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HAUPTMANN SPRECHER: Fritzsche unterstützte die Politik der Nazi-Verschwörer, die besetzten Länder rücksichtslos auszubeuten, er bejahte und verherrlichte sie. Wiederum verlese ich einen Auszug aus seiner Rundfunkansprache vom 9. Oktober 1941, Seite 2102 und 2103 der BBC-Übersetzung. Ich würde ihn gerne abkürzen, aber es ist einer dieser langen deutschen Sätze, die man einfach nicht auseinanderreißen kann:

»Heutzutage können wir nur sagen: Blitzkrieg oder keiner – dieser deutsche Gewittersturm hat die europäische Atmosphäre bereinigt. Wohl ist es vollkommen wahr, daß die uns drohenden Gefahren eine nach der anderen mit Blitzesschnelle beseitigt worden sind; aber in diesen blitzschnellen Schlägen, die Englands Verbündete auf dem Kontinent zerschmetterten, sahen wir nicht den Beweis der Schwäche, sondern den Beweis der Stärke und der Überlegenheit der staatsmännischen und militärischen Fähigkeiten des Führers; einen Beweis der Kraft des deutschen Volkes; wir sahen den Beweis dafür, daß kein Gegner der Tapferkeit, Disziplin und Opferwilligkeit des deutschen Soldaten standhalten kann; und wir sind besonders dankbar für diese blitzesschnellen, unvergleichlichen Siege, weil sie – wie der Führer am vorigen Freitag betonte – uns die Möglichkeit geben, uns mit der Organisation Europas und der Hebung der Schätze« – ich möchte wiederholen – »Hebung der Schätze dieses alten Kontinents schon jetzt mitten im Kriege zu befassen, ohne daß Millionen und aber Millionen von deutschen Soldaten Wache stehen und Tag und Nacht an irgendeiner bedrohten Grenze kämpfen müssen; die Möglichkeiten dieses Kontinents aber sind so vielfältig, daß sie jeglichen Bedarf in Krieg und Frieden decken können.«

Über die Ausbeutung fremder Länder erklärt Fritzsche selbst in Absatz 39 seines Affidavits:

»Die Verwertung der Produktionskraft der besetzten Gebiete zur Verstärkung des deutschen Kriegspotentials habe ich offen und rühmend hervorgehoben, zumal die zuständigen Stellen mir viel Material, besonders über die Freiwilligkeit des Einsatzes von menschlicher Ar beitskraft zur Verfügung stellten.«

Wenn Fritzsche die Ausbeutungspolitik des Deutschen Reiches so rühmend hervorhob, weil ihm hauptsächlich oder in erster Linie die zuständigen Amtsstellen eingeredet hätten, der Arbeitseinsatz sei freiwillig gewesen, so müßte er freilich ein sehr leichtgläubiger Propagandist gewesen sein.

Ich komme nun zu Fritzsche als dem Oberbefehlshaber des gesamten Rundfunksystems in Deutschland. Fritzsche blieb der Leiter der »Abteilung Deutsche Presse«, bis die Verschwörer ihren letzten Angriffskrieg entfesselt hatten. Im November 1942 schuf Goebbels eine neue Stellung, und zwar die eines Beauftragten für die politische Gestaltung des Großdeutschen Rundfunks, eine Stellung, die Fritzsche als erster und letzter inne hatte.

In Absatz 36 des Dokuments 3469-PS, seiner eidesstattlichen Erklärung, erzählt Fritzsche, wie das gesamte deutsche Rundfunk- und Fernseh-Wesen unter seiner Oberaufsicht organisiert wurde. Sie finden es auf Seite 29 Ihres Dokumentenbuches. Er erklärt:

»Mein Amt stellte praktisch die Befehlszentrale des deutschen Rundfunks dar.«

Als der besondere Beauftragte für die politische Gestaltung des Großdeutschen Rundfunks erteilte Fritzsche mittels Fernschreiben Befehle an sämtliche Reichspropagandaämter. Dies geschah in erster Linie zum Zweck der einheitlichen Ausrichtung des gesamten Radioapparats in Deutschland nach den Wünschen der Verschwörer.

Goebbels hielt gewöhnlich eine Elf-Uhr-Konferenz mit seinen engeren Mitarbeitern im Propagandaministerium ab. Wenn Goebbels und sein Staatssekretär, Dr. Naumann, abwesend waren, beauftragte Goebbels nach dem Jahre 1943 Fritzsche mit der Leitung dieser Elf-Uhr-Pressekonferenz.

Aus Dokument 3255-PS wird der Gerichtshof ersehen, wie Goebbels Fritzsches Rundfunksendungen lobte. Dieses Lob sprach Goebbels in einem Vorwort zu Fritzsches Buch »Krieg den Kriegshetzern« aus. Ich möchte diese Stelle als Beweisstück US-724 vorlegen; sie stammt aus dem Rundfunkarchiv, Seite 18 Ihres Dokumentenbuches. Goebbels sagt hier:

»Keiner weiß besser als ich, wieviel Arbeit in diesen Ansprachen steckt, wie sie manchmal in den letzten Minuten diktiert wurden, um dann einen Augenblick später im ganzen Volk ein williges Ohr zu finden.«

Wir hören also von Goebbels selbst, daß das gesamte deutsche Volk gern bereit war, Fritzsche willig Gehör zu schenken, nachdem er sich am Rundfunk Klang und Namen geschaffen hatte.

Es wurde allgemein darüber gesprochen, daß Fritzsche »Die Stimme seines Herrn« war. Dieses Gerücht entstand aus der Tätigkeit Fritzsches. Wenn Fritzsche im Radio sprach, so war es in der Tat dem deutschen Volk klar, daß es dem Oberkommando der Verschwörer auf diesem Gebiete lauschte.

Fritzsche wird von der Anklagebehörde nicht als der Verschwörer hingestellt, der Befehle zeichnete, in den Geheimkonferenzen saß und die Pläne für die allumfassende Strategie dieser Verschwörer schmiedete. Die Propaganda hat ihrem Wesen nach zum größten Teil mit einem solchen Planen nichts zu tun. Die Aufgabe einer Propagandastelle entspricht irgendwie mehr der einer Reklamestelle oder einer öffentlichen Nachrichtenabteilung, deren Aufgabe es ist, Ware zu verkaufen oder den Markt für das in Frage stehende Unternehmen zu gewinnen. In diesem Fall war das Unternehmen, wie wir behaupten, die Nazi-Verschwörung. Bei einer Verschwörung zur Begehung eines Betrugs ist der geschickte Händler in der Verschwörergruppe ebenso wesentlich und ebenso schuldig wie diejenigen, von denen die Grundidee kam, auch wenn er nicht selbst an der Ausarbeitung aller Durchführungspläne, sondern vielmehr an der kunstvollen Ausführung dieser Pläne mitgewirkt hat. Die Anklagebehörde muß ganz besonders hervorheben, daß in diesem Falle die Propaganda eine ungeheuer wichtige Waffe für diese Verschwörer war. Wir behaupten weiter, daß die führenden Propagandisten die Hauptkomplicen dieser Verschwörung waren, und Fritzsche einer dieser Hauptpropagandisten war.

Als Fritzsche ins Propagandaministerium, der berüchtigtsten »Lügenfabrik« aller Zeiten, eintrat und sich damit dieser Verschwörung verband, tat er dies mit einer klareren Erkenntnis als die meisten dieser Verschwörer, die sich viel früher, schon vor der Machtübernahme, festgelegt hatten.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß Fritzsche im Jahre 1933, bevor er seinen Parteieid des bedingungslosen Gehorsams und der Treue zum Führer ablegte, und damit seinem moralischen Verantwortungsgefühl zugunsten dieser Verschwörer entsagte, aus erster Hand die Tätigkeit der Sturmabteilungen und die Auswirkungen der nazistischen Rassenlehre beobachtet hatte. Als er nun dessenungeachtet daranging, die gesamten deutschen Nachrichtenagenturen unter faschistische Kontrolle zu bringen, lernte er viele von den schamlosen Intrigen und frechen Lügen gegen die Oppositionsgruppen innerhalb und außerhalb Deutschlands bis ins letzte, sogar aus Goebbels eigenem Munde kennen. Er beobachtete, wie zum Beispiel oppositionelle Journalisten, ein Stand, dem er selbst früher angehört hatte, der Existenz beraubt und zu Boden gedrückt, entweder gleichgeschaltet oder ausgeschieden wurden. Trotzdem unterstützte er weiterhin die Verschwörung. Er lernte von Tag zu Tag besser die Kunst, mit Intrigen und Marktschreierei das deutsche Volk zu verführen, und sein Prestige und Einfluß stieg, je mehr er diese Kunst übte.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß Fritzsche erklärt hatte, sein Vorgänger Berndt hätte seinen führenden Posten in der »Abteilung Deutsche Presse« zum Teil deswegen verloren, weil er mit seiner zwar erfolgreichen, aber plumpen und übertriebenen Handhabung der Sudetenlandpropaganda über das Ziel hinausgeschossen hatte. Fritzsche füllte die Lücke, die dadurch entstanden war, daß sowohl die Schriftleiter wie das deutsche Volk das Vertrauen verloren hatten, und er tat seine Arbeit gut.

Ohne Zweifel war Fritzsche nicht so plump wie sein Vorgänger, aber seine relative Spitzfindigkeit und Schlauheit und seine besondere Fähigkeit, den Leuten Vertrauen einzuflößen, und, wie Goebbels es nannte, »im ganzen Volk ein williges Ohr zu finden«, all dies machte ihn zu einem um so wertvolleren Komplicen dieser Verschwörer.

Als Nazi-Deutschland und seine Presse zu wirklich kriegerischen Operationen schritten, war Fritzsche Chef des eigentlichen Propagandaapparates, der die deutsche Presse und die deutschen Nachrichten kontrollierte, sei es mittels der Presse oder des Rundfunks. Als Fritzsche im Jahre 1942 von der Presse zum Rundfunk überging, geschah dies nicht, weil er Fehler begangen hatte, sondern nur, weil Goebbels ihn damals auf dem Gebiet des Rundfunks viel dringender brauchte, Fritzsche sitzt auf der Anklagebank nicht als freier Journalist, sondern als tüchtiger, bewährter Nazi-Propagandist, der wesentlich dazu beitrug, daß die Nazis dem deutschen Volk immer engere Fesseln anlegten; als Propagandist, der die Ausschreitungen dieser Verschwörer dem Gewissen des deutschen Volkes selbst immer schmackhafter machte; als Propagandist, der zynisch den barbarischen Rassenhaß predigte, der ja die Seele dieser Verschwörung ist; als Propagandist, der kalten Blutes einfache deutsche Menschen zu blindem Haß gegen Menschen aufreizte, von denen er sagte, daß sie Untermenschen und schuld an all den Leiden Deutschlands seien, an Leiden, die in Wirklichkeit diese Nazis selbst heraufbeschworen hatten.

Zum Schluß möchte ich noch eins hervorheben. Ohne den Propagandaapparat des Nazi-Staates hätte die Welt, einschließlich Deutschlands, sicherlich nicht die Katastrophe dieser Jahre erdulden müssen. Weil Fritzsche eine so geschickte Rolle für die Nazi-Verschwörer und bei ihren betrügerischen und barbarischen Praktiken im Rahmen der Verschwörung spielte, wird er jetzt vor diesem Internationalen Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE, HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Den nächsten Vortrag sollte Oberst Griffith-Jones im Falle des Angeklagten Heß halten; wie ich höre, hält es jedoch der Gerichtshof für besser, diesen Fall im Augenblick zurückzustellen. Wenn das zutrifft, ist Major Harcourt Barrington bereit, nun den Fall des Angeklagten von Papen vorzutragen.

VORSITZENDER: Ja. Wir hörten, daß der Verteidiger des Angeklagten Heß heute nicht hier sein kann; aus diesem Grunde ist es besser, mit einer anderen Sache zu beginnen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mit Erlaubnis Eurer Lordschaft wird Major Harcourt Barrington nunmehr seinen Vortrag gegen den Angeklagten von Papen halten.

MAJOR J. HARCOURT BARRINGTON, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Meine Herren Richter! Ich höre eben, daß die Dolmetscher die erforderlichen Papiere und Dokumentenbücher noch nicht hier haben; sie können sie jedoch in einigen Minuten bekommen. Wünschen Sie, daß ich beginne, oder soll ich warten, bis diese Bücher hier sind?

VORSITZENDER: Sie können beginnen.

MAJOR BARRINGTON: Hoher Gerichtshof! Es ist meine Aufgabe, den Fall gegen den Angeklagten von Papen vorzutragen. Bevor ich zur Sache selbst komme, möchte ich sagen, daß die Dokumente in den Dokumentenbüchern nach Nummern geordnet sind und nicht in der Reihenfolge, wie sie hier vorgetragen werden. In den englischen Dokumentenbüchern sind Seitenzahlen jeweils unten mit Rotstift angebracht.

VORSITZENDER: Heißt das, daß die französischen und sowjetischen Bücher nicht in dieser Weise vorbereitet sind?

MAJOR BARRINGTON: Herr Vorsitzender, wir haben keine französischen und russischen Dokumentenbücher vorbereitet.

VORSITZENDER: Major Barrington! Die französischen Richter haben überhaupt keine Dokumentenbücher.

MAJOR BARRINGTON: Es sollte ein deutsches Dokumentenbuch für die französischen Richter vorhanden sein. Ich höre, daß es gerade heraufgebracht wird. Soll ich warten, bis es heraufkommt?

VORSITZENDER: Ich denke, Sie können fortfahren.

MAJOR BARRINGTON: Der Angeklagte von Papen ist in erster Linie beschuldigt, an der Verschwörung teilgenommen zu haben. Der Beweis für seine Teilnahme an der Verschwörung ergibt sich automatisch aus den Beweisen für die vier Beschuldigungen, die in Anhang »A« zur Anklage näher ausgeführt sind. Es sind folgende:

1. Er half den Nazi-Verschwörern, zur Macht zu gelangen.

2. Er nahm an der Festigung ihrer Herrschaft über Deutschland teil.

3. Er förderte die Vorbereitungen für den Krieg.

4. Er nahm an der von den Nazi-Verschwörern betriebenen politischen Planung und Vorbereitung der Angriffskriege teil und so weiter.

Im großen und ganzen umfaßt der Fall gegen von Papen die Zeitspanne vom 1. Juni 1932 bis zur Durchführung des Anschlusses im März 1938.

Fast das einzige, insbesondere von Papen belastende Beweismaterial in den bisherigen Verfahren betraf seine Tätigkeit in Österreich. Dieses Beweismaterial braucht jetzt nur noch kurz zusammengefaßt zu werden. Wenn sich der Fall von Papens nur auf Österreich beschränkte, wäre die Anklagebehörde in der Lage, nur eine Zeitspanne zu behandeln, während der seine Hauptaufgabe darin bestand, eine gut einstudierte Vertrauenswürdigkeit vorzutäuschen und in der seine alleinige Absicht war, seiner Tätigkeit ein Mäntelchen von Aufrichtigkeit und harmloser Achtbarkeit umzuhängen. Es ist deshalb wünschenswert, das bereits vorliegende Beweismaterial ins rechte Licht zu setzen, indem wir außerdem die aktive und bedeutende Rolle aufzeigen, die er für die Nazis spielte, ehe er nach Österreich ging.

Papen selbst behauptet, er habe mehrere Male Hitlers Aufforderung, der Partei beizutreten, abgelehnt. Bis 1938 mag das vielleicht auch wirklich wahr gewesen sein; denn er war schlau genug, die Vorteile zu erkennen, die sich aus einer wenigstens äußerlichen Beibehaltung seiner persönlichen Unabhängigkeit ergaben. Es ist deshalb meine Absicht, zu beweisen, daß von Papen trotz der Fassade seiner Unabhängigkeit ein eifriges Mitglied dieser Verschwörung war, und daß er trotz verschiedener Warnungen und Zurückweisungen nicht imstande war, ihrem Anreiz zu widerstehen.

Der Schlüssel zum Verständnis des Verhaltens von Papens liegt nach Ansicht der Anklagebehörde darin, daß, obwohl er vielleicht kein typischer Nazi, er doch ein skrupelloser politischer Opportunist und jederzeit bereit war, mit den Nazis gemeinsame Sache zu machen, falls es ihm vorteilhaft schien. Er war nicht unerfahren in der Doppelrolle, die er spielte, und betrachtete mit augenscheinlicher Gleichgültigkeit die Widersprüche und Vertrauensbrüche, in die ihn seine Doppelrolle unvermeidlich verwickelte. Eine seiner Hauptwaffen waren betrügerische Zusicherungen.

Ehe ich auf die einzelnen Anklagepunkte eingehe, möchte ich auf Dokument 2902-PS verweisen, Seite 38 des englischen Dokumentenbuches; ich lege es als Beweisstück GB-233 vor. Dies ist eine von Papen selbst unterzeichnete Erklärung, die seine Stellungen aufzeigt; sie ist nicht chronologisch geordnet, aber ich werde die wesentlichen Teile der Reihe nach verlesen. Es ist nicht notwendig, die ganze Erklärung zu verlesen.

Ich beginne mit Absatz 1. Der Gerichtshof wird bemerken, daß diese Erklärung von Dr. Kubuschok, dem Verteidiger von Papens, geschrieben, jedoch von von Papen selbst gezeichnet ist:

»Von Papen hat die mehrfache Aufforderung Hitlers, der NSDAP beizutreten, abgelehnt. Er hat von Hitler lediglich ›das Goldene Ehrenzeichen der Partei‹ übersandt erhalten. Hierdurch ist er nach meiner Ansicht rechtlich nicht Parteimitglied geworden.«

Herr Vorsitzender, ich möchte hier einschalten, daß man offiziell annahm, er sei im Jahre 1938 Parteimitglied geworden; das wird durch ein Dokument bewiesen werden, auf das ich später eingehen werde.

Ich gehe nun zu Absatz 2 über:

»Mitglied des Reichstages ist von Papen von 1933 bis 1945 gewesen.«

Absatz 3:

»Von Papen war Reichskanzler vom 1. Juni 1932 bis 17. November 1932. Die Geschäfte als Reichskanzler hat er bis zum Amtsantritt des Nachfolgers bis zum 2. Dezember 1932 weiter geführt.«

Absatz 4:

»Von Papen ist am 30. Januar 1933 zum Vizekanzler ernannt worden. Ab 30. Juni 1934« – das war das Datum der blutigen Säuberung – »hat er eine Amtstätigkeit nicht mehr ausgeübt. Er wurde an diesem Tage in Haft gesetzt. Sofort nach seiner Freilassung am 3. Juli 1934 hat er sich in die Reichskanzlei begeben, um Hitler seinen Rücktritt zu erklären.«

Es ist nicht notwendig, den Rest dieses Absatzes zu verlesen. Es wird die Streitfrage über die Echtheit seiner Unterschrift erörtert, die im Reichsgesetzblatt vom August 1934 unter verschiedenen Gesetzen erschienen ist. Ich bin bereit, die Behauptung, daß seine Unterschrift unter diesen Gesetzen unecht und ein Versehen gewesen sein mag, anzuerkennen. Er gibt zu, daß er sein Amt nur bis zum 3. Juli 1934 innegehabt hat.

Der Gerichtshof wird sich auch noch erinnern, daß er als Vizekanzler Mitglied des Reichskabinetts war.

Ich gehe nun zu Absatz 5 über:

»Von Papen ist am 13. November 1933 Saarbevollmächtigter geworden. Für die Beendigung seines Amtes gilt das gleiche wie zu Ziffer 4.«

Den Rest des Dokuments brauche ich nicht zu verlesen. Es handelt sich um seine Berufungen nach Wien und Ankara, die geschichtsbekannt sind. Er wurde am 26. Juli 1934 zum Gesandten in Wien ernannt und am 4. Februar 1938 von dort abberufen. Dann war er vom April 1939 bis August 1944 Botschafter in Ankara.

Die erste Beschuldigung gegen den Angeklagten von Papen ist die, daß er seinen persönlichen Einfluß dazu verwandte, die Machtergreifung der Nazi-Verschwörer zu fördern. Von Anfang an kannte von Papen das Nazi-Programm und die Nazi-Methoden sehr gut. Es ist nicht so, daß er die Nazis in Unkenntnis dieser Tatsachen unterstützte. Das offizielle NSDAP-Programm war klar und allgemein bekannt. Es war im Buch »Mein Kampf« seit vielen Jahren öffentlich bekannt gemacht worden; es war im Jahrbuch der NSDAP und in anderen Büchern immer wieder veröffentlicht worden. Die Nazis machten kein Geheimnis aus ihrer Absicht, ihr Programm zum Staatsgrundgesetz zu machen. All dies ist in einem früheren Verfahrensabschnitt eingehend behandelt worden.

Während des Jahres 1932 war von Papen als Reichskanzler besonders gut in der Lage, die Nazi- Zwecke und -Methoden zu erkennen; er hat sogar öffentlich auf die drohende Nazi-Gefahr hingewiesen. Nehmen wir zum Beispiel seine Rede in Münster am 28. August 1932. Es ist dies Dokument 3314-PS, Seite 49 des englischen Dokumentenbuches; ich lege es jetzt als Beweisstück GB-234 vor und, zitiere zwei Auszüge am Anfang der Seite:

»Die Zügellosigkeit, die aus dem Aufruf des Führers der nationalsozialistischen Bewegung spricht, paßt schlecht zu den Ansprüchen auf die Staatsregierung.... Ich gestehe ihm nicht das Recht zu, die Minderheit in Deutschland, die seinen Fahnen folgt, allein als die deutsche Nation anzusehen und alle übrigen Volksgenossen als Freiwild zu behandeln.«

Nehmen wir weiter seine Rede in München vom 13. Oktober 1932, Seite 50 des englischen Dokumentenbuches, Dokument 3317-PS, das ich als Beweisstück GB-235 vorlege. Ich will nur den letzten Auszug auf der Seite verlesen:

»Im Interesse des Volksganzen lehnen wir den Machtanspruch von Parteien ab, die ihre Anhänger sich mit Leib und Seele verschreiben wollen und die sich als Partei oder Bewegung an die Stelle der deutschen Nation setzen wollen.«

Ich möchte mit diesen wahllosen Auszügen nur beweisen, daß er im Jahre 1932 die der Nazi-Philosophie innewohnende Gesetzlosigkeit klar erkannt hatte. Trotzdem schrieb er in seinem Brief an Hitler vom 13. November 1932, den ich später ausführlicher verlesen werde, über die Nazi-Bewegung folgendes:

»... einer so großen nationalen Bewegung, deren Verdienste um Volk und Land ich trotz notwendiger Kritik stets anerkannt habe....«

So wechselnd und so offenbar widerspruchsvoll sind von Papens Handlungen und Äußerungen über die Nazis, daß es unmöglich ist, ein Bild von Papens Teilnahme an diesem schändlichen Unternehmen zu zeichnen, wenn man nicht zuerst die Schritte nachprüft, die ihn zum Eintritt in die Partei führten. Dann wird es vollkommen klar, daß er sich, wenn auch nicht aus vollem Herzen, so doch mit kalter und überlegter Berechnung in die Nazi-Verschwörung stürzte.

Ich will nun einige der Hauptschritte aufzählen, durch die sich von Papen der Nazi-Verschwörung anschloß.

Als Folge seiner ersten persönlichen Fühlungnahme mit Hitler hob von Papen als Kanzler am 14. Juni 1932 die am 13. April 1932 erlassene Verordnung über die Auflösung der militärähnlichen Nazi-Organisationen, der SA und SS, wieder auf. Damit leistete er der Nazi-Partei den größtmöglichen Dienst, da sie auf ihre militärähnlichen Organisationen angewiesen war, um sich das deutsche Volk zu unterwerfen. Die Verordnung, die die Auflösung der SA und SS wieder aufhob, befindet sich in Dokument D-631, Seite 64 des Dokumentenbuches; ich lege es jetzt als Beweisstück GB-236 vor. Es ist ein Auszug aus der Gesetzessammlung des Reichsgesetzblattes. Die betreffende Stelle befindet sich in Absatz 20.

»Diese Verordnung tritt mit dem Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Sie tritt an die Stelle... der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Staatsautorität vom...«

Das Datum dort ist falsch. Es muß »13. April 1932« heißen.

VORSITZENDER: Welche Seite im Dokumentenbuch ist es?

MAJOR BARRINGTON: Ich bitte um Entschuldigung, Eure Lordschaft, es ist Seite 64. Das Datum dort sollte nicht 3. Mai 1932, sondern 13. April 1932 heißen. Es war die Verordnung, die früher unter der Regierung des Kanzlers Brüning die Auflösung der militärähnlichen Nazi-Organisationen verfügt hatte. Am Ende der Seite 64 wird der Gerichtshof die einschlägigen Stellen der Verordnung vom 13. April 1932 abgedruckt finden. Paragraph 1 dieser Verordnung lautet:

»Sämtliche militärähnlichen Organisationen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, insbesondere die Sturmabteilungen (SA), die Schutzstaffeln (SS)... werden mit sofortiger Wirkung aufgelöst.«

Diese Aufhebung durch von Papen erfolgte auf Grund einer Vereinbarung mit Hitler, die in einem mit Genehmigung der NSDAP herausgegebenen Buch »Daten der Geschichte der NSDAP« von Dr. Hans Volz erwähnt ist. Das Buch ist bereits als Beweisstück US-592 vorgelegt. Der Auszug, den ich verlesen möchte, steht auf Seite 59 des Dokumentenbuches und ist Dokument 3463-PS. In dem kleinen Buch befindet sich der Auszug, den ich verlesen werde, auf Seite 41;

»28. Mai:« – es handelt sich selbstverständlich um das Jahr 1932 – »In Anbetracht des bevorstehenden Sturzes Brünings Zusammenkunft zwischen dem früheren preußischen Zentrumsabgeordneten Franz von Papen und dem Führer in Berlin (erste persönliche Fühlungnahme im Frühjahr 1932); der Führer sagt Tolerierung eines Kabinetts Papen durch die NSDAP zu, falls SA-, Uniform- und Demonstrationsverbot aufgehoben und Reichstag aufgelöst wird.«

Man kann sich kaum ein schlaueres Eröffnungsgambit von einem Manne, der im Begriffe stand, Kanzler zu werden, vorstellen, als die Wiederzulassung dieser unheilvollen Organisationen, die sein Vorgänger unterdrückt hatte. Diese Handlung kennzeichnet ganz klar die für ihn charakteristische Doppelzüngigkeit und die Unaufrichtigkeit der von ihm öffentlich erklärten Verurteilung der Nazis, die ich vor einigen Minuten zitiert habe.

Achtzehn Monate später prahlte er offen damit, daß er zur Zeit der Übernahme der Kanzlerschaft schon empfohlen habe, dieser »jungen kämpfenden Freiheitsbewegung«, wie er sie nannte, den Weg zur Macht zu ebnen. Das geht aus Dokument 3375-PS hervor, das ich in einigen Minuten vorlegen werde.

Ein weiterer wichtiger Schritt war sein berüchtigter Staatsstreich vom 20. Juli 1932, als er die Preußische Braun-Severing-Regierung des Amtes enthob und die gesamte Regierungsgewalt über das Reich und Preußen in seiner Hand als Reichskommissar für Preußen vereinigte. Dies ist geschichtsbekannt und in Dokument D-632, das ich nunmehr als Beweisstück GB-237 vorlege, behandelt. Sie finden es auf Seite 65 des Dokumentenbuches. Dieses Dokument ist, glaube ich, eine Art halbamtlicher Biographie einer Reihe von im öffentlichen Leben stehenden Männern.

Von Papen betrachtete diesen Schritt, seinen Staatsstreich in Preußen, als einen ersten Schritt in der von Hitler später verfolgten Politik, die Länder mit dem Reich gleichzuschalten. Das geht aus Dokument 3357-PS hervor, zu dem ich später noch kommen werde.

Den nächsten Schritt wird der Gerichtshof erkennen, wenn er Dokument D-632, Seite 65 des Dokumentenbuches, die letzten vier oder fünf Zeilen der Seite, einsieht. Es waren die Reichstagswahlen vom 31. Juli, zu denen es als Folge der Auflösung des Reichstags durch von Papen am 4. Juni kam. Die Auflösung wiederum beruhte auf der vor wenigen Minuten erwähnten Abmachung mit Hitler. Die Wahl führte zu einer enormen Stärkung der NSDAP, so daß von Papen dem Führer der nunmehr stärksten Partei seine Beteiligung an der Regierung als Vizekanzler anbot. Adolf Hitler wies dieses Angebot am 13. August zurück.

Der neue Reichstag, der am 30. August zusammentrat, wurde bereits am 12. September wieder aufgelöst. Die Neuwahlen brachten zwar der NSDAP eine beträchtlichen Verlust, stärkten jedoch auch die Regierungsparteien nicht, so daß die Regierung von Papens nach vergeblichen Verhandlungen mit den Parteiführern am 17. November 1932 zurücktrat.

Herr Vorsitzender, ich möchte noch einige weitere Auszüge aus dieser Biographie zitieren; es handelt sich aber nur um ein Verzeichnis von Ereignissen. Vielleicht werden mir Eure Lordschaft gestatten, bei einer passenden Gelegenheit darauf zurückzukommen.

Die soeben in der Biographie erwähnten Verhandlungen mit Hitler erfolgten schriftlich. Von Papen schrieb an Hitler am 13. November 1932 den Brief, Dokument D-633, Seite 68 des englischen Dokumentenbuches, den ich jetzt dem Gerichtshof als Beweisstück GB-238 vorlege. Ich möchte einen Teil dieses Briefes verlesen, weil er zeigt, welche kräftigen Anstrengungen von Papen selbst auf die Gefahr weiterer Zurückweisungen durch Hitler machte, sich den Nazis zu verbünden. Ich verlese den dritten Absatz und möchte den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß in der englischen Übersetzung dieses Absatzes einige Unterstreichungen vorkommen, die im deutschen Text nicht erscheinen.

»Durch die Wahl vom 6. November ist eine neue Lage eingetreten und damit eine neue Möglichkeit für die Zu sammenfassung aller nationalen Kräfte erneut geschaffen. Der Herr Reichspräsident hat mich beauftragt, nunmehr durch Besprechungen mit den Führern der einzelnen in Frage kommenden Parteien festzustellen, ob und inwieweit diese bereit seien, die Durchführung des in Angriff genommenen politischen und wirtschaftlichen Programms der Reichsregierung zu unterstützen. Obschon die nationalsozialistische Presse geschrieben hat, es sei ein naives Unterfangen, wenn der Reichskanzler von Papen nunmehr mit den für die nationale Konzentration in Betracht kommenden Persönlichkeiten verhandeln wolle, und es sei darauf die Antwort zu geben: ›Mit Papen gäbe es keine Verhandlungen‹, würde ich es für eine Pflichtverletzung halten und auch vor meinem Gewissen nicht verantworten können, wenn ich mich nicht trotzdem im Sinne meines Auftrages an Sie wenden würde. Ich weiß zwar aus der Presse, daß Sie die Forderung der Übertragung des Kanzlerpostens aufrechterhalten und bin mir ebenso bewußt, in welchem Maße die dagegenstehenden Gründe, welche die Entscheidung des 13. August herbeiführten, fortbestehen, wobei ich nicht erneut zu versichern brauche, daß meine Person dabei keine Rolle spielt. Aber trotzdem bin ich der Ansicht, daß der Führer einer so großen nationalen Bewegung, deren Verdienste um Volk und Land ich trotz notwendiger Kritik stets anerkannt habe, sich dem augenblicklich verantwortlich führenden deutschen Staatsmann nicht zu einer Aussprache über die Lage und die zu fassenden Entschlüsse versagen sollte. Wir müssen versuchen, die Bitternis des Wahlkampfes zu vergessen und die Sache des Landes, der wir gemeinsam dienen, über alle anderen Bedenken zu stellen.«

Hitler antwortete darauf am 16. November 1932 mit einem langen Brief, in dem er Bedingungen stellte, die offenbar unannehmbar für von Papen waren, da er am nächsten Tage zurücktrat. Sein Nachfolger wurde von Schleicher. Das Dokument trägt die Bezeichnung D-634 und wurde als Teil des Beweisstücks GB-238 vorgelegt, da es ein Teil desselben Briefwechsels ist. Ich brauche den Brief selbst nicht zu verlesen.

Dann kam es zu Besprechungen zwischen von Papen und Hitler im Januar 1933 im Hause von Schröders und Ribbentrops, die dazu führten, daß Hitler am 30. Januar 1933 als Nachfolger von Schleichers Reichskanzler wurde. Ich komme wieder auf die Biographie zurück, Seite 66 des Dokumentenbuches. In ihr befindet sich ein Bericht über die Besprechung im Hause von Schröders; es ist der zweite Absatz auf der Seite:

»Die in den ersten Tagen des Januar 1933 erfolgte Zusammenenkunft mit Hitler in dem Hause des Bankiers Baron von Schröder in Köln kann auf seine« – gemeint ist natürlich von Papens – »Initiative zurückgeführt werden, wenn auch von Schröder der Vermittler gewesen ist. Über diese Zusammenkunft gaben von Papen sowohl als auch Hitler nachträglich öffentliche Erklärungen ab (Presse vom 6. Januar 1933). Als Kabinett der nationalen Konzentration bildete sich dann nach dem schnellen Sturz von Schleichers vom 28. Januar 1933 am 30. Januar 1933 die Regierung Hitler – von Papen – Hugenberg – Seldte, in der von Papen stellvertretender Reichskanzler und Reichskommissar von Preußen wurde.«

Die Besprechungen im Hause Ribbentrops, bei denen auch von Papen anwesend war, wurden bereits von Sir David Maxwell-Fyfe unter Hinweis auf Dokument D-472, Beweisstück GB-130, erörtert. Ich möchte nun eine eidesstattliche Erklärung von Schröders als Beweismittel vorlegen. Ich hörte jedoch, daß Dr. Kubuschok hiergegen Einspruch zu erheben wünscht.

Bevor Dr. Kubuschok seinen Einspruch vorbringt, dürfte es vielleicht zweckmäßig sein, daß ich ganz offen erkläre, daß sich von Schröder jetzt in Haft befindet, und zwar nach meinen Informationen in Frankfurt. Er könnte daher zweifellos persönlich als Zeuge vorgeladen werden. Vielleicht darf ich auch schon jetzt erklären, daß die Anklagebehörde keinen Einspruch erheben würde, wenn die Befragung von Schröders über den Gegenstand seiner eidesstattlichen Erklärung angeordnet würde.

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: Ich widerspreche der Verlesung des Affidavits des Barons von Schröder. Ich bin mir bewußt, daß in einzelnen Fällen der Gerichtshof Affidavits zugelassen hat. Es geschah dies unter Berufung auf Artikel 19 der Charter, die davon ausgeht, daß ein möglichst schnelles Verfahren gesichert werden soll; daß aus diesem Grunde die Bestimmung der einzelnen Prozeßregeln insoweit dem Gerichtshof vorbehalten wird. Entscheidend ist also die Beschleunigung des Verfahrens. Aus diesem Grunde kann jedoch im vorliegenden Fall die Verlesung des Affidavits nicht genehmigt werden.

Der Fall liegt völlig analog dem Fall, der am 14. Dezember hier bezüglich des Affidavits Kurt von Schuschniggs entschieden worden ist. Von Schröder ist in der Nähe, von Schröder ist offensichtlich zum Zwecke des Prozesses in die Nähe von Nürnberg gebracht worden. Die Aufnahme des Affidavits erfolgte am 5. Dezember. Er kann jederzeit herbeigeholt werden. Die Verlesung des Affidavits würde die Folge haben, daß ich mich unbedingt nicht nur auf ihn, sondern noch auf verschiedene andere Zeugen berufen müßte, und zwar dies deswegen, weil von Schröder in dem Affidavit einen Tatsachenkomplex angeschnitten hat, der in seiner Ausdehnung für die Urteilsfindung sicherlich nicht maßgeblich ist, der aber, wenn er einmal in die Verhandlung eingeführt wird, in Erfüllung der Verteidigerpflichten, auch erörtert werden muß.

Der Inhalt des Affidavits behandelt innerpolitische Vorgänge mit zweifellos unrichtigen Ausdrücken. Dadurch würden sofort Mißverständnisse in die Verhandlung getragen werden, die bei einer Zeugenvernehmung von vornherein eliminiert werden können. Ich glaube also, daß bei einer Zeugenvernehmung dieser ganze Komplex lediglich durch die Vernehmung von Schröders erledigt werden könnte, während, andernfalls sicherlich ein größeres Zeugenaufgebot neben der Vernehmung von Schröders und neben der Verlesung des Affidavits erforderlich wäre.

VORSITZENDER: Ist das alles?

DR. KUBUSCHOK: Jawohl.

VORSITZENDER: Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

MAJOR BARRINGTON: Jawohl, Herr Vorsitzender.

Unter Berufung auf die Entscheidung über das Affidavit von Schuschnigg als Präzedenzfall wurde der Gerichtshof gebeten, dieses Affidavit nicht zuzulassen. Ich glaube, mit Recht sagen zu können, daß die Zurückweisung des Affidavits Schuschniggs eine Ausnahme von der allgemeinen Regel über Affidavits darstellte, die der Gerichtshof kurz zuvor am gleichen Tage festgelegt hat, als das Affidavit von Messersmith angenommen wurde. Vielleicht gestatten mir Eure Lordschaft, aus dem Sitzungsprotokoll die Entscheidung des Gerichtshofs über das Affidavit von Messersmith vorzulesen.

VORSITZENDER: Herr Messersmith befand sich in Mexiko, nicht wahr?

MAJOR BARRINGTON: Jawohl.

VORSITZENDER: Der Unterschied zwischen ihm und Schuschnigg in dieser Hinsicht war also sehr beträchtlich.

MAJOR BARRINGTON: In dieser Hinsicht gewiß, doch wollte ich folgendes sagen. In Ihrer Entscheidung zu dem Affidavit von Herrn Messersmith, Herr Vorsitzender, führten Sie aus:

»Angesichts dieser Vorschriften« – das heißt Artikel 19 des Statuts – »entscheidet der Gerichtshof, daß die eidesstattlichen Erklärungen vorgelegt werden können, und daß dies im gegenwärtigen Falle zulässig ist. Die Frage des Beweiswertes einer eidesstattlichen Erklärung, im Vergleich zu einer Aussage eines im Kreuzverhör vernommenen Zeugen, würde vom Gerichtshof natürlich erwogen werden, und sollte der Gerichtshof später der Ansicht sein, daß die Anwesenheit eines Zeugen von größter Wichtigkeit ist, so kann diese Angelegenheit nochmals erörtert werden.«

Eure Lordschaft fügten weiter hinzu:

»Sollte die Verteidigung Fragen an den Zeugen zu stellen wünschen, so ist ihr dies freigestellt.«

Am Nachmittag des gleichen Tages, als das Affidavit Schuschniggs auftauchte...

VORSITZENDER: Welcher Tag war dies?

MAJOR BARRINGTON: Es war der 28. November. In Band II. Seite 389/390 des Sitzungsprotokolls wurde das Affidavit Messersmiths und in Band II, Seite 425, wurde das Affidavit Schuschniggs behandelt.

Als nun der Einspruch gegen das Affidavit Schuschniggs erhoben wurde, wurde er mit folgenden Worten begründet:

»Das Gericht hat heute bei der Verkündung des Beschlusses hinsichtlich der Verwertung der schriftlichen Aussage des Zeugen Messersmith verkündet, daß, wenn das Gericht die Empfindung habe, es handle sich um Zeugen von größter Wichtigkeit, es bei der Beurteilung solcher Fragen einen anderen Standpunkt einnehmen würde.«

Der Verteidiger fuhr dann fort:

»Da es sich um einen derart wichtigen Zeugen handelt, muß der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eingehalten werden...«

VORSITZENDER: Können Sie uns auch die spätere Stelle nennen, wo wir Herrn Justice Jackson zu diesem Gegenstand hörten, und wo er ausführte, daß wir bei strenger Auslegung des Artikels 19 verpflichtet seien, jedes Beweismittel zuzulassen, dem wir einen Beweiswert beimessen?

MAJOR BARRINGTON: Herr Vorsitzender, ich kann Ihnen diesen Hinweis augenblicklich nicht geben.

VORSITZENDER: Warum wollen Sie diesen Zeugen nicht laden?

MAJOR BARRINGTON: Offen gestanden, ich wollte gerade darüber sprechen.

Der Zeuge steht in Verdacht, ein Mitverschwörer zu sein; ich mache daher kein Hehl aus der Tatsache, daß die Anklagebehörde aus leicht erklärlichen Gründen nicht wünscht, ihn als Zeugen zu laden; ich lege dieses Affidavit als Geständnis eines Mitverschwörers vor. Ich räume ein, daß mit diesem Geständnis nicht die Verschwörung selbst zugegeben wurde, doch kann meines Erachtens der Gerichtshof, der nicht an formelle Beweisregeln gebunden ist, dieses Affidavit als Beweismittel zulassen, und zwar als Geständnis eines Mitverschwörers. Wie ich bereits vorher sagte, hätten wir nichts dagegen, daß eine Befragung über den Gegenstand dieses Affidavits verfügt würde; der Zeuge würde sogar, wenn nötig, als Verteidigungszeuge geladen werden können.

Das ist alles, was ich dazu zu bemerken habe.

VORSITZENDER: Sie würden also keinen Einspruch dagegen erheben, daß der Zeuge hergebracht wird, um über das Affidavit im Kreuzverhör vernommen zu werden?

MAJOR BARRINGTON: Ich glaube nicht, daß ein Einspruch erhoben werden kann, wenn das Kreuzverhör auf das Affidavit beschränkt würde. Ich möchte nicht...

VORSITZENDER: Wie könnten Sie sich beispielsweise dagegen wenden, daß der Angeklagte selbst den Zeugen vorzuladen wünscht?

MAJOR BARRINGTON: Wie ich bereits sagte, glaube ich nicht, daß dagegen ein Einspruch erhoben werden könnte.

VORSITZENDER: Das Ergebnis wäre doch dann das gleiche, nicht wahr? Wenn der Zeuge zum Zwecke des Kreuzverhörs geladen würde, so könnte er auch über andere Dinge, die sich nicht unmittelbar aus dem Affidavit ergeben, befragt werden. Wenn der Angeklagte ihn als seinen eigenen Zeugen laden kann, so kann nichts dagegen eingewandt werden, daß das Kreuzverhör über den Gegenstand des Affidavits hinausgeht.

MAJOR BARRINGTON: In diesem Falle könnte er dann allerdings nicht von der Anklagebehörde ins Kreuzverhör genommen werden.

VORSITZENDER: Sie meinen, Sie würden ihm im Verhör Fragen stellen; diese würden aber nicht die Form eines Kreuzverhörs annehmen?

MAJOR BARRINGTON: Das meine ich, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sie würden es also lieber sehen, wenn er als Zeuge für die Angeklagten gerufen würde, als daß er im Kreuzverhör über Dinge außerhalb des Gegenstands des Affidavits vernommen würde?

MAJOR BARRINGTON: Jawohl.

VORSITZENDER: Wollen Sie noch etwas hinzufügen?

MAJOR BARRINGTON: Ich habe nichts hinzuzufügen.

VORSITZENDER: Es ist Zeit, daß wir uns vertagen. Wir werden über die Sache beraten.