[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich bitte den Hohen Gerichtshof, mir zu gestatten, mich jetzt wegen der Ritualmorde auf zwei weitere Ausgaben des »Stürmer« zu beziehen. Der erste Auszug erscheint auf Seite 32 des Dokumentenbuchs und trägt die Nummer 2700-PS. Es ist die Abschrift von US- 260 und betrifft einen Artikel im »Stürmer« vom Juli 1938:
»Wer einmal Gelegenheit hatte, Augenzeuge beim Schächten von Tieren zu sein, oder wenigstens einen wahrheitsgetreuen Film über das Schächten zu sehen, wird dieses schauerliche Erlebnis niemals vergessen. Es ist grauenhaft! Und unwillkürlich wird er an die Verbrechen erinnert, die die Juden schon seit Jahrhunderten auch an Menschen begehen. Er wird erinnert werden an den Ritualmord. Die Geschichte weist Hunderte von Fällen auf, in welchen nichtjüdische Kinder von Juden zu Tode gemartert wurden. Auch sie sind geschächtet worden. Auch sie hatten den gleichen Schnitt durch den Hals erhalten, wie man ihn bei den geschächteten Tieren antrifft. Auch sie waren bei vollem Bewußtsein langsam verblutet.«
Hoher Gerichtshof! Bei besonderen Anlässen, oder wenn er der Welt einen besonderen Gegenstand unterbreiten wollte, gab der Angeklagte gewöhnlich eine Sonder-Ausgabe des »Stürmer« heraus. Der Ritualmord war eines dieser Sonderthemen, dessentwegen er eine Sonder-Ausgabe veröffentlichte, die ausschließlich diesem Gegenstand gewidmet war. Dem Gerichtshof liegt eine Photokopie der vollständigen Ausgabe vom Mai 1939 vor.
Ich habe nicht versucht, alle oder einige der in dieser Ausgabe erschienenen Artikel übersetzen zu lassen. Es genügt vielleicht, wenn der Gerichtshof sich die Bilder und Illustrationen ansieht, und ich nur die Überschriften vorlese. Ich bedauere, daß die Übersetzungen der Überschriften nicht dem Dokumentenbuch für den Gerichtshof beigefügt sind. Ich möchte um die Erlaubnis bitten, mich auf die Bilder zu beziehen und die Überschriften verlesen zu dürfen.
Die Seiten sind mit Rotstift in der rechten Ecke gekennzeichnet. Auf Seite 1 sehen wir das Bild eines Kindes mit Messern in der Seite, Blut spritzt im Bogen aus dem Körper und unter dem Postament, auf dem es steht, sieht man fünf anscheinend tote Kinder am Boden liegen. Die Überschrift dieses Bildes lautet wie folgt:
»Im Jahre 1476 ermordeten die Juden in Regensburg sechs Knaben. Sie zapften ihnen das Blut ab und marterten sie zu Tode. Die Richter fanden in einem unterirdischen Gewölbe, das dem Juden Josfol gehörte, die Leichen der Ermordeten. Auf einem Altar stand eine mit Blut befleckte steinerne Schale.«
Auf der nächsten Seite sind zwei Bilder, die durch Überschriften erläutert werden; das Bild links oben:
»Dieses Bild gab das Weltjudentum als Postkarte zum jüdischen Neujahrsfest 1913 heraus. Die Juden schlachten am Neujahrs- und Versöhnungsfest einen sogenannten ›Kaporeshahn‹ (kapores = tot), dessen Blut und Tod die Juden entsühnen soll. Im Jahr 1913 trug der Kaporeshahn den Kopf des russischen Zaren Nikolaus II. Die Juden wollten mit der Herausgabe der Postkarte sagen, daß ihr nächstes politisches Sühne-Schlachtopfer Nikolaus II. sein wird. Am 16. Juli 1918 wurde der Zar von den Juden Jurowsky und Goloschtschekin ermordet.«
Das Bild am Ende der Seite zeigt wieder Juden, die einen ähnlichen Vogel halten:
»Der ›Kaporeshahn‹ trägt den Kopf des Führers. Die hebräische Schrift sagt, die Juden werden einst ›alle Hitlerleute kapores (= tot) schlagen‹. Dann seien sie (die Juden) von allem Unglück befreit. Die Juden werden dereinst noch erkennen, daß sie sich bei Adolf Hitler verrechnet haben.«
Die nächste Seite der Zeitung enthält die Bilder- Reproduktionen von früheren Artikeln über Ritualmorde mit einem Bild des Angeklagten Julius Streicher oben auf der Seile.
Auf der vierten Seite finden Sie ein Bild unten rechts, das die Unterschrift trägt:
»Jude beim Passahmahl. In dem Wein und in den Matzen befindet sich nichtjüdisches Blut. Der Jude ›betet‹ vor dem Mahl. Er wünscht allen Nichtjuden den Tod.«
Auf der fünften Seite finden Sie Reproduktionen einiger europäischer und amerikanischer Zeitungsartikel und Briefe, die diese Zeitungen während der letzten Jahre zum Protest gegen diese Ritualmord-Propaganda erhalten hatten. In der Mitte finden Sie einen Protestbrief des Erzbischofs von Canterbury an den Herausgeber der »Times«.
Auf der nächsten Seite, Seite 6, sehen wir wieder das scheußliche Bild eines Mannes, dem die Kehle durchschnitten wird; wieder sieht man den nun schon bekannten Blutstrahl in einen am Boden stehenden Behälter fließen. Die Unterschrift zu diesem Bild lautet wie folgt:
»Ritualmord an dem Knaben Heinrich. Im Jahre 1345 schächteten die Juden in München einen nichtjüdischen Knaben. Der Märtyrer wurde von der Kirche selig gesprochen.«
Auf Seite 7 erscheint ein Bild, das drei Ritualmorde darstellt. Auf Seite 8 ein weiteres Bild: »Der Heilige Gabriel« mit der Erklärung:
»Der Knabe wurde von den Juden im Jahre 1690 gekreuzigt und zu Tode gequält. Das Blut wurde ihm abgezapft.«
Ich glaube, wir können die Seiten 9 und 10 auslassen.
Auf Seite 11 sehen wir einen Teil einer Skulptur an einer Wand der Wallfahrtskapelle in Wesel; das Bild stellt einen Ritualmord an einem Knaben namens Werner dar, ein abscheuerregendes Bild dieses Knaben, der, mit den Füßen nach oben aufgehängt, von zwei Juden gemordet wird.
Seite 12 zeigt ein weiteres Bild, dessen Erklärung lautet:
»Die einbalsamierte Leiche des von den Juden zu Tode gemarterten ›Simon von Trient‹.«
Seite 13 zeigt ein weiteres Bild: wieder jemand, der mit einem Messer gestochen wird, und wieder sieht man das Blut in eine Schüssel fließen.
Auf Seite 14 sind zwei Bilder, das eine, das obere Bild, stellt angeblich den Ritualmord an dem Knaben Andreas dar, und das untere Bild zeigt einen Grabstein mit der folgenden Unterschrift:
»Grabmal Hilsners. Dies ist das Ehrenmal für den jüdischen Ritualmörder Leopold Hilsner. Er wurde zweier Ritualmorde überführt und wurde in zwei Gerichtsverhandlungen zum Tode durch den Strang verurteilt. Der bestochene Kaiser begnadigte ihn. Der Judengenosse Masaryk befreite ihn im Jahre 1918 aus dem Zuchthaus. Selbst auf dem Grabstein bezeichnet das verlogene Judentum den zweifachen Mörder als ›unschuldiges Opfer‹.«
Die nächste Seite bringt ein weiteres Bild einer Frau, der ebenfalls auf dieselbe Weise die Kehle durchschnitten wird. Ich möchte sodann auf Seite 17 hinweisen, sie zeigt die Reproduktion eines Bildes des Erzbischofs von Canterbury und ein Bild eines alten Juden; die Unterschrift lautet:
»Dr. Lang. Der Erzbischof von Canterbury, der höchste Würdenträger der englischen Kirche. Und seine Verbündeten. Ein Musterexemplar der jüdischen Rasse.«
Und auf der letzten Seite, Seite 18, sehen Sie ein Bild mit der Unterschrift:
»Der zu Tode gefolterte ›Heilige Simon‹ von Trient.«
Hoher Gerichtshof! Ich bin der Ansicht, daß dieses Dokument nichts anderes ist als eine Aufhetzung des deutschen Volkes, das derartiges las, nichts anderes als eine Aufhetzung zum Mord. Es ist angefüllt mit Mordbildern, mit Morden, die angeblich gegen das deutsche Volk begangen wurden, und es soll Ansporn sein für alle Leser, sich zu rächen, und zwar auf dieselbe Weise. Ich führe dieses Dokument M-10 als GB-173 ein.
DR. HANNS MARX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN STREICHER: Der Angeklagte Julius Streicher macht mich eben darauf aufmerksam, daß ihm bisher noch keine Möglichkeit gegeben war, nachzuweisen, woher diese Bilder, auf die eben die Anklage Bezug genommen hat, entnommen sind. Es ist nach Ansicht der Verteidigung notwendig, daß der Ursprung dieser Bilder, dieser Abbildungen dem Gericht klar gemacht wird; es könnte ja sonst die Meinung entstehen, daß diese Bilder eigens für den »Stürmer« aus irgendeiner dunklen Quelle entnommen seien. Der Angeklagte Streicher weist aber darauf hin, daß diese Bilder aus anerkannten Geschichtsquellen geflossen sind. Ich möchte mir daher die Anregung erlauben, die Anklagebehörde zu veranlassen, dieses Material ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Aus den Artikeln des »Stürmer«, auf die Bezug genommen worden ist, müßte sich meines Erachtens ergeben, was die Quellen sind, aus denen der Angeklagte Streicher geschöpft hat.
VORSITZENDER: Geben die Artikel die Quellen an? Geben die Artikel selbst die Quellen an?
DR. MARX: Ja.
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich hätte erwähnen sollen, daß keine Absicht bestand, diese Angelegenheit falsch darzustellen. Diese Bilder sind Reproduktionen von Originalbildern, die nicht von der Zeitschrift erfunden wurden. In einigen Fällen wurden die Quellen in der Überschrift angegeben. Es handelt sich hierbei um eine Sammlung von mittelalterlichen Bildern und Fresken, die sich mit dieser Sache befassen. Die Zeitung gibt tatsächlich fast in allen Fällen an, woher die Bilder stammen.
DR. MARX: Ich danke Ihnen.
VORSITZENDER: Sie haben uns bereits erklärt, daß die Bilder mittelalterlichen Datums waren.
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Jawohl, Hoher Gerichtshof! Im Januar 1938, der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß im Jahre 1938 die Verfolgung der Juden im Ansteigen begriffen war, im Januar 1938 wurde aus uns unbekannten Gründen eine andere Sonder-Ausgabe des »Stürmer« veröffentlicht. Wenn sich der Gerichtshof der Seite 34 des Dokumentenbuchs zuwenden will, so werde ich einen kurzen Abschnitt aus dem Leitartikel in dieser Sonder- Nummer zitieren, einem Artikel, der von dem Angeklagten geschrieben wurde.
»Höchster Zweck und höchste Aufgabe des Staates ist es also, das Volk, das Blut, die Rasse zu erhalten. Wenn dies aber die höchste Aufgabe ist, dann muß den Verbrecher gegen dieses Gesetz die höchste Strafe treffen. Der ›Stürmer‹ ist deshalb der Auffassung, daß es für das Verbrechen der Rassenschande nur zwei Strafen geben kann, erstens, lebenslängliche Zuchthausstrafe für den Versuch der Rassenschande, zweitens, die Todesstrafe für das vollendete Verbrechen.«
Und, falls es tatsächlich noch notwendig sein sollte, die Wesensart dieser Zeitschrift weiterhin zu charakterisieren, bitte ich die Herren Richter, sich der nächsten Seite zuzuwenden, auf der Sie die Überschriften einiger der in dieser Ausgabe enthaltenen Artikel vorfinden:
»Jüdische Rassenschänder an der Arbeit.«
»15 Jahre alte Nichtjüdin geschändet«
»Ein gefährlicher Rassenschänder. Er betrachtet die deutsche Frau als Freiwild.«
»Das jüdische Sanatorium. Eine jüdische Anstalt zur Kultivierung von Rassenschande.«
»Schändung einer Schwachsinnigen.«
»Der jüdische Hausdiener. Bestiehlt die jüdische Dienstherrschaft und treibt Rassenschande.«
Ein Exemplar dieser Ausgabe liegt dem Gerichtshof bereits als US-260 vor.
Von der nächsten Seite des Dokumentenbuchs werde ich lediglich die letzten zwei Zeilen erwähnen. Es handelt sich hierbei um einen Artikel, der im »Stürmer« erschien, wobei ich erwähnen muß, daß dieser Artikel nicht von dem Angeklagten Streicher selbst geschrieben wurde, sondern von seinem damaligen Redakteur, Karl Holz:
»... Diese Rache wird eines Tages losbrechen und wird Alljuda vom Erdboden vertilgen.«
Und dann auf Seite 37. Im September 1938 enthielt der »Stürmer« einen Artikel, dessen letzte zwei Zeilen wie folgt lauten:
»Ein Schmarotzer, ein Schädling, ein Tunichtgut, ein Krankheitserreger, der im Interesse der Menschheit beseitigt werden muß.«
Ich darf meine Ansicht hierzu dem Gerichtshof dahin unterbreiten, daß es sich hier nicht mehr länger um Propaganda zur Verfolgung der Juden handelt; sondern dies ist Propaganda für die Vernichtung der Juden, für die Ermordung nicht eines einzelnen Menschen, sondern von Millionen.
Das nächste Dokument im Dokumentenbuch auf Seite 38 wurde bereits als Beweismaterial vorgelegt und dem Gerichtshof vorgelesen. Es ist Beweisstück US-260, das sich im Dokumentenbuch befindet und in das Protokoll Band III, Seite 583 aufgenommen wurde. Es handelt sich um einen kurzen Artikel vom Dezember 1938, der in Nummer 50 des »Stürmer« erschien.
Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf das nächste Dokument lenken, auf ein Bild in der gleichen Ausgabe. Es zeigt den Oberteil eines Frauenkörpers, von den Armen eines Mannes umklammert, der mit seinen Händen ihren Hals würgt. Der Schatten des Gesichts, der sich gegen den Hintergrund abzeichnet, trägt ausgesprochen jüdische Züge. Die Über- und Unterschriften dieses Bildes lauten:
»Entmannung der Rassenschänder.
Nur harte Strafen schützen unsere Frauen vor weiterem Zugriff ekler Judenklauen.
Die Juden sind unser Unglück.«
Ich wende mich nunmehr einen Augenblick vom »Stürmer« ab und einem besonderen Zwischenfall zu, bei dem der Angeklagte Streicher eine führende Rolle gespielt hat.
Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß am 9. und 10. November 1938 organisierte Demonstrationen gegen die Juden stattfanden. Diese ganze Propaganda wurde immer wilder, und im Herbst des gleichen Jahres organisierte der Angeklagte Streicher anläßlich einer Pressekonferenz in Nürnberg die Zerstörung der Nürnberger Synagogen. Dieser Zwischenfall ist schon früher in diesem Verfahren erwähnt worden. Die damit im Zusammenhang stehenden Dokumente sind 1724-PS, US-266, die in das Protokoll Band III, Seite 586 eingeführt sind.
Gauleiter Julius Streicher hat persönlich den Kran in Bewegung gesetzt, mit dem die jüdischen Symbole von der Synagoge heruntergerissen wurden.
Aus einem weiteren bereits eingeführten Dokument, 2711-PS, US-267, das ebenfalls in Band III, Seite 587 des Protokolls erwähnt ist, verlese ich zwei Zeilen:
»... die Synagoge wird abgebrochen! Julius Streicher leitete selbst durch eine mehr als eineinhalbstündige Rede den Beginn der Arbeiten ein. Auf seinen Befehl löste sich dann, gewissermaßen als Auftakt des Abbruches, der riesige Davidstern von der Kuppel.«
Der Angeklagte hat natürlich persönlich an den November-Demonstrationen dieses Jahres teilgenommen. Ich behaupte nicht, daß er für die Idee dieser Demonstrationen verantwortlich ist. Das Beweismaterial gegen ihn beschränkt sich auf die Rolle, die er hierbei in seinem Gau, in Franken, spielte.
Auf Seite 43 des Dokumentenbuchs befindet sich ein Bericht über die Nürnberger Demonstrationen vom 11. November, wie sie in der »Fränkischen Tageszeitung« gemeldet wurden, die – wie bekannt – seine Zeitung war. Ich zitiere:
»In Nürnberg und Fürth kam es zu Demonstrationen der Volksmenge gegen das jüdische Mördergesindel. Sie dauerten bis in die frühen Morgenstunden an. Lange genug hatte man dem Treiben der Juden in Deutschland zugeschaut.«
Dann gehe ich zu den letzten drei Zeilen jenes Absatzes über:
»Nach Mitternacht hatte die Erregung der Bevölkerung ihren Höhepunkt erreicht und eine größere Menschenmenge zog vor die Synagogen in Nürnberg und Fürth und steckte diese beiden Judenhäuser, in denen der Mord am Deutschtum gepredigt wurde, in Brand. Die sofort verständigte Feuerwehr sorgte dafür, daß das Feuer auf seinen Herd beschränkt blieb. Auch Fensterscheiben der jüdischen Geschäftsbesitzer, die noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben hatten, an dumme Gojims ihren Ramsch zu verkaufen, wurden eingeschlagen. Dank dem disziplinvollen Einsatz herbeigeeilter SA-Männer und der Polizei kam es nirgends zu Plünderungen.«
Das wird Beweisstück GB-174.
Das folgende Dokument im Dokumentenbuch ist der Bericht über Streichers Rede vom 10. November, dem Tage der Demonstrationen. Ich möchte zwei Absätze von dieser Seite verlesen und beginne in der Mitte des ersten Absatzes:
»Der Jude wird von Kindesbeinen an erzogen nicht mit solchen Sätzen, wie wir erzogen werden, ›Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst‹, oder ›Wenn Du auf die linke Wange geschlagen wirst, so halte die rechte auch hin‹; nein, ihm wird gesagt: ›Mit dem Nichtjuden kannst Du tun was Du willst‹. Er wird sogar dazu erzogen, die Hinschächtung eines Nichtjuden als gottwohlgefälliges Werk anzusehen. Seit 20 Jahren schreiben wir das im ›Stürmer‹, seit 20 Jahren predigen wir es der ganzen Welt, und Millionen haben wir zur Erkenntnis der Wahrheit gebracht.«
Ich beziehe mich auf den letzten Absatz:
»Der Jude hat in einer Nacht 75000 Perser geschächtet, er hat, als er aus Ägypten auszog, die Erstgeburt, das heißt, die ganze Nachkommenschaft der Ägypter, umgebracht. Was wäre gekommen, wenn der Jude es fertiggebracht hätte, die Völker in den Krieg gegen uns zu hetzen, und wenn wir den Krieg verloren hätten. Der Jude wäre unter dem Schutz ausländischer Bajonette über uns hergefallen und hätte geschächtet und gemordet. Vergesset nie, was die Geschichte berichtet.«
Hoher Gerichtshof! Nach den November-Demonstrationen hat sich im Gau Franken eine Reihe von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der organisierten Arisierung von jüdischem Eigentum ereignet. Die Arisierung jüdischen Eigentums wurde natürlich vom Staate geregelt. In einem Erlaß wurde bestimmt, daß der Erlös oder eventuell anfallende Beträge, die aus der Übernahme jüdischen Eigentums durch Arier entstehen, dem Staate zufallen sollten. Anscheinend fand im Gau Franken der größte Teil der Einnahmen niemals seinen Weg bis zum Staatssäckel, und infolgedessen hatte Göring eine Kommission zur Untersuchung des Sachverhalts ins Leben gerufen. Wir sind im Besitz des Berichts dieser Kommission, und ich darf den Gerichtshof auf einige kurze darin enthaltene Absätze hinweisen. Auf Seite 45 ersehen wir ganz deutlich, was sich nach dem Bericht in dem Gau des Angeklagten Streicher zugetragen hat. Ich zitiere von der Stelle, wo gegenüber »Seite 13« steht...
DR. MARX: Der Herr Vertreter der Anklage beabsichtigt zum Beweise für Unregelmäßigkeiten, die sich im Zuge der Arisierungen in Nürnberg nach dem 9. November ereigneten, einen Bericht anzuziehen, den der stellvertretende Gauleiter Holz anläßlich seiner Vernehmung gegenüber der Untersuchungskommission abgab. Ich möchte gegen die Verwertung dieses Berichts protestieren. Zwischen dem Angeklagten Streicher und dem stellvertretenden Gauleiter Holz bestand eine reichliche Spannung, wenn nicht Feindschaft. Der stellvertretende Gauleiter Holz war gerade derjenige, auf den diese Arisierungen zurückzuführen waren. Es ist keinesfalls erwiesen, daß Streicher mit der Vornahme dieser Arisierungen einverstanden war. Es ist vielmehr anzunehmen, daß Holz, um sich selbst zu decken, hier Angaben machte, die er selbst nicht verantworten könnte, wäre er heute als Zeuge hier erschienen. Es handelt sich demnach im Bericht des Holz um Behauptungen eines stark Beteiligten, eines als Mittäter in Betracht Kommenden und eines Mannes, der mit dem Angeklagten Streicher verfeindet war. Holz machte Streicher schwere Vorwürfe, weil Streicher ihn nicht deckte gegenüber der Kommission und gegenüber dem damaligen Ministerpräsidenten Göring. Ich glaube daher nicht, daß man diesen Bericht verwerten kann.
VORSITZENDER: Haben Sie gesagt, was Sie vorbringen wollten?
DR. MARX: Jawohl, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß dieses Dokument, das ein amtliches Dokument ist, unter Artikel 21 zugelassen werden kann, und daß diese Einwände, die Sie hierzu erhoben haben, nicht Einwände sind, welche die Zulassung desselben als Beweismaterial, sondern ihren Inhalt beeinträchtigen. Was diese Einwendungen anbetrifft, werden Sie späterhin Gelegenheit haben, sie vorzubringen, wenn die Verteidigung an der Reihe ist. Der Gerichtshof entscheidet, das Dokument zuzulassen.
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Herr Vorsitzender! Ich lese von der Mitte der Seite 45 des Dokumentenbuchs:
»In Verfolg der Novemberdemonstrationen griff der stellvertretende Gauleiter Holz die Judenfrage auf. Seine... Beweggründe können hier auf Grund seiner Äußerung vom 25. März 1939 ausführlich wiedergegeben werden:
›Der 9. und 10. November 1938.
In der Nacht vom 9. und 10. November und am 10. November 1938 trugen sich in ganz Deutschland Ereignisse zu, die ich‹« – ich betone, daß es Holz ist, der jetzt spricht – »›als das Signal für eine völlig andere Behandlung der Judenfrage in Deutschland ansah. Es wurden die Synagogen und die jüdischen Schulen niedergebrannt und es wurde das jüdische Eigentum sowohl in den Geschäften als auch in den Privathäusern zerschlagen. Außerdem wurde durch die Polizei eine große Anzahl namhafter Juden in die Konzentrationslager verbracht. Wir besprachen uns gegen Mittag im Hause des Gauleiters über diese Vorgänge. Jeder von uns war der Auffassung, daß wir nun in der Judenfrage vor einer vollkommen neuen Sachlage stünden. Durch die in der Nacht und am Morgen des 10. November vorgenommene große Aktion gegen die Juden waren alle Richtlinien und alle Gesetze auf diesem Gebiet illusorisch gemacht worden. Wir waren (und insbesondere war das meine Meinung) der Auffassung, daß nun in dieser Hinsicht selbständig zu handeln sei. Ich machte dem Gauleiter den Vorschlag, daß man in Anbetracht der bestehenden großen Wohnungsnot am besten die Juden in eine Art Internierungslager stecke. Dann würden die Wohnungen augenblicklich frei und es könne die Wohnungsnot zum Teil wenigstens behoben werden. Außerdem hätte man die Juden unter Kontrolle und unter Bewachung! Ich setzte noch hinzu, unseren Kriegsgefangenen und Kriegsinternierten ist es ja auch nicht anders gegangen‹. Der Gauleiter bezeichnete diesen Vorschlag als zunächst nicht durchführbar. Daraufhin machte ich ihm einen zweiten Vorschlag: Ich erklärte ihm, daß ich es für undenkbar halte, daß die Juden noch jetzt, nachdem man ihnen ihr Eigentum zerschlagen habe, Häuser und Grundstücke besitzen konnten. Ich machte den Vorschlag, daß ihnen diese Häuser und Grundstücke entzogen werden müßten und erklärte mich bereit, daß ich eine derartige Aktion durchführen würde. Ich erklärte, durch diese Arisierung jüdischer Grundstücke und Häuser könnte man aus deren Erlös dem Gau einen großen Betrag zuführen. Ich nannte einige Millionen Mark. Ich erklärte, daß nach meiner Ansicht diese Arisierung ebenso legal durchgeführt werden könne wie die Arisierung der Geschäfte. Der Gauleiter erklärte hierauf etwa dem Sinne nach:
›Wenn Sie glauben, dies durchführen zu können, dann tun Sie es. Der erlöste Betrag soll dann zum Bau einer Gauschule verwendet werden.‹«
Ich wende mich nun der Seite 18 zu, wo es wie folgt heißt:
»Die Arisierungen wurden vollzogen durch Veräußerungen von Grundstücken, Abtretung von Forderungen, insbesondere Hypothekenforderungen und Kaufpreis herabsetzungen.
Die den Juden zugebilligte Gegenleistung betrug grundsätzlich 10 % des Einheitswertes oder Nennbetrages der Forderung. Zur Begründung dieser geringen Preise hat sich Holz in der Berliner Sitzung vom 6. Februar 1939 darauf berufen, daß die Juden ihre Grundstücke zumeist in der Inflation für weniger als 1/10 des Wertes erworben hätten. Diese Behauptung entspricht, wie die stichprobenweise Nachprüfung einer großen Anzahl von Einzelfällen ergeben hat, nicht den Tatsachen.«
Herr Vorsitzender! Ich wende mich nun der Seite 48 des Dokumentenbuchs zu, dem zweiten Teil dieses Berichts, dem Teil, der die Feststellungen der Kommission enthält. Ich zitiere vom Anfang der Seite 48 des Dokumentenbuchs:...
VORSITZENDER: Ist dies noch ein Teil des Berichts?
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Jawohl, dies gehört noch zum Bericht. Dieser Teil enthält die eigentlichen Ermittlungen der Kommission.
»Gauleiter Streicher liebt es, Menschen mit der Reitpeitsche zu verprügeln, vorausgesetzt, daß er sich in Begleitung mehrerer ihm helfender Personen befindet. Die Verprügelungen gehen meist mit sadistischer Roheit vor sich.«
Am bekanntesten ist der Fall Steinruck, den er zusammen mit dem stellvertretenden Gauleiter Holz und SA-Oberführer König in der Gefängniszelle blutig schlug. Nach Rückkehr von dieser Szene in den ›Deutschen Hof‹ äußerte er: ›Jetzt bin ich erlöst, das habe ich wieder einmal gebraucht!‹ Auch später erklärte er öfters, daß er wieder einmal einen Fall Steinruck brauche, um sich zu ›erlösen‹.
Im August 1938 verprügelte er auf dem Gauhaus zusammen mit dem Gauamtsleiter Schöller und seinem Adjutanten König den Schriftleiter Burker.
Um die Macht und die Autorität, die er in seinem Gau innehatte, zu zeigen, verweise ich auf den letzten Absatz der gleichen Seite:
»Nach Mitteilung zuverlässiger Zeugen pflegt Gauleiter Streicher bei den verschiedensten Gelegenheiten darauf hinzuweisen, daß im Gau Franken nur er zu bestimmen habe. Z.B. sagte er in einer Versammlung im Colosseum in Nürnberg 1935, ihn könne niemand absetzen und in einer Versammlung im Herkules-Saal, in der er schilderte, wie er den Prof. Steinruck geschlagen hat, betonte er, daß er sich von niemanden schlagen lasse, auch nicht von einem Adolf Hitler.
Denn, auch das muß hier festgestellt werden, in Franken handelt erst der Gau und befiehlt dann den absolut willenlosen Behördenstellen, daß sie zu genehmigen haben.«
Hoher Gerichtshof, beide Bände dieses Berichts werden nunmehr als Dokument 1757-PS, GB-175, eingereicht.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist nicht davon überzeugt, daß das etwas mit der Anklage gegen Streicher zu tun hat.
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Hoher Gerichtshof, das Dokument hat den Zweck, die Art der Behandlung und Verfolgung zu zeigen, denen die Juden in dem Gau des Angeklagten Streicher ausgesetzt waren, und, um zweitens die absolute Gewaltherrschaft zu beweisen, die der Angeklagte in seinem Gau ausübte. Das war der Sinn dieses Dokuments.
Der Angeklagte wurde im Februar 1940, entweder auf Grund dieser Untersuchung oder wegen anderer Dinge, seiner Stellung als Gauleiter enthoben; er zog sich aber nicht von seiner Propagandatätigkeit zurück und blieb auch Herausgeber seiner Zeitung.
Ich möchte nur noch einen weiteren kurzen Auszug aus dem »Stürmer« anführen, und zwar einen von ihm selbst geschriebenen Artikel vom 4. November 1943, der sich im Dokumentenbuch auf Seite 53, 1965-PS, befindet, und den ich jetzt als GB-176 einführe. Es handelt sich um einen Auszug von besonderer Bedeutung:
»Es ist wirklich Wahrheit, daß die Juden ›sozusagen‹ aus Europa verschwunden sind, und daß das jüdische ›Reservoir des Ostens‹, aus dem die Judenseuche seit Jahrhunderten über die europäischen Völker gekommen ist, aufgehört hat, zu bestehen...
Aber der Führer des deutschen Volkes hat schon zu Beginn des Krieges das nun Gekommene prophezeit...«
Dieser Artikel war von Streicher unterschrieben und zeigt meiner Ansicht nach, daß der Angeklagte wußte, was im Osten vorging, also die Vorgänge kannte, über die der Hohe Gerichtshof bereits unterrichtet ist. Wie es dem Gerichtshof erinnerlich sein dürfte, wurde im April 1943 das Warschauer Ghetto zerstört. Im Zeitraum vom April 1942 bis zum April 1944 wurden ungefähr 1700000 Juden in Auschwitz und Dachau getötet; und ich zitiere jetzt aus dem Verhandlungsprotokoll: »... während der ganzen Periode mußten Millionen Juden sterben.«
Ich behaupte, daß dieser Artikel vom 4. November, den der Angeklagte schrieb, beweist, daß er wußte, was sich ereignete, vielleicht nicht in allen Einzelheiten, aber er wußte, daß die Juden liquidiert wurden.
Ich verlasse nun den »Stürmer« und möchte den Gerichtshof nur noch ganz kurz auf eine Sache hinweisen, die vielleicht ebenso böse ist wie jede andere Tätigkeit dieses Mannes; ich meine hier die besondere Aufmerksamkeit, die der Angeklagte der Schulung, wenn man das überhaupt so bezeichnen kann, oder vielmehr der Irreführung der Kinder und der Jugend in Deutschland widmete. Es genügte ihm nicht, das deutsche Volk aufzuhetzen. Er erfaßte auch die Kinder in den Schulen und begann so frühzeitig wie möglich, ihr Denken zu vergiften. Der Gerichtshof dürfte sich einiger bereits verlesener Auszüge erinnern, in denen Kinder erwähnt wurden, sowie die Notwendigkeit, sie den Antisemitismus zu lehren. Ich möchte nun von Seite 54 des Dokumentenbuchs vier oder fünf Zeilen aus dem letzten Absatz, und zwar aus der Mitte des letzten Absatzes, verlesen. Es ist der Bericht einer Rede, die Streicher schon im Juni 1925 hielt und in der er sagt:
»Ich wiederhole: Wir fordern die Umgestaltung der Schule in eine deutsch-völkische Erziehungsanstalt. Wenn wir deutsche Kinder von deutschen Lehrern unterrichten lassen, dann ist der Anfang zur deutsch-völkischen Schule gemacht. In dieser deutsch-völkischen Schule muß die Rassenkunde gelehrt werden...«
Ich gehe nun zur letzten Zeile des ersten Absatzes auf der nächsten Seite über:
»Deshalb verlangen wir die Einführung der Rassenkunde in der Schule!...«
Dies ist aus Julius Streicher, »Kampf dem Weltfeind«, Reden aus der Kampfzeit. Stürmer-Verlag 1938. (GB-165, Dokument 030-M)
Das folgende Dokument, M-43, ist ein Auszug aus der »Fränkischen Tageszeitung« vom 19. März 1934, als Streicher eine Mädchenklasse in der Schule Preißlerstraße beim Abschluß ihres Lehrgangs mit einer Ansprache begrüßte. Er hielt beständig Versammlungen von Kindern ab und wohnte dem Unterricht von Kindern bei. Ich verlese den dritten Absatz:
»Dann erzählte Julius Streicher aus seinem Leben, erzählte von einer Schülerin, die einst zu ihm in die Schule ging, die dem Juden verfiel und verloren war für ihr ganzes Leben.«
Ich brauche den Rest nicht zu verlesen. Es ist alles im gleichen Tone gehalten. Ich führe dieses Dokument als GB-177 ein.
Jeden Sommer feierte man in Nürnberg die sogenannten Sonnwendfeiern, ein heidnischer Brauch, zu dem die Jugend von Nürnberg von dem Angeklagten Streicher zusammengerufen, organisiert oder zumindest ermutigt wurde.
Auf Seite 58 des Dokumentenbuchs ist ein Bericht aus seiner Zeitung, der »Fränkischen Tageszeitung«, entnommen, der seine Ansprache an die Hitlerjugend am 22. Juni 1935 auf dem von ihnen sogenannten »Heiligen Berg« bei Nürnberg enthält:
»Buben und Mädel! Schaut auf etwas mehr als ein Jahrzehnt zurück. Ein großer Krieg – der Weltkrieg – war hinweggerast über die Völker der Erde und hat am Ende einen Trümmerhaufen zurückgelassen. Ein einziges Volk blieb in diesem furchtbaren Krieg Sieger, ein Volk, von dem Christus sagte, sein Vater sei der Teufel. Dieses Volk hatte das deutsche Volk an Leib und Seele zugrunde gerichtet. Da stand Adolf Hitler aus dem Volk als Unbekannter auf; wurde ein Rufer zu heiligem Kampf und Streit. Er rief hinein in das Volk, jeder möge sich wieder ermannen und möge aufstehen und mithelfen, dem deutschen Volk den Teufel zu nehmen, auf daß die Menschheit wieder frei werde von jenem Volk, das mit einem Kainszeichen seit Jahrhunderten und Jahrtausenden über den Erdball hinwandert.
Buben und Mädel! Wenn man auch sagt, die Juden seien einst ein auserwähltes Volk gewesen, so glaubt das nicht, sondern glaubt uns, wenn wir sagen, die Juden sind kein auserwähltes Volk. Denn es kann nicht sein, daß ein auserwähltes Volk heute so wirkt unter den Völkern wie das jüdische Volk.«
Und so weiter mit ähnlicher Propaganda. Dieses Dokument, M-1, führe ich als GB-178 ein.
Das nächste Dokument, M-44, das ich nun nicht verlesen will, führe ich als GB-179 ein. Der Gerichtshof möge sehen, daß es sich hier um einen Bericht über Streichers Weihnachtsansprache an 2000 Kinder in Nürnberg aus dem Jahre 1936 handelt. Er fragt seine atemlos lauschenden Zuhörer: »Wißt Ihr, wer der Teufel ist?« »Der Jud, der Jud«, so schallte es ihm aus tausend Kinderkehlen entgegen.
Aber der Angeklagte gab sich nicht mit Schreiben und Sprechen allein zufrieden. Er verfaßte darüber hinaus ein Handbuch für Lehrer, ein Buch, das von seinem Verlag »Der Stürmer« unter dem Titel: »Die Judenfrage im Unterricht« herausgegeben wurde.
Ich habe nicht das ganze Buch übersetzen lassen. Es ist an Schullehrer gerichtet und als Hilfsmittel für den Unterricht gedacht. Es betont die Notwendigkeit, den Antisemitismus in der Schule zu lehren und gibt Wege an, wie dieses Thema in die Schule eingeführt und behandelt werden kann.
Auf Seite 60 des Dokumentenbuchs, M-46, wird der Gerichtshof einige Auszüge aus diesem Buche finden. Die Einführungsworte lauten wie folgt:
»Der nationalsozialistische Staat hat auf allen Lebensgebieten des deutschen Volkes grundlegende Veränderungen gebracht. Er hat damit auch den deutschen Lehrer vor neue Aufgaben gestellt. Der nationalsozialistische Staat verlangt von seinen Lehrern die Unterrichtung der deutschen Kinder in der Rassenfrage. Die Rassenfrage aber ist für das deutsche Volk die Judenfrage. Wer dem Kind das Wissen vom Juden beibringen will, muß selbst ein Wissender geworden sein.«
Ich lese aus dem Absatz von Seite 5. Das übrige dieser Auszüge sind tatsächlich Anregungen für Lehrer, wie die Einführung der jüdischen Frage in ihrem Lehrplan durchzuführen sei. Auf Seite 5 der Einleitung steht geschrieben:
»Die Rassen- und Judenfrage ist das Kernproblem der nationalsozialistischen Weltanschauung. Die Lösung dieses Problems sichert das Bestehen des Nationalsozialismus und damit das Bestehen unseres Volkes für ewige Zeiten. Die ungeheure Bedeutung der Rassenfrage wird heute vom deutschen Volk fast restlos erkannt. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, mußte unser Volk einen langen Leidensweg gehen.«
DR. MARX: Ich möchte folgendes feststellen: Der Herr Vorredner unterließ in seiner Darstellung, daß das von ihm herangezogene Buch »Die Judenfrage im Unterricht« nicht von dem Angeklagten Streicher, sondern von dem Schulrat Fink verfaßt ist. Wenn der Herr Ankläger den nächsten Satz noch gelesen hätte, so wäre der Gerichtshof über diesen Punkt aufgeklärt gewesen. Mein Klient machte mich auf diesen Punkt aufmerksam, ich selbst nahm das ebenfalls wahr, weil bereits der folgende Satz lautet:
»Schulrat Fink will mit seiner Schrift: ›Die Judenfrage im Unterricht‹ dem deutschen Lehrer auf dem Weg zur Kenntnis und Erkenntnis Helfer sein.«
Es kann also kein Zweifel bestehen, daß dieser Schulrat Fink der Verfasser dieses Buches ist. Es ist immerhin wesentlich zu wissen, daß nicht Streicher, sondern Fink der Autor dieses Büchleins ist.
VORSITZENDER: Haben Sie Ihre Ausführungen beendet?
DR. MARX: Ja, das ist das, was ich sagen wollte.
VORSITZENDER: Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß, obwohl das Buch von Fritz Fink geschrieben zu sein scheint, wie es aus dem ersten Absatz hervorgeht, es mit einem Vorwort von Streicher versehen ist; somit dürfen wir annehmen, daß Streicher es gebilligt hat. Es wurde auch beim »Stürmer« verlegt und gedruckt.
DR. MARX: Richtig! Ich wollte nur dem Gerichtshof gegenüber zum Ausdruck bringen, daß es nicht verständlich erschien, daß gerade dieser Satz nicht ausgesprochen wurde. Man könnte der Meinung sein, daß es sich um ein Originalwerk Streichers handle, wobei die Frage, ob, oder daß Streicher dieses Werk deckt, von geringerer Bedeutung ist.
VORSITZENDER: Aber sehen Sie, Dr. Marx, der Ankläger hat tatsächlich aus dem Vorwort von Streicher vorgelesen. Der letzte verlesene Satz oder fast der letzte war aus dem Vorwort von Streicher. Die letzte Stelle, die ich hier angemerkt habe, steht auf dem Teil der Seite 60 des Dokumentenbuchs, der als »Vorwort« betitelt und von Julius Streicher unterschrieben ist und in dem ausdrücklich erwähnt wird, daß das Buch von Schulrat Fritz Fink geschrieben wurde. Verlieren wir nicht mehr Zeit damit!
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich glaube stehen geblieben zu sein...
VORSITZENDER: Wollen Sie die letzten Worte des Vorworts auf Seite 60 verlesen: »Wer mit dem Herzen in sich aufnimmt...«?
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Jawohl, Herr Vorsitzender, mit Ihrer Erlaubnis werde ich den Schluß des ersten Absatzes des Vorworts vorlesen:
»Wer mit dem Herzen in sich aufnimmt, was Fritz Fink mit einem Herzen niederschrieb, das sich schon seit vie len Jahren um sein Volk sorgt, der wird dem Schöpfer dieses äußerlich kleinen Werkes dankbar sein.«
Unterschrieben war dies von Julius Streicher, Stadt der Reichsparteitage Nürnberg, 1937. Ich habe den letzten Teil wegen Zeitersparnis ausgelassen.
VORSITZENDER: Jawohl.
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Dieses Buch ist Beweisstück GB-180. Ich möchte noch die zwei letzten Zeilen verlesen, da Ich dies infolge der Unterbrechung durch Dr. Marx vorher nicht tun konnte. Die drei letzten Zeilen des Absatzes unter »Vorwort« lauten:
»Es soll und darf in unserem Volke keiner mehr aufwachsen, der nicht den Juden in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit und Gefährlichkeit kennen würde.«
Ich will die Zeit des Gerichtshofs nicht durch weiteres Vorlesen aus diesem Buch in Anspruch nehmen. Ich nehme an, daß der Charakter des Buches offenbar geworden ist. Ich möchte mich nur noch auf die drei letzten Zeilen der nächsten Seite des Dokumentenbuchs beziehen und zitiere:
»Wer zu diesem letzten Wissen vorstößt, wird Zeit seines Lebens zwangsläufig Feind des Juden sein und wird mit diesem Feindsein einmal seine eigenen Kinder sättigen.«
»Der Stürmer« veröffentlichte auch einige Kinderbücher, wobei ich klar herausstellen möchte, daß ich den Angeklagten nicht beschuldige, die Bücher selbst geschrieben zu haben. Sie wurden aber von seinem Verlag herausgegeben und halten sich natürlich auf dem gleichen Niveau wie alles, was in diesem Verlag herausgegeben und veröffentlicht wurde.
Das erste dieser Bücher, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken will, lautet in der englischen Übersetzung wie folgt:
»Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid.«
Es ist ein Bilderbuch für Kinder mit Darstellungen von Juden, alles Bilder beleidigender Art; von diesen Bildern erscheint eine Auswahl im Dokumentenbuch; und gegenüber jedem Bild befindet sich eine kleine Geschichte.
Auf Seite 62 des Dokumentenbuchs wird der Gerichtshof die Art der Ausführungen ersehen, die gegenüber jedem Bilde stehen. Gegenüber einem Bilde im Dokumentenbuch des Gerichtshofs steht das Folgende:
»Von Anfang an der Jude ist
Ein Mörder schon, sagt Jesu Christ.
Und als Herr Jesu sterben mußt,
Da hat der Herr kein Volk gewußt,
Das ihn zu tot könnt quälen
Die Juden tat er wählen.
Drum bilden sich die Juden ein,
Das auserwählte Volk zu sein.«
Dann ein anderer Auszug aus dem Buch. Das Gedicht gegenüber dem ersten Bild im Dokumentenbuch, das einen sehr häßlich aussehenden jüdischen Metzger zeigt, der Fleisch zerschneidet, lautet so:
»Der jüdische Metzger
Verkauft statt Fleisch
'nen halben Mist!
Ein Stück liegt auf dem Boden,
Eins ist in Katzenpfoten,
Den Judenmetzger stört das nicht.
Das Fleisch nimmt zu ja an Gewicht
Und – man darf nicht vergessen –
Er braucht's nicht selber essen!«
Wieder ist es im Interesse der Zeitersparnis nicht notwendig, aus dem Inhalt des Buches weiter zu zitieren. Der Gerichtshof ersieht, welcher Art dieses Buch ist, und welcher Art die Belehrung war, die der Gedankenwelt der Kinder eingeprägt wurde. Die Bilder sprechen für sich selbst.
Das zweite Bild im Dokumentenbuch ist ein ziemlich gemeines Bild und zeigt ein Mädchen, das von einem Juden weggeführt wird. Auf der nächsten Seite sehen wir den Angeklagten wohlwollend inmitten einer Kindergesellschaft, und wie er lächelnd die kleinen Kinder begrüßt. Das nächste Bild zeigt Exemplare des »Der Stürmer« als Plakate an einer Mauer und Kinder, die diese Plakate betrachten.
Das folgende Bild erfordert vielleicht eine kleine Erklärung. Es zeigt das Bild jüdischer Kinder, die von einem sehr häßlich aussehenden Vater anscheinend aus einer arischen Schule weggeführt werden, und all die arischen Kinder singen und tanzen und freuen sich über diesen Spaß.
Dieses Buch, Dokument M-32, ist unser Beweisstück GB-181.
VORSITZENDER: Sie werden wohl so bald nicht fertig werden, nicht wahr? Vielleicht schalten wir nunmehr eine Pause ein?
OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich benötige noch ungefähr zwanzig Minuten.
VORSITZENDER: Gut! Wir wollen nun eine Pause einschalten.