nähert sich dem Rednerpult.]

VORSITZENDER: Dr. Exner, wollen Sie im Namen eines anderen Angeklagten verhören?

PROF. DR. EXNER: Ich möchte zwei Fragen oder drei Fragen, die mir mein Klient jetzt in der Pause als wichtig mitgeteilt hat, stellen.

VORSITZENDER: Sie haben schön ein Kreuzverhör vorgenommen, nicht wahr?

PROF. DR. EXNER: Ja, aber ich habe jetzt drei neue Fragen. Wir konnten uns auf dieses Kreuzverhör nicht vorbereiten.

VORSITZENDER: Gut. Fahren Sie fort.

PROF. DR. EXNER: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, im Jahre 1944 ist eine Verordnung gekommen über Partisanenbekämpfung, und nun habe ich soeben in der Pause in unserem von der Anklagebehörde vorgelegten Dokumentenbuch unter 1786-PS erwähnt gefunden: Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung vom 27. November 1942. Ist Ihnen die bekannt?

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Nein.

PROF. DR. EXNER: Sie muß wohl existieren, denn sie ist darin.

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Nicht bekannt.

PROF. DR. EXNER: Bitte sagen Sie, kennen Sie eine russische Dienstvorschrift für Partisanen?

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Ja, es hat eine russische gegeben.

PROF. DR. EXNER: Ja? Können Sie uns etwas aus dem Inhalt dieser Vorschrift sagen? Die Kampfmethoden?

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Das habe ich nicht mehr in Erinnerung.

PROF. DR. EXNER: Wissen Sie, wo diese Vorschrift etwa erhältlich ist?

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Nein.

PROF. DR. EXNER: Danke schön.

MR. BIDDLE: Einen Augenblick! Wissen Sie, wieviele Angehörige der Wehrmacht zu einer bestimmten Zeit in der Bandenbekämpfung eingesetzt waren? Welches war die größte Zahl von Truppen, die jemals eingesetzt wurde?

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Große Unternehmungen nannte man Unternehmungen in der Stärke von einer Division aufwärts. Ich glaube, daß die größte Zusammenfassung, rein zahlenmäßig, vielleicht drei Divisionen war.

MR. BIDDLE: Ich meine, alle Truppen an der Ostfront, die zu irgendeiner bestimmten Zeit zur Bandenbekämpfung eingesetzt wurden.

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Das kann ich nicht beantworten, weil ja niemals die Truppen zusammen mir unterstellt waren, sondern die einzelnen Unternehmungen nebenherliefen. Es waren überall dauernd größere, kleinere und mittlere Unternehmungen; Tag für Tag kamen Meldungen über solche Unternehmungen ein.

MR. BIDDLE: Wissen Sie, wieviele Einsatzgruppen verwendet wurden?

VON DEM BACH-ZELEWSKI: Mir ist bekannt drei; jede Heeresgruppe eine.

VORSITZENDER:

[zu Oberst Taylor gewandt]

Wollen Sie den Zeugen rückverhören?

OBERST TAYLOR: Nein, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Dann kann der Zeuge gehen.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

OBERST TAYLOR: Hoher Gerichtshof! Damit ist die Beweisführung bezüglich Punkt 3 und 4 der Anklageschrift beendet. Ich möchte nur einige allgemein ergänzende Bemerkungen machen.

Ich bitte den Hohen Gerichtshof, zu beachten, daß das deutsche Oberkommando nicht ein schattenhaftes Gebilde oder die Schöpfung eines unruhigen Jahrzehnts ist, noch eine Gedankenschule oder eine Tradition darstellt, die zerstört und vollkommen diskreditiert wäre. Das deutsche Oberkommando und die militärische Tradition haben in der Vergangenheit Siege gewonnen und Niederlagen überlebt. Sie haben Sieg und Unheil erlebt und haben beides dank einer merkwürdigen Beständigkeit überlebt.

Ein großer amerikanischer Staatsmann und Diplomat, Herr Sumner Welles, schrieb, und ich zitiere aus seinem Buch »The Time for Decision« – »Die Zeit für die Entscheidung« -von Seite 261:

»Die Autorität, auf die das deutsche Volk so oft und mit so unglücklichen Folgen reagierte, war in Wirklichkeit nicht der Deutsche Kaiser von gestern oder der Hitler von heute, sondern der deutsche Generalstab.

Ob der scheinbare Herrscher der Kaiser oder Hinden burg oder Adolf Hitler ist, so gilt doch die unverbrüchliche Treue der Bevölkerungsmasse jener militärischen Macht, die vom deutschen Generalstab geführt und geleitet wird.«

Ich glaube, daß dies die historische Bedeutung der Entscheidung unterstreicht, die der Gerichtshof zu treffen hat. Wir rufen jedoch den deutschen Generalstab jetzt nicht vor den Richterstuhl der Geschichte, sondern klagen ihn wegen bestimmter Verbrechen gegen das Völkerrecht und gegen die Vorschriften des Weltgewissens an, wie sie in dem Statut, nach dem sich dieser Gerichtshof richtet, niedergelegt sind.

Das Bild, das wir gesehen haben, ist das einer Gruppe von Männern mit großer Macht zum Guten und zum Bösen, und die das Böse wählten. Männer, die mit Vorbedacht darauf ausgingen, Deutschland so zu bewaffnen, daß der deutsche Wille der übrigen Welt aufgezwungen werden konnte, Männer, die sich freudig mit den bösen Mächten verbanden, die in Deutschland herrschten.

»Hitler hat die Ergebnisse geschaffen, die wir alle sehnlichst herbeiwünschten«, haben uns Blomberg und Blaskowitz gesagt, und das ist offenbar die Wahrheit. Das Umgekehrte ist nicht minder zutreffend; die militärischen Führer statteten Hitler mit der notwendigen Macht und den Mitteln aus, so daß er sich behaupten konnte, um nicht die Ermöglichung seiner Ziele zu erwähnen, die uns im Jahre 1932 als lächerlich und unmöglich, im Jahre 1942 als so schrecklich nahe erschienen sind.

Ich sagte, daß die deutschen Militaristen ebenso untüchtig als beharrlich waren. Obwohl Hitler ohne sie hilflos gewesen wäre, so gelang es ihm dennoch, sie seinem Willen zu unterwerfen. Die Generale und die Nazis waren im Jahre 1933 Verbündete. Aber den Nazis genügte es nicht, daß die Generale ihre freiwilligen Verbündeten waren. Hitler wollte sie ständig und vollkommen unter seiner Kontrolle haben. Aller politischen Fähigkeiten und Grundsätze bar, fehlte es den Generalen geistig oder moralisch an Widerstandskraft. Am Todestage des Präsidenten Hindenburg im August 1934 schworen die deutschen Offiziere einen neuen Eid. Der frühere Eid war dem Vaterland geschworen, nun schworen sie auf einen Mann, Adolf Hitler. Später wurde das Nazi-Abzeichen ein Teil ihrer Uniform und die Nazi-Flagge ihre Standarte. Durch eine schlaue, allmähliche Inbesitznahme von Schlüsselstellungen gewann Hitler die Kontrolle über die gesamte Militärmaschine.

Wir werden ohne Zweifel hören, wie die deutschen Generale die Frage aufwerfen, was sie dagegen hätten tun können. Wir werden zu hören bekommen, daß sie machtlos waren, und daß sie Hitlers Entscheidungen hätten Folge leisten müssen, um ihre Stellungen, ihre Familien und ihr Leben zu erhalten. Dies ist zweifellos richtig, aber die Generale gehörten zu den wichtigsten Faktoren bei Hitlers Machtergreifung und hatten an seinen verbrecherischen Angriffsplänen entscheidenden Anteil. Es ist immer schwer, sich von einer verbrecherischen Verschwörung zurückzuziehen. Noch niemals ist die Auffassung vertreten worden, daß ein Verschwörer deshalb um Gnade flehen dürfe, weil seine Mitverschwörer ihm mit Verderben drohten, falls er sich von der Verschwörung zurückziehe.

Das Bild, das die Gruppe Generalstab und Oberkommando heute darbietet, ist in vieler Hinsicht das am meisten entwürdigende von allen Gruppen und Organisationen, die vor diesem Gerichtshof stehen. Generalstab und Oberkommando sind die Träger einer Tradition, der Tapferkeit und Ehre nicht abzusprechen sind, sie gehen jedoch aus diesem Kriege mit Verbrechen und Unfähigkeit beladen hervor. Von der militärischen und angriffslustigen Nazi-Politik angezogen, fanden sich die deutschen Generale in Abenteuer hineingezogen, deren Umfang sie nicht vorausgesehen hatten. Aus Verbrechen, an denen sie fast alle willig und zustimmend teilnahmen, wurden andere Verbrechen geboren, an denen sie teilnahmen, teilweise weil sie nicht in der Lage waren, die herrschende Nazi-Politik zu ändern und teilweise, weil sie die Zusammenarbeit weiterführen mußten, um ihre eigene Haut zu retten.

Nachdem die Gruppe Generalstab und Oberkommando diese Partnerschaft eingegangen war, plante und führte sie viele Angriffshandlungen aus, die Europa in ein Totenhaus verwandelten. Sie sind dafür verantwortlich, daß die Wehrmacht für schimpfliche Taten verwendet wurde, für Terror, Plünderung und Massengemetzel. Niemand soll sagen, daß sie sich hinter ihrer militärischen Uniform verstecken können, oder daß sie eine Zufluchtsstätte finden können, indem sie sich als Mitglieder eines Berufes bekennen, dem ihre Handlungen für immer zur Schande gereichen.

OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Als nächsten Gegenstand wird Oberst Wheeler ergänzendes Beweismaterial über die Verfolgung der Kirchen vorlegen.

OBERST LEONHARD WHEELER JR., HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Das Material, das jetzt vorgelegt werden wird, erbringt erstens zusätzlichen Beweis für die Unterdrückung der Kirchen in Deutschland, der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche und der Bibelforscher; und zweitens, Beweis für Unterdrückungshandlungen in den angegliederten und besetzten Gebieten: Österreich, Tschechoslowakei und Polen. Ein großer Teil dieses Beweismaterials stammt aus den amtlichen Akten des Vatikans.

Ich lege nunmehr dem Gerichtshof den Ergänzungsschriftsatz »H« der Vereinigten Staaten vor, über die »Unterdrückung der christlichen Kirchen in Deutschland und in den besetzten Gebieten« und das Dokumentenbuch »H-Ergänzungsband«. Es enthält englische Übersetzungen aller im ergänzenden Akt erwähnten Dokumente, oder solcher, auf die ich mich in meiner mündlichen Darstellung beziehen werde. Ich wende mich zuerst dem ergänzenden Beweismaterial über die Unterdrückung der Kirchen in Deutschland zu.

Hitler verkündete im März 1933, daß er einen Unterschied in seiner Einstellung gegenüber Politik und Moral einerseits und Religion andererseits machen werde. Ich lege hier als Beweismaterial Dokument 3387-PS, Beweisstück US-566, vor. Dies ist eine Rede Hitlers vor dem Reichstag vom 23. März 1933, welche im Völkischen Beobachter vom 24. März 1933 auf Seite 1, Spalte 5, erschien. Ich zitiere aus dieser Rede:

»Indem die Regierung entschlossen ist, die politische und moralische Entgiftung des öffentlichen Lebens durchzuführen, schafft und sichert sie die Voraussetzung für ein wirkliches und religiöses Leben.

Die Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen den wichtigsten Faktor der Erhaltung des Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren. Sie erwartet aber, daß ihre Arbeit die gleiche Würdigung erfährt. Sie wird allen anderen Glaubensgemeinschaften mit objektiver Gerechtigkeit gegenübertreten. Sie kann aber niemals dulden, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession oder einer bestimmten Rasse jemals ein Freibrief für Begehung oder Tolerierung von Verbrechen ist. Die Sorge der Regierung gilt dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und Staat.«

Gegen die evangelische Kirche gingen die Nazi- Verschwörer zuerst mit Vorsicht und unter dem Anschein der Gesetzmäßigkeit vor. Sie schufen eine neue Verfassung der deutschen evangelischen Kirche, durch die ein evangelischer Reichsbischof geschaffen wurde, der alle Verwaltungsobliegenheiten der alten Zweigkirchen übernahm. Ich beziehe mich auf das Dokument 3433-PS, die Verordnung über die Verfassung der deutschen evangelischen Kirche vom 14. Juli 1933, die im Reichsgesetzblatt 1933, erster Teil, Seite 471 erschien, und bitte den Gerichtshof, hiervon amtlich Kenntnis zu nehmen.

Es ist, ohne daß es eines besonderen Urkundenbeweises bedürfte, allgemein bekannt, daß der neue Reichsbischof, Müller, das Sprachrohr seiner Nazi- Herren war. Einer seiner ersten Schritte bestand darin, daß er im Dezember 1933 den evangelischen Jugendbund der Hitlerjugend unter dem Angeklagten von Schirach zuführte. Zum Beweise beziehe ich mich auf Dokument Nummer 1458-PS, das als Teil des Dokumentenbuchs »D« bereits vorliegt. Es handelt sich um einen Auszug aus von Schirachs Buch »Die Hitlerjugend, Idee und Gestalt«.

Bis zum Jahre 1935 war es offensichtlich geworden, daß mehr notwendig war als die bloße Überredungskunst des Reichsbischofs. Daher erließen die Nazi-Verschwörer unter harmlos klingenden Namen eine Anzahl von Gesetzen und legten schrittweise ein dichtes Netz staatlicher Kontrollen über alle Angelegenheiten der evangelischen Kirche. Wir bitten den Gerichtshof, diese Gesetze, die im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wurden, amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Wir fassen sie, wie folgt, kurz zusammen:

3434-PS, Gesetz über das Beschlußverfahren in Rechtsangelegenheiten der Evangelischen Kirche vom 26. Juni 1935, unterschrieben von Hitler und Frick, welches im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 774 erschien. Das Gesetz gab dem Reichsminister des Innern, dem Angeklagten Frick, das alleinige Beschlußrecht über die Gültigkeit von Maßnahmen, die in den evangelischen Landeskirchen oder in der Deutschen Evangelischen Kirche seit Mai 1933 getroffen wurden, wenn die Entscheidung eines bürgerlichen Rechtsstreits von der Frage der Gültigkeit solcher Maßnahmen abhängig war.

3435-PS, Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Beschlußverfahren in Rechtsangelegenheiten der Evangelischen Kirche, vom 3. Juli 1935, erschienen im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 851. Hierdurch wurde die frühere Verordnung ergänzt, indem eine aus drei Mitgliedern bestehende Beschlußstelle eingerichtet wurde. Die Mitglieder wurden vom Reichsminister des Innern bestellt.

3466-PS, Erlaß über die Zusammenfassung der Zuständigkeiten des Reiches und Preußens in Kirchenangelegenheiten vom 16. Juli 1935, unterschrieben von Hitler, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 1029. Dieser Erlaß übertrug dem Reichsminister ohne Geschäftsbereich Kerrl die bisher im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern sowie im Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bearbeiteten kirchlichen Angelegenheiten.

3436-PS, Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche, datiert vom 24. September 1935, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 1178, gezeichnet von Hitler und dem Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten Kerrl. Dieses Gesetz ermächtigte den Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten, Verordnungen mit rechtsverbindlicher Kraft zu erlassen.

Dokument 3437-PS; 5. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche, vom 2. Dezember 1935, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, Seite 1370. Diese Verordnung verbot den Organen der »Kirchenleitung« in den evangelischen Kirchen Pfarrstellen zu besetzen, geistliche Hilfskräfte zu berufen, Prüfung und Ordination von Kandidaten der evangelischen Landeskirchen durchzuführen, Visitationen und Kanzelabkündigungen zu veranstalten, Kirchensteuern zu erheben und zu verwalten.

Diese Reihe von Gesetzen erreichte ihren Höhepunkt am 26. Juni 1937 in der 15. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 25. Juni 1937, Dokument 3439-PS, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt 1931, Teil I, Seite 691. Durch diese Verordnung schuf der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten Kerrl, eine Finanzabteilung für die Kirchen, um die Vermögensverwaltung der Kirche, den Haushaltungsplan und die Verwendung der Haushaltsmittel zu überwachen und die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, der Pfarrer und der Angestellten zu regeln. So banden die Nazi-Verschwörer schon vor Ausbruch des Krieges die evangelischen Kirchen an Händen und Füßen physisch und verwaltungsmäßig, wenn nicht auch geistig.

Gegen die katholische Kirche mit ihrer internationalen Organisation richteten die Nazi-Verschwörer ihren stärksten und drastischsten Angriff, zunächst allerdings unter dem Deckmantel der Zusammenarbeit und Gesetzmäßigkeit. Am 20. Juli 1933 wurde zwischen der Reichsregierung und dem Vatikan ein Konkordat abgeschlossen, das von dem Angeklagten von Papen, einem der prominentesten deutschen Laien- Katholiken, unterzeichnet wurde. Es ist im Reichsgesetzblatt 1933, Teil II, Seite 679 bis 690 abgedruckt, und ist in Dokument 3280(a)-PS enthalten. Ich bitte den Gerichtshof, es amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Ich zitiere Artikel 1:

»Das Deutsche Reich gewährleistet die Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion.

Es anerkennt das Recht der katholischen Kirche, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen.«

Die anderen Artikel sind allgemein bekannt, und ich glaube, annehmen zu dürfen, daß sie nicht im Verfahren verlesen zu werden brauchen. Sie sprachen grundsätzliche Prinzipien aus, wie die Freiheit der katholischen Presse, der katholischen Erziehung, der katholischen Wohlfahrts-, Berufs- und anderen Organisationen.

Der Vorschlag zur Schließung eines Konkordats ging vom Reich und nicht vom Vatikan aus. Ich verweise auf Dokument 3268-PS, Beweisstück US-356, Auszüge aus der Ansprache Papst Pius XII. an das Kardinalskollegium vom 2. Juni 1945, das bereits verlesen wurde. Ich zitiere von Seite 1 des vervielfältigten englischen Auszuges, Seite 1 der deutschen Übersetzung, den dritten Abschnitt, der bisher noch nicht verlesen wurde:

»Im Frühjahr 1933 ersuchte die Deutsche Regierung den Hl. Stuhl um Abschluß eines Konkordats mit dem Reich.«

Der heutige Papst, Pius XII., damals Kardinal Pacelli, verhandelte und unterzeichnete das Konkordat im Auftrag des Vatikans, nachdem er vorher zwölf Jahre lang als Erzbischof päpstlicher Nuntius in Deutschland, gewesen war.

Da sich die katholische Kirchenführung auf die Zusicherung der Nazis, insbesondere auf die Rede Hitlers vom 23. März 1933, die soeben erwähnt wurde, 3387-PS, verließ, gab sie ihren früheren Widerstand gegen die Mitgliedschaft von Katholiken in der Nationalsozialistischen Partei auf. Ich lege Dokument 3389-PS, Beweisstück US-566, als Beweismittel vor, einen Hirtenbrief des Bischofs von Köln vom 23. März 1933, und zitiere aus dem Völkischen Beobachter vom 29. März 1933, Seite 2, Spalte 2 und 3:

»Der Erzbischof von Köln, Kardinal Schulte, gibt für die Erzdiözese Köln eine Kundgebung der Fuldaer Bischofskonferenz bekannt, in der es heißt: Die Oberhirten der Diözesen Deutschlands haben aus triftigen Gründen, wie wiederholt dargelegt wird, in ihrer pflichtmäßigen Sorge der Reinerhaltung des katholischen Glaubens und für den Schutz der unantastbaren Aufgaben und Rechte der katholischen Kirche in den letzten Jahren gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eine ablehnende Haltung durch Verbote und Warnungen eingenommen, die so lange und die so weit in Geltung bleiben sollten, wie diese Gründe fortbestehen.

Es ist nunmehr anzuerkennen, daß von dem höchsten Vertreter der Reichsregierung, der zugleich autoritärer Führer jener Bewegung ist, öffentlich und feierlich Erklärungen gegeben wurden, durch die der Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und den unveränderlichen Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung getragen wird, sowie die vollinhaltliche Geltung der von den einzelnen deutschen Ländern mit der Kirche abgeschlossenen Staatsverträge, durch die Reichsregierung ausdrücklich zugesichert wird. Ohne die in unseren früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt daher der Episkopat das Vertrauen hegen zu können, daß die vorgezeichneten allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen.«

Die katholische Zentrumspartei gab diesen Zusicherungen und dem ausgeübten Druck nach und wurde am 5. Juli 1933 aufgelöst. Ich verweise auf Dokument Nummer 2403-PS, das bereits als Beweisstück im Dokumentenbuch B vorgelegt wurde und einen Auszug aus den »Dokumenten der deutschen Politik«, einer amtlichen nationalsozialistischen Veröffentlichung, darstellt. Es handelt sich um ein Dokument, das der Gerichtshof amtlich zur Kenntnis nehmen möge. Ich zitiere die letzten fünf Zeilen auf Seite 1 der englischen Übersetzung, die auf Seite 55 des deutschen Originaltextes erscheinen:

»Auch die scheinbar am stärksten verankerten Parteien des politischen Katholizismus haben sich dem Gesetz einer neuen Ordnung beugen müssen. Am 4. Juni 1933 veröffentlichte die Bayerische Volkspartei eine Erklärung über ihre Auflösung (Dokument 27) und am 5. Juli 1933 die Zentrumspartei (Dokument 29).«

Trotz dieser Vertrauenskundgebung und Zusammenarbeit oder Unterwerfung seitens der Katholiken begannen die Nazi-Verschwörer sogleich eine Reihe von Verletzungen des Konkordats. Ich lege das Beweisdokument 3476-PS, US-567, vor. Es ist die päpstliche Enzyklika »Mit brennender Sorge« in deutscher Sprache von Papst Pius XI. vom 14. März 1937, und ich bitte den Gerichtshof, sie im ganzen amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Ich zitiere aus dem nur aus einer Seite bestehenden englischen Auszug...

VORSITZENDER: Sagten Sie 3476 oder 3466?

OBERST WHEELER: 3476.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben das nicht.

OBERST WHEELER: Da kann ein Fehler vorliegen, Herr Vorsitzender; denn für das Dokument 3563 wurde die Nummer geändert. Der Teil, der sich in englischer Sprache im Dokumentenbuch befindet, Hoher Gerichtshof, trägt die Nummer 3280-PS.

VORSITZENDER: 3280?

OBERST WHEELER: Die Schwierigkeit besteht darin, daß das deutsche Original erst eintraf, nachdem die Übersetzung schon aus einer anderen Quelle angefertigt worden war.

VORSITZENDER: 3280(a)-PS?

OBERST WHEELER: Ohne das (a). Es sind nur einige Absätze.

VORSITZENDER: O ja! Ich habe es jetzt.

OBERST WHEELER: Mein Zitat befindet sich auf Seite 2, Absatz 2 des deutschen Originaltextes, der jetzt als Beweisstück vorgelegt wird. Der Text wurde im geheimen in Fulda von Exemplaren vervielfältigt, die von Rom aus nach Deutschland geschmuggelt worden waren, und die trotz des Verbots von allen Kanzeln Deutschlands verlesen wurden. Ich zitiere:

»Er enthüllt Machenschaften, die von Anfang an kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf. In die Furchen, in die Wir den Samen aufrichtigen Friedens zu pflanzen bemüht waren, streuten andere – wie der inimicus homo der Heiligen Schrift (Matth. 13, 25) – die Unkrautskeime des Mißtrauens, des Unfriedens, des Hasses, der Verunglimpfung, der heimlichen und offenen, aus tausend Quellen gespeisten und mit allen Mitteln arbeitenden grundsätzlichen Feindschaft gegen Christus und seine Kirche. Ihnen und nur ihnen, sowie ihren stillen und lauten Schildhaltern, fällt die Verantwortung dafür zu, daß statt des Regenbogens des Friedens am Horizont Deutschlands die Wetterwolke zersetzender Religionskämpfe sichtbar ist.

Jeder, dessen Geist sich noch einen Rest von Wahrheitsempfinden, dessen Herz sich noch einen Schatten von Gerechtigkeitsgefühl bewahrt hat, wird dann zugeben müssen, daß in diesen schweren und ereignisvollen Jahren der Nachkonkordatszeit jedes Unserer Worte und jede Unserer Handlungen unter dem Gesetz der Vereinbarungstreue standen. Er wird aber auch mit Befremden und innerster Ablehnung feststellen müssen, wie von der anderen Seite die Vertragsumdeutung, die Vertragsumdrehung, die Vertragsaushöhlung, schließlich die mehr oder minder öffentliche Vertragsverletzung zum ungeschriebenen Gesetz des Handelns gemacht wurden.

Nur zehn Tage, nachdem das Konkordat...«

VORSITZENDER: Das steht nicht in unserem Buch.

OBERST WHEELER: Das ist nicht in Ihrem Buch?

VORSITZENDER: Nicht das, was Sie soeben gelesen haben. Der erste Absatz bis zu den Worten »Wetterwolken zerstörender Religionskriege sichtbar ist« ist in unserem Buch. Der Rest aber nicht.

OBERST WHEELER: Ich glaube, da muß dann heute ein Irrtum vorgekommen sein. Es gab eine zweite Ausgabe dieses Dokuments Nummer 3280, die den zweiten Absatz enthielt. Ich werde dafür sorgen, daß er nachher sofort eingefügt wird.

VORSITZENDER: Gut.

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRANK: Es wurde von dem Herrn Anklagevertreter der Vereinigten Staaten vorhin erklärt, daß ein Teil des Materials, das hier in der Frage des Kampfes gegen die Kirche vorgelegt wird, vom Vatikan zur Verfügung gestellt wurde. Es hat mir nun der Angeklagte Hans Frank ein Schreiben zugeleitet, das einige Fragen enthält, und ich möchte diese Fragen dem Gericht nicht vorenthalten. Die Fragen lauten:

1. Ist der Vatikan dem Statut des Internationalen Militärgerichtshofs beigetreten?

2. Hat er das Material als Mitankläger geliefert?

3. Hat er sich die Grundsätze dieses Verfahrens als Klagevertreter zu eigen gemacht?

Der Angeklagte Hans Frank begründet diese Fragen damit, daß von ihrer Beantwortung sein weiteres Verbleiben in der katholischen Kirche abhängig ist.

VORSITZENDER: Ich glaube, es ist notwendig, daß der Gerichtshof Ihren Einspruch genau versteht. Die erste Frage, die Sie stellen ist: Ist der Vatikan ein Signatar des Statuts. Ist das richtig?

DR. SEIDL: Jawohl.

VORSITZENDER: Welches war Ihre zweite Frage?

DR. SEIDL: Ob der Vatikan das Material, das hier vorgelegt wird, als Mitankläger geliefert hat.

VORSITZENDER: Und Ihre dritte Frage?

DR. SEIDL: Die dritte Frage war, und sie richtet sich ja an die Anklagebehörde zunächst: ob sich der Vatikan die Grundsätze dieses Verfahrens hier als Klagevertreter zu eigen gemacht hat.