[Pause von 10 Minuten.]
PROFESSOR DR. HERBERT KRAUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Wir sind einverstanden, wenn die Frage der Dissonanzen zwischen dem Angeklagten Göring und Schacht jetzt nicht weiter erörtert wird, aber wir werden auf die Frage, wie weit sich diese Dissonanzen auf den Plan eines Angriffskrieges bezogen, ausführlich zurückkommen.
LEUTNANT BRYSON: Hoher Gerichtshof! Wir haben einen Teil unseres Beweismaterials ausgesondert. Ich möchte aber noch einen Brief Görings und ein Verhör von Schacht vorlegen mit denen ich die Frage über die Dissonanzen abschließen will.
Am 5. August 1937 schrieb Schacht an Göring einen kritischen Brief, den Göring mit einem vierundzwanzig Seiten langen Brief vom 22. August 1937 beantwortete. Der Brief Görings faßt die vielen Meinungsverschiedenheiten im einzelnen zusammen. Ich biete dieses Dokument als EC-493, US-642, an und werde daraus lediglich eine Erklärung, die auf der Mitte der Seite 13 steht, verlesen:
»Zum Schluß möchte ich noch auf Bemerkungen zurückkommen, die Sie in dem ›Vierjahresplan‹ überschriebenen Abschnitt Ihres Schreibens über Ihre generelle Einstellung zu meiner wirtschaftspolitischen Arbeit machen. Ich weiß es und habe es begrüßt, daß Sie zu Beginn des Vierjahresplans mir Ihre loyalste Unterstützung und Mitarbeit zugesagt und daß Sie diese Zusage auch wiederholt erneuert haben, nachdem die ersten Meinungsverschiedenheiten eingetreten und in eingehenden Besprechungen aus dem Wege geräumt waren. Um so mehr bedauere ich, in der letzten Zeit den auch durch Ihr in Rede stehendes Schreiben bestätigten Eindruck haben zu müssen, daß Sie meiner Arbeit im Vierjahresplan immer stärker ablehnend entgegentreten. Hierauf ist es auch zurückzuführen, daß sich unsere Zusammenarbeit allmählich gelockert hat....«
Schacht und Göring versöhnten sich durch ein schriftliches Übereinkommen vom 7. Juli 1937, entzweiten sich jedoch bald wieder, und schließlich nahm Hitler Schachts Rücktritt als Wirtschaftsminister am 26. November 1937 endgültig an. Gleichzeitig wurde er zum Minister ohne Geschäftsbereich ernannt. Später erstreckte sich die Amtsniederlegung Schachts auch auf seine Stellung als Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Ohne daraus zu verlesen, biete ich Dokument EC-494, US-643, als Beweis für diese Tatsache an.
Zum Schluß möchte ich den Gerichtshof auf das Verhör Schachts vom 16. Oktober 1945, US-636, verweisen, aus dem ich am Ende der Seite 12 des Dokuments verlese:
»Antwort: Es wird Sie vielleicht amüsieren, wenn ich Ihnen erzähle, daß die letzte Unterredung« – so antwortete Schacht – »die ich mit Göring über diese Angelegenheit hatte, im November 1937 stattfand, nachdem Luther sich zwei Monate lang bemüht hatte, mich mit Göring zusammenzubringen und mich zu überreden, weiter mit Göring zusammenzuarbeiten und meine Stellung als Wirtschaftsminister beizubehalten. Damals hatte ich eine letzte Unterredung mit Göring, an deren Ende er sagte: ›Ich muß aber das Recht haben, Ihnen Befehle zu geben.‹ Ich erwiderte darauf: ›Nicht mir, sondern meinem Nachfolger.‹ Ich habe niemals von Göring Befehle angenommen und ich hätte es auch niemals getan, weil ich ihn in wirtschaftlichen Dingen für einen Narren hielt und ich von diesen Dingen wenigstens etwas verstand.
Frage: Ich nehme an, daß das eine zugespitzte persönliche Angelegenheit zwischen Ihnen und Göring gewesen ist. Das scheint ganz klar zu sein.
Antwort: Gewiß.«
Aus diesem reichlichen und übereinstimmenden Beweismaterial ergibt sich nicht die geringste Andeutung dafür, daß Schachts Rücktritt von seinen beiden Posten einen Bruch mit Hitler wegen des geplanten militärischen Angriffs bedeutete. In Wahrheit war Hitler zufrieden, daß Schacht auch weiter in der Regierung als Reichsbankpräsident und als Minister ohne Geschäftsbereich tätig sein wollte. Ich überreiche als Beweismaterial das Dokument L-104, US- 644, das aus einem Brief des Botschafters Dodd vom 29. November 1937 an den Staatssekretär der Vereinigten Staaten besteht, und dem eine Übersetzung von Hitlers Schreiben an Schacht vom 26. November 1937 beigefügt ist. Ich zitiere die beiden letzten Sätze aus Hitlers Brief, die sich auf Seite 2 des Dokuments befinden:
»Wenn ich Ihrem Wünsche entspreche, so tue ich dies mit dem Ausdruck tiefster Dankbarkeit für Ihre außerordentlichen Leistungen und mit dem glücklichen Bewußtsein, daß Sie als Präsident des Reichsbankdirektoriums noch für viele Jahre Ihr hervorragendes Wissen, Ihre Fähigkeiten und Ihre unermüdliche Arbeitskraft dem deutschen Volke und mir zur Verfügung stellen werden. Indem ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihe, daß Sie bereit sind, auch in der Zukunft mein persönlicher Berater zu sein, ernenne ich Sie mit Wirkung von heute zum Reichsminister.«
Schacht setzte seine Arbeit offenbar noch in voller Übereinstimmung mit Hitlers Angriffsplänen fort. Er war immer noch Reichsbankpräsident zu der Zeit, als Österreich im März 1938 dem Reiche einverleibt wurde. Tatsächlich übernahm die Reichsbank die österreichische Nationalbank, An dieser Stelle darf ich den Gerichtshof mit der Bitte um amtliche Kenntnisnahme auf Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 254, verweisen. Darüber hinaus beteiligte sich Schacht sogar an der Planung zur Einverleibung Österreichs. In diesem Zusammenhang überreiche ich als Beweismaterial die Urkunde EC-421, US-645. Es handelt sich hierbei um Auszüge aus einem Protokoll über eine Konferenz des Stabes von General Thomas am 11. März 1938, 15.00 Uhr. Ich zitiere folgendes:
»Oberstleutnant Hünerm. verliest Weisung des Führers vom 11. März für das ›Unternehmen Otto‹ und gibt bekannt, daß Wehrleistungsgesetz heute in Kraft gesetzt sei. Verliest sodann Anordnungen 1 und 2 und gibt besondere Anweisung an Truppe für Überschreiten der österr. Grenze bekannt. Danach soll auf Vorschlag Schacht nicht requiriert werden, sondern alles auf Basis 2 Schilling -1 RM in Reichsmark bezahlt werden.«
Wegen der Konversion des österreichischen Schillings bitte ich den Hohen Gerichtshof, Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 405, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.
Der Gerichtshof ist bereits mit Schachts Wiener Rede vom 31. März 1938 vertraut, in der Schacht öffentlich seinen Beifall über den Anschluß aussprach. Ebenso wird sich der Gerichtshof an die Rede Schachts vom 29. November 1938 erinnern, in der er mit Stolz zum Ausdruck brachte, wie Hitler von der wieder aufgerüsteten Wehrmacht bei den Münchener Verhandlungen Gebrauch gemacht hätte. Beide Reden wurden nach seinem im November 1937 erfolgten Rücktritt gehalten.
Wir kommen nunmehr auf die Absetzung Schachts als Reichsbankpräsident im Januar 1939 zu sprechen. Der Grund für diese Entwicklung ist ganz klar. Schacht verlor das Vertrauen in die Kreditfähigkeit des Reichs und hatte eine lähmende Furcht vor einem finanziellen Zusammenbruch. Er fühlte, daß der Höhepunkt der Produktion erreicht war, so daß nunmehr eine Erhöhung des Banknotenumlaufs den Wert des Geldes vermindern und eine Inflation heraufbeschwören würde. Mit dieser Einstellung hörte Schacht auf, Hitler nützlich zu sein, der seinerseits beabsichtigte, loszuschlagen und jeden verfügbaren Regierungskredit für militärische Zwecke auszunützen wünschte.
Ich darf den Gerichtshof auf das Dokument EC- 369 verweisen, das ich bereits früher als Beweisstück US-631 vorgelegt habe. Dieses Schriftstück stellt ein Memorandum des Reichsbankdirektoriums an Hitler vom 7. Januar 1939 dar, in dem Schacht seine Befürchtungen über eine Inflation ausführlich darlegt. Der Ernst der Lage kann schon im allgemeinen aus dem gesamten Text ersehen werden. Ich möchte einige der kritischsten Erklärungen zitieren; eine aus dem letzten Absatz auf Seite 3, zweiter Satz:
»Wir stehen jedoch vor der Tatsache, daß rund 3 Milliarden solcher Wechsel, die im Jahre 1939 fällig werden, jetzt nicht bezahlt werden können.«
Ich möchte ferner vom Beginn der Seite 4 zitieren:
»Außerhalb der Reichsbank befinden sich rund 6 Milliarden Mefo-Wechsel, die jederzeit bei der Reichsbank zur Diskontierung in barem Gelde präsentiert werden können und damit eine dauernde Bedrohung der Währung darstellen.«
Schließlich zitiere ich aus dem Schlußabsatz des Memorandums:
»Wir sind der Überzeugung, daß die währungspolitischen Folgen der letzten 10 Monate durchaus zu reparieren sind und daß bei striktester Einhaltung eines aufbringbaren Etats die Inflationsgefahr wieder beseitigt werden kann. Der Führer und Reichskanzler selbst hat die Inflation öffentlich immer und immer wieder als dumm und nutzlos abgelehnt. Wir bitten deshalb um folgende Maßnahmen:
1. Das Reich wie auch alle anderen öffentlichen Stellen dürfen keine Ausgaben und auch keine Garantien und Verpflichtungen mehr übernehmen, die nicht aus Steuern oder durch diejenigen Beträge gedeckt werden, die ohne Störung des langfristigen Kapitalmarktes im Anleiheweg aufgebracht werden können.
2. Zur wirksamen Durchführung dieser Maßnahmen muß der Reichsfinanzminister wieder die volle Finanzkontrolle über alle öffentlichen Ausgaben erhalten.
3. Die Preis- und Lohnkontrolle muß wirksam gestaltet werden. Die eingerissenen Mißstände müssen wieder beseitigt werden.
4. Die Inanspruchnahme des Geld- und Kapitalmarktes muß der Entscheidung der Reichsbank allein unterstellt werden.«
Es ist offensichtlich, daß die Befürchtungen Schachts echt waren und eine völlige Erklärung für sein Verschwinden von der Bildfläche geben. Er hatte gute Gründe für seine Befürchtungen. In Wahrheit hatte der Finanzminister bereits im September 1938 den Ernst der Lage erkannt. Ich verweise den Gerichtshof auf Dokument EC-419, US-621, das ich bereits als Beweismaterial vorgelegt habe, und das aus einem Brief des Herrn von Krosigk an Hitler vom 1. September 1938 besteht, in dem Krosigk vor einer bevorstehenden finanziellen Krise warnt. Ich zitiere vom Ende der Seite 2:
VORSITZENDER: Ist das nicht kumulativ zu dem, was Sie schon verlesen haben?
LEUTNANT BRYSON: Ich werde es gern übergehen, Herr Vorsitzender, es ist kumulativ.
Schacht befürchtete nicht nur eine Finanzkrise, sondern auch weiter, daß er persönlich dafür verantwortlich gemacht werden würde. Ich unterbreite als Beweismaterial eine eidesstattliche Erklärung von Emil Puhl, einem Direktor der Reichsbank und Mitarbeiter von Schacht, vom 8. November 1945, die als Dokument EC-438, US-646, bezeichnet ist, und verlese daraus vom Ende der zweiten Seite:
»Als Schacht sah, daß die gefährliche aber von ihm geförderte Lage unhaltbar wurde, war er mehr und mehr darauf bedacht, aus ihr herauszukommen. Dieser Wunsch, sich aus einer schlechten Situation zu befreien, war lange Zeit Schachts Leitmotiv in seinen Besprechungen mit den Direktoren der Bank.«
Schließlich konnte Schacht entschlüpfen, indem er freiwillig seine Entlassung als Reichsbankpräsident anregte. Ich biete als Beweismaterial Dokument 3731-PS, US-647, an, das Auszüge aus einem Verhör des Herrn von Krosigk vom 24. September 1945 enthält, und bitte, daraus einige Erklärungen verlesen zu dürfen. Ich beginne ganz unten auf der zweiten Seite:
»Ich verlangte von Herrn Schacht zur Finanzierung des Reichs über den Ultimo des Monats die Summe von 100 oder 200 Millionen. Es war dies ein ganz gebräuchliches Verfahren, das wir Jahr für Jahr angewandt hatten. Wir gaben dieses Geld gewöhnlich nach ein paar Tagen wieder zurück. Diesmal jedoch weigerte sich Schacht und sagte, er sei nicht gewillt, einen Pfennig zu finanzieren, weil er, wie er sagte, wünschte, es sollte Hitler klargemacht werden, daß das Reich bankrott sei. Ich versuchte ihm zu erklären, daß dies kein stichhaltiger Grund für die Diskussion des gesamten Finanzkomplexes wäre, da die Frage der Finanzierung sehr kleiner Summen über den Ultimo Hitler niemals zu der Überzeugung bringen könnte, daß die ganze Finanzierung unmöglich wäre. Soweit ich mich jetzt erinnere, war es Funk, der Hitler etwas von dieser Unterredung gesagt hat. Hitler forderte sodann Schacht auf, ihn anzurufen. Ich weiß nicht, was sie besprochen haben, aber das Resultat bestand in der Entlassung Schachts.«
VORSITZENDER: Bitte, geben Sie mir nochmals die Bezeichnung des Dokuments an, aus dem Sie gerade verlesen haben.
LEUTNANT BRYSON: Es handelt sich um das Verhör des Herrn von Krosigk vom 24. September 1945. Ich möchte nun auf Seite 3 weiterlesen:
»Frage: Nun, hat Schacht jemals zu Ihnen etwas davon gesagt, daß er deshalb zurücktreten wollte, weil er in Opposition zu der Fortsetzung des Aufrüstungsprogramms stand?
Antwort: Nein. Er hat dies in dieser spezifischen Form niemals gesagt. Wohl hat er in einigen Unterredungen verschiedentlich in seiner eigenen Weise darüber gesprochen, als er Zerwürfnisse mit Göring hatte,... so daß ich diese Dinge nicht sehr ernst nahm.
Frage: Nun gut, ich will diese Frage folgendermaßen formulieren und bitte Sie, darüber sorgfältig nachzudenken: Hat Schacht jemals gesagt, daß er zurücktreten wolle, weil er eingesehen habe, daß das Ausmaß des Aufrüstungsprogramms derartig wäre, daß es ihn zu der Schlußfolgerung geführt habe, es diene der Vorbereitung zum Kriege und nicht der Verteidigung?
Antwort: Nein, das hat er niemals getan.
Frage: Wurde Schacht Ihnen gegenüber jemals in diesem Sinne von einem Ihrer Kollegen oder von irgend jemand anderem zitiert?
Antwort: Nein.
Frage: Nachdem nun Keitel die Stellung eines Chefs der Wehrmacht übernommen hatte, fanden da weitere Zusammenkünfte zwischen Schacht und Ihnen mit Keitel an Stelle von Blomberg statt?
Antwort: Jawohl.
Frage: Hat Schacht jemals bei diesen Zusammenkünften etwas gesagt, das darauf hinweisen konnte, daß er – abgesehen von technischen Fragen über die Finanzierung durch die Reichsbank unmittelbar – einem weiteren Programm der Aufrüstung ablehnend gegenüberstände oder dem Haushaltsplan der Wehrmacht widerspräche?
Antwort: Nein, ich glaube nicht, daß er das jemals getan hat.«
Der Angeklagte Göring hat diese Zeugenaussage ebenfalls bestätigt. Ich verweise den Gerichtshof auf das Verhör Görings vom 17. Oktober 1945, Dokument 3730-PS, Beweisstück US-648. Ich verlese aus dem Verhör Görings vom 17. Oktober 1945 von der unteren Hälfte der dritten Seite:
»Frage: Ich möchte an Sie diese besondere Frage stellen: Wurde Schacht von Hitler aus der Reichsbank entlassen, weil er sich geweigert hat, sich weiter am Aufrü stungsprogramm zu beteiligen?
Antwort: Nein, sondern wegen seiner ganz unmöglichen Stellungnahme in der Angelegenheit dieses Vorschusses, der in keiner Verbindung mit dem Aufrüstungsprogramm stand.«
Am 20. Januar 1939 entließ Hitler Schacht aus der Reichsbank. Zum Beweis biete ich, ohne es zu verlesen, Dokument EC-398, US-649, an, das nur aus einer kurzen Mitteilung Hitlers an Schacht über seine Entlassung besteht.
Aus all dem Vorhergesagten geht klar hervor, daß Schachts Entlassung in keiner Weise eine Trennung von Hitlers Wegen zu den beabsichtigten Angriffskriegen bedeutete. Diese Tatsache ist auch aus dem Dokument EC-397, US-650, ersichtlich, das aus einem Brief Hitlers an Schacht vom 19. Januar 1939 besteht.
Ich möchte den Inhalt dieses Briefes verlesen:
»Ich nehme den Anlaß Ihrer Abberufung vom Amte des Präsidenten des Reichsbankdirektoriums wahr, um Ihnen für die Deutschland und mir persönlich in dieser Stellung in langen und schweren Jahren erneut geleisteten Dienste meinen aufrichtigsten und wärmsten Dank auszusprechen. Ihr Name wird vor allem für immer mit der 1. Epoche der nationalen Wiederaufrüstung verbunden sein. Ich freue mich, Sie in Ihrer Eigenschaft als Reichsminister nunmehr zur Lösung neuer Aufgaben einsetzen zu können.«
Tatsächlich blieb Schacht Minister ohne Geschäftsbereich bis Januar 1943.
Ich möchte mit der Erklärung schließen, daß das Beweismaterial zeigt:
Erstens: Die Tätigkeit Schachts war unentbehrlich für Hitlers Aufstieg zur Macht und für die Wiederaufrüstung von Deutschland.
Zweitens: Schacht befürwortete persönlich Angriffskriege und wußte, daß Hitler nicht nur beabsichtigte, den Frieden zu brechen, sondern ihn auch bestimmt brechen würde.
Drittens: zog sich Schacht von seiner Tätigkeit aus Gründen zurück, die in keinem Zusammenhang mit den unmittelbar bevorstehenden ungesetzlichen Angriffskriegen standen.
Solange Schacht im Amt war, arbeitete er genau so eifrig an der Vorbereitung von Angriffskriegen wie nur irgendeiner seiner Kollegen. Seine Dienste waren in dieser Hinsicht ohne jeden Zweifel äußerst wirkungsvoll und wertvoll. Seine Mithilfe in den ersten Phasen der Verschwörung machte ihre späteren Verbrechen möglich. Sein Rücktritt vom Felde seiner Tätigkeit erfolgte nicht aus dem moralischen Gefühl eines Widerspruchs gegen die Anwendung von Angriffskriegen als Werkzeug nationaler Politik. Er machte persönlich alle Anstrengungen, um seine Stellung zu behaupten. Zu der Zeit, als er seine Stellung verlor, hatte er bereits seine Aufgabe in der Verschwörung vollendet, nämlich, Hitler und seine Helfershelfer mit den physischen Mitteln und den wirtschaftlichen Plänen zu versehen, die notwendig waren, um den Angriff zu entfesseln und durchzuführen. Wir glauben nicht, daß er, nachdem er die Wehrmacht für den Angriff auf die Welt vorbereitet hatte, das Recht haben sollte, in dem Umstand seine Zuflucht zu suchen, daß er seine Machtstellung verlor, bevor der Angriff tatsächlich erfolgte.
Damit beschließen wir unseren Vortrag gegen den Angeklagten Schacht. Leutnant Meltzer wird anschließend mit der Darlegung der amerikanischen Anklage gegen den Angeklagten Funk beginnen.
LEUTNANT (JG.) BERNARD D. MELTZER, HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Die Dokumente, die sich auf die Verantwortlichkeit des Angeklagten Funk beziehen, sind in einem mit »HH« bezeichneten Dokumentenbuch zusammengestellt worden, das dem Gerichtshof übergeben und auch der Verteidigung zur Verfügung gestellt worden ist. Das gleiche trifft auch für die Anklageschrift zu. Die Schriftstücke sind in dem Buch in der Reihenfolge ihrer Vorlage geordnet. Außerdem sind die Seiten des Dokumentenbuchs mit Rotstift fortlaufend numeriert worden, um die Auffindung der Dokumente zu erleichtern, wenn auf sie Bezug genommen wird. Ich möchte Herrn Sidney Jacoby, der rechts von mir sitzt, für seine wertvolle Mitarbeit in der Auswahl und Prüfung dieser Dokumente meinen Dank aussprechen.
Wir beabsichtigen, Beweis über fünf Phasen der Teilnahme des Angeklagten Funk an der Verschwörung anzutreten:
1. Seine Beteiligung an der Machtübernahme der Nazis;
2. seine Rolle im Propagandaministerium und in verwandten Ämtern und seine Verantwortung für die Tätigkeit dieses Ministeriums;
3. seine Verantwortung für die unerbittliche Ausschaltung von Juden, zuerst aus den sogenannten kulturellen Berufen und später aus der gesamten deutschen Wirtschaft;
4. seine Mitarbeit bei dem höchsten Nazi-Ziel, dem alle anderen Aufgaben untergeordnet waren, nämlich bei der Vorbereitung des Angriffskrieges.
Schließlich beabsichtigen wir, in Kürze das Beweismaterial vorzutragen, das sich auf seine aktive Teilnahme an der Führung des Angriffskrieges bezieht.
Wir wenden uns nun dem Teil des Beweismaterials zu, welches zeigt, daß der Angeklagte Funk die Machtergreifung der Verschwörer und die Stärkung ihrer Macht über Deutschland tatkräftig förderte. Bald nach seinem Eintritt in die Nazi-Partei im Jahre 1931 bekleidete der Angeklagte Funk wichtige Stellungen, zunächst innerhalb der Partei selbst und dann in der Nazi-Regierung. Funks Stellungen sind im großen und ganzen bereits in Dokument 3533-PS aufgeführt, einer Erklärung, die sowohl vom Angeklagten Funk als auch von seinem Verteidiger unterschrieben wurde. Dieses Schriftstück steht in den vier Verhandlungssprachen zur Verfügung; eine Abschrift in der jeweiligen Sprache befindet sich in den entsprechenden Dokumentenbüchern des Hohen Gerichtshofs. Wir bitten daher, daß dieses Schriftstück, US-651, als übergebenes Beweismaterial betrachtet wird, ohne daß es vollständig verlesen zu werden braucht. Der Gerichtshof wird bemerken, daß sich bei einzelnen Punkten des Dokuments 3533-PS einige Ausstreichungen und Vorbehalte befinden. Diese wurden von dem Angeklagten Funk eingefügt. Die Worte, die er auszustreichen wünschte, sind in Klammern angegeben. Seine Bemerkungen sind unterstrichen und mit Anmerkungszeichen versehen.
Wir wollen vermeiden, den Gerichtshof mit einer ausführlichen Besprechung all dieser bestrittenen Punkte zu bemühen. Deshalb stellten wir im Dokument Nummer 3563-PS entsprechende Auszüge bestimmter deutscher Veröffentlichungen zusammen. Dieses Dokument steht ebenfalls in den vier Verhandlungssprachen zur Verfügung. Überdies stellen wir anheim, daß der Gerichtshof die in diesem Dokument erwähnten Veröffentlichungen amtlich zur Kenntnis nehme. Um jedoch ihre Auffindung zu erleichtern, bitten wir, daß es als Beweisstück US-652 angenommen werde.
In Zusammenhang mit Punkt b) zu Anfang der Seite 1 des Dokuments 3533-PS, der Gerichtshof findet dies, auf Seite 1 des Dokumentenbuchs, wird der Gerichtshof bemerken, daß der Angeklagte Funk ausdrücklich geleugnet hat, Hitlers persönlicher Wirtschaftsberater in den Jahren um 1930 gewesen zu sein. Jedoch stehen die Auszüge aus den vier deutschen Veröffentlichungen, die sich auf Seite 1 und 2 des Dokuments 3563-PS befinden, in direktem Widerspruch zu dieser Ableugnung.
Wir behaupten, daß aus den Dokumenten, auf die wir uns soeben bezogen haben, klar hervorgehen wird, daß der Angeklagte Funk bald nach seinem Eintritt in die Partei als eine der Hauptfiguren im inneren Kreise der Nazis einen maßgebenden Einfluß ausübte. Überdies leistete er als wirtschaftlicher Berater der Partei während der kritischen Zeit des Jahres 1932 einen bedeutenden Beitrag bei dem Versuch, die Unterstützung der breiten Massen zu gewinnen, indem er die wirtschaftlichen Schlagworte prägte. In diesem Zusammenhang beziehe ich mich auf das Schriftstück 3505-PS, das eine Biographie darstellt, die betitelt ist: »Walter Funk, ein Leben für die Wirtschaft«. Diese Lebensbeschreibung wurde von einem gewissen Östreich in deutscher Sprache geschrieben und vom Zentralverlag der NSDAP herausgegeben. Ich biete dieses Dokument als Beweisstück US-653 an und möchte von Seite 1 der Übersetzung dieses Dokuments, Mitte der Seite, zitieren. Die entsprechende Seite des deutschen Schriftstücks ist Seite 81:
»1931 erhielt er«, das heißt Funk, »ein Reichstagsmandat. Ein Dokument seiner damaligen Tätigkeit ist das in der zweiten Hälfte des Jahres 1932 von ihm formulierte ›Wirtschaftliche Aufbauprogramm der NSDAP‹, das die Genehmigung Adolf Hitlers erhielt und als verbindlich für alle Gauleitungen, Fachredner, wirtschaftspolitischen und sonstigen Gaufachberater der Partei erklärt wurde.«
Die Schlagworte des Angeklagten Funk wurden somit die wirtschaftliche Bibel für die Organisatoren und Redekünstler der Partei.
Der Angeklagte Funk war jedoch viel mehr als nur einer der wirtschaftlichen Theoretiker der Nazi-Partei. Er war auch an der höchst praktischen Aufgabe beteiligt, Wahlbeiträge für die Partei zu erlangen. Als Verbindungsmann zwischen der Partei und den großen deutschen Industriellen war er behilflich, Hitler die finanzielle und politische Unterstützung der Industriellen zu verschaffen. Der Angeklagte Funk gab in einem am 4. Juni 1945 erfolgten Verhör zu, daß er bei der Finanzierung des äußerst kritischen Wahlkampfs von 1932 behilflich war. Ich lege als Beweismaterial Dokument Nummer 2828-PS, US-654, vor und zitiere vom Ende der Seite 43...
VORSITZENDER: Leutnant Meltzer, ist dies nicht alles kumulatives und detaillierendes Beweismaterial, das nur bekräftigt, was der Angeklagte Funk bereits bezüglich seines Amtes zugegeben hat? Auf Seite 1 haben Sie das Eingeständnis, daß er Mitglied der Nazi-Partei, Hauptamtsleiter in der Reichsleitung der NSDAP für Privatwirtschaft und Vorsitzender des Ausschusses der NSDAP für Wirtschaftspolitik war. Dann geht es so von a) bis u) weiter im Hinblick auf die verschiedenen Ämter, die er innehatte und von denen er zugibt, daß er sie bekleidete. Es ist aber sicher nicht notwendig, Einzelheiten über diese verschiedenen Stellungen anzugeben.
LEUTNANT MELTZER: Herr Vorsitzender, das Eingeständnis der verschiedenen Stellungen zeigt unseres Ermessens in keiner Weise die Teilnahme des Angeklagten Funk an der Beschaffung von Geldern für die Nazi-Partei.
VORSITZENDER: Für die Beschaffung von Geldern?
LEUTNANT MELTZER: Ja, die Beschaffung von Geldern. Seine Stellungen lassen den Schluß zu, daß er sich mit der Aufbringung von Beiträgen für den Wahlfonds beschäftigte. Es erscheint uns jedoch wichtig, in alle Kürze unmittelbaren Beweis im Hinblick auf diesen Teil seiner Tätigkeit anzutreten.
VORSITZENDER: Sehr gut, wenn Sie erklären, daß in diesen Ämtern nichts auf die Dinge hinweist, mit denen Sie sich beschäftigen wollen, dann fahren Sie, bitte, fort.
LEUTNANT MELTZER: Der Angeklagte Funk gab, wie ich soeben erwähnte, in dem Verhör vom 4. Juni 1945 zu, daß er half, diesen höchst kritischen Wahlkampf zu finanzieren.
VORSITZENDER: Herr Leutnant Meltzer, Sie haben uns in dem so zweckmäßig angeführten Titelkopf gesagt, daß Funk an der Machtergreifung Anteil hatte. Nun beweist fast jede Titelzeile unter den Buchstaben a) bis u) auf Seite 1, die der Angeklagte zugibt, daß er tatsächlich bei der Machtübernahme mitgearbeitet hat. Ist es Ihre Absicht, vorzubringen, daß er auch Wahlfondsbeiträge aufzubringen half? Die Beihilfe zur Machtergreifung ist für sich allein kein Verbrechen, sondern nur ein Schritt dazu.
LEUTNANT MELTZER: Gewiß, Herr Vorsitzender. Es gibt jedoch einen Punkt seiner diesbezüglichen Tätigkeit, den ich erwähnen möchte: Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit zur Aufbringung von Geldbeträgen war er zu Beginn des Jahres 1933 bei einer Sitzung in Berlin anwesend. Ich beziehe mich auf das Dokument, das über die Ereignisse in dieser Sitzung berichtet, und will damit zeigen, daß Hitler und Göring im Verlauf dieser Sitzung eine kurze Darstellung gewisser fundamentaler Grundsätze des nationalsozialistischen Programms vorlegten. Der Bericht über diese Sitzung ist im Dokument 2828-PS enthalten, das der Gerichtshof auf Seite 28 des Dokumentenbuchs findet. Ich möchte die folgende Frage und Antwort zitieren:
»Frage: Wir sind darüber unterrichtet, daß ungefähr 1933 einige Industrielle einer Sitzung beiwohnten, die vor den Märzwahlen in Görings Wohnung stattfand. Wissen Sie etwas hierüber?
Antwort: Ich war bei der Sitzung anwesend. Geld wurde nicht von Göring, sondern von Schacht verlangt. Hitler hatte den Raum verlassen und dann hielt Schacht eine Rede und bat um Geldspenden für die Wahlen. Ich war nur als unparteiischer Beobachter zugegen, da ich mit den Industriellen befreundet war.«
Die Art und Weise sowie die Bedeutung der Zusammenarbeit Funks mit den Großindustriellen ist in der Biographie Funks, auf die ich mich bereits bezogen habe, betont. Ich darf die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs nur auf die diesbezüglichen Seiten des Buches, die Seiten 83 und 84, lenken.
VORSITZENDER: Ich kann nicht verstehen, warum Sie diese Stelle verlesen haben. Wenn Sie beweisen wollen, daß er bei der Sitzung anwesend war, dann würde es vollkommen genügen, wenn Sie sagen, daß er dabei war. Ich glaube nicht, daß die zwei Sätze, die Sie uns vorgelesen haben, uns auch nur im geringsten weiterhelfen.
LEUTNANT MELTZER: Hoher Gerichtshof! Diese zwei Sätze beziehen sich nicht auf die Sitzung. Diese zwei Sätze beziehen sich auf die Biographie, die den allgemeinen Beitrag des Angeklagten Funk zur Machtergreifung der Nationalsozialisten darlegt, und ich dachte, der Gerichtshof wäre daran interessiert, die Stellungnahme eines deutschen Schriftstellers zu diesem Punkt der Laufbahn des Angeklagten zu hören.
VORSITZENDER: Ich dachte, daß Sie sich auf die Sitzung bezogen.
LEUTNANT MELTZER: Hoher Gerichtshof! Ich bezog mich auf die Seiten 32 und 33 des Dokumentenbuchs. Um diesen Punkt zu klären, möchte ich kurz aus der Biographie vorlesen:
»Nicht weniger wichtig als das, was Funk auf programmatischem Gebiet in den Jahren 1931 und 1932 geleistet hat, war seine damalige Tätigkeit als Mittelsmann des Führers zu den leitenden Männern der deutschen Wirtschaft in Industrie, Gewerbe, Handel und Finanz. Seine persönlichen Beziehungen zu den deutschen Wirtschaftsführern waren auf Grund seiner bisherigen Arbeit groß und weitreichend. Er konnte sie jetzt in den Dienst Adolf Hitlers stellen und so manchem nicht nur authentisch Rede und Antwort stehen, sondern ihn auch überzeugen und zum Förderer der Partei werben. Das war damals eine ungeheuer wertvolle Arbeit. Jeder in ihr erzielte Erfolg bedeutete eine moralische, politische und wirtschaftliche Stärkung der Kampfkraft der Partei und trug dazu bei, das Vorurteil zu zerstören, auch der Nationalsozialismus sei nur eine Partei des Klassenhasses und des Klassenkampfes.«
VORSITZENDER: Wiederum muß ich sagen, daß dies dem Gerichtshof nicht im geringsten weitergeholfen hat.
LEUTNANT MELTZER: Nachdem Funk Hitler geholfen hatte, Kanzler zu werden, nahm er als Pressechef der Deutschen Regierung an den ersten Kabinettssitzungen teil. In diesen Sitzungen verabredeten die Verschwörer die Strategie, durch die sie die Herausgabe der Notverordnung des Präsidenten sichern wollten. Diese wurde tatsächlich am 24. März 1933 durchgebracht. Die Anwesenheit Funks bei diesen Sitzungen wird durch Dokument 2962-PS enthüllt, das bereits als Beweismaterial vorgelegt wurde, wie auch durch Dokument 2963-PS, das bereits als Beweisstück US-656 eingeführt wurde. Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß diese Notverordnung die tatsächliche politische Machtergreifung in Deutschland bedeutete.
Bald danach übernahm der Angeklagte Funk eine wichtige Stellung im Propagandaministerium. Die Akten zeigen, daß dieses Ministerium eine der wichtigsten und bösartigsten nationalsozialistischen Einrichtungen wurde, und daß die Propaganda eine der Grundlagen für die Durchführung des nationalsozialistischen Programms innerhalb und außerhalb Deutschlands war. Wir haben nicht die Absicht, dem Gerichtshof alle diese Dinge nochmal vorzutragen, aber wir möchten, wie bereits erwähnt, Beweismaterial darüber vorlegen, daß der Angeklagte Funk eine wesentliche Rolle in der Propagandatätigkeit spielte.
Das Ministerium wurde am 13. März 1933 mit Goebbels als Chef und dem Angeklagten Funk als Staatssekretär, also als zweitem Mann, geschaffen.
Als Staatssekretär war der Angeklagte Funk nicht nur der Hauptmitarbeiter von Goebbels, sondern auch der Organisator des großen und verzweigten Propagandaapparats. Ich möchte zum Beweis Dokument 3501-PS vorlegen, das sich auf Seite 47 Ihres Dokumentenbuchs als Beweisstück US-657 befindet. Dieses Dokument besteht aus einer eidesstattlichen Erklärung vom 19. Dezember 1945 von Max Amann, der das Amt des Reichsleiters der Presse innehatte und Präsident der Reichspressekammer war. Ich möchte den zweiten Satz des ersten Absatzes sowie den gesamten zweiten Absatz verlesen:
»Bei der Ausführung meiner Pflichten und Aufgaben wurde ich mit der Tätigkeit und der Organisation des Ministeriums für Propaganda und Volksaufklärung bekannt.
Walter Funk war praktisch der Minister des Ministeriums für Propaganda und Volksaufklärung und leitete das Ministerium. Funk war die Seele des Ministeriums, und ohne ihn hätte es Goebbels nicht aufbauen können. Goebbels stellte mir gegenüber einmal fest, daß Funk sein ›tüchtigster Mann‹ sei. Funk übte umfassende Kontrolle über alle Mittel der Ausdrucksweise in Deutschland aus: über die Presse, das Theater, Radio und Musik. Als Pressechef der Reichsregierung und später als Staatssekretär des Ministeriums hatte Funk tägliche Besprechungen mit dem Führer und eine tägliche Pressekonferenz, in deren Verlauf er die Richtlinien über die in der deutschen Presse zu veröffentlichenden Materialien ausgab.«
Neben seinem Amt als Staatssekretär bekleidete Funk viele andere wichtige Stellungen im Propagandaministerium und in den diesem untergeordneten Ämtern. Diese Stellungen sind bereits im Dokument 3533-PS angeführt worden. Ich möchte jedoch besonders auf Funks Stellung als Vizepräsident der Reichskulturkammer hinweisen. Diese Stellung stand natürlich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Propagandaministerium.
In seiner Doppelstellung trug er unmittelbar zur Förderung von zwei wesentlichen und eng miteinander verwobenen Aufgaben der nationalsozialistischen Politik bei. Die erste bestand in der Organisierung aller schöpferischen Tätigkeiten im Interesse der nationalsozialistischen politischen und militärischen Ziele. Die zweite bestand in der völligen Ausschaltung der Juden und Andersdenkenden aus den sogenannten kulturellen Berufen. Eine vollständige Beschreibung der Methoden, durch die diese Politik verwirklicht wurde, ist in dem Text eingeschlossen, der als Teil des Dokumentenbuchs E unterbreitet worden ist. Wir wollen deshalb diesen Gegenstand nicht weiter behandeln, es sei denn, daß der Gerichtshof dies wünscht.
Angesichts der wichtigen Rolle, die der Angeklagte Funk im Propagandaministerium spielte, ist es ganz selbstverständlich, daß sich nationalsozialistische Schriftsteller landen, die seine Verantwortung für die nationalsozialistische Verdrehung der Kultur betonen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf Seite 94 und 95 der Biographie Östreichs lenken, auf die bereits Bezug genommen wurde.
Nachdem der Angeklagte Funk das Propagandaministerium verlassen hatte und im Jahre 1938 Wirtschaftsminister geworden war, setzte er sein antijüdisches Programm fort. Am 14. Juni 1938 unterschrieb er zum Beispiel eine Verordnung, die die Anmeldung jüdischer Unternehmen vorsah. Diese Verordnung, welche die Grundlage für die spätere unbarmherzige wirtschaftliche Verfolgung wurde, befindet sich im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 627. Ich bitte den Gerichtshof, diesen Auszug aus dem Reichsgesetzblatt und alle noch folgenden Auszüge amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Ich möchte noch hinzufügen, daß die Anklageschrift gegen den Angeklagten Funk die Dokumentennummern von Übersetzungen von Verordnungen und anderen deutschen Veröffentlichungen enthält, die ich den Gerichtshof ebenfalls bitte, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.
VORSITZENDER: Wäre dies eine passende Gelegenheit für eine Pause?
LEUTNANT MELTZER: Jawohl, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Sir David Maxwell-Fyfe, bevor wir die Verhandlung vertagen, möchte ich bemerken, daß einer der Herren Ankläger, ich glaube Oberst Phillimore, verschiedene Zeugen verhören möchte. Der Gerichtshof möchte gern wissen, wer diese Zeugen sind, und womit sich ihre Aussagen beschäftigen werden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Möchte der Gerichtshof jetzt davon Kenntnis nehmen? Ich bin gern dazu bereit, wenn es genehm ist.
VORSITZENDER: Wenn Sie es jetzt vermögen, so wäre es uns angenehm.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl. Der erste Zeuge ist Korvettenkapitän Mohle aus dem Stabe des Angeklagten Dönitz. Er wird die Weiterleitung des Befehls von Dönitz vom 17. September 1942 bezeugen. Ich glaube, daß dies der Hauptpunkt ist, mit dem er sich befassen wird. Weiterhin glaube ich, daß er sich auch mit der Schilderung der Zerstörung einiger Rettungsschiffe befassen wird, aber das erste ist der Hauptpunkt.
Der zweite Zeuge ist Leutnant Heisig. Er wird in der Hauptsache über Vorlesungen des Angeklagten Dönitz aussagen, in denen dieser die Vernichtung der Mannschaften von Handelsschiffen befürwortete. Das ist der allgemeine Inhalt der Beweisführung.
VORSITZENDER: Danke.