HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Leutnant Meltzer, haben Sie die Absicht, heute Nachmittag einen Zeugen zu verhören?

LEUTNANT MELTZER: Nein, Herr Vorsitzender, ich glaube, ein anderes Mitglied der Anklagevertretung, Herr Dodd, hat die Absicht, einen Zeugen aufzurufen.

VORSITZENDER: Im Zusammenhang mit dem Fall gegen Funk?

LEUTNANT MELTZER: Nein, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Oder im Zusammenhang mit der Anklage gegen jemand anders?

LEUTNANT MELTZER: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Im Zusammenhang mit wem ist es, mit Raeder?

LEUTNANT MELTZER: Ich glaube, Herr Dodd kann...

VORSITZENDER: Ist es Raeder?

LEUTNANT MELTZER: Nein, Herr Vorsitzender. Herr Dodd kann Ihnen eine bessere Erklärung geben als ich, warum dieser Zeuge aufgerufen werden soll.

VORSITZENDER: Herr Dodd?

MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Jawohl, Herr Vorsitzender, der Zeuge, den wir aufrufen wollen, hat mit dem Fall gegen die Angeklagten Rosenberg, Funk, Frick, Sauckel und Kaltenbrunner zu tun.

VORSITZENDER: Ich verstehe. Bezieht sich die Beweisaufnahme auf die Konzentrationslager?

MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Ich verstehe.

MR. DODD: Dieser Zeuge wäre schon zu der Zeit, als wir das andere Beweismaterial vorlegten, aufgerufen worden, aber er war damals vor dem Militärgericht in Dachau und konnte daher hier nicht zur Verfügung stehen.

VORSITZENDER: Ich verstehe, ich danke Ihnen.

LEUTNANT MELTZER: Hoher Gerichtshof! Vor der Vertagung besprachen wir die Rolle, die der Angeklagte Funk in der wirtschaftlichen Unterdrückung der Juden spielte. Wie sich der Hohe Gerichtshof erinnern wird, wurde im November 1938 der Tod des Herrn vom Rath in Paris von den Nazis zum Vorwand einer verstärkten Judenverfolgung genommen. Die neuen Richtlinien zielten auf die vollständige Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands. Das von uns vorzulegende Beweismaterial wird zeigen, daß der Angeklagte Funk einen Hauptanteil an der Ausarbeitung und Ausführung dieser Politik hatte. In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof auf Dokument 1816-PS verweisen, das bereits in das Protokoll aufgenommen ist. Es befindet sich auf Seite 52 des Dokumentenbuchs. Dieses Dokument ist ein Bericht über die am 12. November 1938 unter Görings Vorsitz abgehaltene Sitzung über die Judenfrage. Bei der Eröffnung der Sitzung sagte der Angeklagte Göring; und ich zitiere jetzt von Seite 1, Absatz 1 der Übersetzung. Die entsprechende Seite des deutschen Originals ist auch Seite 1:

»... die heutige Sitzung ist von entscheidender Bedeutung. Ich habe einen Brief bekommen, den mir der Stabsleiter des Stellvertreters des Führers, Bormann, im Auftrag des Führers geschrieben hat, wonach die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefaßt werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist.«

Der Angeklagte Funk kam gut vorbereitet zu dieser Sitzung. Er hatte schon eine Verordnung entworfen, die er mit der folgenden Erklärung unterbreitete. Ich zitiere wiederum vom Dokument 1816-PS, Seite 15 des Dokuments und Seite 66 des Dokumentenbuchs, Herr Vorsitzender:

»Ich habe für diesen Fall eine Verordnung vorbereitet, die besagt, daß Juden vom 1. Januar 1939 ab der Be trieb von Einzelhandelsverkaufsstellen und Versandgeschäften sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt ist. Ferner ist es ihnen verboten, dafür Angestellte einzustellen oder Leistungen anzubieten, dafür zu werben oder Bestellungen darauf anzunehmen. Wo ein jüdisches Gewerbe geführt wird, ist es polizeilich zu schließen. Ein Jude kann vom 1. Januar 1939 ab nicht mehr Betriebsführer im Sinne des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 sein.«

Ich glaube, wir können den Rest auslassen, er ist in demselben Tone gehalten.

VORSITZENDER: Jawohl.

LEUTNANT MELTZER: Der Hauptinhalt des Gesetzentwurfs des Angeklagten Funk fand prompt seinen Weg in das Reichsgesetzblatt. Am 12. November 1938 unterzeichnete der Angeklagte Göring einen Erlaß, der überschrieben war: »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben.« In Abschnitt 4 ermächtigte er den Angeklagten Funk, die Bestimmungen dieses Erlasses durch Erlaß der notwendigen Ausführungsbestimmungen durchzuführen. Eine Untersuchung der Bestimmungen dieses Erlasses, der im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1580, erschienen ist, zeigt, wie zutreffend diese Überschrift »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben« war.

Kurz nachdem das Gesetz vom 12. November ergangen war, hielt der Angeklagte Funk eine Rede über die jüdische Frage. Er erklärte, daß das Programm der wirtschaftlichen Verfolgung der Juden nur ein Teil des größeren Vernichtungsprogramms wäre, und rühmte sich, daß das neue Programm die vollkommene Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben sichere. Als Beweismaterial unterbreite ich Urkunde 3545-PS, US-659. Dieses Dokument, das sich auf Seite 76 des Dokumentenbuchs befindet, ist eine beglaubigte Photokopie der zweiten Seite der Frankfurter Zeitung vom 17. November 1938. Ich zitiere einen sehr kurzen Teil aus dieser Rede:

»Staat und Wirtschaft sind eine Einheit. Sie müssen nach den gleichen Grundsätzen geleitet werden. Den besten Beleg hierfür gibt die jüngste Entwicklung des Judenproblems in Deutschland. Man kann nicht die Juden aus dem Staatsleben ausschalten, sie aber in der Wirtschaft leben und arbeiten lassen.«

Ich werde den Rest überspringen, möchte den Gerichtshof jedoch bitten, diesen Nachdruck der deutschen Zeitung, der Frankfurter Zeitung, amtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Ich möchte mich jedoch auf einen Erlaß beziehen, der vom Angeklagten Funk selbst unterschrieben wurde. Am 3. Dezember 1938 unterzeichnete er einen Erlaß, der den Juden weitere drastische, wirtschaftliche Einschränkungen auferlegte und ihr Eigentum der Beschlagnahme und Zwangsliquidierung auslieferte. Dieses Gesetz ist im Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1709, zu finden. Der Angeklagte Funk hat selbst seine Verantwortlichkeit für die wirtschaftliche Unterdrückung der Juden zugegeben und bedauert. Als Beweismaterial unterbreite ich Dokument 3544-PS, US-660. Dieses Dokument, das das letzte im Zusammenhang mit dieser Phase der Anklage ist, enthält die Aussagen des Angeklagten Funk in einem Verhör vom 22. Oktober 1945. Der Hohe Gerichtshof wird sie auf Seite 102 und 103 des Dokumentenbuchs finden. Ich möchte von den Seiten 26 und 27 der Aussage zitieren. Die entsprechende Stelle der deutschen Übersetzung ist Seite 21. Ich beabsichtige, so viel zu verlesen, daß die Erklärungen des Angeklagten Funk im rechten Zusammenhang erscheinen. Ich beabsichtige jedoch nicht, seinem Versuch, sich zu rechtfertigen, auch nur die geringste Bedeutung beizumessen. Ich zitiere:

»Frage: Sind nicht alle Verordnungen, durch die die Juden aus der Industrie ausgeschlossen wurden, von Ihnen erlassen worden?«

Ich lasse die ersten neun Zeilen der Antwort aus.

»Antwort: Soweit meine Beteiligung bei diesen jüdischen Angelegenheiten in Betracht kommt, fällt sie in meine Verantwortung. Ich habe später bedauert, daß ich je daran teilgenommen habe. Die Partei hatte früher immer einen Druck auf mich ausgeübt, um meine Zustimmung für die Enteignung des jüdischen Besitzes zu erhalten, was ich wiederholt abgelehnt habe. Aber später, als die antijüdischen Maßnahmen und die Gewalttätigkeiten gegen die Juden mit ganzer Stärke durchgeführt wurden, mußte etwas Gesetzliches unternommen werden, um die Plünderung und Beschlagnahme des gesamten jüdischen Eigentums zu verhindern.

Frage: Sie wußten, daß die Plünderung und all das, was man tat, auf Veranlassung der Partei geschah, nicht wahr?«

Der Angeklagte Funk fängt an zu weinen und antwortet:

»Damals hätte ich zurücktreten sollen, im Jahre 1938. Deshalb bin ich schuldig, ich bin schuldig, ich gestehe, daß ich als schuldiger Teil hier stehe!«

Wie wir gesehen haben, trug der Angeklagte Funk im Propagandaministerium dazu bei, das deutsche Volk für den Krieg stimmungsreif zu machen. Als er in seine Stellung als Wirtschaftsminister und später in andere bereits erwähnte Stellungen überwechselte, verwandte er seine Fähigkeiten auf das Hauptziel der Verschwörer, nämlich, die Vorbereitung zum Kriege. Unmittelbar bevor der Angeklagte Funk im Jahre 1938 von dem Angeklagten Schacht das Wirtschaftsministerium übernahm, fand eine grundlegende Neuorganisation innerhalb des Ministeriums statt, durch die es mit dem Vierjahresplan als der obersten Kommandostelle der deutschen Kriegswirtschaft verschmolzen wurde. Diese Neuorganisation wurde durch einen von Göring als dem Beauftragten für den Vierjahresplan am 4. Februar 1938 unterzeichneten Erlaß in Kraft gesetzt. Dieser Erlaß erschien in einer amtlichen, von Göring herausgegebenen Monatsschrift, die in der englischen Übersetzung den Titel »The Four Year Plan«, »Der Vierjahresplan«, trägt, und befindet sich in Band II des Jahres 1938 auf Seite 105. Der Gerichtshof wird gebeten, hiervon amtlich Kenntnis zu nehmen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz bemerken, daß diese Verordnung zu erkennen gibt, daß der Angeklagte Funk in der entscheidenden Zeitspanne eine wichtige Rolle bei der Aufgabe der wirtschaftlichen Mobilisierung übernahm. In der Tat erhielt er im Jahre 1938 den Auftrag, die deutsche Wirtschaft für den Krieg vorzubereiten. Durch einen geheimen Erlaß wurde er zum Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft ernannt und übernahm die Funktionen, die vorher der Angeklagte Schacht ausgeübt hatte. In diesem Zusammenhang beziehe ich mich auf Dokument 2194-PS, das bereits als Beweismaterial unterbreitet worden ist. Dieses Dokument, das sich auf Seite 111 des dem Gerichtshof vorliegenden Dokumentenbuchs befindet, besteht aus einem Briefe vom 6. September 1939, dem eine Abschrift des Reichsverteidigungsgesetzes vom 4. September 1938 beigefügt war. Mit dieser Beilage wollen wir uns jetzt beschäftigen. Ich möchte von Seite 4 der Übersetzung verlesen, und zwar vom zweiten bis vierten Absatz:

»Aufgabe des GBW ist es, alle wirtschaftlichen Kräfte in den Dienst der Reichsverteidigung zu stellen und das Leben des deutschen Volkes wirtschaftlich zu sichern. Ihm unterstehen der Reichswirtschaftsminister, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, der Reichsarbeitsminister...«

und so weiter.

»Er leitet ferner verantwortlich die Finanzierung der Reichsverteidigung im Bereich des Reichsfinanzministeriums und der Reichsbank.«

Nun zitieren wir einen weiteren Absatz:

»Der GBW hat den Forderungen des OKW, die für die Wehrmacht von wesentlicher Bedeutung sind, zu entsprechen und die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Produktion der vom OKW unmittelbar geleiteten Rüstungsindustrie nach diesen Forderungen sicherzustellen.«

Dieses Gesetz setzt in der Hauptsache die schon früher im Reichsverteidigungsgesetz vom Jahre 1935 erlassenen Bestimmungen wieder in Kraft. Ich will den Gerichtshof durch weiteres Verlesen nicht aufhalten, möchte aber bemerken, daß das Gesetz auf unmittelbaren Befehl Hitlers geheim behandelt wurde, und daß es von dem Angeklagten Funk als dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft mitunterzeichnet war. Der Hohe Gerichtshof wird die Unterschrift Funks auf der vorletzten Seite des Dokuments finden; ich lenke außerdem Ihre Aufmerksamkeit auf die Namen seiner Mitunterzeichner.

Der Angeklagte Funk hat in einer Rede vom 14. Oktober 1939 erklärt, wie er als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft schon anderthalb Jahre vor Beginn des Angriffs gegen polen die Vorbereitung der deutschen Wirtschaft für den Krieg gefördert habe. Ich unterbreite als Beweismaterial Dokument 3324-PS, US-661. Dieses Dokument ist ein deutsches Buch von Berndt und von Wedel und trägt in der englischen Übersetzung den Titel »Germany in the fight«, »Deutschland im Kampf«. In diesem Buch ist die Rede des Angeklagten Funk abgedruckt. Ich zitiere jetzt von Seite 2 der Übersetzung des Dokuments 3324-PS, die sich auf Seite 116 des Dokumentenbuchs befindet. Die Übersetzung dieser Rede ist etwas unbeholfen, und mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs möchte ich mich etwas anders ausdrücken, ohne den Sinn irgendwie zu ändern.

Ich zitiere:

»Waren mithin in die Aufgaben und die Arbeit des Vierjahresplans unter Leitung des Generalfeldmarschalls Göring sämtliche Wirtschafts- und Finanzressorts eingespannt, so wurde die kriegswirtschaftliche Vorbereitung Deutschlands auch noch auf einem anderen Sektor seit Jahr und Tag in aller Stille vorangetrieben, nämlich durch die Errichtung eines staatlichen Lenkungsapparats für die besonderen kriegswirtschaftlichen Aufgaben, die in dem Augenblick zu bewältigen waren, wo der Kriegszustand eintrat. Auch für diese Arbeit waren sämtliche Wirtschaftsressorts in einer Verwaltungsbehörde zusammengefaßt, nämlich bei dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, zu dem mich der Führer vor etwa eineinhalb Jahren berufen hat.«

VORSITZENDER: Wann wurde diese Rede gehalten?

LEUTNANT MELTZER: Das Datum dieser Rede ist der 14. Oktober 1939, Herr Vorsitzender! In seiner doppelten Rolle als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft und Wirtschaftsminister war der Angeklagte Funk natürlich über die Anforderungen unterrichtet, die das Angriffsprogramm der Verschwörer an die deutsche Wirtschaft stellte. In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof auf Dokument 1301-PS hinweisen, das als Beweismaterial bereits vorgelegt worden ist. Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, enthält diese Urkunde einen als »Geheime Kommandosache« bezeichneten Bericht über eine Besprechung, die am 14. Oktober 1938 im Büro des Angeklagten Göring stattgefunden hat. Der Hohe Gerichtshof findet diesen Bericht auf Seite 142 des Dokumentenbuchs. Ich werde lediglich die wesentlichen Teile dieses Dokuments zusammenfassen.

In der Sitzung sprach Göring über die Weltlage und über die Weisung Hitlers, ein riesiges Rüstungsprogramm durchzuführen. Er wies deshalb das Wirtschaftsministerium an, den Export zu erhöhen, um die notwendigen Devisen zur Beschleunigung der Aufrüstung zu erhalten. Er fügte hinzu, wie sich der Hohe Gerichtshof erinnern wird, daß die Luftwaffe um das Fünffache zu vergrößern sei, daß die Kriegsmarine rascher aufrüsten und daß das Heer die Herstellung von Angriffswaffen beschleunigen müsse. Die Worte des Angeklagten Göring, die u. a. an Funk gerichtet wurden, waren die eines Mannes, der sich bereits im Kriegszustand befand, und der Nachdruck, den er auf die fünffache Vergrößerung der Luftwaffe und auf die Herstellung von Angriffswaffen legte, waren die Willensäußerungen eines Mannes, der bereit war, Angriffskriege zu führen.

Nach Schachts Rücktritt war Funk die Hauptperson bei der Vorbereitung der Finanzierungspläne für den Krieg. Das war nur natürlich, da nach 1939 der Angeklagte Funk drei für die Kriegsfinanzierung ausschlaggebende Stellungen innehatte. Zwei haben wir bereits erwähnt: die eines Wirtschaftsministers und die eines Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft. Darüber hinaus war er Präsident der Reichsbank.

Funks Rolle in der Finanzierung des Krieges wird durch das Dokument 3562-PS veranschaulicht, das ich jetzt als Beweisstück US-662 einführe. Dieses Dokument wurde in den erbeuteten Akten des Reichswirtschaftsministeriums gefunden und enthält unter anderem einen Brief des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, der in seinem Auftrag von Dr. Posse unterschrieben ist. Dieser Brief datiert vom 1. Juni 1939 und enthält den Bericht über eine Besprechung, die sich mit der Finanzierung des Krieges beschäftigte und die unter dem Vorsitz von Funks Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Dr. Landfried, stattfand. Ein Durchschlag dieses Dokuments, das ich dem Gerichtshof unterbreitet habe, trägt eine Randnotiz auf Seite 1, unten links, die vom 5. Juni datiert ist, und lautet: »Herrn Minister« – das ist Funk – »zur gefl. Kenntnisnahme vorzulegen.«

In der Verhandlung, an der zwölf Beamte teilnahmen, von denen fünf dem Angeklagten Funk als dem Chef verschiedener Ressorts verantwortlich waren, wurde eine die Kriegsfinanzierung betreffende Denkschrift besprochen, die von dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft am 9. Mai 1939 vorbereitet worden war. Ich möchte von Seite 2 der englischen Übersetzung, die sich auf Seite 153 des dem Gerichtshof vorliegenden Dokumentenbuchs befindet, kurz zitieren:

»Es gelangte darauf der Inhalt des ›Vermerks zur Frage der inneren Kriegsfinanzierung‹ vom 9. Mai d. J. zum Vortrag, in dem auch die mir vom Reichsfinanzminister genannten Zahlen erörtert wurden. Es wurde darauf hingewiesen, daß es dem OKW in erster Linie darauf ankäme, den Gedanken einer Finanzierung der Kriegsausgaben durch Vorgriffe auf künftige, nach dem Krieg zu erwartende Einnahmen des Reiches, in die Kriegsfinanzgesetzgebung einzuführen.«

Und nun möchte ich noch einen anderen kurzen Auszug aus dieser wichtigen Denkschrift zitieren, der sich auf Seite 2 der englischen Übersetzung und auf Seite 153 des Dokumentenbuchs befindet:

»Herr Staatssekretär Neumann stellte zunächst zur Erörterung, ob die Produktion den Anforderungen der Wehrmacht im Kriegsfall in dem angenommenen Umfange werde folgen können, insbesondere dann, wenn die Anforderungen der Wehrmacht sich, wie vorgetragen worden sei, auf rd. 14 Md. für die ersten drei Kriegsmonate erhöhten. Wenn man die Produktionsfähigkeit des gegenwärtigen Reichsgebietes zugrunde legte, so habe er Zweifel an der Möglichkeit einer derartigen Produktionssteigerung.«

Man sieht also, daß der Angeklagte Funk umfassende Befugnisse über einen großen Teil der deutschen Wirtschaft innehatte, deren gründliche Organisierung und Leitung für die wirksame Durchführung der Kriegsvorbereitungen entscheidend war. Die einst so machtvolle Militärmaschine, die auf einer gründlichen wirtschaftlichen Vorbereitung beruhte, war ein sichtbares Zeichen für die Mitarbeit, die der Angeklagte Funk der Nazi-Aggression geleistet hatte.

Funk leistete diesen Beitrag in voller Kenntnis der Pläne eines militärischen Angriffskriegs. Ein zwingender Schluß für seine Kenntnis ergibt sich aus verschiedenen Faktoren: aus Funks langem und intimem Zusammenwirken mit dem inneren Kreise der Nazis, aus der besonderen Art seiner amtlichen Tätigkeit selbst, aus der kriegerischen Atmosphäre in Nazi- Deutschland und aus der Tatsache, daß Gewalt und Gewaltandrohung das hauptsächlichste und offenbare Hauptinstrument der deutschen Außenpolitik geworden waren. Der letzte Punkt, den man für die Abwägung der Frage nach Funks Kenntnis heranziehen muß, ist natürlich die Tatsache, daß zu der gleichen Zeit, während Funk seine wirtschaftlichen Vorbereitungen traf, bereits besondere Angriffspläne ausgearbeitet wurden, die später nur deshalb in die Tat umgesetzt werden konnten, weil sie mit ergänzenden wirtschaftlichen Maßnahmen in Einklang gebracht worden waren.

Die Schlußfolgerung auf die Kenntnis des Angeklagten Funk wird über jeden Zweifel erhoben, wenn man die bereits in dem Verhandlungsbericht niedergelegten mehr spezifischen und direkten Beweismittel im Licht der oben beschriebenen Faktoren betrachtet. Wir haben aus dem Dokument 1760-PS ersehen, daß der Angeklagte Funk seinerzeit Herrn Messersmith mitgeteilt hatte, daß der Anschluß Österreichs an Deutschland eine politische und wirtschaftliche Notwendigkeit sei, und daß er mit allen für notwendig erachteten Mitteln durchgeführt werden würde. Wir haben uns bereits auf Dokument 1301-PS bezogen, in dem der Angeklagte Göring Weisungen erließ, die nur als Anordnungen zur Vorbereitung der wirtschaftlichen Grundlage für einen Angriffskrieg aufgefaßt werden konnten. Dokument 3562-PS hat gezeigt, daß der Angeklagte Funk ins einzelne gehende Pläne für die Finanzierung eines Krieges ausgearbeitet hatte, der nur ein ganz bestimmter Krieg sein konnte, nämlich ein solcher gegen Polen. In Verbindung damit möchte ich auf ein weiteres wichtiges Beweisstück hinweisen, das bereits in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen worden ist. Es handelt sich um einen Brief vom 25. August 1939, den der Angeklagte Funk an Hitler gerichtet hat. In diesem Brief spricht Funk, wie der Gerichtshof sich erinnern wird, seinen Dank dafür aus, daß er Gelegenheit hätte, diese weltgeschichtliche Zeit mitzuerleben und seinen Beitrag zu diesen gewaltigen Ereignissen beizusteuern. Er dankte Hitler dafür, daß er seine Vorschläge zur Vorbereitung der deutschen Wirtschaft für den Krieg gutgeheißen habe.

Darüber hinaus enthält das Verhandlungsprotokoll Beweise dafür, daß der Angeklagte Funk sowohl persönlich als auch durch seine Mitarbeiter an der wirtschaftlichen Planung, die dem militärischen Angriff gegen die Sowjetunion vorausging, teilgenommen hat. Ich möchte den Gerichtshof auf Dokument 1039-PS hinweisen, aus dem hervorgeht, daß im April 1941 der Angeklagte Rosenberg, der als Kommissar für die Zentralisierung der Probleme der besetzten Ostgebiete, das heißt der Sowjetunion, ernannt worden war, mit dem Angeklagten Funk die wirtschaftlichen Probleme besprach, die sich ergeben würden, wenn die Angriffspläne im Osten herangereift wären. Das Dokument 1039-PS zeigt weiterhin, daß der Angeklagte Funk einen gewissen Dr. Schlotterer zu seinem Vertreter ernannte, um mit Rosenberg wegen der Ausbeutung der Ostgebiete zusammenzuarbeiten, und daß Schlotterer fast täglich mit Rosenberg zusammenkam.

Es ist danach offensichtlich, daß der Angeklagte Funk an jeder Phase des Programms der Verschwörer beteiligt war, angefangen von ihrer Machtübernahme bis zu ihrer endgültigen Niederlage. Während dieser Zeit arbeitete er, wenn auch manchmal mehr im stillen als manche anderen, tatkräftig für das Nazi-Programm, das, wie er genau wußte, von Anfang an die rücksichtslose Anwendung von Terror und Gewalt innerhalb Deutschlands und, wenn nötig, auch außerhalb Deutschlands vorsah. Wir sind der Auffassung, daß er eine besondere, unmittelbare und schwere Verantwortung für die Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen den Frieden sowie für Kriegsverbrechen trägt. Der Verhandlungsbericht läßt, wenn wir das Beweismaterial zusammenfassen, klar erkennen, daß er durch seine Tätigkeit im Propagandaministerium und im Wirtschaftsministerium verantwortlich ist für die Anregung und Durchführung der unerbittlichen Verfolgung der Juden und anderer Minderheiten, ebenso wie für die seelische Mobilisierung des deutschen Volkes für den Angriffskrieg und für die Unterwühlung des Widerstandswillens und der Widerstandsfähigkeit der seitens der Verschwörer ausersehenen Opfer. Wir behaupten ferner, daß es erwiesen ist, daß der Angeklagte Funk in voller Kenntnis der Ziele der Verschwörer in seiner Stellung als Wirtschaftsminister, Reichsbankpräsident und Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft an der Mobilmachung der deutschen Wirtschaft für den Angriffskrieg tatkräftig Anteil hatte. In diesen Ämtern und als Mitglied des Reichsverteidigungsrats und der Zentralen Planung war er ebenfalls an der Durchführung des Angriffskriegs beteiligt. Wie sich der Gerichtshof aus der Beweisführung von Herrn Dodd erinnern wird, formulierte und leitete der Angeklagte Funk darüber hinaus auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Zentralen Planung das Programm der Versklavung, Ausbeutung und Unterdrückung von Millionen ausländischer Arbeiter und trägt demnach einen besonderen Teil der Verantwortung für das nationalsozialistische Programm der Sklavenarbeit.

Die französische Anklagevertretung wird sich mit dieser Sache noch ausführlicher beschäftigen; außerdem werden die französische und russische Anklagevertretung Beweismaterial unterbreiten, nach dem der Angeklagte Funk aktiv an dem Programm für die verbrecherische Ausplünderung der besetzten Gebiete beteiligt war.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof, wir möchten nunmehr den Zeugen Dr. Franz Blaha aufrufen.