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[Der Zeuge Blaha betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER

[zu dem Zeugen]:

Heißen Sie Franz Blaha?

ZEUGE DR. FRANZ BLAHA [in tschechischer Sprache]: Dr. Franz Blaha, ja.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen: Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen, wenn Sie wollen.

MR. DODD: Sie sind Dr. Franz Blaha, geboren in der Tschechoslowakei und tschechoslowakischer Staatsbürger? Stimmt das?

DR. BLAHA [in tschechischer Sprache]: Ja.

MR. DODD: Soviel ich weiß, sprechen Sie Deutsch. Aus technischen Gründen schlage ich vor, daß wir dieses Verhör in deutscher Sprache abhalten, obwohl ich weiß, daß Tschechisch Ihre Muttersprache ist. Ist das richtig?

DR. BLAHA: Im Interesse dieses Prozesses bin ich bereit, meine Aussagen aus folgenden Gründen deutsch zu machen:

1. In den letzten sieben Jahren, die den Gegenstand meiner Aussagen bilden, habe ich ausschließlich in deutscher Umgebung gelebt.

2. Eine Reihe von speziellen Fachausdrücken, die sich auf das Leben in und um die Konzentrationslager beziehen, sind ausschließlich deutsche Erfindungen, und man findet in keiner Sprache ein entsprechendes Aequivalent.

MR. DODD: Dr. Blaha, Sie sind auf Grund Ihrer Erziehung, Ihrer Studien und von Beruf Doktor der Medizin?

DR. BLAHA [in deutscher Sprache]: Ja.

MR. DODD: Sie waren 1939 Leiter eines Krankenhauses in der Tschechoslowakei?

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Sie wurden von den Deutschen im Jahre 1939 nach der Besetzung der Tschechoslowakei verhaftet?

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Sie waren von 1939 bis 1941 in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert?

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Von 1941 bis April 1945 waren Sie im Konzentrationslager in Dachau?

DR. BLAHA: Ja, bis zu Ende.

MR. DODD: Bis dieses Lager von alliierten Truppen befreit wurde?

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Sie haben am 9. Januar 1946 in Nürnberg eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, stimmt das?

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Diese Erklärung, Hoher Gerichtshof, ist Dokument 3249-PS, und ich möchte es jetzt als Beweisstück US-663 unterbreiten. Ich glaube, daß wir die Länge dieses Verhörs beinahe um drei Viertel der Zeit abkürzen können, wenn wir diese eidesstattliche Erklärung vorlegen; ich möchte sie deshalb verlesen. Es wird viel weniger Zeit in Anspruch nehmen, wenn ich diese eidesstattliche Erklärung verlese, als ein Verhör mit Fragen und Antworten durchzuführen. Außerdem ist in der eidesstattlichen Erklärung ein großer Teil dessen enthalten, was wir von dem Zeugen hören wollen.

VORSITZENDER: Sehr gut.

MR. DODD: Ich brauchte sie nicht zu verlesen, wenn wir Zeit für die Anfertigung der russischen und französischen Übersetzung gehabt hätten, aber unglücklicherweise war dies in den wenigen uns zur Verfügung stehenden Tagen nicht möglich:

»Ich, Franz BLAHA, mache unter Eid und nach vorheriger Einschwörung folgende Erklärung:

1. Ich studierte Medizin in Prag, Wien, Straßburg und Paris und empfing mein Diplom im Jahre 1920. Vom Jahre 1920 bis 1926 war ich klinischer Assistent. Im Jahre 1926 wurde ich leitender Arzt des Iglau-Krankenhauses in Mähren, Czechoslovakei. Ich hielt diese Stellung bis 1939. Dann kamen die Deutschen nach Czechoslovakei, und ich wurde als Geisel festgenom men und gefangen gehalten wegen Zusammenarbeit mit der Tschechischen Regierung. Im April 1941 wurde ich als Gefangener zu dem Konzentrationslager nach Dachau gesandt und verblieb dort bis zur Befreiung des Lagers im April 1945. Bis Juli 1941 arbeitete ich in einer Strafkompanie. Nachher sandte man mich zu dem Krankenhaus, und ich wurde Typhoid-Versuchen unterworfen, die von Dr. Mürmelstadt durchgeführt wurden. Nachher wollte man an mir eine Versuchsoperation durchführen, und ich verhinderte das nur, indem ich zugab, daß ich ein Arzt war. Wenn diese Tatsache vorher bekannt war, hätte ich sehr darunter gelitten, weil Intellektuelle immer sehr rauh in den Strafkompanien behandelt wurden. Im Oktober 1941 wurde ich zur Arbeit zu den Gewürzplantagen geschickt und ging dann später in das Laboratorium, um an diesen Gewürzen zu arbeiten. Im Juni 1942 wurde in das Krankenhaus als Chirurg genommen. Kurz nachher wurde mir befohlen, Magenoperationen an 20 gesunden Gefangenen durchzuführen. Weil ich das nicht durchführen wollte, wurde ich in das Autopsiezimmer versetzt, wo ich bis zum April 1945 verblieb. Während ich dort war, führte ich ungefähr 7000 Autopsien durch. Insgesamt sind 12000 Autopsien unter meiner Leitung durchgeführt worden.

2. Von Mitte 1941 bis zum Ende 1942 sind ungefähr 500 Operationen an gesunden Gefangenen durchgeführt worden. Diese waren für die Belehrung der SS medizinischen Studenten und Ärzte und schließen Operationen am Magen, Gallenblase und Hals ein. Diese Operationen, obwohl gefährlich und schwer, sind von Studen ten und Ärzten durchgeführt worden, die nur 2 Jahre Schulung hatten. Gewöhnlichenfalls würden solche Operationen nur von Chirurgen unternommen werden, die mindestens 4 Jahre chirurgische Praxis hatten. Viele Gefangene starben am Operationstisch, und viele andere starben später von den Nachwirkungen. Ich habe alle diese Körper autopsiert. Die Ärzte, die diese Operationen leiteten, waren: Lang, Mürmelstadt, Wolter, Ramsauer und Kahr. Standartenführer Dr. Lolling war öfters Zeuge dieser Operationen.

3. Während meines Aufenthalts in Dachau wurde mir von vielen Arten medizinischer Versuche bekannt, die dort mit menschlichen Opfern durchgeführt wurden. Diese Personen waren niemals Freiwillige und wurden gezwungen, sich solchen Versuchen zu unterwerfen. Malaria-Versuche an ungefähr 1200 Menschen wurden von Dr. Klaus Schilling zwischen 1941 und 1945 durchgeführt. Schilling wurde persönlich von Himmler befohlen, diese Versuche durchzuführen. Die Opfer sind entweder von Mosquitos gebissen worden, oder es wurde ihnen Malaria-Sporozoiten, die man von Mosquitos nahm, eingespritzt. Verschiedene Arten von Behandlungen wurden angewandt, einschließlich Quinin, Pyrifer, Neosalvarsan, Antipirin, Pyramidon und ein Medikament mit dem Namen 2516 Behring. Ich habe die Körper der Menschen, die an diesen Malaria-Versuchen gestorben, autopsiert. Dreißig bis Vierzig sind von Malaria selbst gestorben. Dreihundert bis Vierhundert starben später von Krankheiten, die tödlich waren, wegen des körperlichen Zustandes, der nach den Mala ria-Anfällen auftrat. In Zufügung starben Menschen von Vergiftungen durch Über-Dosen von Neosalvarsan und Pyramiden. Dr. Schilling war zur Zeit der Autopsien auf den Körpern seiner Patienten, die ich durchführte, anwesend.

4. Im Jahre 1942 und 1943 sind Versuche an Menschen von Dr. Sigismund Rascher durchgeführt worden, um die Wirkungen des wechselnden Luftdrucks an Menschen festzustellen. 25 Personen sind zu gleicher Zeit in einen besonders konstruierten Wagen hineingeführt worden, in dem der Druck nach Bedarf erhöht und erniedrigt werden konnte. Der Zweck war, die Wirkungen der Höhen und des raschen Fallschirmabsprunges an Menschen festzustellen. Durch ein Fenster in diesem Behälter sah ich diese Menschen am Boden des Wagens liegen. Die meisten der Gefangenen, die dazu benutzt worden sind, starben von diesen Versuchen, von innerlichen Blutungen der Lunge oder des Gehirnes. Die Übrigen husteten Blut, wenn sie herausgenommen wurden. Es war meine Arbeit, die Körper herauszunehmen und dann, wenn sie tot gefunden worden sind, die inneren Organe nach München zum Studium zu schicken. Diese Versuche wurden an ungefähr vier- bis fünfhundert Gefangenen durchgeführt. Die Überlebenden sind zu Invalidenblocks gesandt worden und wurden kurz nachher liquidiert. Nur wenige sind entronnen.

5. Rascher hat auch Versuche über die Wirkung kalten Wassers an Menschen durchgeführt. Dies wurde getan, um einen Weg zu finden, die Flieger wieder zu beleben, die in den Ozean fielen. Die Person wurde ins eiskalte Wasser gesetzt und dort solange gehalten, bis er das Bewußtsein verlor. Blut wurde von seinem Hals genommen und jedes Mal geprüft, wenn seine Körper- Temperatur um einen Grad fiel. Dieser Fall wurde durch ein Rectal-Thermometer festgestellt. Urin wurde auch zeitweise geprüft. Manche Männer hielten 24-36 Stunden aus. Die niedrigste Körpertemperatur erreichte 19 Grad C., aber die meisten Männer starben bei 25 bis 26 Grad Celsius. Als die Menschen vom Eiswasser entfernt wurden, hat man versucht, sie durch Kunst-Sonnenwärme, heißes Wasser, Elektro-Therapie und Tierwärme zu beleben. Für das letztere sind Prostituierte benutzt worden, und man legte den Körper des bewußtlosen Mannes zwischen die Körper zweier Frauen. Himmler war bei so einem Versuch anwesend. Ich konnte ihn durch ein Fenster von der Blockstraße sehen. Ich war persönlich bei einigen dieser Kaltwasser-Versuche anwesend, zur Zeit, wo Rascher abwesend war, und ich sah auch Notizen und Diagramme darüber in Raschers Laboratorium. An ungefähr 300 Personen wurden diese Versuche durchgeführt. Die Mehrzahl von denen starb. Von denen, die überlebten, wurden viele geisteskrank. Diejenigen, die nicht starben, wurden in die Invalidenblocks geschickt und wurden dann später genau so wie die Opfer der Luftdruckversuche getötet. Ich kenne nur zwei, die überlebten, einen Jugoslawen und einen Polen. Beide sind geisteskrank.

6. Leber-Punktion-Versuche sind von Dr. Brachtl durchgeführt worden, sowohl an gesunden Menschen als auch an Menschen, die Krankheiten des Magens und der Gallenblase hatten. Es wurde eine Nadel in die Leber einer Person gestoßen, und ein kleines Stück der Leber wurde herausgenommen. Es wurde keine Narkose benützt. Dieser Versuch ist sehr schmerzhaft und hatte oft ernste Nachfolgen, da der Magen oder große Blutadern oft durchlöchert, wodurch ein Blutsturz verursacht wurde. Viele Menschen sind an diesen Versuchen gestorben, und es wurden dazu polnische, russische, tschechische und deutsche Häftlinge herbeigenommen. Insgesamt sind ungefähr 175 Menschen diesen Versuchen unterworfen worden.

7. Phlegmone-Versuche sind von Dr. Schütz, Dr. Babor, Dr. Kieselwetter und Prof. Lauer, durchgeführt worden. 40 gesunde Menschen sind auf einmal benützt worden, von denen 20 intramuskuläre und 20 intravenöse Injektionen von dem Eiter kranker Menschen erhielten. Drei Tage lang wurde jede Behandlung dieser Menschen verboten, zu welcher Zeit ernste Entzündungen, und in vielen Fällen allgemeine Blutvergiftung auftrat. Dann wurde jede Gruppe wieder in Gruppen von 10 unterteilt. Die Hälfte chemische Behandlung mit Flüssigkeit und Pillen, die alle 10 Minuten 24 Stunden lang eingegeben wurden. Der Rest wurde mit Sulfonamide und Chirurgie behandelt. In manchen Fällen sind alle Glieder amputiert worden. Meine Autopsie zeigte auch, daß die chemische Behandlung schädlich war und sogar Perforationen der Magenwand verursachte. Für diese Versuche sind gewöhnlich polnische, tschechische und holländische Priester benützt worden. Die Versuche waren sehr schmerzhaft. Die meisten der sechs bis acht hundert Personen, die dazu benützt wurden, starben am Ende. Die anderen wurden Invaliden und wurden später getötet.

8. Im Herbst 1944 wurden an 60 bis 80 Menschen Salzwasser-Versuche durchgeführt. Sie wurden 5 Tage lang in ein Zimmer eingesperrt und bekamen nichts anderes als Salzwasser zu essen. Während dieser Zeit ist ihr Urin, Blut und Exkrement geprüft worden. Keiner dieser Gefangenen starb, möglicherweise, weil sie Nahrung von anderen Gefangenen geschmuggelt bekamen. Ungarn und Zigeuner sind für diese Versuche benützt worden.

9. Es war allgemein üblich, die Häute der Leichen toter Gefangener zu entfernen. Es wurde mir öfters befohlen, dies zu tun. Dr. Rascher und Dr. Volter im besonderen verlangte diese menschliche Haut von Menschen-Rücken und -Brüsten. Sie wurde chemisch behandelt und in die Sonne zum Trocknen gelegt. Nachher wurde sie in verschiedenen Größen zugeschnitten für Benützung von Sättel, Reithosen, Handschuhe, Hausschuhe und Damenhandtaschen. Tätowierte Haut wurde besonders von den SS-Männern geschätzt. Russen, Polen und andere Häftlinge sind auf diese Art benutzt worden, aber es war verboten, die Haut eines Deutschen auszuschneiden. Diese Haut mußte von gesunden Personen kommen und durfte keine Fehler haben. Manchmal hatten wir nicht genügend Körper mit guter Haut, und dann würde Rascher gewöhnlich sagen: ›Gut, Ihr werdet die Körper bekommen‹. Den nächsten Tag erhielten wir dann 20 bis 30 Körper junger Men schen. Sie sind gewöhnlich in den Hals geschossen worden oder auf den Kopf geschlagen worden, so daß die Haut unbeschädigt blieb. Wir bekamen auch häufig Verlangen für die Schädel und Skelette von Gefangenen. In diesen Fällen kochten wir den Schädel oder den Körper in einem Kessel. Dann wurden die weichen Teile entfernt, die Knochen gebleicht und getrocknet und dann wieder zusammengesetzt. Bei den Schädeln war es wichtig, gute Zähne zu haben. Als wir eine Anfrage für Schädel von Oranienburg bekamen, würden die SS-Männer sagen: ›Wir werden versuchen, Euch einige mit guten Zähnen zu verschaffen.‹ Deswegen war es gefährlich, eine gute Haut oder gute Zähne zu haben.

10. Transporte von Struthof, Belsen, Auschwitz und Mauthausen und aus anderen Lagern kamen oft in Dachau an. Viele von diesen waren 10 bis 14 Tage unterwegs, ohne Wasser und Nahrung. An einem solchen Menschentransport, der im November 1942 ankam, konnte ich Spuren von Menschenfresserei sehen. Die lebenden Gefangenen hatten das Fleisch der toten Körper gegessen. Ein anderer Transport kam von Compiegne, Frankreich. Professor Limousin von Clermont-Ferrand, der später mein Assistent wurde, sagte mir, daß 2000 Personen auf diesem Transport waren, wenn er begonnen hat. Essen war vorhanden, aber überhaupt kein Wasser. 800 starben unterwegs und wurden hinausgeworfen. Wenn der Transport nach 12 Tagen ankam, wurden mehr als 500 Personen am Zug tot vorgefunden. Von den übrigen sind die meisten kurz nach der Ankunft gestorben. Ich habe diesen Transport untersucht, weil das Internationale Bote Kreuz sich darüber beschwerte. Die SS wollte einen Bericht, daß die Toten durch Kämpfe und Aufstände unterwegs verursacht wurden. Ich habe einige der Körper untersucht und habe gefunden, daß sie durch Wassermangel und Erstickung gestorben sind. Es war damals Hochsommer, 120 Menschen wurden in jeden Waggon gestopft.

11. Im Jahre 1941 und 1942 hatten wir im Lager die sogenannten Invaliden-Transporte. Diese setzten sich von Menschen zusammen, die entweder krank oder aus irgendeinem Grund arbeitsunfähig waren. Wir nannten sie ›Himmelfahrt-Kommandos‹. Jede Woche wurden ungefähr 100 bis 120 gezwungen, zu dem Brausebad zu gehen. Dort wurde ihnen von 4 Menschen Injektionen von Phenol, Evipan oder Benzin eingegeben, die einen baldigen Tod verursachten. Nach 1943 sind diese Invaliden zu anderen Lagern zur Liquidierung verschickt worden. Ich weiß, daß sie getötet worden sind, da ich die Protokolle und Statistiken sah, die mit einem Kreuz und dem Datum ihrer Abfahrt versehen wurde. Dies war die übliche Art und Weise, wie Tote registriert wurden. Das wurde sowohl in der Kartothek des Lagers Dachau als auch im Registrar des Standesamtes Dachau angezeigt. 1000 bis 2000 sind alle 3 Monate so weggefahren, so daß ungefähr 5000 im Jahre 1943 auf diese Art und Weise zum Tod gesandt wurden. Dasselbe bewahrheitet sich auch im Jahre 1944. Im April 1945 wurde ein jüdischer Transport in Dachau aufgeladen und wurde an der Eisenbahn stehen gelassen. Der Bahnhof war durch Bombardierung beschädigt und sie konnten nicht wegfahren. So wurden sie einfach dort zum Sterben gelassen. Man ließ sie nicht aussteigen. Zur Zeit, wo das Lager befreit wurde, waren sie alle durch Hungersnot tot.

12. Viele Hinrichtungen durch Gas, Erschießungen und Injektionen fanden im Lager statt. Die Gaskammer wurde im Jahre 1944 vollendet, ich wurde von Dr. Rascher gerufen, um die ersten Opfer zu untersuchen. Von den 8 bis 9 Personen, die in der Kammer waren, waren drei noch am Leben, und die anderen schienen tot zu sein. Ihre Augen waren rot und ihre Gesichter aufgedunst. Viele Gefangene wurden später auf diese Art und Weise getötet. Nachher wurden sie zum Krematorium gebracht, wo ich ihre Zähne auf Gold untersuchen mußte. Wenn sie Gold enthielten, wurden sie herausgezogen. Viele kranke Häftlinge sind durch Injektionen im Krankenhaus getötet worden. Manche Häftlinge, die im Krankenhaus getötet wurden, kamen in den Autopsie- Saal ohne den Zettel mit ihrem Namen und Nummer, die gewöhnlich auf der großen Zehe angebunden war. Anstatt dessen hatten sie einen Zettel angebunden: ›Nicht Sezieren‹. Ich habe einige dieser Häftlinge autopsiert und gefunden, daß sie vollkommen gesund waren und nur durch Injektionen ihren Tod fanden. Manchmal sind Häftlinge getötet worden nur, weil sie unter Dysenterie litten oder erbrachen, sodaß sie den Pflegern zu viel Mühe gaben. Geisteskranke wurden liquidiert, indem sie zur Gaskammer geführt wurden und dort entweder Injektionen bekamen oder erschossen wurden. Die übliche Methode der Hinrichtung war Erschießen. Häftlinge konnten vor dem Krematorium erschossen werden und dann hineingetragen werden. Ich habe gesehen, wie Menschen in die Öfen hineingestoßen wurden, als sie noch atmeten und Geräusche machten. Im Falle sie zu lebendig waren, wurden sie gewöhnlich auf den Kopf geschlagen.

13. Die Haupthinrichtungen, von denen ich weiß, da ich die Opfer untersuchte oder solche Untersuchungen leitete, waren die folgenden: Im Jahre 1942 sind 5000 bis 6000 Russen in einem abgegrenzten Lager in Dachau gefangen gehalten worden. Sie sind in Gruppen von 500 bis 600 zu dem Schießplatz in der Nähe des Lagers zu Fuß genommen worden und wurden dort erschossen. Solche Gruppen verließen das Lager ungefähr drei Mal in der Woche. Am Abend gingen wir hinaus, um die Körper auf Rollwagen zurückzuholen und sie dann zu untersuchen. Im Februar 1944 kamen ungefähr 40 russische Studenten von Moosburg an. Ich kannte einige dieser Jungen im Spital. Ich untersuchte ihre Körper, nachdem sie vor dem Krematorium erschossen wurden. Im September 1944 wurde eine Gruppe von 94 hohen russischen Offizieren erschossen, einschließlich zwei Militärärzte, die zusammen mit mir im Krankenhaus arbeiteten.

Ich untersuchte ihre Leichen. Im April 1945 wurde eine Anzahl prominenter Leute erschossen, die in dem Bunker gehalten waren. Darunter waren zwei französische Generale, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann. Aber ich erkannte sie an ihrer Uniform. Ich untersuchte sie, nachdem sie erschossen worden waren. Im Jahre 1944 und 1945 ist eine Anzahl von Frauen durch Hängen, Schießen und Injektionen getötet worden. Ich untersuchte sie und fand, daß sie in manchen Fällen schwanger waren. Im Jahre 1945, kurz bevor das Lager befreit wurde, wurden alle ›Nacht- und Nebel‹-Häftlinge hingerichtet. Diese waren Häftlinge, denen verboten war, irgendeine Verbindung mit der Außenwelt zu haben. Sie waren besonders abgegrenzt und es war ihnen nicht gestattet, Briefe zu senden oder zu erhalten. Es waren 30 bis 40, und manche von ihnen waren krank. Diese sind auf Tragbahren zu dem Krematorium getragen worden. Ich untersuchte sie und fand, daß sie alle in den Hals geschossen worden sind.

14. Von 1941 an wurde das Lager immer mehr überfüllt. Im Jahre 1943 war das Krankenhaus für die Häftlinge schon überfüllt. Im Jahre 1944 und 1945 wurde es unmöglich, irgendwelche sanitäre Zustände aufrecht zu halten. Säle, die im Jahre 1942 300 oder 400 Personen hielten, wurden im Jahre 1943 mit 1000 Personen gefüllt und im ersten Vierteljahr von 1945 mit 2000 oder mehr. Die Zimmer konnten nicht gereinigt werden, weil sie zu überfüllt waren und kein Reinigungsmaterial vorhanden war. Nur einmal im Monat konnte gebadet werden. Klosett-Einrichtungen waren vollständig unzureichend. Medizin war fast überhaupt keine vorhanden, aber, nachdem das Lager befreit wurde, konnte ich feststellen, daß genug Medizin für das ganze Lager im SS-Krankenhaus vorhanden war, wenn es uns zur Verfügung gestellt worden wäre. Neue Ankömmlinge im Lager wurden stundenlang im Freien aufgestellt. Manchmal standen sie von früh bis nacht. Es spielte keine Rolle, ob das im Winter oder im Sommer war. Das kam vor während 1943, 1944 und dem ersten Vierteljahr von 1945. Ich konnte diese Formationen durch das Fenster meines Autopsie-Saales sehen. Viele der Menschen, die auf diese Art in der Kälte stehen mußten, wurden lungenkrank und starben. Ich hatte verschiedene Bekannte, die auf diese Art und Weise während 1944 und 1945 getötet worden sind. Im Oktober 1944 wurde von einem Transport von Ungarn Fleckfieber in das Lager gebracht und eine Epidemie begann. Ich untersuchte viele Leichen dieser Transporte und meldete die Lage zu Dr. Hintermayer. Er verbat mir auf Todesstrafe zu erwähnen, daß eine Typhus-Epidemie im Lager sei. Er sagte, daß es Sabotage wäre, und ich versuchte, eine Quarantäne auf das Lager aufzulegen, so daß die Häftlinge nicht in der Rüstungs-Industrie arbeiten mußten. Überhaupt keine verhindernde Maßnahmen sind genommen worden. Neue gesunde Ankömmlinge wurden in Blocks gesetzt, wo eine Epidemie schon anwesend war. Es sind auch infizierte Personen in diese Blocks gesandt worden. Der dreißigste Block zum Beispiel ist drei Mal ausgestorben. Erst zu Weihnachten, wenn die Epidemie sich in das SS-Lager verbreitete, wurde eine Quarantäne auferlegt. Trotzdem sind neue Transporte weiter angekommen. Wir hatten 200 bis 300 Typhusfälle im Tag und ungefähr hundert Todesfälle im Fleckfieber im Tag. Insgesamt hatten wir 28000 Fälle und 15000 Tote. Außer diesen, die von Krankheiten starben, konnte ich auch durch meine Autopsien sehen, daß viele Tote nur durch Unterernährung verursacht wurden. Solche Todesfälle kamen in allen Jahren vor, von 1941 bis 1945. Es waren meistens Italiener, Russen und Franzosen. Diese Menschen sind einfach zu Tode gehungert worden. Zur Zeit des Todes wogen die Menschen von 50 bis 60 Pfund. Autopsien zeigten, daß ihre inneren Organe oft zu einem Drittel ihrer ursprünglichen Größe zusammengeschrunken waren.

Die oben erklärten Tatsachen sind wahr. Diese meine Erklärung erfolgte freiwillig und ohne Zwang; ich habe sie gelesen und am 9. Januar 1946 in Nürnberg, Deutschland, gezeichnet.1

Unterschrift: Dr. Franz Blaha.

Unterschrieben und vor mir am 9. Januar 1946 in Nürnberg, Deutschland, beschworen.

Leutnant Daniel P. Margolies.«

MR. DODD [das Verhör fortsetzend]: Dr. Blaha, wollen Sie, bitte, angeben, ob das Dachauer Lager während Ihrer Anwesenheit von Besuchern aufgesucht wurde?

DR. BLAHA: Sehr viele Besucher sind in unser Lager gekommen, so daß es uns manchmal vorkam, als ob wir überhaupt nicht in einem Lager, sondern vielmehr in einer Ausstellung oder in einem Wildgarten gehalten wären. Manchmal auch jeden Tag ist ein Besuch oder Exkursion der militärpolitischen, von den Schulen, von den verschiedenen medizinischen und anderen Anstalten gekommen. Außerdem sind auch viele von der Polizei, von der SS, von der Wehrmacht gekommen und dann außerdem sind auch...

VORSITZENDER: Wollen Sie, bitte, zwischen die einzelnen Sätze kurze Pausen eintreten lassen, damit die Übersetzungen der Dolmetscher durchkommen können? Verstehen Sie?

DR. BLAHA: Ja. Außerdem sind auch einige Staatspersönlichkeiten ins Lager gekommen. Gewöhnliche Inspizierungen hat Monat pro Monat der Generalinspekteur der Konzentrationslager, Obergruppenführer Pohl, gemacht; dann Inspekteur der Experimentalstationen, den SS-Reichsführer, Professor Grawitz; Standartenführer Dr. Lolling und andere Persönlichkeiten.

MR. DODD: Der Herr Vorsitzende bat darum, daß Sie etwas langsamer sprechen und zwischen den Sätzen Pausen machen, damit die Dolmetscher Ihre Aussagen genau übersetzen können.

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Können Sie sagen, wie lange diese Besuche durchschnittlich dauerten?

DR. BLAHA: Das war verschieden, um welche Besuche es sich gehandelt hat. Manche waren drin halbe bis eine Stunde, manche drei, vier Stunden.

MR. DODD: Haben zu irgendeiner Zeit während Ihrer Anwesenheit prominente Regierungspersönlichkeiten das Lager besucht?

DR. BLAHA: Wenn ich da war, waren drin mehrere Persönlichkeiten in unser Lager gekommen; war das der Reichsführer Himmler, der mehrmals nach Dachau gekommen und auch den Versuchen anwesend war. Dabei war ich persönlich anwesend. Dann waren andere Persönlichkeiten. Ich hab allein drei Staatsminister gesehen, und von anderen mehreren hab ich von den politischen Häftlingen, Deutschen, die diese Leute gekannt haben, gehört, daß sie im Lager waren. Außerdem habe ich auch zwei Mal die hohe italienische Offiziere drin gesehen und ein Mal einen japanischen Offizier.

MR. DODD: Können Sie sich an die Namen irgend welcher dieser prominenten Regierungsbeamten erinnern, oder erinnern Sie sich besonders an irgendeinen von ihnen?

DR. BLAHA: Ja. Außer dem Himmler war es Bormann, dann Gauleiter Wagner und Giesler, dann die Staatsminister Frick, Rosenberg, Funk, Sauckel, dann der Polizeigeneral Daluege und noch andere.

MR. DODD: Haben diese soeben von Ihnen genannten Personen einen Rundgang durch das Lager gemacht, während Sie dort waren?

DR. BLAHA: Gewöhnlich war die Rundreise um das Lager bei dem Besuche so veranstaltet, daß die Leute zuerst in die Küche geführt wurden, dann in die Wäscherei, dann ins Hospital und zwar gewöhnlich auf die chirurgische Station, dann auf die Malariastation des Professor Schilling und Experimentalstation des Dr. Rascher. Dann sind sie weitergegangen in einige Blöcke, besonders der deutschen Häftlinge, und manchmal haben sie auch die Kapelle besucht, die innen aber bloß für deutsche Geistliche hergerichtet war. Manchmal wurden auch diesen Besuchern verschiedene Persönlichkeiten vorgeführt und vorgestellt. Es war das so veranstaltet, daß immer als erster ein grüner Berufsverbrecher auserwählt wurde, der als Mörder vorgestellt wurde, dann als zweiter ist gewöhnlich der Wiener Bürgermeister Dr. Schmitz vorgestellt worden, als weiterer ein hoher tschechischer Offizier, dann ein Homosexueller, ein Zigeuner, ein katholischer Bischof oder anderer höherer polnischer Priester und wieder ein Universitätsprofessor, in dieser Reihe nach, so daß sich die Besucher immer ganz gut unterhalten haben.

MR. DODD: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie Kaltenbrunner als einen der Besucher des Lagers nannten oder nicht?

DR. BLAHA: Ja, auch Kaltenbrunner war anwesend, und zwar zusammen mit dem General Daluege. Es war im Jahre, glaub ich, 43, weil ich hab auch Interesse für den General Daluege gehabt, der damals nach Heydrichs Tod Protektor in Böhmen und Mähren wurde, und ich wollte ihn erkennen.

MR. DODD: Haben Sie Kaltenbrunner persönlich dort gesehen?

DR. BLAHA: Ja, wurde mir gezeigt. Ich hab ihn früher nicht gesehen.

MR. DODD: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie auch den Namen Frick als einen der Leute genannt haben, die Sie dort gesehen hatten?

DR. BLAHA: Ja, es war im Jahr 44 und zwar in der ersten Hälfte.

MR. DODD: Wo haben Sie ihn gesehen? An welcher Stelle im Lager haben Sie ihn gesehen?

DR. BLAHA: Ich habe ihn vom Fenster vom Hospital aus gesehen, wenn er mit seinem Stabe mit mehreren Personen eintrat.

MR. DODD: Sehen Sie den Mann mit Namen Frick, den Sie dort an jenem Tage gesehen haben, jetzt hier im Gerichtssaal?

DR. BLAHA: Ja, es ist der vierte in dem ersten Bank, vom rechter Seite.

MR. DODD: Wenn ich recht verstehe, nannten Sie auch den Namen Rosenberg als eine der Personen, die Sie dort gesehen haben?

DR. BLAHA: Ich kann mich erinnern, das war bald nach meiner Ankunft im Konzentrationslager Dachau, daß drin ein Besucher war, und damals haben mir meine deutschen Kameraden den Rosenberg gezeigt.

MR. DODD: Sehen Sie diesen Mann jetzt hier im Gerichtssaal?

DR. BLAHA: Ja, er ist der Zweite weiter nach links, zweite in dem ersten Bank.

MR. DODD: Ich habe verstanden, daß Sie auch Sauckel als eine der im Lager anwesenden Personen nannten?

DR. BLAHA: Jawohl, aber den hab ich persönlich nicht gesehen. Bloß hab ich gehört, daß er hat auch gewisse Manufakturen – deutsche Ausrüstungswerke damals besucht; und zwar das war im 43er Jahr, glaube ich.

MR. DODD: War es damals allgemein im Lager bekannt, daß ein Mann namens Sauckel das Lager, und insbesondere die Munitionsfabrik, besucht hat?

DR. BLAHA: Ja, das wurde allgemein bekannt im Lager.

MR. DODD: Ich habe auch verstanden, daß Sie Funk als einen der Besucher des Lagers genannt haben?

DR. BLAHA: Ja. Der war auch anwesend bei einem Besuch und ich kann mich erinnern, daß es bei Gelegenheit eines Staatsgesprächs war, zwischen den Achsenmächten in Salzburg oder Reichenhall. Das war nämlich Gewohnheit, daß bei solchen Gelegenheiten, wenn ein Parteitag oder Feier in München, Berchtesgaden oder Salzburg war, daß verschiedene Persönlichkeiten von diesen Feierlichkeiten nach Dachau zu Besuch kamen. Das war auch mit dem Funk Fall.

MR. DODD: Haben Sie persönlich Funk dort gesehen?

DR. BLAHA: Nein, ich hab den Funk damals nicht persönlich gesehen, ich hab bloß erfahren, daß er drin war.

MR. DODD: War das im Lager damals allgemein bekannt?

DR. BLAHA: Ja, diese Sache haben wir schon vorher gewußt, daß er kommen soll.

MR. DODD: Fanden nach Ende des Jahres 1944 oder Anfang 1945 noch irgendwelche Besuche im Lager statt?

DR. BLAHA: Es waren noch einige Besuche, aber sehr wenige, weil damals im Lager Fleckfieberepidemie war, und dann war Quarantäne aufgehängt worden.

MR. DODD: Herr Doktor, Sie sind jetzt der Leiter eines Krankenhauses in Prag, nicht wahr?

DR. BLAHA: Ja.

MR. DODD: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen zu stellen.

VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Anklagevertreter Fragen zu stellen? Oberst Pokrowsky?