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[Das Gericht vertagt sich bis

11. Januar 1946, 10.00 Uhr.]

Zweiunddreißigster Tag.

Freitag, 11. Januar 1964.

Vormittagssitzung.

LEUTNANT BRYSON: Hoher Gerichtshof! Bevor ich meine Beweisführung gegen den Angeklagten Schacht fortsetze, möchte ich eine Aufklärung geben.

Gestern stellte der Herr Vorsitzende eine Frage wegen des Dokuments EC-457, US-619. Die vom Gerichtshof erhobene Frage bezog sich auf die Worte »a. D.«, die auf Schachts Briefkopf in einem Schreiben angeführt sind, das er 1932 an Hitler richtete. Es handelt sich hier um den Brief, in dem Schacht seine Überzeugung über die Richtigkeit der nationalsozialistischen Bewegung zum Ausdruck brachte und weiterhin erklärte, daß Hitler immer auf ihn als einen zuverlässigen Mitarbeiter rechnen könne.

In dem Briefkopf steht das Wort »Reichsbankpräsident« und dahinter stehen in Schreibmaschinenschrift die Buchstaben »a. D.«. Soviel ich erfahren konnte, sind diese Buchstaben eine Abkürzung für die deutschen Worte »außer Dienst«. Es ist oder war in Deutschland üblich, daß Beamte im Ruhestand weiterhin ihren Amtstitel unter Beifügung der Buchstaben »a. D.« führen.

VORSITZENDER: Ich verstehe.

LEUTNANT BRYSON: Gestern hatten wir die Beweisführung über den Beitrag des Angeklagten Schacht zu den Kriegsvorbereitungen nahezu beendet; ich möchte in diesem Zusammenhang ein weiteres Dokument vorlegen, und zwar EC-451, US-626. Es enthält eine Erklärung von Georg S. Messersmith, dem Amerikanischen Generalkonsul in Berlin in den Jahren 1930 bis 1934. Ich zitiere daraus und beginne mit dem zweiten Absatz des vierten Abschnitts:

»Seine« – Schachts – »finanziellen Fähigkeiten setzten das Nazi-Regime gleich zu Anfang in den Stand, die finanzielle Grundlage für das ungeheuere Aufrüstungsprogramm zu finden und dessen Durchführung zu ermöglichen. Ohne seine Anstrengungen, und dies ist nicht nur meine persönliche Beobachtung, sondern sie wurde und wird von jedem Beobachter jener Zeit geteilt, hatte das Nazi-Regime sich nicht an der Macht halten und seine Kontrolle über. Deutschland aufrichten können; noch viel weniger wäre es in der Lage gewesen, die ungeheuere Kriegsmaschine aufzubauen, die zur Erreichung seiner Ziele in Europa und später in der ganzen Welt notwendig war.

Die erhöhte, mit der Aufrüstung verbundene industrielle Tätigkeit in Deutschland machte größere Einfuhren von Rohstoffen notwendig, während sich zur gleichen Zeit der Export verringerte. Durch Schachts Findigkeit aber, durch seine völlige finanzielle Rücksichtslosigkeit und seinen absoluten Zynismus war er imstan de, die Lage für die Nazis aufrechtzuerhalten und zu stabilisieren. Es ist keine Frage, daß es für Hitler und die Nazis unmöglich gewesen wäre, eine bewaffnete Macht zu entwickeln, die Deutschland einen Angriffskrieg ermöglichte, wenn Schacht der Nazi-Regierung und ihren ehrgeizigen Zielen seine Fähigkeiten nicht gänzlich zur Verfügung gestellt hätte.«

Wir gehen nunmehr...

VORSITZENDER: Herr Leutnant Bryson, ich bin nicht ganz sicher, ob das, was Sie verlesen haben, eine vollständige und deutliche Darstellung des Dokuments ergibt. Glauben Sie nicht, daß Sie den vorhergehenden Absatz auch verlesen sollten?

LEUTNANT BRYSON: Den vorhergehenden Absatz, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Ja.

LEUTNANT BRYSON:

»Dr. Schacht versuchte immer auf beiden Schultern zu tragen. Er sagte mir, und ich weiß, daß er das auch anderen amerikanischen und zahlreichen britischen Vertretern in Berlin gegenüber tat, daß er von nahezu allem, was die Nazis taten, abrückte. Ich erinnere mich seiner Worte bei verschiedenen Gelegenheiten nach der Machtergreifung der Nazis, daß, wenn die Nazis nicht zurückgehalten würden, sie Deutschland und den Rest der Welt ruinieren würden. Ich erinnere mich genau, daß er mir gegenüber nachdrücklich hervorhob, daß die Nazis unweigerlich Europa in einen Krieg stürzen werden.«

Wenn der Gerichtshof erlaubt, dann möchte ich noch aus dem letzten Absatz vorlesen:

»Nach meiner Meinung war Schacht in keiner Weise ein Gefangener der Nazis. Er war nicht verpflichtet, seine Zeit und seine Fähigkeiten ihren Interessen zu widmen. Seine Lage war derart, daß er aller Voraussicht nach imstande gewesen wäre, entweder in einem wesentlich zurückhaltenderen Umfang zu arbeiten oder von irgendwelcher Tätigkeit überhaupt abzusehen. Er fuhr jedoch fort, seine Dienste aus Opportunismus der Nazi-Regierung zur Verfügung zu stellen.«

Wir wenden uns nunmehr dem dritten Teil unserer Beweisführung gegen Schacht zu. Dieses Beweismaterial zeigt deutlich, daß er bereitwillig seine Kräfte der Nazi-Verschwörung zur Verfügung stellte, obwohl er ihre Angriffspläne genauestens kannte. Der Gerichtshof wird sich des von uns erbrachten Beweises erinnern, daß sich Schacht schon 1931 zur Nazi- Philosophie bekehrte und Hitler im Jahre 1933 zur Macht verholfen hat. Wir wollen nunmehr zunächst beweisen, daß Schacht persönlich eine Angriffspolitik begünstigte und zweitens, daß er auf jeden Fall über Hitlers aggressive Absichten unterrichtet war.

Es sind genügend Beweise für die Rechtfertigung des Schlusses gegeben, daß Schacht die Aufrüstung Deutschlands vornahm, um seine feste Überzeugung von der aggressiven Expansionspolitik als einem Instrument der nationalen deutschen Politik erfüllt zu sehen. Schacht ist schon lange ein deutscher Nationalist und Expansionist gewesen. Er sprach schon im Jahre 1927 in Stuttgart gegen den Versailler Vertrag. Als Beweis hierfür biete ich das Dokument EC-415, US-627, an, in dem eine Reihe von Auszügen aus Schachts Reden zu finden ist. Ich zitiere vom Anfang der Seite 2 an:

»Das Diktat von Versailles kann kein ewiges Dokument sein, weil nicht nur seine wirtschaftlichen, sondern auch seine geistigen und moralischen Voraussetzungen falsch sind.«

Es ist allgemein bekannt, daß Schacht leidenschaftlich den Erwerb von Kolonien für Deutschland anstrebte, ebenso wie ja auch den Erwerb von Nachbargebieten in Europa. Am 16. April 1929 sagte er auf der Pariser Konferenz in Verbindung mit Reparationen...

VORSITZENDER: Werden Sie den kommenden Absatz später verlesen?

LEUTNANT BRYSON: Jawohl, Herr Vorsitzender, später, im Zusammenhang mit anderen Dingen.

VORSITZENDER: Sehr gut, fahren Sie fort.

LEUTNANT BRYSON: Am 16. April 1929 sagte er auf der Pariser Konferenz in Verbindung mit Reparationszahlungen:

»Deutschland kann im allgemeinen nur zahlen, wenn der Korridor und Oberschlesien Deutschland wieder aus polnischem Besitz zurückerstattet wird und wenn außerdem Deutschland irgendwo auf der Welt Kolonialbesitz zur Verfügung gestellt wird.«

MR. BIDDLE: Woraus zitieren Sie?

LEUTNANT BRYSON: Aus Dokument 3726-PS, Beweisstück US-628. Es enthält eine Reihe von Auszügen aus einem Vorverhör Schachts vom 24. August 1945. Sie finden es am Schluß des Dokumentenbuchs, unter der Überschrift: »Verhör vom 24. August 1945«. Es steht oben auf der ersten Seite der Niederschrift des Verhörs. Diese Erklärung wurde Schacht vorgelesen und in seiner Erwiderung gab er ihre Richtigkeit zu. In seiner Erwiderung sagte er:

»Es ist bewiesen worden, daß Deutschland in der Zeit, die auf meine damaligen Äußerungen folgte, zahlungsunfähig war, und die Zukunft wird lehren, daß Deutschland auch nach diesem Kriege nicht zahlungsfähig sein wird.«

Ich möchte darauf hinweisen, daß es sich hierbei um genau dasselbe Gebiet handelte, das im September 1939 Gegenstand des bewaffneten Angriffs war.

Im Jahre 1935 erklärte Schacht unumwunden, daß Deutschland Kolonien, wenn nötig mit Gewalt, erwerben würde. Ich lege als Dokument EC-450, US-629, vor. Dieses Dokument stellt eine eidesstattliche Erklärung von S. R. Fuller jr. dar und ist verbunden mit einer Niederschrift über eine Unterhaltung mit Schacht in der amerikanischen Botschaft in Berlin am 23. September 1935. Ich verlese von Seite 6 dieser Urkunde, wo sich eine Erklärung Schachts auf der unteren Hälfte der Seite befindet.

VORSITZENDER: Welches war das Datum dieser Unterhaltung?

LEUTNANT BRYSON: Die Unterhaltung fand am 23. September 1935 statt. Die Seitenzahl dieser Urkunde befindet sich unten auf der Seite. Ich zitiere von Seite 6:

»Schacht: Kolonien sind für Deutschland notwendig. Wenn möglich, werden wir sie durch Verhandlungen erhalten, aber wenn nicht, werden wir sie uns nehmen.«

Im Juli 1936, als das deutsche Aufrüstungsprogramm in vollem Schwung war, sprach Schacht wieder öffentlich über den Versailler Vertrag. Diesmal enthielt seine Rede eine ausgesprochene Kriegsdrohung. Ich darf den Gerichtshof wieder auf das Dokument EC-415 hinweisen, das bereits als Beweisstück US-627 vorliegt und aus einer Reihe von Schachts Reden besteht. Ich möchte aus dem Absatz in der Mitte der ersten Seite verlesen:

»Aber ungehindert lastet die Kriegserinnerung auf dem Gemüt der Völker. Das macht, daß tiefer als die materi ellen Wunden die moralischen Wunden schmerzen, die die sogenannten Friedensverträge geschlagen haben. Materielle Verluste können durch neue Arbeit ausgeglichen werden, aber brennend zehrt am Gewissen der Völker das moralische Unrecht, das in den Friedensdiktaten den besiegten Völkern zugefügt worden ist. Der Geist von Versailles hat die Wut des Krieges verewigt, und ehe die Welt von diesem Geist nicht läßt, wird kein wahrer Friede, kein Fortschritt, kein Wiederaufbau sein. Diese Mahnung auszusprechen, wird das deutsche Volk nicht müde werden.«

Später, im gleichen Jahre, befürwortete Schacht öffentlich die Idee vom »Lebensraum« für das deutsche Volk. Ich zitiere wieder von EC-415, US-627. Es handelt sich um einen Auszug aus einer Rede, die Schacht am 9. Dezember 1936 in Frankfurt gehalten hat. Ich zitiere vom letzten Absatz der zweiten Seite:

»Deutschland hat einen zu geringen Lebensraum für seine Bevölkerung. Es hat alle Anstrengungen und ganz gewiß viel größere Anstrengungen als irgendein anderes Volk gemacht, aus seinem vorhandenen geringen Raum herauszuholen, was für seine Lebenssicherung notwendig ist. Trotz all dieser Anstrengungen aber reicht der Raum nicht aus.«

Im Januar 1937 verlangte Schacht in einer Unterhaltung mit dem Botschafter Davies die Abtretung von Kolonien und drohte, zumindest indirekt, mit einem Bruch des Friedens. Ich lege als Beweismaterial Dokument L-111, US-630, vor, in dem Auszüge aus einem Bericht vom 20. Januar 1937 enthalten sind, den Botschafter Davies an den Staatssekretär erstattete. Ich möchte daraus verlesen und beginne mit dem zweiten Satz des zweiten Absatzes:

»Er (gemeint ist Schacht) führte aus, daß die gegenwärtige Lage des deutschen Volkes unerträglich und verzweifelt sei; daß er durch seine Regierung ermächtigt worden sei, Frankreich und England Vorschläge zu unterbreiten, die dahin gingen,

1) den europäischen Frieden zu garantieren;

2) die gegenwärtigen europäischen internationalen Grenzen zu sichern;

3) die Rüstungen herunterzusetzen;

4) einen neuen arbeitsfähigen Völkerbund zu gründen;

5) Sanktionen abzuschaffen in Verbindung mit einer neuen Behörde für gemeinsame Verwaltung.

Das alles war gegründet auf eine Abtretung von Kolonien, die für Deutschland einen Ausweg für seinen Bevölkerungsüberschuß und ebenso eine Quelle für Nahrungsmittel, Fette und Rohstoffe bedeuten würde.«

Im Dezember 1937 schrieb Botschafter Dodd in sein Tagebuch, daß Schacht das Risiko eines Krieges auf sich nehmen würde, um in Europa neues Gebiet zu erwerben. Ich verweise den Gerichtshof auf das Dokument EC-461, das Auszüge aus dem Tagebuch des Botschafters Dodd enthält.

VORSITZENDER: Der im Dokument L-111 enthaltene Vorschlag bezog sich auf die Abtretung von Kolonien, nicht wahr?

LEUTNANT BRYSON: Ja, Herr Vorsitzender.

Ich wende mich nun dem Dokument EC-461 zu, das Auszüge aus dem Tagebuch von Botschafter Dodd enthält. Das gesamte Tagebuch ist bereits als Beweisstück US-58 vorgelegt worden. Ich zitiere einige Stellen über eine am 21. Dezember 1937 mit Schacht geführte Unterhaltung und beginne fast am Schluß der zweiten Seite des Dokuments EC-461 im letzten Absatz:

»Schacht meinte das gleiche, was die Armeeführer 1914 im Sinne hatten, als sie in Belgien einfielen und erwarteten, Frankreich in 6 Wochen erobern zu können; nämlich Beherrschung und Annektion kleinerer Nachbarstaaten besonders im Norden und Osten. So sehr er auch Hitlers Diktatur mißbilligt, so sehr wünscht er – genau wie viele andere hervorragende Deutsche – eine Annektion – wenn möglich – ohne Krieg; mit Krieg nur dann, wenn die Vereinigten Staaten herausbleiben.«

VORSITZENDER: Da ist noch eine andere Stelle in diesem Tagebuch. Ich weiß nicht genau, möglicherweise ist es nicht das gleiche Datum, aber es steht auf der ersten Seite des Beweisstücks, ich glaube der dritte Absatz.

LEUTNANT BRYSON: Der dritte Absatz?

VORSITZENDER: Handelt es sich um ein anderes Datum?

LEUTNANT BRYSON: Jawohl, es ist ein anderes Datum, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Der 19. September welchen Jahres?

LEUTNANT BRYSON: Wir werden gleich in unserem vollständigen Band nachsehen, und ich denke, Ihnen das Datum in einer Minute angeben zu können. Darf ich es in der Zwischenzeit verlesen, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Ja, bitte!

LEUTNANT BRYSON:

»Er bestätigte mir alsdann, daß die Hitler-Partei vollkommen dem Krieg verschrieben und daß das Volk ebenfalls bereit und willig wäre. Nur einige wenige Regierungsbeamte wären sich der Gefahren bewußt und widersetzten sich.« Er schloß damit: »Aber wir werden es auf 10 Jahre verschieben, dann werden wir vielleicht den Krieg vermeiden können.«

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie sollten auch den nächsten Absatz vorlesen.

LEUTNANT BRYSON:

»Ich erinnerte ihn an seine Rede in Bad Eilsen vor ungefähr 2 Wochen und sagte: ›Ich stimme mit Ihnen in Handels- und finanziellen Dingen in der Hauptsache überein. Aber warum sagen Sie dem deutschen Volke nicht, wenn Sie vor der Öffentlichkeit sprechen, daß es seine kriegerische Einstellung aufgeben müsse?‹ Er erwiderte: ›Ich wage das nicht zu sagen. Ich kann nur über meine eigenen Dinge reden!‹«

VORSITZENDER: Und der nächste Absatz?

LEUTNANT BRYSON: Der nächste Absatz lautet:

»Wie kann das deutsche Volk jemals die wirklichen Gefahren eines Krieges kennenlernen, wenn ihm niemand diese Seite der Frage vor Augen führt? Er betonte nochmals ausdrücklich seinen Widerstand gegen einen Krieg und fügte hinzu, daß er seinen Einfluß auf Hitler – ›ein sehr großer Mann‹, fügte er hinzu – ausgeübt habe, um einen Krieg zu verhindern. Ich sagte:

Die deutschen Zeitungen haben das, was ich in Bremen über die Handelsbeziehungen zwischen unseren Ländern gesagt habe, abgedruckt; aber kein Wort über die furchtbaren Folgen und die Barbarei eines Krieges!‹ Er bestätigte das und sprach sehr mißbilligend über das Propagandaministerium, das alles unterdrücke was es nicht gern sähe. Er fügte hinzu, als ich mich zum Weggehen anschickte: ›Wissen Sie, eine Partei kommt durch Propaganda an die Macht und danach kann sie sie nicht mehr desavouieren oder abstoppen.‹«

Diese Unterhaltung fand im September 1934 statt.

VORSITZENDER: Es ist schade, daß die Jahreszahlen in dem Dokument nicht angegeben sind. So wie es ist, ist es etwas irreführend.

LEUTNANT BRYSON: Hoher Gerichtshof, das Beweisstück, das ich vorgelegt habe, zeigt das Datum.

VORSITZENDER: Ja, ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf. Aber es ist irreführend, da der 19. September und 21. Dezember angegeben sind, obschon zwischen beiden Daten ein Zeitraum von drei Jahren liegt; das ist schon ein Unterschied. Das ist doch richtig, nicht wahr?

LEUTNANT BRYSON: Ja, das stimmt. Es tut mir leid, daß die Auszüge nur die Seitenzahlen des Originaldokuments und nicht die Daten angeben.

Schacht spannte zugegebenermaßen alle Hilfsquellen Deutschlands ein, um eine Wehrmacht zu schaffen, mit der Hitler das Mittel zur Verwirklichung seines Wunsches nach Lebensraum in die Hand gegeben wurde. In diesem Zusammenhang überreiche ich zum Beweis Dokument EC-369, US-631, das eine von Schacht unterzeichnete Denkschrift des Reichsbankdirektoriums an Hitler vom 7. Januar 1939 darstellt. Ich möchte den letzten Absatz der ersten Seite verlesen:

»Die Reichsbank ist sich von Anfang an darüber klar gewesen, daß außenpolitische Erfolge nur erreichbar sein konnten auf Grund der Wiederaufrichtung der deutschen Wehrmacht. Sie hat deshalb die Finanzierung der Rüstung weitgehend auf sich genommen trotz der darin liegenden währungspolitischen Gefahren. Die Rechtfertigung hierfür lag in der alle anderen Erwägun gen zurückdrängenden Notwendigkeit, sofort, aus dem Nichts und anfangs noch dazu getarnt, eine Rüstung aufzustellen, die eine achtungheischende Außenpolitik ermöglichte.«

Es ist klar, daß die »erfolgreiche Außenpolitik«, die Schacht der Aufrüstung zuschrieb, die Einverleibung Österreichs und der Tschechoslowakei in sich schloß. Zum Beweise überreiche ich Dokument EC- 297(a), US-632. Es handelt sich dabei um eine Rede, die Schacht im März 1938 nach dem Anschluß in Wien hielt. Ich zitiere von der dritten Seite den ganzen zweiten Absatz:

»Gott sei Dank, diese Dinge haben letzten Endes den Weg des großen deutschen Volkes nicht hindern können, denn Adolf Hitler schuf eine Gemeinschaft des deutschen Wollens und Denkens, er stützte sie durch eine wiedererstarkte Wehrmacht, und damit brachte er schließlich die innere Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland auch in ihre äußere Form.«

Wegen des Sudetenlandes darf ich das Gericht auf das Dokument EC-611 hinweisen, das dem Gerichtshof schon als Beweisstück US-622 vorgelegt worden ist. Ich werde nichts daraus verlesen. Es handelt sich um eine Rede von Schacht, die er am 29. November 1938 kurz nach dem Münchener Abkommen hielt. Ich habe schon zuvor die entsprechenden Bemerkungen verlesen, die Hitlers Erfolg auf dieser Konferenz der Aufrüstung zuschrieb, die wiederum durch Schachts finanzielle und wirtschaftliche Maßnahmen ermöglicht worden war.

Diese Linie der Beweisführung zeigt, daß Schacht in Bezug auf territoriale Ausdehnung eine aggressive Philosophie vertrat, und läßt den Schluß zu, daß er sich mit Hitler verbündete, weil sie beide der gleichen Auffassung huldigten.

Wir wenden uns nunmehr der Beweisführung darüber zu, daß Schacht, ob er den Krieg nun wünschte oder nicht, zumindest wußte, daß Hitler einen militärischen Angriff plante, für den er – Schacht – die Mittel schuf. In der Zeit von 1933 bis 1937 hatte er mit Hitler zahlreiche Besprechungen. Er wußte, daß Hitler beabsichtigte, das Reich nach Osten auszudehnen, was Krieg bedeutete, und daß er der Auffassung war, das deutsche Volk mit einem militärischen Siege beglücken zu müssen. Zum Beweise überreiche ich Dokument 3727-PS, US-633, das einen Auszug aus einem Vorverhör Schachts vom 13. Oktober 1945 darstellt, und lese von der zweiten Seite am Ende der zweiten Frage vor:

»Frage: Welche Auslassung von Hitler hat Sie zu der Ansicht gebracht, daß er beabsichtigte, sich nach dem Osten auszudehnen?

Antwort: Das steht in ›Mein Kampf‹. Er sprach mit mir nie darüber, aber es war in ›Mein Kampf‹.

Frage: Mit anderen Worten, als jemand, der es gelesen hatte, schlossen Sie daraus, daß Hitlers Expansionspoli tik nach dem Osten gerichtet war?

Antwort: Nach dem Osten.

Frage: Und Sie dachten, daß es besser wäre, Hitler von solchen Absichten abzulenken, und ihn statt dessen zu einer Kolonialpolitik zu überreden?

Antwort: Richtig.«

Ich unterbreite als weiteres Beweismaterial Dokument EC-458, US-634, das aus einer eidesstattlichen Erklärung von Major Edmund Tilley vom 21. November 1945 besteht, und zwar über eine Unterredung mit Schacht vom 9. Juli 1945. Ich verlese den zweiten Absatz:

»Während unserer Diskussion sagte mir Schacht, daß er sich von 1933 bis 1937 oft mit Hitler unterhalten habe. Schacht gab an, daß er in diesen Unterhaltungen den Eindruck gewonnen habe, daß der Führer geglaubt habe, dem deutschen Volk einen militärischen Sieg bescheren zu müssen, um seine Stellung und seine Regierung zu sichern.«

Schon 1934 gab Schacht seiner Ansicht Ausdruck, daß die Nazis Europa in den Krieg stürzen werden. Ich verweise das Gericht auf Dokument EC-451, das ich bereits als Beweisstück US-626 vorgelegt habe. Es handelt sich um eine eidesstattliche Erklärung von Herrn Messersmith vom 15. November 1945. Messersmith war von 1930 bis 1934 Amerikanischer Generalkonsul in Berlin. Ich will auf der ersten Seite den letzten Satz des dritten Absatzes verlesen.

VORSITZENDER: Sie haben das schon verlesen.

LEUTNANT BRYSON: Wenn es der Gerichtshof gestattet, möchte ich noch etwas mehr verlesen, was ich noch nicht verlesen habe.

VORSITZENDER: Sie haben den ganzen Absatz verlesen. Auf unsere Veranlassung haben Sie vom dritten Absatz bis herunter zum Schluß der Seite verlesen.

LEUTNANT BRYSON: Ich möchte den ersten Satz des vierten Absatzes auf Seite 1 verlesen.

VORSITZENDER: Bitte.

LEUTNANT BRYSON:

»Trotz derartiger Proteste ließ er durch seine ganze Tätigkeit erkennen, daß er durchaus ein Werkzeug des ganzen Programms und der ehrgeizigen Ziele der Nazis war und daß er seine außergewöhnlichen Kenntnisse und Erfahrungen für die Verwirklichung dieses Programms zur Verfügung stellte.«

VORSITZENDER: Leutnant Bryson, ich spreche für mich selbst und zugleich für einige andere Mitglieder des Gerichtshofs. Wir sind der Ansicht, daß es weitaus besser ist, ein Dokument, wenn irgend möglich, einmal und erschöpfend zu behandeln, um später nicht noch einmal darauf zurückkommen zu müssen. Es ist nicht nur eine Zeitverschwendung, wenn der Gerichtshof das Dokument immer wieder von vom nach hinten durchblättern muß, sondern man erhält auch einen viel besseren Eindruck von dem Dokument, wenn es im ganzen und abschließend behandelt wird, selbst wenn es sich auf verschiedene Gegenstände bezieht. Ich sage das, obgleich es Ihnen jetzt vielleicht unmöglich ist, in Anbetracht der von Ihnen getroffenen Vorbereitungen entsprechend zu verfahren; aber die Herren, die nach Ihnen sprechen werden, sind vielleicht in der Lage, ihren Vortrag dementsprechend zu ändern. Wenn Sie also ein Dokument mit verschiedenen oder mehreren Stellen haben, die Sie zitieren wollen, dann sollten Sie diese alle auf einmal zitieren. Haben Sie verstanden, was ich meine?

LEUTNANT BRYSON: Ich habe verstanden, Herr Vorsitzender. Unser Material ist nach spezifischen Gesichtspunkten zusammengestellt, und da wir diese Punkte getrennt behandeln, mußten wir auch unsere Zitate entsprechend aufteilen.

VORSITZENDER: Ich verstehe, daß es für Sie schwierig sein mag.

LEUTNANT BRYSON: Im September 1934 machte Botschafter Dodd in sein Tagebuch eine Eintragung über eine Unterhaltung mit Sir Eric Phipps in der Britischen Botschaft in Berlin. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich dieses Dokument übergeben, da Ich auf Grund einer Frage des Gerichtshofs bereits einen Auszug aus diesem Dokument verlesen habe, der dieselbe Angelegenheit betrifft, auf die ich Bezug nehmen wollte.

Ich hatte gerade darauf hingewiesen, daß Schacht Botschafter Dodd gegenüber im September 1934 zugegeben hatte, die Kriegsziele der Nazi-Partei zu kennen, und wir haben schon aufgezeigt, daß Schacht im Jahre 1935 die Erklärung abgegeben hat, daß Deutschland Kolonien, wenn nötig, mit Waffengewalt erwerben würde. Er mußte also damals auch gewußt haben, wie weit Hitler zu gehen bereit war.

Nach einer Sitzung der Reichsminister am 27. Mai 1936 in Berlin mußte Schacht gewußt haben, daß Hitler einen Krieg im Sinne hatte. Ich bitte den Gerichtshof, sich zu erinnern, daß, wie wir früher schon gezeigt haben, der Angeklagte Göring, der Hitler sehr nahestand, in dieser Sitzung erklärte, daß alle Maßnahmen vom Standpunkt einer gesicherten Kriegführung betrachtet werden müßten, und daß das Warten auf neue Methoden nicht mehr am Platze sei. Ich darf den Gerichtshof auf Dokument 1301-PS verweisen, aus dem ich nicht verlesen werde, da das Zitat dem Gerichtshof bereits als US-123 unterbreitet worden ist.

Am 31. August 1936 schickte der Kriegsminister von Blomberg Schacht die Abschrift eines Briefes, den er, Blomberg, an den Angeklagten Göring geschrieben hatte. Ich darf den Hohen Gerichtshof erneut auf das Dokument 1301-PS hinweisen, das schon früher als Beweisstück US-123 eingereicht worden ist. Ich verlese von der Mitte der Seite 25 des Dokuments. Die Seitennummern in diesem Dokument finden Sie in der oberen linken Ecke:

»Nach dem Befehl des Führers soll die Aufstellung aller Formationen der Luftwaffe am 1. April 1937 abgeschlossen sein. Es müssen deshalb 1936 erhebliche Aufwendungen gemacht werden, die, als der Haushalt 1936 auf gestellt wurde, erst für spätere Jahre beabsichtigt waren.«

Diese Verstärkung des Rüstungsprogramms für die Luftwaffe mußte es Schacht klarmachen, wie nahe ein Krieg nach Hitlers Ansicht bevorstand.

Ich biete weiterhin als Beweis Dokument EC-416, US-635, an, und zwar ein Protokoll über eine Kabinettssitzung vom 4. September 1936, der Schacht beiwohnte.

Ich zitiere eine Erklärung Görings, die auf Seite 2 der Urkunde zu lesen ist:

»Der Führer und Reichskanzler hat an den Herrn Generaloberst und den Herrn Reichskriegsminister eine Denkschrift gegeben, die die Generalanweisung für die Durchführung darstellt.

Sie geht von dem Grundgedanken aus, daß die Auseinandersetzung mit Rußland unvermeidbar ist.«

Schacht wußte also, daß Hitler einen Krieg mit Rußland erwartete. Er wußte ebenfalls um Hitlers ehrgeizige Pläne mit Bezug auf den Osten. Es mußte ihm deshalb klar sein, daß sich ein solcher Krieg aus dem russischen Widerstand gegen eine deutsche militärische Ausdehnung in dieser Richtung ergeben würde, das heißt, Schacht mußte gewußt haben, daß ein solcher Krieg ein deutscher Angriffskrieg werden würde.

Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, erklärte Schacht im Januar 1937 dem Botschafter Davies in Berlin, daß er »von seiner Regierung ermächtigt wäre«, Frankreich und England gewisse Vorschläge zu unterbreiten, die auf eine Forderung auf Kolonien unter Androhung des Krieges hinausliefen. Wenn Schacht dies im Auftrag Hitlers tat, so mußte er notwendigerweise mit Hitlers damaligen Angriffsplänen vertraut sein.

Im November 1937 wußte Schacht, daß Hitler entschlossen war, den Anschluß Österreichs herbeizuführen, und für die Deutschen in Böhmen mindestens die Autonomie zu verlangen. Er wußte weiterhin, daß Hitler Absichten auf den Polnischen Korridor hatte.

Ich verweise den Gerichtshof auf Dokument L-151, das schon als Beweisstück US-70 vorliegt und einen Brief darstellt, der eine Denkschrift über eine Unterhaltung zwischen Schacht und Botschafter Bullitt vom 23. November 1937 enthält. Ich zitiere den letzten Absatz auf Seite 2:

»Hitler sei entschlossen, Österreich endlich Deutschland anzuschließen und für die Deutschen in Böhmen wenigstens Autonomie zu erlangen. Im Augenblick wäre er am Polnischen Korridor nicht wesentlich interessiert; und nach seiner – Schachts – Ansicht wäre es möglich, den Korridor bestehen zu lassen, unter der Voraussetzung, daß Danzig der Anschluß an Ostpreußen erlaubt werde und eine Art von Brücke über den Korridor gebaut werden könnte, die Danzig und Ostpreußen mit Deutschland verbinden würde.«

Beiläufig gesagt, sprach Schacht hier sowohl in seinem eigenen Namen als auch für Hitler.

Wir haben aus seiner Wiener Rede vom 29. März 1938 entnommen, daß Schacht von dem erfolgten Anschluß sehr begeistert war. Er hatte ja auch mit allen Kräften auf dieses Ziel hingearbeitet. In diesem Zusammenhang verweise ich den Gerichtshof auf Band II, Seite 413 des Verhandlungsberichts als Beweis für Schachts Unterstützung bei der vorbereitenden Wühlarbeit der Nazis in Österreich.

In Ergänzung des soeben vorgetragenen unmittelbaren Beweismaterials bitte ich den Gerichtshof, den Umstand in Betracht zu ziehen, daß für einen Mann wie Schacht die Ereignisse dieses Zeitraums naturgemäß die Absichten Hitlers klar erkennen ließen. Schacht arbeitete eng mit Hitler zusammen und war Kabinettsmitglied zu der Zeit, als die Nazis in Österreich agitierten, als die Wehrpflicht eingeführt wurde, als der Einmarsch in das Rheinland vollzogen, als die republikanische Regierung in Spanien gestürzt, als Österreich schließlich besetzt und als das Sudetenland gewaltsam angeschlossen wurde. Während dieser Zeit verdreifachte sich die Reichsschuld infolge der gesteigerten Aufrüstung. Die Ausgaben stiegen von dreiviertel Milliarden Reichsmark im Jahre 1932 auf 11 Milliarden im Jahre 1937 und auf 14 Milliarden Reichsmark im Jahre 1938. Während dieser ganzen Zeitspanne wurden 35 Milliarden Reichsmark nur für die Aufrüstung ausgegeben. Es war die Zeit, in der die brennende Streitfrage der europäischen Außenpolitik in der Befriedigung der wiederholten deutschen Forderungen auf Gebietszuwachs bestand. Hitler, der sich auf eine Ausdehnungspolitik festgelegt hatte, riskierte sehr viel in seiner Außenpolitik, und betonte immer wieder, daß die Vorbereitungen zum Kriege, dringend beschleunigt werden müßten.

Natürlich konnte es Schacht in seiner Stellung nicht unbekannt bleiben, daß er Hitler und Deutschland seine Unterstützung auf dem Wege zum Angriffskrieg gewährte.

Wir kommen jetzt zu dem letzten Punkt unserer Beweisführung, und zwar zu Schachts Machtverlust innerhalb des Hitler-Regimes. Im November 1937 legte Schacht sein Amt als Wirtschaftsminister und Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft nieder. Damals nahm er die Ernennung zum Minister ohne Geschäftsbereich an und blieb weiterhin Reichsbankpräsident.

Unser Beweismaterial wird zeigen:

a) Dieser Wechsel im Amt war nichts weiter als ein Zusammenprall zwischen zwei machthungrigen Persönlichkeiten, Göring und Schacht, in dem Göring, der Hitler näherstand, Sieger blieb;

b) ihre Meinungsverschiedenheiten bezogen sich nur auf die Art und Weise der Durchführung der Wiederaufrüstung und

c) die Ausschaltung Schachts bedeutete in keiner Weise, daß er nun nicht mehr bereit sei, bei dem bewaffneten Angriff mitzuhelfen.

Zwischen Göring und Schacht bestanden verschiedene politische Auffassungen, aber sie bezogen sich nur auf die Methoden und nicht auf die Frage, ob die Vorbereitung des Krieges wünschenswert wäre oder nicht. Schacht betonte während der Übergangsperiode insbesondere den Außenhandel als notwendige Quelle für die Beschaffung von Rüstungsmaterial, bis Deutschland zum Schlage ausholen könnte. Göring hingegen war dafür, daß das Land sich vollkommen selbst versorgen sollte. Hitler unterstützte Göring, und Schacht, dessen Stolz verletzt war, und der sich über Görings Aufdringlichkeit in Wirtschaftsfragen bitter ärgerte, nahm schließlich seinen Abschied.

Ich verweise den Gerichtshof auf Dokument 1301-PS, das bereits als Beweisstück US-123 vorliegt, und in dem Aufzeichnungen über eine Unterhaltung zwischen Schacht und Thomas vom 2. September 1936 enthalten sind. Sie stehen auf Seite 21 des Dokuments. Ich zitiere daraus:

»Präsident Schacht rief mich heute 13.00 Uhr zu sich und bat mich, dem Herrn Kriegsminister folgendes zu übermitteln:

Schacht sei mit schwersten Sorgen vom Führer zurückgekehrt, da er dem vom Führer geplanten Wirtschaftsprogramm nicht zustimmen könne.

Der Führer wolle auf dem Parteitage über Wirtschaftspolitik sprechen und dabei zum Ausdruck bringen, daß wir uns jetzt mit aller Energie durch Inlandserzeugung vom Auslande freimachen würden.

Schacht bittet dringlichst, daß der Reichskriegsminister den Führer vor diesem Schritt warnt.«

Und drei Absätze weiter unten:

»Wenn wir jetzt unseren Entschluß, uns wirtschaftlich selbständig zu machen, erneut nach außen hinausrufen, drücken wir uns selbst die Gurgel zu; denn wir können die notwendige Übergangszeit nicht mehr durchhalten.«

Trotzdem gab Hitler ein paar Tage später in Nürnberg den Vierjahresplan für die Selbstversorgung bekannt, und Göring wurde, entgegen Schachts Wünschen, zum Beauftragten für den Vierjahresplan ernannt.

An dieser Stelle verweise ich den Gerichtshof wiederum auf das Verhör von Schacht vom 16. Oktober 1945, Beweisstück US-636. Ich zitiere vom Ende der Seite 9 des Dokuments:

»Frage: Und der Vierjahresplan fing wann an?

Antwort: Er wurde im September 1936 auf dem Parteitag angekündigt.

Frage: Wollen Sie sagen, daß Sie schon vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vierjahresplans im September 1936 an bereit waren, sich Ihrer wirtschaftlichen Aufgaben zu entledigen?

Antwort: Nein. Zu dieser Zeit glaubte ich meine Stellung selbst gegen Göring noch behaupten zu können.

Frage: Ja, in welchem Sinne?

Antwort: Daß er sich nicht in Sachen einmischen würde, mit denen ich mich in meinem Ministerium zu befassen hatte.

Frage: Tatsächlich aber ist seine Ernennung von Ihnen nicht günstig aufgenommen worden?

Antwort: Ich hätte niemals einen Mann wie Göring ernannt, der überhaupt nichts von all diesen Dingen verstand.«

Schacht und Göring gerieten sofort in Kompetenzstreitigkeiten. Am 26. November 1936 gab Göring eine Weisung für die Herstellung von Roh- und Werkstoffen heraus. Ich unterbreite als Beweismaterial das Dokument EC-243, US-637, das eine Kopie dieser Weisung enthält. Es zeigt, daß Görings Amt für Roh- und Werkstoffe die Kontrolle über große Wirtschaftszweige übernahm, die sich vorher in Schachts Händen befunden hatte. Als Beispiel möchte ich aus dem Abschnitt V dieser Weisung zitieren, der sich auf Seite 5 des Dokuments befindet:

»Die Planung und Zielsetzung sowie die Kontrolle der Durchführung der zu lösenden Aufgaben im Rahmen des Vierjahresplans muß auch für diese Aufgabe verantwortlich von dem Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe bearbeitet werden, das insoweit an die Stelle der Behörden tritt, die sich bisher mit diesen Aufgaben befaßt haben.«

Am 11. Dezember 1936 hielt Schacht es für notwendig, alle Überwachungsstellen im Bereich des Wirtschaftsministeriums zu veranlassen, Weisungen nur von ihm entgegenzunehmen. Ich verweise auf Dokument EC-376, US-638, ein Rundschreiben, das Schacht am 11. Dezember 1936 an sämtliche Überwachungsstellen schickte. Ich zitiere aus dem zweiten Absatz:

»Die Überwachungsstellen sind gehalten, Anweisungen nur von mir entgegenzunehmen. Sie haben alle dienstlichen Anfragen des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe... um irgendwelche Auskünfte in vollem Umfange jederzeit zu beantworten.«

Und etwas weiter unten:

»... so ermächtige ich die Überwachungsstellen, von sich aus die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Für den Fall, daß Bedenken gegen die Ansuchen der ge nannten Stellen bestehen und dieselben durch mündliche Verhandlungen mit den Sachbearbeitern dieser Stellen nicht ausgeräumt werden können, ist mir sofort Meldung zu erstatten. Ich werde dann in jedem einzelnen Falle das Erforderliche veranlassen.«

Die Wehrmacht nahm für Schacht Partei, der sie so gut mit Waffen versorgt hatte. Ich unterbreite als Beweismaterial Dokument EC-420, US-639. Es handelt sich um den Entwurf einer Denkschrift des Wehrwirtschaftsstabes vom 19. Dezember 1936. Ich verlese aus dem ersten Abschnitt:

»1. Die Lenkung der Kriegswirtschaft im zivilen Sektor ist im Kriegsfalle nur demjenigen möglich, der im Frieden allein verantwortlich die Kriegsvorbereitungen getroffen hat.

Aus dieser Erkenntnis heraus ist vor 1 1/2 Jahren Reichsbankpräsident Dr. Schacht zum Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft ernannt und ihm ein Führungsstab beigeordnet worden.«

Dann aus Abschnitt 2:

»2. Wehrwirtschaftsstab hält es mit dem in Ziffer 1, 1. Absatz festgelegten Grundsatz nicht für vereinbar, wenn der Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft nunmehr dem Ministerpräsidenten Generaloberst Göring unterstellt wird.«

Im Januar 1937 brachte das »Militär-Wochenblatt« einen Artikel, in dem die Leistungen Schachts bei der Aufrüstung in warmen Worten gepriesen wurden. Ohne es zu verlesen, überreiche ich Dokument EC- 383, US-640, das diesen Artikel enthält, von dem sich bereits ein erheblicher Teil im Verhandlungsbericht vom 23. November (Band II, Seite 264) befindet.

Kurz danach versuchte Schacht eine Kraftprobe mit Göring, indem er sich vorübergehend weigerte, Amtshandlungen in seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter vorzunehmen. Als Beweismaterial unterbreite ich die Urkunde EC-244, US-641. Es handelt sich dabei um einen Brief vom 22. Februar 1937 des Kriegsministers von Blomberg an Hitler. Ich zitiere den zweiten Absatz dieses Briefes, der wie folgt lautet:

»Reichsbankpräsident Dr. Schacht hat mir mitgeteilt, daß seine Tätigkeit ruhe, da er zwischen seinen Vollmachten und denen des Generaloberst Göring einen Widerspruch zu erkennen glaubt. Hierdurch werden die wirtschaftlichen Mobilmachungsvorarbeiten verzögert.«

Schacht gebrauchte offensichtlich seine Bedeutung für die Kriegsvorbereitung als Druckmittel.

VORSITZENDER: Leutnant Bryson, hat der Angeklagte Schacht in seinem Verhör zugegeben, daß der Grund für seinen Rücktritt in der Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und dem Angeklagten Göring bestanden hat?

LEUTNANT BRYSON: Ja, das stimmt, Herr Vorsitzender, und der Angeklagte Göring hat das gleiche in seinem Verhör angegeben.

VORSITZENDER: Ist es notwendig, Einzelheiten dieser Auseinandersetzung zu behandeln?

LEUTNANT BRYSON: Falls der Gerichtshof davon überzeugt ist, daß dies der Grund für Schachts Rücktritt war...

VORSITZENDER: Wenn sie beide so sagen...

LEUTNANT BRYSON:... und daß damals nicht sein Widerwille zur weiteren Unterstützung der Angriffsabsichten der Nazis seinen Rücktritt verursachte, dann bin ich vollkommen damit einverstanden, unsere Beweisführung auf die Verhöre von Schacht und Göring zu beschränken.

VORSITZENDER: Hat er in seinem Verhör angedeutet, daß dies der Grund gewesen wäre?

LEUTNANT BRYSON: Ich will es in Erfahrung bringen, aber unsere Beweisführung gegen Schacht gründet sich auf die Verschwörung.

VORSITZENDER: Falls der Angeklagte Schacht dies als Grund angeben will, so können Sie verlangen, daß er zwecks Widerlegung noch einmal gehört werde.

LEUTNANT BRYSON: Wir sind bereit, einen Teil unserer Beweismittel einschließlich des Streites zwischen Schacht und Göring auszusondern und uns mit den Verhören zu begnügen.

VORSITZENDER: Ja.

LEUTNANT BRYSON: Hoher Gerichtshof, es ist beinahe Zeit zur Pause, vielleicht können wir während dieser unser Beweismaterial ordnen.

VORSITZENDER: Ja, wir werden jetzt eine Pause von zehn Minuten machen.