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[zu Hauptmann Sprecher gewandt]:

Wollen Sie etwas hierzu sagen?

HAUPTMANN SPRECHER: Ich glaube, die Bemerkung von Dr. Sauter ist sehr angebracht. Ich habe den Übersetzer neben mir gefragt, Hoher Gerichtshof, und das deutsche Wort »Wünsche« ist zu nachdrücklich übersetzt worden.

VORSITZENDER: Sehr wohl.

LEUTNANT THOMAS F. LAMBERT JR., HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof, die Anklagevertretung befaßt sich nun mit dem Fall des Angeklagten Bormann und unterbreitet das Beweismaterial, das seine Verantwortung für die Verbrechen betrifft, die in der Anklageschrift dargestellt sind. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich zu Beginn bemerken, daß wir der Ansicht sind, daß gerade deshalb, weil der Angeklagte Bormann von der Anklagebank fern ist, wir uns besonders bemühen werden, die Beweisführung gegen ihn aus Billigkeit der Verteidigung gegenüber und im Interesse des Gerichtshofs so einwandfrei wie möglich zu gestalten.

Ich lege das Dokumentenbuch, das dieses gerichtliche Verfahren unterstützen soll, als US-Beweisstück JJ, zusammen mit einer Anklageschrift gegen den Angeklagten Bormann vor.

Der Angeklagte Bormann ist in hohem Maße verantwortlich für die von ihm geleistete Mithilfe bei der Machtübernahme der Nazi-Verschwörer, für die Festigung ihrer totalen Kontrolle über Deutschland und für die Vorbereitung zum Angriffskrieg, wie es in Punkt 1 der Anklageschrift dargelegt ist.

Wie aus dem Verhandlungsbericht dieses Prozesses hervorgeht, waren die Nazi-Partei und das Korps der Politischen Leiter die Hauptträger und der Urquell der Verschwörung.

Nach der Flucht des Angeklagten Heß nach Schottland im Mai des Jahres 1941 wurde Bormann das Haupt der Nazi-Parteiexekutive. Sein offizieller Titel lautete: »Leiter der Partei-Kanzlei«. Vor dieser Zeit war Bormann der Chef des Stabes des Angeklagten Heß, des Stellvertreters des Führers.

Auf Grund dieser beiden einflußreichen Stellungen, Leiter der Partei-Kanzlei und Chef des Stabes des Stellvertreters des Führers, steht Bormann heute als einer der Hauptschöpfer der Verschwörung da. Nur, und ich unterstreiche, nur der obersten Autorität, Hitler, unterstellt, leitete und benutzte er die gewaltigen Machtmittel der Partei, ihre Ämter und Gliederungen zur Förderung der Nazi-Verschwörung. Er benutzte die Partei, um den Willen der Verschwörer dem deutschen Volke aufzuzwingen, und er lenkte die Machtmittel der Partei in dem Bestreben, die Herrschaft über ganz Europa zu erlangen.

Aus diesem Grunde werden dem Angeklagten Bormann die unzähligen Verbrechen der Verschwörer zur Last gelegt, die unzähligen Verbrechen, die von der Partei, ihren Gliederungen und dem deutschen Volke zur Förderung der Verschwörung begangen wurden.

Es ist vielleicht angebracht, einen kurzen Überblick über die Verschwörerlaufbahn des Angeklagten Bormann zu geben.

Bormann begann seine Verschwörerlaufbahn vor mehr als zwanzig Jahren. Im Jahre 1922, erst 22 Jahre alt, trat er der Organisation Roßbach bei, einer der illegalen Gruppen, die die militärische Tradition der deutschen Armee fortsetzten und durch Anwendung von Terrorakten die widerstrebenden kleinen friedliebenden Minderheiten Deutschlands einschüchterten. Während seiner Tätigkeit als Bezirksführer, mecklenburgischer Landesleiter dieser Organisation, wurde er verhaftet und wegen Teilnahme an einem politischen Mord vor ein Gericht gestellt. Das zeigt unseres Erachtens seine Einstellung gegenüber der Anwendung ungesetzlicher Mittel zur Erreichung solcher Ziele, die ihm richtig erschienen. Am 15. Mai 1924 wurde er von dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik für schuldig befunden und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Jahre 1925 nahm Bormann seine umstürzlerische Tätigkeit wieder auf. Er trat der militärischen Organisation »Frontbann« bei. Im gleichen Jahre wurde er Mitglied der NSDAP und begann seinen Aufstieg zu einer hervorragenden Stellung innerhalb der Verschwörung. Im Jahre 1927 wurde er Pressechef des Parteigaues Thüringen. Mit anderen Worten, um auf die Anklage gegen das Korps der Politischen Leiter zurückzukommen, er wurde ein bedeutender Stabsoffizier eines Gauleiters. Am 1. April 1928 wurde er Bezirksleiter von Thüringen und Geschäftsführer für den ganzen Gau.

Wir kommen nun zu einem besonders wichtigen Punkt, der Bormanns Verbindung mit der SA betrifft.

Vom 15. November 1928 bis August 1930 gehörte er zum Stabe des Oberkommandos der SA.

Der Gerichtshof hat den Vortrag über den verbrecherischen Charakter der SA angehört und ist deshalb darüber genauestens unterrichtet, daß die SA eine halbmilitärische Organisation junger Männer war, deren Hauptaufgabe darin bestand, die Macht über die Straße zu erlangen und den Widerstand gegen die Verschwörung durch Terror zu unterdrücken.

Wir vertreten in diesem Stadium die Auffassung, daß Bormann auf Grund seiner Stellung im Stabe des Oberkommandos der SA für die illegale Tätigkeit der SA zur Förderung der Verschwörung mitverantwortlich ist.

Im August 1930 organisierte Bormann die Hilfskasse der Nazi-Partei, deren Leitung er übernahm. Durch diese Kasse sammelte er große Summen, die er angeblich zur Unterstützung der Familien von Parteimitgliedern, die im Kampfe für die Partei getötet oder verletzt wurden, verwandte.

Wie dem Gerichtshof bekannt ist, übernahmen die Verschwörer und ihre Partei am 30. Januar 1933 die Regierung in Deutschland. Kurz danach, im Juli 1933, erlangte Bormann die dritthöchste Stellung in der Partei. Er wurde zum Chef des Stabes des Angeklagten Heß, des Stellvertreters des Führers, ernannt. Zur gleichen Zeit wurde er zum Reichsleiter ernannt, und damit wurde er, wie der Gerichtshof weiß, Mitglied des höchsten Kreises der als illegal geltenden Organisation, des Korps der Politischen Leiter der Nazi-Partei.

Im November 1933 wurde er Mitglied des Reichstags.

Ich bitte den Gerichtshof, die amtliche deutsche Veröffentlichung »Der Großdeutsche Reichstag«, Ausgabe 1943, amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Die Tatsachen, die ich soeben in der kurzen Beschreibung der Laufbahn von Bormann angeführt habe, stehen auf Seite 167 dieser Veröffentlichung. Die englische Übersetzung befindet sich in Dokument 2981-PS in dem dem Gerichtshof vorliegenden Dokumentenbuch.

Was Bormanns Verurteilung wegen politischen Mordes anbetrifft, so unterbreite ich dem Gerichtshof Dokument 3355-PS, US-682. Es handelt sich um eine eidesstattliche Erklärung von Dr. Robert M. W. Kempner. Ich zitiere daraus kurz das Folgende:

»Ich, Robert M. W. Kempner, Sachverständiger und Berater des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten, erscheine vor dem unterzeichneten Offizier und sage nach ordnungsmäßiger Vereidigung wie folgt aus:

In meiner Eigenschaft als Oberregierungsrat und Hauptrechtsberater der Preußischen Polizeiverwaltung in der Zeit vor Hitler wurde ich amtlich mit dem Strafregister des Martin Bormann, der mit dem jetzt vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, Deutschland, angeklagten Martin Bormann identisch ist, bekannt. Das amtliche Strafregister des Martin Bormann enthält nachstehende Eintragung:

Bormann Martin, verurteilt am 15. Mai 1924 durch den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in Leipzig (Deutschland) zu einem Jahr Gefängnis für die Teilnahme an einem politischen Mord. gez. Robert M. W. Kempner.«

Ende des Zitats.

VORSITZENDER: Leutnant Lambert, wenn Sie sich mit einem derartigen Dokument beschäftigen, so glaube ich, daß es für Sie nicht notwendig ist, die Formalien zu verlesen. Wenn Sie die Art des Dokuments erklären und seinen wesentlichen Inhalt verlesen, dann brauchen Sie sich nicht mit den Formalien zu befassen, zum Beispiel: Ich, Robert Kempner, Sachverständiger Berater und so weiter. Haben Sie mich verstanden?

LEUTNANT LAMBERT: Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender, für Ihren sehr zweckmäßigen Hinweis.

Als Stabschef des Angeklagten Heß war Bormann verantwortlich für die Entgegennahme aller Forderungen der Partei in allen Staatsangelegenheiten und für deren Weiterleitung an den Angeklagten Heß. Diese Forderungen wurden dann durch den Angeklagten Heß auf Grund seiner Teilnahme bei der Gesetzgebung und seiner Befugnis zur Ernennung und Beförderung von Staatsbeamten und auf Grund seiner Stellung im Reichskabinett sichergestellt.

Ich komme nun zu einem meines Erachtens sehr wichtigen Punkt, der die Verbindung des Angeklagten Bormann mit dem SD und der Gestapo herstellt. Als Stabschef des Angeklagten Heß traf Bormann Maßnahmen, um die Herrschaft der Gestapo und des SD über die deutsche Zivilbevölkerung zu festigen. Ich bitte den Gerichtshof, den Erlaß Bormanns vom 14. Februar 1935 in der amtlichen Veröffentlichung »Anordnungen des Stellvertreters des Führers«, Ausgabe 1937, Seite 257 amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Ich zitiere nur die wesentlichen Teile dieses Erlasses, dessen englische Übersetzung in unserem Dokument 3237-PS niedergelegt ist.

VORSITZENDER: Wenn es sich um ein Dokument handelt, von dem der Gerichtshof amtlich Kenntnis nehmen kann, dann brauchen Sie es nicht zu verlesen. Es genügt, wenn Sie es zusammenfassen.

LEUTNANT LAMBERT: Ich nehme es zur Kenntnis, Herr Vorsitzender. Dieses Zitat ist so kurz und bündig, daß eine Zusammenfassung vielleicht nicht nötig ist.

VORSITZENDER: Sehr gut, fahren Sie fort.

LEUTNANT LAMBERT:

»Der Stellvertreter des Führers erwartet, daß die Dienststellen der Partei nunmehr alles Mißtrauen gegenüber dem SD aufgeben und ihn bei Lösung seiner schweren Aufgaben, die ihm zum Schutz von Bewegung und Volk übertragen worden sind, mit allen Kräften zu unterstützen.

Da die Arbeit des SD in erster Linie auch der Arbeit der Partei zugute kommt, darf er in seinem Ausbau nicht durch unsachliche Angriffe bei Versagen einzelner gestört werden, muß vielmehr mit allen Kräften gefördert werden. gez. M. Bormann, Stabsleiter des Stellvertreters des Führers.«

Dies zeigt Bormanns Unterstützung des SD.

Ich wende mich nun den Bestrebungen Bormanns, die Arbeit der Gestapo zu unterstützen, zu.

VORSITZENDER: Leutnant Lambert, hätte es nicht genügt, zu sagen, daß dieses Dokument zeigt, wie Bormann dem SD die nötige Hilfe zuteil werden ließ?

LEUTNANT LAMBERT: Ich fürchtete lediglich, Herr Vorsitzender, daß ein Dokument nicht als Beweismaterial betrachtet wird, falls es nicht zitiert wird.

VORSITZENDER: Gut, aber Sie haben im Anfang gesagt, Sie ersuchten uns, es amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Wenn wir davon amtlich Kenntnis nehmen können, dann ist die Verlesung nicht notwendig.

LEUTNANT LAMBERT: Ich behandle nunmehr weiter die Bemühungen Bormanns, die Herrschaft der Gestapo zu verstärken. Ich bitte den Gerichtshof, einen Befehl Bormanns vom 3. September 1935 amtlich zur Kenntnis zu nehmen, durch den alle Parteidienststellen angewiesen wurden, der Gestapo alle Personen zu melden, die die Nazi-Partei oder deren Einrichtungen kritisierten. Diese Verordnung steht in der amtlichen Partei-Veröffentlichung »Anordnungen des Stellvertreters des Führers« 1937, Seite 190. Die englische Übersetzung ist im Dokument 3239-PS niedergelegt. Ich werde den Inhalt dieses Dokuments kurz zusammenfassen. Der erste Absatz bezieht sich auf ein Gesetz vom 20. Dezember 1934. Wie der Gerichtshof sich erinnern wird, gewährte dieses Gesetz den Parteieinrichtungen und den Parteiuniformen den gleichen Schutz, dessen sich die entsprechenden staatlichen Einrichtungen erfreuten. In dem ersten und zweiten Absatz dieser Anordnung wird bestimmt, daß, wo immer ein Fall eines heimtückischen oder verleumderischen Angriffs gegen Parteimitglieder, die Partei oder ihre Gliederungen auftauchte, der Reichsjustizminister sich mit dem Stellvertreter des Führers beraten würde, um gemeinsam gegen die Übeltäter vorzugehen. Im dritten Absatz weist sodann Bormann alle Parteidienststellen an, der Gestapo die Personen anzuzeigen, welche die Partei oder deren Einrichtungen kritisierten. Ich zitiere lediglich den letzten Absatz.

VORSITZENDER: Ich habe festgehalten, was Sie in Ihrem ersten Satz gesagt haben: Dieses Dokument beweise, daß Bormann befohlen habe, daß alle diejenigen, die die Partei kritisierten, der Gestapo zu melden seien. Meiner Ansicht nach ist dies ausreichend, und alles, was Sie weiterhin sagten, ist kumulativ.

LEUTNANT LAMBERT: Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich jedoch eine Kleinigkeit aus dem letzten Absatz hervorheben, der für die Beweisführung der Anklage gegen das Korps der Politischen Leiter der NSDAP sachdienlich sein könnte.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß er die bestimmte und sehr wesentliche Frage aufgeworfen hat, ob die allgemeinen Mitglieder des Korps der Politischen Leiter durch das Beweismaterial der Anklagevertretung in den Fall verwickelt wären. Im letzten Absatz ordnete Bormann an, daß die Ortsgruppenleiter, also die rangmäßig in der Hierarchie des Korps der Politischen Leiter unter dem Kreisleiter und Gauleiter am weitesten unten stehenden Politischen Leiter, der Gestapo alle Personen anzuzeigen hätten, die irgendwelche Nazi-Parteieinrichtungen kritisierten. Und nun ein wichtiger Punkt über die Verbindung zwischen Bormann und der SS: Dem Gerichtshof ist bereits das Material vorgelegt, das die SS als eine verbrecherische Organisation bloßstellt. In diesem Zusammenhang bitte ich den Gerichtshof ergebenst, von unserem Dokument 3234-PS, die Ausgabe der Zeitschrift »Das Archiv« vom Juli 1940 amtlich Kenntnis zu nehmen. Auf Seite 399 dieser Veröffentlichung wird unter dem 21. Juli 1940 bekanntgemacht, daß der Führer den Angeklagten Bormann vom SS-Gruppenführer zum SS-Obergruppenführer beförderte. Aus diesem Grunde behaupten wir, daß Bormann für die verbrecherischen Handlungen der SS mitschuldig und mitverantwortlich ist.

Nach der im Mai 1941 erfolgten Flucht des Angeklagten Heß nach Schottland wurde Bormann dessen Nachfolger als Chef der Nazi-Partei unter Hitler und erhielt den Titel »Leiter der Partei-Kanzlei«. Ich bitte den Gerichtshof, von einer Verordnung, die am 24. Januar 1942 im Reichsgesetzblatt, Teil I, Seite 35, veröffentlicht wurde, amtlich Kenntnis zu nehmen. Es ist unserer Ansicht nach eine äußerst wichtige Verordnung, weil durch sie angeordnet wurde, daß die Mitwirkung der Partei an allen Gesetzgebungsakten, Beamtenernennungen und Beförderungen ausschließlich durch den Angeklagten Bormann zu erfolgen habe. Er mußte, und dies betonen wir besonders, sowohl an der Ausarbeitung als auch an der Beschlußfassung und Veröffentlichung aller Reichsgesetze und Verordnungen teilnehmen. Außerdem mußte er seine Zustimmung zu allen Verordnungen sowohl der Länder als auch der Reichsstatthalter erteilen. Jeder Verkehr zwischen den Staats- und Parteiämtern mußte durch seine Hände gehen. Als ein Ergebnis dieser Verordnung behaupten wir, daß Bormann für jedes Gesetz, das nach dem 24. Januar 1942 in Deutschland herauskam, und das die Verschwörung erleichterte und sie förderte, verantwortlich ist.

Es dürfte zweckmäßig sein, auf einen Erlaß vom 29. Mai 1941, Reichsgesetzblatt Teil I, Seite 295, Dokument 2099-PS, hinzuweisen, den ich den Gerichtshof bitte, amtlich zur Kenntnis zu nehmen. In diesem Erlaß verfügt Hitler, daß Bormann alle Befugnisse und alle Ämter übernehmen sollte, die früher der Angeklagte Heß innehatte. Ich bitte den Gerichtshof, ein weiteres wichtiges Gesetz des Ministerrats für die Reichsverteidigung vom 16. November 1942 amtlich zur Kenntnis zu nehmen...

VORSITZENDER: Befinden sich diese Dokumente im Dokumentenbuch?

LEUTNANT LAMBERT: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sie haben uns die Dokumentennummer nicht genannt.

LEUTNANT LAMBERT: Das stimmt, Herr Vorsitzender. Ich kann mich daran erinnern, obwohl es nicht in meinem Manuskript steht, daß diese wichtige, am 24. Januar 1942 veröffentlichte Verordnung unser Dokument 2100-PS ist.

Ich bitte den Gerichtshof nunmehr, die wichtige Verordnung des Ministerrats für die Reichsverteidigung vom 16. November 1942, Reichsgesetzblatt, Teil I, Seite 649, Dokument JN-5, amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Auf Grund dieser Verfügung wurden alle Gauleiter, die Bormann infolge seiner Stellung als Leiter der Parteikanzlei unterstellt waren, zu Reichsverteidigungs-Kommissaren ernannt und mit der Zusammenfassung, Überwachung und Lenkung der aggressiven nazistischen Kriegsanstrengungen betraut.

Von diesem Augenblick an wurde die Partei unter Bormann der entscheidende Faktor bei der Ausarbeitung und Leitung der aggressiven Nazi-Kriegswirtschaft.

Am 12. April 1943 wurde Bormann, wie aus der Veröffentlichung »Der Großdeutsche Reichstag«, Ausgabe 1943, Seite 167, Dokument 2981-PS, hervorgeht, zum Sekretär des Führers ernannt. Wir behaupten, daß diese Tatsache beweist, wie einflußreich der Angeklagte Bormann beim Führer war und in welch nahem Verhältnis er zu ihm stand, und daß dies seine Schuld an und seine Verantwortung in dieser Verschwörung noch erhöht und erschwert.

Wir kommen nun zu dem wichtigen Punkt von Bormanns Verantwortlichkeit für den Vollzug der Maßnahmen des »Volkssturms«. Ich bitte den Gerichtshof, den Führerbefehl vom 18. Oktober 1944, der im »Völkischen Beobachter« am 20. Oktober 1944 veröffentlicht wurde, amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Darin ernannte Hitler Bormann zum politischen und organisatorischen Führer des »Volkssturms«. Dies ergibt sich aus dem Dokument 3018-PS. In dieser Verfügung wurde Himmler zum militärischen Führer des Volkssturms ernannt, während die organisatorische und politische Führung dem Angeklagten Bormann anvertraut wurde. Es ist dem Gerichtshof bekannt, daß der Volkssturm eine Organisation war, die alle Deutschen männlichen Geschlechts von sechzehn bis sechzig Jahren erfaßte. Auf Grund seiner Führerschaft im Volkssturm trug Bormann zur unnötigen Verlängerung des Krieges bei, was die Vernichtung der deutschen und europäischen Wirtschaft, den Verlust an Leben und die Zerstörung von Eigentum zur Folge hatte.

Wir kommen nunmehr auf die Verantwortlichkeit des Angeklagten Bormann gegenüber der Verfolgung der Kirche zu sprechen. Der Angeklagte Bormann billigte, leitete und nahm teil an Maßnahmen zur Verfolgung der christlichen Kirche. Der Gerichtshof hat in diesem Verfahren schon viel über die Verfolgung der christlichen Kirche durch die Verschwörer gehört. Ich habe nicht die Absicht, dies nochmals vorzutragen. Wir sind nur an einer Sache interessiert, nämlich daran, die Verantwortlichkeit des Angeklagten Bormann, seine eigene persönliche Verantwortlichkeit für die Kirchenverfolgung festzulegen.

Ich werde jetzt die Beweise vorlegen, die die Verantwortlichkeit von Bormann gegenüber der Verfolgung der christlichen Kirchen veranschaulicht.

Bormann gehört zu den erbarmungslosesten Feinden der christlichen Kirche und der christlichen Geistlichkeit in Deutschland und in dem von Deutschland besetzten Europa. Ich verweise den Gerichtshof, ohne daß ich daraus verlese, auf Dokument D-75, das bereits früher als Beweisstück US-348 eingeführt worden ist. Es enthält die Abschrift eines Geheimerlasses von Bormann vom 6. Juni 1941 mit der Überschrift »Verhältnis von Nationalsozialismus und Christentum«. In diesem Erlaß erklärte Bormann ganz offen, wie der Gerichtshof sich erinnern wird, daß Nationalsozialismus und Christentum miteinander unvereinbar seien, und er deutete an, daß das Endziel der Verschwörer die Ausschaltung des Christentums selbst sei.

Ich beziehe mich weiterhin, ohne aus ihm zu verlesen, auf Dokument 098-PS, das bereits früher als Beweisstück US-350 unterbreitet worden ist. Es handelt sich hierbei um einen Brief des Angeklagten Bormann an den Angeklagten Rosenberg vom 22. Februar 1940, in dem Bormann wiederum darauf hinweist, daß Christentum und Nationalsozialismus miteinander unvereinbar seien.

Um das Ziel der Verschwörer, die Schwächung der christlichen Kirche, zu erreichen, ergriff der Angeklagte Bormann Maßnahmen mit dem Ziel, den Einfluß der christlichen Kirche innerhalb der Partei und ihrer Gliederungen auszuschalten. Ich biete zum Beweis Dokument 113-PS, US-683, an, einen Befehl des Angeklagten Bormann vom 27. Juli 1938, den er als Stabschef des Stellvertreters des Führers, Heß, herausgab. Dieser Befehl verbietet, daß Geistliche Parteiämter bekleiden. Ich will die Zeit des Gerichtshofs nicht damit in Anspruch nehmen, dieses Dokument in das Protokoll zu verlesen. Sein Inhalt besteht, wie bereits erwähnt, darin, daß Bormann den Befehl erließ, in dem das Verbot ausgesprochen wurde, daß Geistliche innerhalb der Partei Stellungen bekleideten.

VORSITZENDER: Vielleicht ist es angebracht, die Verhandlung jetzt für zehn Minuten zu unterbrechen.