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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

M. GERTHOFFER: Heute Morgen habe ich dem Gerichtshof dargelegt, daß die Deutschen von Frankreich eine Entschädigung von 400 Millionen Franken pro Tag zum Unterhalt ihrer Besatzungstruppen verlangten.

Ich hatte angegeben, daß die damaligen französischen Regierungsleiter, ohne ihre grundsätzlichen Verpflichtungen zu verkennen, sich gegen die Höhe der verlangten Summe auflehnten. Gleich bei ihrer Ankunft in Frankreich hatten die Deutschen dort, wie in den anderen besetzten Ländern; Reichskreditkassenscheine sowie Requisitionsscheine ausgegeben, welche in keiner Weise der Kontrolle der Notenbank unterlagen und nur innerhalb Frankreichs Kurs hatten. Diese Ausgabe von Scheinen stellte eine Gefahr dar, denn ihr Umlauf konnte nach dem alleinigen Belieben der Besatzungsmacht vergrößert werden.

Durch einen im VOBIF vom 17. Mai 1940 Nummer 7 veröffentlichten Erlaß vom 17. Mai 1940, welcher im Dokumentenbuch als RF-214 erscheint, setzte die Besatzungsmacht gleichzeitig den Kurs der Reichsmark auf 20 französische Franken für eine Reichsmark fest, während sich der tatsächliche Wert auf ungefähr 1 Reichsmark für 10 Franken belief.

Da die französische Abordnung über die Bedeutung dieses ständig steigenden Umlaufs der Reichskreditkassenscheine sowie über den Umfang der deutschen Ankäufe und den Kurs der Reichsmark stark beunruhigt war, teilte ihr die deutsche Abordnung am 14. August 1940 mit, daß sie sich weigere, den Kurs der besagten Scheine in Frankreich herabzusetzen. Dies geht aus einem Schreiben vom 14. August hervor, das ich als RF-215 unterbreite.

Die Besatzungsmacht hatte sich somit unrechtmäßigerweise ein Druckmittel auf die derzeitige Französische Regierung geschaffen, um diese dazuzubringen, ihren Forderungen sowohl betreffend der Höhe der Besatzungskosten als auch des aufgezwungenen Kurses der Mark und der Clearing-Abkommen, die in einem nachfolgenden Kapitel erörtert werden, nachzukommen.

General Huntziger, der Vorsitzende der französischen Abordnung, wandte sich verschiedene Male in dramatischer Form an die deutsche Abordnung mit der Bitte, Frankreich nicht in den Abgrund zu stürzen. Dies geht aus einem ferngeschriebenen Bericht Hemmens hervor, den er am 18. August 1940 an seinen Außenminister richtete. Dieser Bericht, den ich dem Gerichtshof als RF-216 unterbreite, wurde von der amerikanischen Armee entdeckt und trägt die Nummer 1741-PS-5. Hier ist der wichtige Teil dieses Berichts:

»Die laufenden sehr hohen Zahlungen gäben Deutschland die Möglichkeit, ganz Frankreich aufzukaufen, einschließlich seiner Industrie und ausländischen Anlagen. Sie bedeuten deshalb den Ruin Frankreichs.«

Durch Schreiben und Note vom 20. August fordert die deutsche Abordnung von der Französischen Delegation Anzahlungen. Dieses Schriftstück betont, daß keine Unterscheidung gemacht werden solle zwischen den deutschen Truppen in Frankreich, daß die Stärke der deutschen Besatzung von den Erfordernissen der weiteren Kriegführung abhängig sei, und daß außerdem die Festsetzung des Markkurses nichts mit den zu leistenden Zahlungen zu tun habe, da diese Zahlungen nur als Abschlagszahlung zu betrachten seien.

Ich unterbreite das Schreiben der Deutschen Regierung vom 20. August als RF-217.

Am nächsten Tag, dem 21. August 1940, hatte General Huntziger eine Unterredung mit Hemmen, in der er sich erfolglos bemühte, eine Herabsetzung der deutschen Forderungen zu erreichen. Dem Protokoll dieser Unterredung, Dokument RF-218, zufolge faßte Deutschland bereits eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Frankreich durch Einsetzung von Beauftragten für die Devisenkontrolle und für die Überwachung des Außenhandels ins Auge. Als Gegenleistung täuschte Hemmen ein Projekt der Aufhebung der Demarkationslinie zwischen den beiden Zonen vor, aber er weigerte sich, über die Höhe der Besatzungskosten weiterhin zu diskutieren.

In einer Note vom 26. August 1940 erklärte die Französische Regierung, daß sie sich verpflichtet fühle, dem Zwange nachzugeben, und protestierte gegen die deutschen Forderungen; das Schreiben endet mit folgenden Zeilen:

»Die französische Nation fürchtet weder Arbeit noch Leid, jedoch muß sie leben können. Aus diesem Grunde wird die Französische Regierung künftighin den bisher beschrittenen Weg nicht weiter gehen können, wenn die Forderungen der Reichsregierung sich als unvereinbar mit diesem Recht zum Leben erweisen sollten.«

Ende des Zitats dieses Dokuments, das ich als RF-219 vorlege. Die Deutschen hatten die unbestreitbare Absicht, die als Besatzungskosten geforderten Summen nicht nur zum Unterhalt, zur Ausrüstung und zur Bewaffnung ihrer in Frankreich stationierten Besatzungs- oder Operationstruppen zu verwerten, sondern auch zu anderen Zwecken. Dies geht insbesondere aus einem Fernschreiben des OKW vom 2. September 1940 hervor, das die US-Armee aufgefunden hat, und das ich als EC-204, RF-220, vorlege. Hier folgt ein Auszug des Fernschreibens, den ich dem Gerichtshof verlese, Seite 22:

»Soweit die eingehenden Frankenbeträge nicht von den Truppen in Frankreich benötigt werden, behält sich OKW das Recht zur weiteren Verfügung über die Devi sen vor.

Insbesondere bedarf die Zurverfügungstellung der Devisen an alle Stellen, die nicht der Wehrmacht angehören, der Genehmigung von OKW, damit unbedingt sichergestellt ist, daß zunächst der gesamte Wehrmachtsbedarf an Frankenbeträgen gedeckt werden kann und dann ein etwaiger Überschuß OKW für wichtige Zwecke des Vierjahresplanes zur Verfügung steht.«

Ende des Zitats.

In einem anderen Fernschreiben, das auf gleiche Weise aufgefunden wurde, und das ich als EC-201, RF-221, vorlege, heißt es:

»Es besteht offenbar keinerlei Übereinstimmung mit den Franzosen, was unter ›Kosten für den Unterhalt der Besatzungstruppen in Frankreich‹ zu verstehen ist. Wenn wir uns auch intern darüber klar sind, daß wir im gegenwärtigen Zeitpunkt eine (uferlose) Diskussion mit den Franzosen aus praktischen Gründen vermeiden müssen, so darf auf der anderen Seite kein Zweifel darüber bestehen, daß wir berechtigt sind, den Begriff ›Unterhalt‹ im weitesten Sinne... auszulegen...«

Später in demselben Schnellbrief Seite 24, Absatz 2:

»In jedem Falle folgt hieraus, daß die von den Franzosen geforderten Konzessionen hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Besatzungskosten und der Mitwirkung über die abgelieferten Franken abgelehnt werden müssen.«

Und schließlich der folgende Absatz:

»Verwendung der Frankenbeträge:

Was die Verwendung der eingezahlten Franken betrifft, die nicht für die eigentlichen Kosten für den Unterhalt der Besatzungstruppen in Frankreich Verwendung finden, so ist eine Erörterung mit den französischen Stellen nicht am Platze.«

Hier endet dieses Zitat.

Später verbuchten die Franzosen vergeblich, eine Verringerung der Besatzungskosten und eine Änderung des Markkurses zu erreichen, die Deutschen lehnten jede Diskussion ab.

Anfang 1941 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Wegen der Unerbittlichkeit der Deutschen stellte die Französische Regierung die Zahlungen im Mai 1941 ein, nahm sie dann jedoch unter dem Druck der Besatzungsmacht wieder auf, zahlte aber nicht mehr als einen Vorschuß von 300 Millionen Franken täglich. Dies ergibt sich aus dem Dokument RF-222.

Am 15. Dezember 1942, nachdem das gesamte französische Gebiet besetzt worden war, verlangte Deutschland, daß die tägliche Teilzahlung von 300 Millionen Franken auf 500 Millionen Franken erhöht würde.

Die für den Unterhalt der Besatzungstruppen bezahlten Beträge belaufen sich insgesamt auf 631.866.000.000 Franken, das heißt zwangskursmäßig auf 31.593.000.000 Reichsmark. Diese Summe ergibt sich nicht nur aus den von der französischen Verwaltung erteilten Auskünften, sondern auch aus den deutschen Dokumenten, und insbesondere aus dem Bericht des genannten Hemmen.

Hemmen, Ministerialdirektor im Auswärtigen Amte in Berlin, war zum Vorsitzenden der Deutschen Wirtschaftsdelegation bei der Waffenstillstandskommission ernannt worden, und handelte tatsächlich auf direkten Befehl seines Ministers von Ribbentrop als wahrer Diktator in Wirtschaftsfragen; sein Hauptmitarbeiter in Paris war Dr. Michel, von dem wir bereits gesprochen haben.

Hemmen behielt seine Funktion als Chef der Wirtschaftsabteilung der Waffenstillstandskommission in Wiesbaden bei, und wurde außerdem noch durch Beschluß Hitlers am 19. Dezember 1942 zum Beauftragten der Reichsregierung für Wirtschaftsfragen bei der Französischen Regierung ernannt. Dies geht aus dem Dokument 1763-PS, RF-223, hervor.

Hemmen sandte regelmäßig geheime Wirtschaftsberichte an seinen Minister. Diese Dokumente sind von der Armee der Vereinigten Staaten entdeckt worden. Sie sind für diesen Teil des Prozesses besonders wichtig, denn, wie Sie sehen werden, enthalten sie das Eingeständnis Deutschlands bezüglich der wirtschaftlichen Plünderung.

Diese umfangreichen Berichte liegen dem Gerichtshof unter den Nummern RF-224, RF-225, RF-226, RF-227, RF-228 und RF-229 (1986-PS, 1987-PS, 1988-PS, 1989-PS, 1990-PS und 1991-PS) vor. Es ist mir unmöglich, sie hier ausführlich zu verlesen, weil sie zu umfangreich sind. Ich werde mich damit begnügen, in meinen nachfolgenden Erklärungen einige kurze Auszüge zu geben. Um ihre Wichtigkeit zu unterstreichen, gebe ich Ihnen hierzu die Übersetzung des letzten Bandes der Hemmen-Berichte. In diesem in Salzburg am 15. Dezember 1944 abgefaßten letzten Bericht wird auf Seite 26 von Hemmen das Zugeständnis gemacht, daß Frankreich für den Unterhalt der Besatzungstruppen einen Betrag in Höhe von 31.593.300.000 Mark, das sind...

VORSITZENDER: Sind diese Dokumente in deutscher Sprache?

M. GERTHOFFER: Jawohl, diese Dokumente sind in deutscher Sprache. Nur den letzten Band konnte ich ins Französische übersetzen lassen; die anderen Dokumente konnte ich wegen ihres Umfangs noch nicht völlig übersetzen lassen, aber gerade aus diesem letzten Band, der ins Französische übersetzt worden ist, werde ich zur Unterstützung meiner Ausführungen einige kurze Auszüge zitieren:

VORSITZENDER: Dann werden Sie sich also auf gewisse Auszüge des letzten Dokuments beschränken?

M. GERTHOFFER: Ich werde mich darauf beschränken.

VORSITZENDER: Nachdem dieses Dokument hier nicht amtlich zur Kenntnis genommen wird, werden uns nur die von Ihnen verlesenen Dokumente als Beweismaterial dienen können.

M. GERTHOFFER: Der auferlegte enorme Betrag war viel größer als irgendeine Summe, welche Deutschland hätte verlangen können. Trotz der Riesenausgaben, die die Deutschen in den ersten zwei Jahren in Frankreich gemacht haben, konnten sie nicht einmal die Hälfte der ihnen zur Verfügung gestellten Beträge benutzen. Dies geht aus dem Bericht Hemmens Seite 27 hervor, Seite 59 der französischen Übersetzung, wo er zusammenfassend eine Tabelle aufstellt, in der die französischen Zahlungen für Besatzungskosten und die deutschen Ausgaben in Millionen Mark angegeben sind. Diese, Tabelle ist sehr kurz, und ich werde sie dem Gerichtshof verlesen. Dies ist ein deutsches Beweisstück, das meine Ausführungen unterstützt.

Im Jahre 1940 französische Zahlungen in Millionen Mark: 4.000

deutsche Ausgaben in M.M.: 1.569

1941 französische Zahlungen in M.M.: 6.075

deutsche Ausgaben in M.M.: 5.205

1942 französische Zahlungen in M.M.: 5.475

deutsche Ausgaben in M.M.: 8.271

1943 französische Zahlungen in M.M.: 9.698,3

deutsche Ausgaben in M.M.: 9.524

1944 französische Zahlungen in M.M.: 6.345

deutsche Ausgaben in M.M.: 6.748

1940/44 Gesamtsumme der französischen Zahlungen:

31.593,3

Gesamtsumme der deutschen Ausgaben

31.317 Millionen Mark.

Die in dieser Tabelle enthaltenen Zahlen sind unbestritten ein deutsches Eingeständnis, daß die Besatzungskosten viel zu hoch angesetzt worden waren, da Deutschland die ihm zur Verfügung gestellten Kredite nicht erschöpfen konnte. Der größte Teil dieser Kredite wurde überdies dazu benutzt, die Ausgaben betreffend Rüstung, Operationstruppen und Lebensmittelversorgung Deutschlands zu finanzieren. Dies geht aus dem Dokument EC-232 hervor, das ich als RF-230 unterbreite.

Nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung hätten sich die forderungsberechtigten Besatzungskosten höchstens auf 74.531.800.000 Franken belaufen dürfen, wenn man eine tägliche Unterhaltsbasis pro Einheit bei der interalliierten Rheinlandsbesatzung von 1919 ins Auge faßt, das heißt eine Summe von 17 Franken, die man auf 21 Franken erhöht hat, um die Wohnungen mit einzuberechnen, die seinerzeit von der Deutschen Regierung geliefert wurden.

Gemäß dem Verhältnis zu dem durchschnittlichen Preisindex, bei einem Koeffizienten von 3,14, müßte die Summe von 21 Franken im Jahre 1939 66 Franken entsprechen. Wenn man noch den Koeffizienten der Frankenentwertung während der Besetzung berücksichtigt, das heißt 2,10 Prozent, so würde die tägliche Durchschnittszahlung 139 Franken betragen. Wenn man die wirklichen Ausgaben des Besatzungsheeres also auf die Hälfte der Berechnungen von Hemmen schätzt, das heißt 27.032.279.120 Mark, so liegt diese Summe noch unterhalb den 74.531.800.000, die vom Institut für Konjunkturforschung berechnet worden waren. Und wenn man den Angeklagten noch die günstige Lösung zubilligt, so kann man schätzen, daß der erpreßte Betrag sich auf 631.866.000.000, minus 74.531.000.000, das heißt 557.335.000.000 Franken beläuft.

In seinem Endbericht Seite 10, auf Seite 22 der französischen Übersetzung, schreibt Hemmen, daß während der vier Jahre, die seit dem Waffenstillstand verstrichen sind, für Besatzungskosten und Unterkunftskosten 34 Milliarden Reichsmark gezahlt wurden, das heißt 680 Milliarden Franken. Frankreich ist somit mit 40 Prozent der Gesamtbesatzungskosten und der Kriegskontributionen beteiligt, die von allen besetzten und verbündeten Ländern gezahlt worden sind. Auf jeden Einwohner kommt somit eine Last von 830 Reichsmark, das heißt 16.600 Franken.

In dem zweiten Teile dieses Kapitels werden wir schnell die Clearing-Frage besprechen. Der Gerichtshof kennt den Mechanismus dieses Clearings; ich werde also darauf nicht mehr zurückkommen. Ich möchte nur angeben, unter welchen Bedingungen die seinerzeitige Französische Regierung dazu gebracht wurde, die aufgezwungenen Abkommen zu unterzeichnen.

Gleichzeitig mit den Besprechungen über die Besatzungskosten wurden Verhandlungen über ein Clearing-Abkommen fortgesetzt. Schon am 24. Juli 1940 hatte die deutsche Abordnung angekündigt, daß sie in Kürze ein Projekt unterbreiten werde. Am 8. August 1940 übergab Hemmen der französischen Abordnung ein Projekt zur deutsch-französischen Regelung der Zahlungen durch Kompensation. Dieses Projekt, das ich als Beweisstück RF-231-bis unterbreite, enthielt eigenmächtige Klauseln, die nicht freiwillig angenommen werden konnten. In der Tat sah es Überweisungen von Frankreich nach Deutschland vor, aber keine Gegenleistungen von Deutschland nach Frankreich. Der Wechselkurs wurde durch eine willkürliche und einseitige Entscheidung auf 20 Franken für eine Mark festgesetzt wohingegen der Kurs an der Berliner Börse ungefähr 17,65 betrug und die wirkliche Parität der beiden Kurse, wenn man ihre diesbezügliche Kaufkraft in Betracht zog, nur 10 Franken für eine Mark ausmachte.

Ich komme nun auf Seite 34. Die französische Abordnung der Waffenstillstandskommission übergab ohne jedweden Erfolg am 20. August 1940 einen Gegenvorschlag und versuchte eine Erleichterung der ungünstigsten Klauseln zu erreichen. Die Gegenvorschläge unterbreite ich als RF-232.

Am 21. August 1940 prüfte die französische Abordnung bei der Waffenstillstandskommission die Frage der Parität Reichsmark-Franken sehr genau und bemerkte dazu, daß das Verbot, finanzielle Übertragungen von Deutschland nach Frankreich vorzunehmen, eine große Ungerechtigkeit darstelle, während zur gleichen Zeit die Übertragungen aus Frankreich organisiert waren, so daß die Französische Regierung eine tatsächliche Enteignung der französischen Gläubiger zu erlauben schien. Ein Auszug dieses Protokolls ist als RF-233 vorgelegt.

In einem Brief vom 31. August nahm General Huntziger vergeblich die Besprechungen über die Parität Franken-Reichsmark wieder auf. Diesen Brief unterbreite ich als RF-234. Am 6. September 1940 machte die Französische Delegation wiederum einen Versuch, eine Änderung der ungünstigsten Klauseln des Clearing-Projektes zu erreichen, aber sie wurde endgültig abgewiesen. Die deutsche Abordnung wollte unter dem Schein eines gegenseitigen Abkommens ein von ihr allein ausgearbeitetes Projekt aufzwingen. Ich zitiere aus einem Teile des Protokolls der Waffenstillstandsdelegation, Dokument RF-235. Herr Schöne, deutscher Delegierter, versicherte:

»Ich kann hierüber nicht mehr diskutieren und kann absolut keine Konzessionen machen.«

Was die Parität Franken-Mark betrifft, teilte Hemmen der französischen Abordnung am 4. Oktober 1940 mit, daß der Kurs 20 Franken für 1 Reichsmark als endgültig anzusehen sei.

Ich zitiere seine Worte: »Hierüber braucht nicht mehr gesprochen zu werden.« Er fügte hinzu, daß, wenn man sich französischerseits weigere, das Zahlungsabkommen abzuschließen, das heißt den Vertrag, den Deutschland eigenmächtig aufzwingen wollte, er dies dem Führer mitteilen würde, und daß alle Erleichterungen für die Demarkationslinie dann aufgehoben würden. Ich unterbreite dieses Protokoll als RF-236.

Schließlich versuchte die Französische Delegation bei den Unterhandlungen, die am 10. Oktober 1940 stattfanden, zum letzten Male, Erleichterungen an diesen drakonischen Maßnahmen zu erreichen. Aber die Deutschen waren unerbittlich und Hemmen sagte...

VORSITZENDER: Herr Gerthoffer, führten diese Verhandlungen schließlich zu einem Abschluß? Denn, wenn dies der Fall ist, wäre es da vielleicht ausreichend, uns das Endergebnis bekanntzugeben und nicht alle Verhandlungen zu erwähnen, die dazu geführt haben?

M. GERTHOFFER: Ich schließe gerade, Herr Präsident, mit dem letzten Zitat, um dem Gerichtshof zu zeigen, wie groß der Druck und die Drohungen waren, die deutscherseits auf die mitarbeitenden Franzosen ausgeübt wurden. Ich werde dann mit diesem Zitat über die Frage des Clearings abschließen. Es ist das letzte Zitat, das diese Frage betrifft. Es handelt sich nämlich um die letzte Besprechung, die am 10. Oktober 1940 stattfand und in deren Verlauf Hemmen sich wie folgt äußerte, RF-237:

»Sie versuchen, den Kurs der Mark zu machen. Ich bitte Sie, Ihre Regierung zu warnen. Wir werden die Verhandlungen abbrechen.

Tatsächlich habe ich vermutet, daß Sie nicht imstande sein würden, eine Preissteigerung zu vermeiden. Aber jetzt steigern Sie die Preise beim Export systematisch. Wir werden schon andere Mittel finden, um unser Ziel zu erreichen. Den Bauxit werden wir uns selber holen.«

Ende des Zitats.

Der Gerichtshof wird mir hierzu einen sehr kurzen Kommentar erlauben: Bei der Waffenstillstandskommission wurden alle Wirtschaftsfragen verhandelt, und die französischen Abgeordneten leisteten Widerstand, denn Deutschland wollte sich sofort die Bauxitgruben aneignen, die in den nichtbesetzten Gebieten lagen.

Der letzte Satz ist eine Drohung, wenn Sie nicht annehmen, was wir hier als Clearing vorgeschlagen haben, so werden wir uns die Bauxiterze holen, das heißt, das unbesetzte Gebiet militärisch besetzen.

Das sogenannte Ausgleichsabkommen funktionierte einzig und allein zum Nutzen Deutschlands. Die Ergebnisse sind folgende:

Bei der Befreiung belief sich die Gesamtsumme der Transfer-Operationen von Frankreich nach Deutschland auf zirka 221.114.000.000 Franken, während die Gesamtsumme der Operationen von Deutschland nach Frankreich auf 50.414.000.000 Franken, das heißt ein Unterschied von 170.640.000.000 Franken zugunsten des französischen Kontos. Dies stellt die Summe der Zahlungsmittel dar, die sich Deutschland durch das von ihm aufgezwungene Clearing-Konto verschafft hat.

Meine Herren, ich komme jetzt zum dritten Teil dieses Kapitels, das sehr kurz wird: das sind die Valuten-Beschlagnahmen und die kollektiven Geldstrafen.

Abgesehen von scheinbar legalen Operationen haben die Deutschen Beschlagnahmen vorgenommen und kollektive Bußen auferlegt, die im Widerspruch zu dem internationalen Recht stehen:

1. Eine Zahlung von einer Milliarde Franken wurde den französischen Juden am 17. Dezember 1941 ohne jeden Grund aufgezwungen. Dies geht unbestreitbar aus Dokument RF-239 hervor.

2. Eine gewisse Anzahl von kollektiven Bußen wurde auferlegt; die bisher vom Finanzministerium in Erfahrung gebrachte Höhe dieser Bußen beträgt 412.636.550 Franken.

3. Die Deutschen haben große Goldbeschlagnahmen vorgenommen. Hemmen selbst gibt in seinem letzten Geheimbericht, Seite 33 und 34, Seite 72 der französischen Übersetzung, zu, daß am 24. September 1940 die Deutschen 257 Kilogramm Gold in dem Hafen von Bayonne beschlagnahmt haben, was bei dem Kurs von 1939 einen Wert von 12.336.000 Franken darstellt, und im Juli 1940 haben sie sich ebenfalls einer Menge Silbermünzen bemächtigt, deren Wert sich auf 35 Millionen beläuft. Ich beziehe mich hier immer auf den Geheimbericht von Hemmen für die Zeitspanne vom 1. Januar bis 30. Juni 1942. In dieser Zeit hatte sich Deutschland in Frankreich 221730 Kilogramm Gold angeeignet. Dieses Gold gehörte der belgischen Staatsbank und belief sich bei dem Kurs von 1939 auf eine Summe von 9.500.000.000 Franken.

Ich kann hier nicht die einzelnen Bedingungen anführen, unter denen das belgische Gold den Deutschen ausgeliefert worden ist. Diese Frage allein würde mich dazu zwingen, während mehrerer Sitzungen darüber zu sprechen. Jedoch ist dies eine Tatsache, die Hemmen selbst zugibt; ich möchte nur angeben, daß seit September 1940, im Gegensatz zum internationalen Recht, Hemmen die Lieferung dieses Goldes verlangt hat. Dieses Gold war im Monat Mai 1940 der französischen Staatsbank von der belgischen Staatsbank anvertraut worden.

Diese Tatsachen stellen einen Teil der Beschwerden dar, die gegen die Exminister der Vichy-Regierung vor dem Obersten Pariser Gerichtshof erhoben worden sind. Es geht aus diesem Prozeß hervor, daß häufige und lange Diskussionen bei der Waffenstillstandskommission stattfanden, und daß am 29. Oktober 1940 ein Abkommen abgeschlossen wurde, das aber wegen der Einwände, die französischer- und belgischerseits erhoben wurden, nicht zur Durchführung kam.

Der ehemalige Vizedirektor der Bank von Frankreich hat angegeben, daß der deutsche Druck immer stärker wurde. Laval, der damals fest entschlossen war, jeden Preis zu zahlen, um sich nach Berlin begeben zu können, wo er die Befreiung vieler Kriegsgefangener sowie die Verringerung der Besatzungskosten und die Aufhebung der Demarkationslinie erlangen wollte, gab aus diesem Grunde den deutschen Forderungen nach.

Deshalb wurde dieses Gold der Reichsbank abgeliefert und auf Befehl des Bevollmächtigten für den Vierjahresplan requiriert. Diesbezügliche Dokumente sind als RF-240 unterbreitet. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß nach der Befreiung die Provisorische Regierung der Französischen Republik der belgischen Staatsbank einen Goldbetrag übergeben hat, der die gleiche Höhe hatte, wie der, der im Mai 1940 der französischen Staatsbank anvertraut worden war.

Um mit der Goldangelegenheit zu Ende zu kommen, möchte ich dem Gerichtshof angeben, daß Deutschland die Goldeinlage der französischen Staatsbank nicht in Beschlag nehmen konnte, da sie rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden war. Schließlich, immer noch nach dem Geheimbericht von Hemmen, Seite 29 und 49 in der französischen Übersetzung: Bei ihrem Auszug aus Frankreich haben sich die Deutschen in den Filialen der französischen Staatsbank in Nancy, Belfort und Epinal ohne jedes Recht einer Summe von 6.899.000.000 bemächtigt; es ist Dokument 1741-PS (24), RF-241. Ich erinnere daran, daß während der Besetzung die Deutschen sich große Massen Gold verschafften, die sie bei Privatpersonen durch Agenten kaufen ließen. Ich kann hierüber keine Zahlen angeben und möchte diese Frage hier nur in Erinnerung bringen. Wenn wir von den Zahlungsmitteln, die die Deutschen unrechtmäßigerweise in Frankreich eingetrieben haben, die höchsten Zahlen für den Unterhalt der Besatzungstruppen abziehen, so erhalten wir in der für die Angeklagten günstigsten Lösung eine Gesamtsumme von 745.833.392.550, das heißt rund 750 Milliarden.

Ich komme nun auf Seite 50, das heißt, wozu die Deutschen diese Riesensummen verwendet haben, und zwar in erster Linie für den von der Besatzungsmacht organisierten schwarzen Markt.

Und hier möchte ich auch nicht die Geduld des Gerichtshofs in Anspruch nehmen. Ich habe bereits ausgeführt, wie der schwarze Markt in allen besetzten Gebieten organisiert war, und ich habe die Ehre gehabt, Ihnen zu zeigen, wie er entstanden ist, wie die Deutschen sich seiner bedienten, wie auf Befehl des Angeklagten Göring dieser Markt organisiert und ausgenutzt wurde, und ich möchte darauf nicht mehr zurückkommen. Ich überschlage den gesamten Teil meines Manuskripts, der dem schwarzen Markt in Frankreich gewidmet ist. Ich komme somit auf Seite 69, drittes Kapitel: Die scheinbare »legalen« Ankäufe.

Unter dem Drucke der Deutschen war die Vichy- Regierung gezwungen, ihnen ein sehr hohes Kontingent von Produkten jeder Art zu reservieren, wogegen die Deutschen sich verpflichteten, Rohstoffe zu liefern, deren Quantitäten von ihnen allein bestimmt werden sollten. Aber, wenn nun diese Rohstoffe geliefert wurden, und das war nicht immer der Fall, wurden sie zum größten Teil von der Industrie aufgesogen, die gezwungen war, ihnen die Fertigfabrikate zu liefern. Tatsächlich gab es überhaupt keinen Ausgleich, da die Besatzungsmacht in Fertigfabrikaten ihre Rohstofflieferungen wieder zurückerhielt, und somit gab sie überhaupt keine Gegenleistung. Dem Bericht der Wirtschaftskontrolle, den ich bereits zitiert habe, und der als RF-107 vorliegt, kann man folgendes Beispiel entnehmen, das ich dem Gerichtshof verlesen werde:

»Durch ein Abkommen gelang es im freien Frankreich 5000 Lastwagen zu erwerben, die dem GBK zugeführt werden sollten. Diesmal lieferte das Reich als Gegenleistung 5 Tonnen Stahl pro Lastwagen, das heißt 25000 Tonnen Stahl, die der französischen Industrie zukommen sollten. Da damals sämtliche Metallprodukte wieder den Deutschen zugeführt wurden, handelte es sich schon um einen äußerst unvorteilhaften Handel. Aber wenn unsere Auskünfte stimmen, wurden die Stahlgegenleistungen darüber hinaus nicht einmal respektiert, und sie wurden zum Teil dazu benutzt, die Mittelmeerbefestigungen anzulegen (Tanksperren usw.).«

Ende des Zitats.

Man muß noch ausführen, daß eine große Anzahl der in Naturalien vorgenommenen Erhebungen absolut nicht bezahlt wurde; entweder sind die Deutschen einfach diese Naturalien schuldig geblieben, oder aber sie betrachteten diese Erhebungen als Kriegsbeute.

Hierzu fehlen die Dokumente; der Text eines Geheimberichts von Kraney wurde von der amerikanischen Armee aufgefunden. Kraney war der Vertreter der ROGES, einem Unternehmen, bei dem die Erwerbungen auf dem schwarzen Markt und Erwerbungen sogenannter Kriegsbeute zusammenliefen. Aus diesem Bericht geht hervor, daß bis September 1944 die ROGES in Deutschland für 10.858.499 Mark Verkäufe getätigt hat, das heißt 217.169.980 Franken von Waren, die in der Südzone, seinerzeit unbesetztes Gebiet, als Kriegsbeute entnommen worden waren; Dokument RF-244. Mit Hilfe der von Deutschland beschlagnahmten Zahlungsmittel, der Requirierungen, die entweder bezahlt oder nicht bezahlt waren, wurde Frankreich vollständig ausgeraubt. Riesenmengen von Sachen jeder Art wurden von den Besatzungsmächten entnommen. Nach den Angaben der französischen statistischen Ämter wurden vorläufige Tabellen über die Mindestzahlen der Eintreibungen aufgestellt. Diese Schätzungen enthalten nicht die reinen Kriegsschäden, sondern einzig und allein die deutschen Plünderungen, und sie geben in Zweifelsfällen eine Minimalzahl an. Sie werden in den acht folgenden Paragraphen kurz zusammengefaßt:

1. Landwirtschaftliche Produkte.

Mit RF-245 unterbreite ich einen Bericht des Landwirtschaftsministers und eine statistische Tabelle des Instituts für Konjunkturforschung, welche die offiziellen deutschen Erhebungen zusammenfaßt Diese Erhebungen enthalten nicht die Einzelkäufe oder die Käufe auf dem schwarzen Markt, die doch beträchtlichen Ausmaßes waren. Ich kann hier diese Aufstellung nicht verlesen, da sie zu groß ist, und ich möchte nur eine kurze Zusammenfassung dieser Aufstellung für einige landwirtschaftliche Hauptprodukte und ihren Wert in Tausend Franken geben; ich gebe runde Zahlen an:

Getreide: 8900000 Tonnen,

Wert 22.000.000.000 Franken

Fleisch: 900000 Tonnen,

Wert 30.000.000.000 Franken

Fisch: 51000 Tonnen,

Wert 1.000.000.000 Franken

Getränke: 13413000 hl,

das heißt 18.500.000.000 Franken

Kolonialwaren: 47000 Tonnen,

805.900.000 Franken

Pferde und Maulesel: 690000 Stück

Holz: 36000000 Kubikmeter

Zucker: 11600000 Tonnen

Ich überspringe die Details.

Die Deutschen haben durch Clearing und über die Besatzungskosten 113.620.376.000 Franken bezahlt. Der Überschuß von 13.000.000.000 Franken ist niemals bezahlt worden.

In diesen Statistiken sind selbstverständlich die durch die übertriebene Wälderausnutzung und die Verminderung der bebauten Flächen angerichteten beträchtlichen Schäden nicht miteinbegriffen.

Ebenfalls werden die Verringerung des Viehbestandes und die durch die intensiven Ackerbaumethoden verursachten Schäden nicht erwähnt.

Sie haben hier, meine Herren, eine kurze Zusammenfassung des Prozentsatzes der offiziellen deutschen Erhebungen an landwirtschaftlichen Produkten im Verhältnis zur französischen Gesamtproduktion: Weizen 13 Prozent, Hafer 75 Prozent, Heu und Stroh 80 Prozent, Fleisch 21 Prozent, Geflügel 35 Prozent, Eier 60 Prozent, Butter 20 Prozent, Fleischkonserven 30 Prozent, Champagner 56 Prozent, Edelhölzer und Industriehölzer 50 Prozent, Brennstoffe 50 Prozent, Alkohol 25 Prozent.

Diese Prozentsätze, ich betone es nochmals, haben nichts mit den Lebensmitteln oder mit den Waren zu tun, die sich die Deutschen durch Einzelkäufe oder durch den schwarzen Markt angeeignet haben.

Ich habe Ihnen hier auseinandergesetzt, daß diese Handlungen in größtem Umfang ausgeführt wurden und für Frankreich allein ungefähr mehrere hundert Milliarden Franken ausmachten. Die Quantitäten der landwirtschaftlichen Produkte, die den französischen Verbrauchern entzogen wurden, sind unberechenbar. Man kann sagen, daß Wein, Champagner, Liköre, Fleisch, Geflügel, Butter, Eier somit nur auf dem Schleichhandelswege zugunsten der Deutschen vertrieben wurden, wohingegen die französische Bevölkerung, abgesehen von einigen Bevorrechtigten, fast keines dieser Produkte bekam.

Im Abschnitt II dieses Kapitels möchte ich jetzt die Frage der Rohstoffentnahmen prüfen.

VORSITZENDER: Vielleicht ist dies ein günstiger Zeitpunkt, die Sitzung zu unterbrechen.