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[Oberst Pokrowsky nickt zustimmend.]

Wir machen jetzt eine Pause von zehn Minuten.

[Pause von 10 Minuten.]

OBERST Y. V. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Ich bitte um die Erlaubnis, an diesen Zeugen einige Fragen zu stellen.

[Zum Zeugen gewandt]:

Sagen Sie, Zeuge, ist Ihnen bekannt, welches die besonderen Aufgaben des Konzentrationslagers Dachau waren? War es wirklich ein Vernichtungslager?

DR. BLAHA: Bis zu dem Jahre 1943 war es wirklich ein Vernichtungslager. Seit dem Jahre 1943 hat man drin viele Werkstätten und Munitionsfabriken errichtet, auch innen dem Lager, besonders wenn dann Bombardement begann, und dann wurde es mehr Arbeitslager. Aber was die Erfolge betrifft, war kein Unterschied dabei, weil die Leute wieder so schwer und hungrig arbeiten mußten, dann anstatt durch die Schlägerei durch Hunger und Erschöpfung gestorben.

OBERST POKROWSKY: Soll ich Sie so verstehen, daß in Wirklichkeit bis 1943 und auch nach 1943 Dachau ein Vernichtungslager war, und daß es dort verschiedene Arten von Vernichtung gab?

DR. BLAHA: Ja.

OBERST POKROWSKY: Wieviele sind nach Ihren eigenen Beobachtungen durch das Vernichtungslager Dachau gegangen? Wieviel Häftlinge kamen ursprünglich aus der USSR? Wieviele sind Ihrer Ansicht nach durch das Lager gegangen?

DR. BLAHA: Das kann ich ganz genau nicht sagen, bloß approximativ; zuerst, und das war seit November 1941, waren es ausschließlich die russische Kriegsgefangenen in den Militäruniformen. Die haben Extra-Lager gehabt und waren in einigen Monaten liquidiert worden. Im Sommer 42 wurden Reste von diesen, ich glaube 12000 Kriegsgefangenen, nach Mauthausen überführt worden, und wie ich von den Leuten, die von Mauthausen nach Dachau gekommen, gehört habe, waren drin in Gaskammer liquidiert, dann nach den Kriegsgefangenen waren nach Dachau die russische Kinder gebracht worden. Es waren, so glaub ich, 2000 sechs- bis siebzehnjährige Burschen, die waren auf einer auf zweien Extrablöcken gehalten, waren besonders groben Leuten, den Grünen zugeteilt, die sie auf jedem Schritt geschlagen haben. Auch diese junge Burschen...

OBERST POKROWSKY: Was verstehen, Sie unter den »Grünen«?

DR. BLAHA: Das waren die sogenannten Berufsverbrecher, die haben diese jungen Burschen geschlagen und in schwerste Arbeiten geführt. Sie haben besonders in den Plantagen gearbeitet, wo sie Pflüge, Sämaschinen, Straßenwalzen anstatt, daß man Pferde und Motoren verwendete. Auch bei allen Transportkommanden waren damals ausschließlich die russische Kinder. Es sind, glaub ich, mindestens 70 Prozent an Tuberkulose gestorben und die Reste waren dann in dem Jahre Ende 43 oder Anfang 44 ins Tirol in einen Extra-Lager geschickt worden; dann nach den Kindern sind mehrere tausend sogenannte Ostarbeiter umgebracht worden. Das waren die Zivilleiter, die von den Ostgebieten nach Deutschland verschleppt worden und dann wegen sogenannter Arbeitssabotage ins Konzentrationslager gekommen. Außerdem sind dann viele russische Offiziere und Intellektuelle gekommen.

OBERST POKROWSKY: Ich bitte Sie, Ihre Antwort sorgfältiger zu formulieren bezüglich der Personen, die Sie die »Grünen« genannt haben. Habe ich Sie richtig dahin verstanden, daß diese Schwerverbrecher die Pflicht hatten, die ankommenden Häftlinge zu überwachen?

DR. BLAHA: Ja.

OBERST POKROWSKY: Und diese Berufsverbrecher hatten volle Gewalt über die Kinder, und sie schlugen und mißhandelten diese Kinder von russischen Staatsangehörigen und ließen sie Arbeiten verrichten, die weit über ihre Kräfte gingen, so daß sie tuberkulös wurden?

DR. BLAHA: Ja.

OBERST POKROWSKY: Was ist Ihnen über die in diesem Lager durchgeführten Hinrichtungen von Angehörigen der Sowjetunion bekannt?

DR. BLAHA: Ich glaube, daß ich nicht weit von der Wahrheit bin, daß von allen exekutierten Personen an mindestens 75 Prozent die russische Personen waren, und daß sowie die Männer sowie auch die Frauen, welche von außen zu Hinrichtung nach Dachau gebracht wurden.

OBERST POKROWSKY: Können Sie uns nähere Einzelheiten über die Hinrichtung von 94 höheren Feld- und Stabsoffizieren der Roten Armee geben, über die Sie bereits in Beantwortung einer Frage meines Kollegen gesprochen haben? Wer waren diese Offiziere und welchen Rang hatten sie inne? Welches waren die Gründe für ihre Hinrichtung? Wissen Sie irgendetwas darüber?

DR. BLAHA: Im Sommer oder späten Frühling 44 sind höhere russische Offiziere, Generale, Obersten, Majoren nach Dachau geschickt worden. Sie wurden in den darauffolgenden Wochen von der politischen Abteilung untersucht, das heißt, sie sind von jedem Verhör total zerschlagen ins Lagerhospital gebracht worden, so daß ich einige gesehen habe und gut gekannt habe, welche wochenlang bloß am Bauch liegen mußten, und mußten wir ihnen die abgestorbenen Teile von Haut und Muskel operativ entfernen. Manche haben auch diesen Untersuchungsmethoden unterlegen, die andere 94 Leute an Zahl wurden dann auf Anordnung von Berlin Hauptsicherheitsamt Anfang September 44 ins Krematorium gebracht und drin kniend durch Genickschuß getötet.

Außerdem, im Winter und Frühling 45, wurden mehrere russische Offiziere aus Einzelhaft ins Krematorium gebracht und dort entweder aufgehängt oder sind erschossen worden.

OBERST POKROWSKY: Eine gleiche Frage wollte ich bezüglich der Hinrichtung der 40 russischen Studenten stellen. Können Sie uns Einzelheiten darüber geben?

DR. BLAHA: Ja, diese russischen Studenten und überhaupt auch Intellektuelle, ich kann mir erinnern, daß auch ein Arzt zwischen ihnen war, sind von dem Moosburger Lager nach Dachau gebracht worden und nach einem Monat alle hingericht. Das war im März 1944.

OBERST POKROWSKY: Ist Ihnen vielleicht bekannt, welches der Anlaß für ihre Hinrichtung war?

DR. BLAHA: Das ist von Berlin gekommen. Sonst die Begründung haben wir nicht erfahren, weil ich bin immer erst nach der Exekution zu den Leichen gekommen und die Begründung wurde vor der Exekution vorgelesen.

OBERST POKROWSKY: Erweckten diese Hinrichtungen den Eindruck, daß sie Stufen in dem allgemeinen Plan zur Vernichtung der Menschen waren, die nach Dachau kamen?

DR. BLAHA: Ja, das war überhaupt in allen Exekutionen und in allen Invalidtransporten und so weiter Plan, und so auch mit den Epidemie behandeln zu sehen, daß das immer ein Teil des Vernichtungsplan war und besonders, das muß ich betonen, daß die russische Gefangenen immer am schlechtesten von allen behandelt wurden.

OBERST POKROWSKY: Wollen Sie uns, bitte, sagen, was Ihnen über diejenigen Lagerinsassen bekannt ist, die zur Kategorie »Nacht und Nebel« gehörten? Gab es viele solcher Häftlinge? Kennen Sie den Grund, warum sie ins Konzentrationslager gebracht wurden?

DR. BLAHA: Viele Häftlinge, sogenannte »Nacht und Nebel«, sind ins Konzentrationslager gekommen, und zwar unter dieser Bezeichnung waren es am meisten die Leute von den Westländern Europas, besonders die Franzosen, Belgier und Holländer; von den russischen Leuten haben mehrmals diese, das war auch bei den Tschechen Fall, auch in meinem Fall, Bemerkung »Rückkehr unerwünscht«. Das war eigentlich dasselbe. Viele von diesen Leuten wurden kurz vor der Befreiung auf Befehl vom Lagerkommandanten hingerichtet, das heißt, vor dem Krematorium erschossen. Zwischen diesen Leuten waren das besonders die Franzosen und Russen, waren auch viele, die schweren Fleckfieber gehabt haben und mit 40 Grad Temperatur auf den Tragbahren zu dem Kugelfang gebracht wurden.

OBERST POKROWSKY: Es scheint mir, daß Sie etwas über die beträchtliche Anzahl von Gefangenen erwähnt haben, die Hungers gestorben sind. Können Sie mir sagen, wie hoch die Zahl der Leute war, die Hungers starben?

DR. BLAHA: Ich glaub, daß zwei Drittel der gesamten Besatzung vom Lager an schwere Unterernährung gelitten haben und mindestens 25 Prozent von allen Gestorbenen waren direkt verhungert worden; man hat das auf deutsch Hungertyphus genannt. Außerdem war aber die am meisten verbreitete Krankheit im Lager die Tuberkulose, die auch aus diesem Grund verbreitet war, und die hat besonders unter den russischen Leuten die meisten Opfer gehabt.

OBERST POKROWSKY: Es scheint mir, daß Sie in Beantwortung einer Frage meines Kollegen ausgesagt haben, daß die Mehrzahl derjenigen, die an Hunger und Erschöpfung starben, Russen, Franzosen und Italiener waren. Wie erklären Sie es, daß in dieser Kategorie von Häftlingen eine größere Anzahl verhungerte als in anderen?

DR. BLAHA: Ja.

OBERST POKROWSKY: Wie erklären Sie es, daß gerade Russen, Franzosen und Italiener die größte Anzahl der Menschen stellten, die Hungers starben? Machte man Unterschiede in der Verpflegung der Gefangenen der verschiedenen Nationalitäten, oder gab es einen anderen Grund?

DR. BLAHA: Das war so, daß die anderen, die Deutschen, Polen, Tschechen, die schon längere Zeit im Lager waren, haben Zeit gehabt, sich gewissermaßen, wenn man das so sagen kann, den Lagerverhältnissen angepaßt haben, körperlich meine ich, die Russen, die haben immer rasch gewechselt; dasselbe war der Fall mit den Franzosen und mit den Italienern. Außerdem diese drei Nationen am meisten sind von den anderen Lagern schon in einem schlechten Ernährungszustand gekommen, so daß sie dann den weiteren Epidemien und Krankheiten bald unterlegen sind. Außerdem die Deutschen, Polnischen und manche andere, welche in den Rüstungswerken gearbeitet haben, haben Möglichkeit gehabt, seit dem Jahre 43 von zu Hause die Pakete zu bekommen, das selbstverständlich war nicht der Fall von Sowjetunion, Frankreich oder Italien.

OBERST POKROWSKY: Können Sie die Frage beantworten, was Rosenberg, Kaltenbrunner, Sauckel oder Funk gesehen haben, als sie im Dachauer Konzentrationslager waren? Und wissen Sie, was ihnen gezeigt wurde?

DR. BLAHA: Das habe ich nicht Möglichkeit gehabt, diese Visite zu verfolgen, das war bloß eine sehr seltene Gelegenheit, wenn man von Fenster aus diese Visiten zusehen konnte, und wohin sie gegangen, zu beobachten. Ich hab bloß seltene Möglichkeit gehabt, beim Himmler Besuchen und beim Obergruppenführer Pohl und einmal beim Gauleiter Giesler anwesend zu sein, wie ihnen die Experimente oder die Patienten im Hospital vorgeführt wurden. Von der anderen habe ich keine Ahnung in den individuellen Fällen, was sie in dem Lager gesehen und gemacht haben.

OBERST POKROWSKY: Hatten Sie vielleicht Gelegenheit, zu beobachten, wie lange sich diese Leute im Lager aufgehalten haben? Wissen Sie, ob ihr Aufenthalt sehr kurz war, nur einige Minuten lang, oder haben sie sich länger aufgehalten? Ich meine hier Rosenberg, Kaltenbrunner, Sauckel und Funk.

DR. BLAHA: Das war verschieden, manche Besuche war drin halbe Stunde, wie ich gesagt habe, manche sind auch drei Stunden geblieben. Das haben wir immer ganz gut beobachten können, weil zu dieser Zeit man überhaupt nicht arbeiten konnte. Auch wurde nicht Kost ausgegeben, haben wir nicht unsere Arbeiten im Hospital gemacht und mußten wir immer warten bis uns Signal gegeben wurde, daß die Visit schon den Lager verlassen hatte. Sonst anders konnte ich das nicht beurteilen in den individuellen, speziellen Fällen, wie lange diese Visiten im Lager geblieben.

OBERST POKROWSKY: Können Sie sich an den Besuch Kaltenbrunners, Rosenbergs, Funks und Sauckels erinnern? Können Sie nach dem, was Sie gerade gesagt haben, erklären, ob es kurze Besuche waren, oder ob sich diese Leute einige Stunden aufgehalten haben? Haben Sie meine Frage verstanden?

DR. BLAHA: Das kann ich leider nicht sagen, weil, wie ich gesagt habe, die Besuche dort waren so oft an der Tagesordnung, daß man überhaupt nach den Jahren nicht feststellen kann, ob sie kurze oder längere waren. Manche Visiten zum Beispiel von den Schulen, von den Militär- und Polizeischulen waren drin auch über den ganzen Tag.

OBERST POKROWSKY: Danke. Ich habe in diesem Stadium der Verhandlung keine weiteren Fragen an diesen Zeugen.

M. CHARLES DUBOST, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Sie haben auf einen Transport von französischen Deportierten hingewiesen, die von Compiegne kamen und von denen nur 1200 Überlebende ihr Ziel erreichten? Gab es noch andere Transporte?

DR. BLAHA: Ja, es waren die Transporten besonders von Bordeaux, von Lyon und von Compiegne, alle in der ersten Hälfte des Jahres 44.

M. DUBOST: Fanden alle diese Transporte unter den gleichen Umständen statt?

DR. BLAHA: Alle Umständen dieser Transporten waren, wenn die nicht dieselbe, so sehr ähnlich.

M. DUBOST: Konnten Sie jeweils bei der Ankunft feststellen, daß es zahlreiche Opfer gab?

DR. BLAHA: Ja.

M. DUBOST: Welches waren die Ursachen des Todes?

DR. BLAHA: Die Gründe des Todes waren, daß die Leute immer zuviele in einem Waggon zusammengepreßt wurden, dann verschlossen, ohne mehrere Tage entweder Nahrungsmittel oder etwas zu trinken zu bekommen. Gewöhnlich wurden sie entweder verhungert oder erstickt worden. Von den Überlebenden haben wir sehr viele in dem Lagerhospital bekommen und wieder ein großer Teil ist dann auf verschiedene Komplikationen und Krankheiten gestorben.

M. DUBOST: Haben Sie Autopsien an diesen Personen, die während des Transports gestorben sind, vorgenommen?

DR. BLAHA: Ja, besonders in dem Transport von Compiegne wurde ich aufgefordert, weil es wurde eine Gerüchte verbreitet worden, daß sich die Franzosen, die »Maquisten«, zusammen mit den Faschisten, in den Waggonen angegriffen haben und erschlagen. Ich mußte alle diese Toten beschauen, aber hab ich auf keinem Gewalttaten festgestellt. Außerdem habe ich 10 Leichen als Stichproben herausgenommen und gründlich seziert und Extraprotokolle daraus nach Berlin geschickt. Alle diese Leichen sind an Erstickung gestorben. Ich konnte auch feststellen bei den Untersuchen, daß es prominente Leuten von Frankreich waren. Nach den Legitimationen und nach den Uniformen hab ich festgestellt, daß es waren hohe französische Offiziere, Priester, Abgeordneter und gut ernährte Leute, die direkt vom Zivilleben ins Waggonen gebracht wurden und nach Dachau geschickt wurden.

M. DUBOST: Blieben die Bedingungen, unter denen die Transporte stattfanden, dieselben, nachdem Sie diese Berichte nach Berlin weitergegeben haben?

DR. BLAHA: Es ist nichts geschehen, wie immer. Das waren immer große Berichte geschrieben, aber die Bedingungen haben sich überhaupt nicht verbessert.

M. DUBOST: Sie haben angegeben, daß französische Generale kurz vor der Befreiung des Lagers getötet wurden; kennen Sie die Namen dieser Generale?

DR. BLAHA: Leider habe ich diese Namen vergessen, ich kann mich bloß erinnern, das hab ich von den Gefangenen, die mit ihnen in den Bunkern gehalten wurden, das waren nämlich die prominente Personen von Deutschland und anderen Gebieten, war drin auch Pastor Niemöller, dann war drin auch französischer Prinz, war drin Schuschnigg, Mitglieder der Französischen Regierung, und manche andere, die haben mir gesagt, daß einer von den erschossenen Generalen war ein naher Verwandte von dem General de Gaulle, der Name hab ich leider vergessen.

M. DUBOST: Wenn ich Sie recht verstehe, dann waren diese Generale Kriegsgefangene, die man in die Konzentrationslager gebracht hatte?

DR. BLAHA: Diese zwei Generale, die waren überhaupt nicht im Konzentrationslager, die wurden mit den anderen prominenten Persönlichkeiten in dem sogenannten Kommandantur-Arrest, das heißt im Bunker, abgetrennt vom Lager, gehalten. Ich bin zwar bei den verschiedenen Gelegenheiten, wenn sie ärztliche Hilfe gebraucht hatten, mit ihnen in Zusammenhang gekommen, aber das war sehr selten. Sonst mit den anderen Häftlingen sind sie überhaupt nicht zusammengekommen.

M. DUBOST: Gehörten sie zur Kategorie derjenigen Deportierten, deren Rückkehr unerwünscht war, oder zur »Nacht- und Nebel«- Kategorie?

DR. BLAHA: Das weiß ich nicht; es war zwei Tage vorher, daß alle die andere, die drin im Bunker gehalten wurden, mit Extratransport nach Tirol weggeschickt wurden. Das war, glaub ich, so eine Woche oder acht Tage vor der Befreiung.

M. DUBOST: Sie haben angegeben, daß zahlreiche Besucher, deutsche Offiziere, Studenten, deutsche politische Persönlichkeiten, öfters das Lager besucht haben. Können Sie mir sagen, ob auch Leute aus dem Volk, wie Arbeiter oder Bauern, wußten, was in dem Lager vorging?

DR. BLAHA: Meiner Meinung nach mußten die Leute in der Umgebung von München das alles wissen, weil die Häftlinge haben täglich in die verschiedene Werke in München oder in Umgebung ausgerückt und bei der Arbeit sind auch sehr oft mit den Zivilarbeiter in Zusammenhang gekommen. Außerdem auf den Plantagen, in den Betrieben der Deutschen Ausrüstungswerke sind sehr oft verschiedene Lieferanten und auch Konsumenten gekommen, die das alles gesehen haben, was drin mit den Häftlingen gemacht wurde, und wie sie ausgeschaut haben.

M. DUBOST: Können Sie sagen, wie die Franzosen behandelt wurden?

DR. BLAHA: Also, wenn ich gesagt habe, daß am schlechtesten die Russen behandelt wurden, die Franzosen wurden die zweite in der Reihe. Selbstverständlich es wurden Unterschiede in der Behandlung der einzelnen Leute gemacht, ganz anders wurden die sogenannte Nacht- und Nebel-Gefangenen behandelt oder die prominente politische Persönlichkeiten und Intellektuelle. Das war Fall bei allen Nationen, und anders wurden auch Arbeiter und Bauern behandelt.

M. DUBOST: Wenn ich Sie recht verstanden habe, dann war die Behandlung der französischen Intellektuellen besonders streng. Können Sie sich an die Behandlung einiger französischer Intellektuellen erinnern, und können Sie uns vielleicht Namen nennen?

DR. BLAHA: Ich hab viel Kameraden von der Reihe der Ärzten und Universitätsprofessoren drin gehabt, welche mit mir in dem Hospital gearbeitet haben. Leider eine große Reihe von diesen sind an Fleckfieber gestorben. Überhaupt, von den Franzosen sind am meisten am Fleckfieber gestorben. Ich kann mich am besten erinnern an Professor Limousin. Ich hab ihn, der mit dem Compiegne-Transport in sehr schlechten Zustand gekommen ist, als Pathologen, als Assistenten, in meine Anstalt genommen. Dann hab ich den Bischof von Clermont-Ferrand gekannt. Waren drin noch andere Ärzte und Universitätsprofessoren, die ich gekannt habe. Kann mich auf den Professor Dr. Roche erinnern, Dr. Lemartin und noch viele andere. Die Namen sind mir schon entfallen.

M. DUBOST: Wurden Sie im Verlauf der Unterredungen, die Sie mit Rascher gehabt haben, über das Ziel der Experimente, die er unternahm, unterrichtet?

DR. BLAHA: Ich hab die Frage nicht verstanden. Verzeihen Sie mir, daß...

M. DUBOST: Unterrichtete man Sie über das Ziel der medizinischen und biologischen Experimente, die von Dr. Rascher innerhalb des Lagers angestellt wurden?

DR. BLAHA: Also, Dr. Rascher hat ausschließlich die sogenannten Luftwaffenversuche im Lager geleitet. Er war Major der Luftwaffe und wurde beauftragt, die Verhältnisse bei den Parachutisten einerseits, zweitenseits bei den Leuten, die auf Meer, am Meer Notlandung machen müßten oder ins Meer hinausgefallen, zu studieren. Nach der wissenschaftlichen Regeln, das ich beurteilen kann, hat das überhaupt gar keinen Zweck gehabt, und war das überhaupt wie bei allen diesen Versuchen bloß eine unnützliche Mörderei, und man muß bewundern, daß besonders die gelehrten Universitätsprofessoren und Ärzte konnten planmäßig diese Versuchen zu machen, was viel schlechter war, als alle Liquidierungen, als Hinrichtungen, weil allen diesen Versuchsopfern wurde das Leiden immer bloß verlängert und verschiedene Medizinmittel wie Vitaminen, Hormonen, tonische Sachen und Injektionen, die für die gewöhnliche Patienten nicht bei der Hand waren, diesen Patienten zugestellt wurden, bloß damit diese Versuche längere Zeit dauern können und die Leute ihre Opfer längere Zeit zu beobachten kann.

M. DUBOST: Ich spreche im Augenblick nur von den Experimenten des Dr. Rascher. Hatte er den Befehl bekommen, diese Versuche anzustellen, oder führte er diese aus eigener Initiative durch?

DR. BLAHA: Das war direkt auf Himmler Befehl gemacht worden, und auch Dr. Rascher war in engen, man kann sagen verwandtschaftlichen Beziehungen mit dem Himmler. Hat ihn sehr oft besucht, und Himmler ist mehrmals wieder zu dem Dr. Rascher an Besuch gekommen.

M. DUBOST: Sind Sie unterrichtet über die Art der Ärzte, die diese Versuche anstellten? Handelte es sich immer um SS, oder waren es Ärzte, die von den Fakultäten der Universitäten kamen und nicht der SS angehörten?

DR. BLAHA: Das war verschieden, zum Beispiel Malaria-Station wurde von dem Professor Klaus Schilling von Koch-Institut in Berlin geleitet. Auf der Phlegmone-Station waren auch verschiedene Universitätsprofessoren. Auf der Chirurgische Station waren bloß SS-Ärzte. Auf der Luftwaffe-Station waren bloß SS-Ärzte und Militärärzte. Das war nicht immer dasselbe. Die Meerwasserversuche hat Professor Beigelböck aus Wien geleitet.

M. DUBOST: Wurden die Versuche für die Luftwaffe lediglich auf Befehl Himmlers vorgenommen?

DR. BLAHA: Himmler.

M. DUBOST: Wissen Sie, und das soll die letzte Frage sein, wieviele Franzosen insgesamt durch dieses Lager gegangen sind?

DR. BLAHA: Ich glaube, es waren mindestens 8 oder 10000 Leuten, die ins Lager gekommen. Außerdem weiß ich ganz gut, daß besonders in den letzten Zeiten mehrere tausend von franzosischen Häftlingen von den Westlagern, besonders Nachweiler, Struthof und so weiter zu Fuß marschierten, und bloß ganz kleine Überreste sind Dachau erreicht.

M. DUBOST: Ich danke Ihnen.

VORSITZENDER: Können Sie uns sagen, welcher deutschen Truppengattung die im Lager angestellten Personen angehörten?

DR. BLAHA: Wenn ich das gut verstanden habe, also das Oberste Kommando über alle Sachen, die im Lager geschehen, hat sogenannten Hauptsicherheitsamt in Berlin; alle Anforderungen und alle Befehle sind von Berlin gekommen; auch in den Experimentalstationen wurde immer ein gewisser und ganz bestimmter Kontingent der Versuchsobjekten von Berlin aus festgestellt worden, und wenn die experimentierte Ärzte einen größeren Zahl gebraucht haben, mußten neue Anforderung nach Berlin schicken.

VORSITZENDER: Jawohl, aber ich möchte wissen, welcher Truppengattung die Männer angehörten, die im Lager angestellt waren?

DR. BLAHA: Es waren lauter SS-Leute und am meisten SD. In der letzten Zeiten, das war schon zu Ende, waren drin als Posten einige von der Wehrmacht; aber als Leitende waren lediglich SS-Leute.

VORSITZENDER: Waren irgendwelche Gestapoleute dort?

DR. BLAHA: Jawohl, das war sogenannte politische Abteilung; die wurde von dem Vorstehender der Münchener Gestapo geleitet. Die hat alle Vernehmungen und alle Bestimmungen in seiner Macht und hat auch die Anträge zu den Exekutionen und auch zu den Transporten, Invalidentransporten gemacht. Auch alle Leute, die zu den Experimenten zugestellt wurden, mußten Bewilligung von der politischen Abteilung bekommen.

VORSITZENDER: Wünscht irgendeiner der Verteidiger den Zeugen im Kreuzverhör zu vernehmen?

DR. SAUTER: Herr Zeuge, Sie haben uns erzählt, daß einmal auch der Angeklagte Funk in Dachau gewesen sei, und Sie haben uns berichtet, wenn ich Sie recht verstanden habe, es sei das anläßlich irgendeiner Feier oder eines Staatsgesprächs zwischen den Achsenmächten gewesen. Nun bitte ich, Ihr Gedächtnis etwas anzustrengen und uns zu sagen, wann ungefähr das war. Vielleicht – Moment noch – vielleicht können Sie uns das Jahr sagen; vielleicht können Sie uns auch die Jahreszeit angeben, und vielleicht können Sie uns auch sagen, welche dieser politischen Feiern in Frage kommt.

DR. BLAHA: Was der Staatsminister Funk betrifft, kann ich erinnern, daß es war, eine, glaub ich, eine Finanzministerkonferenz, davon wurde in den Zeitungen geschrieben, daß sie stattfinden soll, und damals haben wir schon voraus einen Bericht bekommen, daß einige von den Ministern auch nach Dachau kommen; dann ist wirklich in den nächsten Tagen ein solcher Besuch gekommen und man hat gesagt, daß Minister Funk dabei war. Es war, glaub ich, in der ersten Hälfte des Jahres 44. Ganz bestimmt kann man das nicht sagen.

DR. SAUTER: Sie meinen also erste Hälfte 44? Anläßlich einer Finanzministerbesprechung, Finanzministerbesprechung?

DR. BLAHA: Ja.

DR. SAUTER: Wo hat denn die Finanzministerbesprechung stattgefunden?

DR. BLAHA: Wenn ich noch erinnern kann, ich hab das nicht registriert, selbstverständlich war das entweder in Salzburg oder Reichenhall oder Berchtesgaden, nahe von München, glaub ich.

DR. SAUTER: Von wem haben Sie denn damals erfahren, daß da am nächsten oder übernächsten Tag hoher Besuch kommen soll?

DR. BLAHA: Das haben wir immer eine Anordnung bekommen, wir sollen alles für solche Besuch vorbereiten; das wurden immer große Vorbereitungen gemacht worden, alles gereinigt, alles mußte in Ordnung sein, nicht wahr, und die Leute, die eventuell unerwünscht dabei waren oder gewissermaßen vielleicht gefährlich waren, mußten verschwinden. Also da haben wir immer bei solch großen Besuchen ein oder zwei Tage vorher einen Befehl bekommen vom Lagerkommandantur, und auch immer dieser Besuch wurde von dem Lagerkommandant begleitet.

DR. SAUTER: Von dem Lagerkommandanten? Und wenn Sie wissen und wenn davon gesprochen worden ist, daß der Angeklagte Funk dabei war, dann wird man sich, denke ich, im Lager vielleicht auch darüber unterhalten haben, welche sonstigen Personen bei diesem einen Besuch des Angeklagten Funk noch dabei waren.

DR. BLAHA: Das kann ich mich nicht erinnern, es waren immer viele verschiedene Persönlichkeiten.

DR. SAUTER: Das andere interessiert mich nicht. Mich interessiert nur, ob Ihnen nicht bei dem Besuch, den der Funk abgestattet haben soll, im Lager erzählt worden ist, die und die Persönlichkeiten sind dabei.

DR. BLAHA: Das können ich mich nicht schon erinnern.

DR. SAUTER: Können Sie sich auch nicht erinnern, ob nicht nachher, vielleicht am nächsten oder übernächsten Tag, etwas darüber erzählt worden ist, vielleicht von Leuten, die den Besuch gesehen haben?

DR. BLAHA: Ja, wir haben davon immer sich unterhaltet, aber jetzt kann ich schon nicht erinnern, was für alle Persönlichkeiten dabei genannt wurden.

DR. SAUTER: Herr Zeuge, mich interessiert nicht ein anderer Besuch, sondern immer nur, solange ich nichts anderes sage, der Besuch, und da würde mich interessieren, hat man da gar nichts darüber erzählt, nachher, wer eigentlich außer dem Funk dabei gewesen sein soll?

DR. BLAHA: Das weiß ich nicht; es waren so viele Besuche, daß zum Beispiel bei einem Besuch den nächsten Tag schon ein anderer Besuch angemeldet worden.

DR. SAUTER: Sie erinnern sich an den Besuch von Funk auch; also, wenn andere Finanzminister zum Beispiel dabei gewesen wären, könnte man denken, daß Sie sich auch an diese anderen Leute erinnern würden?

DR. BLAHA: Das kann ich mich nicht erinnern, vielleicht haben die Leute, mit welchen ich gesprochen habe, die anderen nicht erkannt.

DR. SAUTER: Wissen Sie, warum, oder vielleicht anders gefragt, welche Abteilungen des Lagers dieser Besuch, den der Funk abgestattet haben soll, damals besucht hat? Zu Ihnen ist er jedenfalls nicht gekommen?

DR. BLAHA: Nein, nein, in der pathologischen Abteilung nicht.

DR. SAUTER: Nicht? Aber Sie waren auch vorbereitet?

DR. BLAHA: Jawohl, alle Abteilungen mußten immer vorbereitet worden, auch wenn überhaupt kein Besuch gekommen; das ist auch manchmal passiert, daß Besuch angemeldet wurde und dann von verschiedenen Gründen daraus nichts war.

DR. SAUTER: Herr Zeuge, sind Sie über diese Ihre Beobachtungen, die Sie uns heute erzählt haben, schon öfter vernommen worden?

DR. BLAHA: Zu erste Mal wurde ich vernommen über diese Geschichte vor dem Militärgericht in Dachau.

DR. SAUTER: Haben Sie da auch etwas erzählt, daß Funk dabei gewesen sei? Ich wiederhole, haben Sie beim Militärgericht in Dachau auch etwas davon erzählt, daß Funk dabei gewesen sei?

DR. BLAHA: Ja, ich habe vor dem Dachaugericht dasselbe erzählt.

DR. SAUTER: Von Funk?

DR. BLAHA: Auch von Funk.

DR. SAUTER: Stimmt das aber auch Herr Zeuge? Ich frage nochmal, ob das auch wirklich stimmt, denn Sie sind ja als Zeuge vereidigt worden.

DR. BLAHA: Ja.

DR. SAUTER: Vorgestern sind Sie ja auch vernommen worden.

DR. BLAHA: Ja.

DR. SAUTER: Haben Sie da das von Funk auch erzählt?

DR. BLAHA: Bei dem Untersuchungsrichter von der Anklage hab ich dasselbe erzählt.

DR. SAUTER: Steht das auch im Protokoll drin, das Sie, glaube ich, unterzeichnet haben?

DR. BLAHA: Ich hab keinen Protokoll unterzeichnet.

DR. SAUTER: Sie haben kein Protokoll unterzeichnet?

DR. BLAHA: Nein. Ich hab bloß unterzeichnet, was da in der Anklage vorgelesen wurde.

DR. SAUTER: Ja, das ist ja ein Protokoll.

DR. BLAHA: Ja, aber drin, aber drin ist nichts von diesen Besuchen.

DR. SAUTER: Warum haben Sie denn vorgestern diese Besuche nicht angegeben?

DR. BLAHA: Das hat mich mündlich gefragt und Herr Anklager hat mir gesagt, daß diese Sachen werden da im Gerichtssaal mündlich durchgehandelt worden.

DR. SAUTER: So. Hat man Ihnen da auch gesagt, wie die Angeklagten im Sitzungssaal sitzen?

DR. BLAHA: Nein, vor dem Militärgericht hat man mir alle Bilder gezeigt.

DR. SAUTER: Aha!

DR. BLAHA: Und ich mußte vor dem Gerichtshof die verschiedene Leute erkennen; habe ich diese drei, die ich heute gesagt hat, daß ich sie persönlich gesehen habe, identifiziert; den Funk und andere hab ich nicht genannt.

DR. SAUTER: Den Funk haben Sie nicht genannt?

DR. BLAHA: Daß ich ihn persönlich gesehen habe; und daß ich ihn identifizieren könne.

DR. SAUTER: Aber Sie haben, wie Ihnen die Bilder vorgezeigt worden sind, haben Sie diese Angeklagten auf den Bildern gesehen?

DR. BLAHA: Ja.

DR. SAUTER: Sie haben also heute, wenn ich recht verstehe, auch gewußt, wo zum Beispiel der Funk oder der Frick oder sonst einer sitzt?

DR. BLAHA: Den Funk kenne ich persönlich nicht, weil ich ihn damals nicht gesehen habe.

DR. SAUTER: Ist Ihnen an den Bildern, die Ihnen in Dachau gezeigt wurden, nicht auch gesagt worden: »Das ist der Funk, schauen Sie sich den an, kennen Sie den«?

DR. BLAHA: Nein, das wurde ganz anders gemacht.

DR. SAUTER: Wie denn?

DR. BLAHA: Es wurden mir alle Bilder gezeigt worden, und ich sollte sagen, welche von diesen Leuten in Dachauer Lager gesehen habe. Von diesen Leuten hab ich diese dreie genannt. Von den anderen Bildern war überhaupt gar keine Sprache mehr.

DR. SAUTER: So, Herr Blaha, wie Ihre Vernehmung vorhin angegangen ist, und Sie von dem Herrn Präsidenten oder von dem Herrn Anklagevertreter gefragt wurden, da haben Sie eine Erklärung abgegeben, ich glaube in tschechischer Sprache.

DR. BLAHA: Nein.

DR. SAUTER: Sondern?

DR. BLAHA: In der deutsche Sprache.

DR. SAUTER: Nein, das haben wir alle gehört, daß das nicht Deutsch war, sondern das war offenbar Tschechisch.

DR. BLAHA: Nur die erste Satz.

DR. SAUTER: Die ersten Sätze? Da bitte ich jetzt, weil ja das auch jetzt in das Protokoll zweckmäßig kommen muß, bitte ich, uns einmal zu sagen, und ziemlich wortgetreu, sinngetreu zu wiederholen, was Sie da gesagt haben; denn das interessiert uns vom Standpunkt der Verteidigung aus.

DR. BLAHA: Ich glaub, daß es im Protokoll genommen wurde, weil es zu meiner Aussprache auch die englische Übersetzung zugelegt wurde.

DR. SAUTER: Nein, Tschechisch wird, glaube ich, nicht übertragen. Aber wiederholen Sie doch, wir haben es nicht gehört.

DR. BLAHA: Ja. Ich hab gesagt, daß ich bin bereit, weil tschechisch unmöglich ist, – damit ich in meiner Muttersprache vernommen werde – in der deutsche Sprache auszusagen, weil alle diese Sachen, die jetzt als Gegenstand binnen dieser letzten sieben Jahren, in diesem Prozeß sind, in der deutschen Mitte durchgelebt habe, und auch die rein spezielle und ganz neue Terminen über das Lagerleben kann man bloß deutsch sagen, und in keinem anderen Wörterbuch kann man solche zupassende und ausdrucksvolle Termine wie in der deutsche Sprache.

DR. SAUTER: So, Herr Präsident, ich habe dann keine Frage mehr, danke sehr.

DR. THOMA: Herr Zeuge, bestand für die Insassen des Lagers Dachau ein Schweigegebot?

DR. BLAHA: Nein. Selbstverständlich, wenn jemand von Lager aus von Gestapo entlassen wurde, das waren seltene Fälle, besonders bei den Deutschen, die dann anrücken mußten, mußte man unterschreiben die sogenannte Schweigepflicht.

DR. THOMA: Durften die Lagerinsassen innerhalb des Lagers, die auf dem Lande und so weiter arbeiteten, sich mit den anderen Arbeitern unterhalten über die Zustände im Lager?

DR. BLAHA: Ja. Es gibt Möglichkeiten, weil die Leute haben in derselben Zimmer und derselben Werkstätten mit den verschiedenen Arbeitern, Zivilarbeitern, gearbeitet. Das war Fall in den deutschen Ausrüstungswerke, auf den Plantagen und in allen Fabriken in München und Umgebung.

DR. THOMA: Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie vorhin gesagt, daß für die Besucher, für die Lieferanten und für die Konsumenten auch die Möglichkeit bestand, ohne Schwierigkeit diese Zustände im Lager zu beobachten?

DR. BLAHA: Ja. Viele dieser Leuten haben die ganze Plantagen, sowie die Manufakturen der verschiedenen Fabriken durchgegangen und das Leben in diesen Räumen beobachtet.

DR. THOMA: Ja, was sahen Sie denn da an Greueln und an Mißhandlungen und so weiter?

DR. BLAHA: Nein, das glaub ich, wie die Leute drin arbeiten, wie sie ausschauen und was drin gemacht wird. Zum Beispiel ich kann mir ganz gut auf einen Beispiel erinnern; damals hab ich auf den Plantagen gearbeitet. Wir haben eine schwere Straßenwalze gezogen, sechzehn Mann, und ist vorbei eine Exkursion der Mädel gegangen. Wenn sie vorbei kamen, hat die Begleiterin ganz laut gesagt, damit wir das alles hören konnten: »Schauet Ihr, das sind so faule Kerls, daß, bevor sie ein paar Pferde einspannen, die lieber alleine ziehen.« Das sollte ein Witz sein.

DR. THOMA: Herr Zeuge, wann hatten Sie Gelegenheit, diese furchtbaren Grausamkeiten, die Sie uns heute erzählt haben, das erstemal anderen Menschen zu erzählen, als Sie aus dem KZ befreit wurden?

DR. BLAHA: Ich hab nicht verstanden, bitte mir das noch einmal zu wiederholen.

DR. THOMA: Wann hatten Sie zum erstenmal Gelegenheit, nach Ihrer Entlassung oder Befreiung aus dem KZ einem Außenstehenden von diesen schrecklichen Grausamkeiten zu erzählen?

DR. BLAHA: Sofort nach der Befreiung, ich war nämlich damals als Chefarzt des Konzentrationslagers, wurde ich vernommen von der amerikanischen Untersuchungskorps, und diesen hab ich zu erste Mal diese Sache erzählt, und hab ich auch ihnen verschiedene Beweisen, Diagrammen, die Krankheitsgeschichten von diesen Experimentalstationen gegeben, die ich vor Verbrennung gerettet habe.

DR. THOMA: Dieser Staatsanwalt hat Ihnen also die Mitteilungen, die Sie ihm gemacht haben, ohne weiteres geglaubt?

DR. BLAHA: Ja.

DR. THOMA: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, der Angeklagte Rosenberg sei Ihnen im KZ in Dachau gezeigt worden, als Sie erst kurz nach Dachau gekommen sind?

DR. BLAHA: Ja.

DR. THOMA: Wann war das also?

DR. BLAHA: Im Jahre 41, erste Hälfte 41.

DR. THOMA: Erste Hälfte?

DR. BLAHA: Glaub ich, ja.

DR. THOMA: Können Sie sich vielleicht an den Monat erinnern?

DR. BLAHA: Das kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bin in April gekommen, also glaub ich, es war vielleicht von April bis zum Juli, oder so.

DR. THOMA: April bis Juli 1941?

DR. BLAHA: So glaub ich das.

DR. THOMA: War Rosenberg damals in Uniform?

DR. BLAHA: War in Uniform.

DR. THOMA: In welcher?

DR. BLAHA: Glaube ich war eine SS-Uniform.

DR. THOMA: SS-Uniform?

DR. BLAHA: Aber ein, und das kann ich schon nicht ganz genau sagen; aber Uniform hat er gehabt.

DR. THOMA: Also, Sie erinnern sich zur prima facie, daß es eine SS-Uniform, also eine schwarze Uniform war?

DR. BLAHA: Nein, also damals haben die SS nicht mehr die schwarze Uniform getragen, weil vor Anfang des Krieges haben Felduniform und ähnliche Uniformen getragen.

DR. THOMA: Also nehmen Sie an, daß es eine graue Uniform war?

DR. BLAHA: So etwas. Ob war grau oder gelb oder braun, das weiß ich schon nicht mehr.

DR. THOMA: Darauf käme es eben an, ob grau, braun oder gelb. War es eine Felduniform?

DR. BLAHA: Das weiß ich schon nicht mehr, weil ich war seit Jahre 39 im KZ und kenne überhaupt nicht die verschiedene deutsche Uniformen, die Grade, die Gattungen des Heeres und so weiter.

DR. THOMA: Aber eben erzählten Sie doch, daß sich während des Krieges die Uniformen geändert hatten.

DR. BLAHA: Das haben auch die Leute bei der Gestapo sich gewechselt. Wenn ich im Jahre 39 verhaftet wurde, haben alle Gestapoleute diese schwarze Uniform getragen. Dann, nach dem Kriegsbeginn, haben am meisten entweder grüne oder graue Uniforme getragen.

DR. THOMA: Darf ich Sie nochmal fragen: Hatte... jetzt Rosenberg eine Kriegsuniform oder Friedensuniform an?

DR. BLAHA: Glaub ich, es war eine Kriegsuniform.

DR. THOMA: Kriegsuniform. Der Angeklagte Rosenberg wurde Ihnen gezeigt von einem anderen Kameraden von Ihnen?

DR. BLAHA: Ja.

DR. THOMA: Auf welche Entfernung?

DR. BLAHA: Nun das war – ist über Lagerstraße gegangen; konnten es das so 30 bis 40 Grad sein.

DR. THOMA: 30 bis 40 Meter meinen Sie wohl?

DR. BLAHA: Ja, also 30 Meter, – 30 Schritte wollte ich sagen. So 30 bis 40 Schritte.

DR. THOMA: Und hatten Sie vorher schon Photographien von Rosenberg gesehen? War Ihnen Rosenberg schon ein Begriff?

DR. BLAHA: Ja.

DR. THOMA: Und als Ihnen dieser Kamerad den Rosenberg zeigte, war es denn da überhaupt erforderlich, daß er zu Ihnen sagte: »Das ist Rosenberg«? Kannten Sie ihn nicht schon auf Grund der Lichtbilder, die Sie vorher...

DR. BLAHA: Das konnte mich nicht mehr erinnern; wann er ihn mir gezeigt hat, habe ich mich erinnert, daß ich ihn von der verschiedenen Zeitungsbildern kenne.

DR. THOMA: Darf ich Sie bitten, mir den genauen Vorgang zu schildern, wie das war, wo Sie standen, und wo Rosenberg herkam, und wer in seiner Begleitung war?

DR. BLAHA: Wer in seiner Begleitung war? Das war, das hab ich bloß gekannt, der Lagerkommandant.

DR. THOMA: Wer war das damals?

DR. BLAHA: Lagerkommandant war Pierkowski, Sturmbannführer Pierkowski.

DR. THOMA: Wissen Sie, ob der noch lebt?

DR. BLAHA: Das weiß ich nicht.

DR. THOMA: Der Lagerkommandant?

DR. BLAHA: Pierkowski. Dann waren der Lagerführer Ziel und Hoffmann; die hab ich gekannt.

DR. THOMA: Und nun, waren Sie in Ihrem Zimmer und schauten zum Fenster hinaus?

DR. BLAHA: Nein, wir sind auf die sogenannte Blockstraße gestanden, die mündet in die Blockstraße, durch welche der Besuch gegangen.

DR. THOMA: Und was ist Ihnen da gesagt worden?

DR. BLAHA: »Da schau, da geht Rosenberg.«

DR. THOMA: War Rosenberg allein?

DR. BLAHA: Nein. Mit diesen anderen Pers...

DR. THOMA: Also nur mit dem Lagerkommandanten?

DR. BLAHA: Nein, waren noch viele andere Personen dabei.

DR. THOMA: Also gewissermaßen eine Begleitung, ein Stab?

DR. BLAHA: Ja.

DR. THOMA: Ein Stab Rosenbergs?

DR. BLAHA: Ja, das weiß ich nicht, ob das Stab von Rosenberg war, aber mehrere, mehrere Personen.

DR. THOMA: Mehrere Personen? Herr Zeuge, der Angeklagte Rosenberg versichert mit aller Bestimmtheit, daß er nie in Dachau im KZ gewesen sei. Ist da kein Irrtum möglich?

DR. BLAHA: Ich glaub, daß ich mich nicht geirrt habe, und der betreffende Deutsche hat, glaub ich, auch den Rosenberg gut gekannt.

DR. THOMA: Woher wissen Sie das?

DR. BLAHA: Nun, weil mir das mit der Bestimmtheit gesagt habe. Sonst kann ich das nicht anders feststellen.

VORSITZENDER: Dr. Thoma!

DR. THOMA: Ja.

VORSITZENDER: Dr. Thoma, Sie werden verzeihen, wenn ich Sie darauf hinweise, daß dieser Prozeß schnell vonstatten gehen soll. Es ist nicht richtig, daß wir zu viel Zeit auf weniger wesentliche Punkte verwenden.

DR. THOMA: Mylord, ich bitte bemerken zu dürfen, daß die Entscheidung, ob Rosenberg in dem KZ- Lager gewesen ist, eine ganz entscheidende Bedeutung hat.

Ich danke schön.

DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Der Angeklagte Frick erklärt, daß er niemals im Lager Dachau gewesen ist, und ich wünsche deshalb zur Aufklärung des Sachverhalts folgende Fragen zu stellen: Auf welche Entfernung glauben Sie Frick gesehen zu haben, Herr Zeuge?

DR. BLAHA: Vom Fenster aus ist er vorbeigegangen mit mehreren Personen.

DR. PANNENBECKER: Haben Sie Frick schon früher gekannt?

DR. BLAHA: Ja, von den Bildern.

DR. PANNENBECKER: Von Bildern. Haben Sie ihm nun selbst erkannt oder hat ein Kamerad Ihnen gesagt, daß Frick es sei?

DR. BLAHA: Wir haben mehrere ihn gesehen, und ich hab ihn speziell betrachtet, weil er damals schon der – auch Protektor von Böhmen und Mähren war. Drum habe ich persönliche Interess gehabt habe, ihn zu erkennen.

DR. PANNENBECKER: Hatte Frick eine Uniform?

DR. BLAHA: Glaub nicht.

DR. PANNENBECKER: Haben Sie jemand erkannt, der mit ihm war in der Begleitung, und zwar entweder aus seinem Stabe oder von der Lagerführung?

DR. BLAHA: Den Stab habe ich nicht gekannt. Von der Lagerführung war der Lagerkommandant Weiter anwesend. Lagerkommandant Weiter mit seinem Adjutant Otto.

DR. PANNENBECKER: Können Sie von Ihren Kameraden noch jemanden nennen, der ihn auch erkannt hat?

DR. BLAHA: Nun, das waren viele Kameraden, der damals mit mir gestanden beim Fenster, das kann ich Ihnen leider jetzt nicht sagen, weil das waren, wenn Sie das richtig verstehen, in dem KZ-Leben so viele Erlebnisse auf dem laufenden Band, daß man diese Sachen nicht ganz genau im Gedächtnis registriert; bloß die größere Sachen hat man erinnert.

DR. PANNENBECKER: Haben Sie ihn erkannt spontan, als er vorbei kam, oder war vorher gesprochen worden, daß Frick erwartet werde?

DR. BLAHA: Nein, damals wurde nicht gesprochen; wohl wurde gesprochen, daß ein hoher Besuch kommen soll, und wir haben dieser hohen Besuch gewartet; wer kommen soll, wurde nicht vorher gemeldet in dieser Sache.

DR. PANNENBECKER: Haben Sie jetzt im Sitzungssaal Frick gleich erkannt, oder wußten Sie vorher, daß er an vierter Stelle hier sitzt?

DR. BLAHA: Nein, den hab ich ganz gut gekannt, weil ich ihn schon mehrmals auf den verschiedenen Bildern gesehen habe, das, weil in Böhmen und Mähren ist das eine populäre Person.

DR. PANNENBECKER: Sie glauben also, ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen?

DR. BLAHA: Ich glaub.

DR. PANNENBECKER: Darf ich dann den Hohen Gerichtshof bitten, Frick selbst als Zeugen dafür zu stellen, daß Frick niemals das Lager Dachau gesehen hat? Ich will den Antrag jetzt stellen, damit eventuell der Zeuge dem Frick gegenübergestellt werden kann.

VORSITZENDER: Die Verteidiger werden Gelegenheit haben, ihren Fall vorzutragen, wenn sie an der Reihe sind. Sie können dann auch alle Angeklagten aufrufen. Jetzt ist aber noch nicht der Zeitpunkt, dies zu tun. Die Verteidiger müssen warten bis die Anklagevertretung mit ihrem Vortrag fertig ist. Jeder von Ihnen wird dann Gelegenheit haben, jeden von Ihnen vertretenen Angeklagten falls erforderlich, in den Zeugenstand zu rufen.

DR. PANNENBECKER: Ich hatte nur geglaubt, weil der Zeuge jetzt gerade zur Verfügung steht...