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[28. Plakat]:

»Der Anti-Christ. Der Kommunismus als Plage der Zivilisation. Der Bolschewismus gegen Europa. Internationale Ausstellung 12. Juli bis 15. August 1941.«

Die Nazis gaben sich als Verteidiger des Christentums aus.

[29. Plakat]:

Hier ist zum Abschluß, was die Verteidiger des Christentums mit der Kirche von Oradour-sur-Glane gemacht haben.

Wir sind jetzt mit der Vorführung dieser Bilder fertig. Wir haben uns erlaubt, dem Gerichtshof die Plakate einer Tendenz zu zeigen, deren geistiger Charakter uns vielleicht wenig rührt, deren Bedeutung aber sehr groß ist.

Um einen geistig so wichtigen und subtilen Gegenstand zu behandeln, mußten wir uns der bildlichen Darstellung bedienen, die ihn besser ausdrückt als Worte; denn die Bilder zeigen in einem Augenblick das, was der Vortrag nur langsam entwickeln kann.

Wir hoffen, daß wir durch dieses Mittel beigetragen haben, die Wahrheit zu finden.

[Das Gericht vertagt sich bis 14.10 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Ich möchte melden, daß der Angeklagte Kaltenbrunner krankheitshalber bis auf weiteres abwesend sein wird.

M. FAURE: Meine Herren! Nun komme ich zum letzten Kapitel meiner Anklagerede, das der Planung der verbrecherischen Handlungen gewidmet ist. Darf ich damit anfangen?

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich dieses letzte Kapitel meiner Anklagerede damit beginnen, daß ich einige Worte anführe, die Monsignore Piquet, Bischof von Clermont Ferrand, anläßlich der Papstmesse zu Pfingsten am 20. Mai 1945 gesprochen hat. Monsignore Piquet war gerade aus dem Konzentrationslager befreit worden, wohin die Nazis ihn geschickt hatten:

»Die verbrecherischen Einrichtungen, deren Zeugen und Opfer wir gewesen sind,« sagte er »waren mit allen Übeln der Barbarei und der altertümlichen Sklaverei versehen. Ein System und eine neue Methode kamen hinzu, die das menschliche Leid durch alle modernen wissenschaftlichen Möglichkeiten zu vergrößern vermochten.«

Für diese Systematisierung der deutschen verbrecherischen Unternehmungen möchte ich dem Gerichtshof Beweise vorlegen, die die besetzten Länder im Westen betreffen. Wir haben gesagt, daß die Germanisierung nicht nur darin bestand, daß die deutsche Nationalität oder das deutsche Recht zwangsweise eingeführt wurden, sondern in der allgemeinen Zwangseinführung der von dem nationalsozialistischen Regime festgelegten Normen und seiner allgemeinen Weltanschauung. In diesem Sinne bedeutet die Germanisierung eine verbrecherische Handlung, gleichzeitig als Mittel und Endzweck. Als Mittel, weil das verbrecherische Mittel meistens sehr erfolgreich ist – und wir wissen, daß der Nazismus der Unsittlichkeit der Mittel gleichgültig gegenübersteht; als Endzweck auf der anderen Seite, weil die Endorganisation der Nazi-Gesellschaft die Ausmerzung feindlicher oder solcher Elemente fordert, die sie für unerwünscht hält.

Unter diesen Umständen erscheinen die verbrecherischen Handlungen nicht als Zufälle oder als bedauernswerte Vorkommnisse des Krieges und der Besetzung. Man darf sie nicht auf die unziemlichen Initiativen von untergeordneten Organen zurückführen, aus Mangel an Disziplin oder Übereifer.

Die Ausmerzung der Gegner ist durch die Lehre vorgeschrieben und sie wird unter normaler und regelmäßiger Einschaltung des Verwaltungsapparates durchgeführt. Wenn der Nazismus eine Philosophie der verbrecherischen Handlung hat, so hat er auch eine Bürokratie der verbrecherischen Handlung. Der Wille, der diese Handlung leitet überträgt sich von einer der Haupt- und Nebenstellen des staatlichen Apparates auf die andere. Jede Freveltat oder jede Reihe von Freveltaten, von denen wir gesprochen haben oder noch sprechen werden, setzt eine Reihe solcher Übertragungen voraus: Befehle, die von den Vorgesetzten zu den Untergebenen heruntergehen, Bitten um Befehle oder Berichte, die von den Untergeordneten zu den Vorgesetzten heraufgehen und schließlich die Querverbindungen, die zwischen entsprechenden Stellen verschiedener Behörden hergestellt werden. Diese verwaltungsmäßige Organisation verbrecherischer Tätigkeit erscheint uns als ein sehr bedeutsames Element zur Feststellung der Verantwortung und zum Beweis der Beschuldigungen, die die Anklageschrift gegen die Hauptführer und gegen die Organisationen richtet.

Die Verantwortlichkeit irgendeines der Hauptführer einer bestimmten verbrecherischen Handlung setzt tatsächlich keineswegs voraus, daß man eine Urkunde oder ein Dokument vorlegt, das von dieser Person selbst unterzeichnet ist, oder das sie durch Namensnennung hineinzieht. Die Tatsache, daß ein solches Dokument vorhanden oder nicht vorhanden ist, hängt vom Zufall ab. Die Verantwortlichkeit des höheren Führers ist durch die Tatsache direkt bewiesen, daß eine verbrecherische Handlung verwaltungstechnisch durch eine Stelle verübt worden ist, die hierarchisch von diesem Leiter abhing. Dies ist umso richtiger, wenn es sich um eine verbrecherische Tätigkeit handelt, die während längerer Zeit ausgeübt worden ist, eine sehr große Anzahl von Personen erfaßt und eine Reihe von Verwicklungen, Besprechungen und Lösungen mit sich gebracht hat. Es läuft in jedem hierarchischen Staatsapparat ein Strom der Autorität, der zu gleicher Zeit ein Strom der Verantwortung ist. Andererseits, was die Organisationen anbetrifft, die die Anklageschrift als verbrecherisch bezeichnet, so ergibt sich ihr Verbrechertum schon aus der Tatsache, daß ihre Tätigkeit verbrecherische Ergebnisse hervorbringt, auch ohne daß die normalen Regeln der Zuständigkeit und der Tätigkeit ihrer verschiedenen Organe bei dieser Gelegenheit verkannt oder abgeändert werden.

Die Zusammenarbeit – mit dem Ziele eines solchen Resultates – zwischen einer ganzen Reihe von Agenten der Organisation, sowohl auf der vertikalen Linie der Hierarchie wie zwischen gleichgeordneten Fachabteilungen, setzt ebenfalls unumgänglich das Vorhandensein einer kollektiven verbrecherischen Absicht voraus.

Ich werde zuerst von den Verfolgungen gegen die Personen sprechen, die in den deutschen Bestimmungen als Juden bezeichnet waren. Der Gerichtshof kennt die Judenlehre der Nazis bereits durch andere Ausführungen. Die Geschichtschreiber der Zukunft werden vielleicht feststellen können, was diese Lehre an aufrichtigem Fanatismus, aber auch an vorbedachtem Willen zur Täuschung und Irreführung der öffentlichen Meinung enthielt.

Es steht fest, daß den Nazis die Theorien sehr gelegen kamen, die sie zur Vernichtung der Juden veranlassen sollten. In erster Linie war der Antisemitismus ein Mittel, das immer zur Verfügung stand, um die Kritik und den Zorn des Publikums abzulenken. Außerdem war er ein sehr geschicktes Mittel zur psychologischen Verführung einfacher Seelen. Mit ihm konnte man dem ärmsten und elendesten Menschen eine gewisse Befriedigung geben, indem man ihm einredete, daß er trotzdem etwas Besseres sei, und daß er eine ganze Kategorie seiner Mitmenschen verachten und unterdrücken dürfe. Schließlich verschafften sich die Nazis damit auch die Möglichkeit, ihre Anhänger zu fanatisieren, indem sie die verbrecherischen Instinkte weckten und stärkten, die stets potentiell im Unterbewußtsein des Menschen schlummern.

Es ist ein deutscher Gelehrter, Feuerbach, der die Theorie entwickelt hat, derzufolge die Neigung zu Verbrechen nicht notwendigerweise einer langen Bearbeitung bedarf. Der vorhandene verbrecherische Instinkt kann auch ganz plötzlich aufwachen. So gaben die Nazis ihren besten Anhängern die Chance, ihrer vielleicht angeborenen Neigung zu Mord und Plünderung, zu grausamsten Handlungen und widerlichsten Schauspielen freien Lauf zu lassen.

Auf diese Weise haben sie sich ihres Gehorsams und ihres Eifers versichert.

Um Wiederholungen zu vermeiden, werde ich nicht im einzelnen von den großen Leiden sprechen, die die als Juden bezeichneten Personen in Frankreich und in anderen Ländern Westeuropas erlitten haben. Ich möchte hier lediglich erwähnen, daß es auch ein großes Leiden für alle anderen Bewohner dieser Länder bedeutete, wenn sie Zeugen der abscheulichen Behandlung sein mußten, der die Juden unterworfen wurden. Alle Franzosen haben mit tiefer Trauer gesehen, wie andere französische Landsleute verfolgt wurden, von denen viele den Dank des Vaterlandes verdient hatten. Jedermann in Paris empfand tiefes Schamgefühl über die Nachricht, daß der sterbende Bergson zum Polizeikommissariat gebracht werden mußte, um sich den Volkszählungsanordnungen zu fügen.

VORSITZENDER: Herr Faure, bitte verzeihen Sie meine Unterbrechung. Aber der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das, was Sie uns hier eben vortragen, so interessant es auch sein mag – und es ist interessant –, wirklich eine theoretische Erörterung und kein Beweisvortrag ist. Da wir bereits von seiten der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs Eröffnungsansprachen gehört haben, sind wir der Ansicht, daß Sie sobald wie möglich die theoretischen Erörterungen abschließen und sich dem Beweisvortrag zuwenden sollten. Da Sie immer bereit sind, sich den Wünschen des Gerichtshofs anzupassen, bin ich sicher, daß Sie es bei Ihrem Vortrag tun können.

M. FAURE: Ich verstehe vollkommen die Ansicht des Gerichtshofs. Ich wollte lediglich einige Sätze sprechen, die anläßlich dieser Verfolgungen die Gefühle der Franzosen kennzeichnen.

Diese Sätze sind jetzt ausgesprochen und ich komme gerade zum Gegenstand der Beweisführung, die ich dem Gerichtshof mit Dokumenten vortragen werde. Um dem Gerichtshof zu zeigen, daß der Geist meines Vortrages nicht verschieden ist von dem, was der Gerichtshof für notwendig hält, möchte ich weiter sagen, daß ich in diesem Aktenstück kein Dokument vorlegen werde, das aus einem Einzelbericht oder einem Bericht von gemeinschaftlichem Interesse besteht, ferner kein einzelnes Dokument, das von den Opfern selbst oder auch nur von unparteiischen Personen herrührt.

Ich habe Wert darauf gelegt, ausschließlich eine Reihe von deutschen Dokumenten auszusuchen, um den Beweis zu erbringen, daß hier ein verbrecherisches Unternehmen durchgeführt worden ist: die Vernichtung der Juden in Frankreich und den Ländern Westeuropas.

Ich möchte zuerst darauf hinweisen, daß die Nazi- Verfolgung gegen die Juden auf zwei Wegen durchgeführt wurde. Dies ist vom Standpunkt der direkten Verantwortlichkeit der Angeklagten von Belang.

Der erste Weg dieser Durchführung war der über Gesetze und Verordnungen, der zweite der über die Dienstwege der Verwaltung.

Was die Gesetze und Verordnungen betrifft, so ist es offensichtlich, daß diese Vorschriften, die von den deutschen Behörden, also entweder der Militärbehörde oder dem Reichskommissar, erlassen worden sind, ganz besonders flagrante Verletzungen der Souveränität der besetzten Länder darstellten.

Ich halte es nicht für angebracht, diese gesetzlichen Regelungen im einzelnen vorzutragen, deren Hauptzüge allgemein bekannt sind. Um Verlesungen zu vermeiden, habe ich zwei Tafeln herstellen lassen, die dem Gerichtshof im Dokumentenbuch vorgelegt werden, obwohl sie im eigentlichen Sinne keine Dokumente sind. Sie sind in einem Anhang zum Dokumentenbuch enthalten. Ich möchte darauf hinweisen, daß die beiden Tafeln, die in diesem Anhang enthalten sind, folgendes zeigen: Die erste Tafel gibt in der linken Spalte die chronologische Ordnung, die anderen Spalten die verschiedenen Länder an. Der Gerichtshof kann also die chronologische Reihenfolge der in den verschiedenen Ländern getroffenen Maßnahmen darauf ablesen. Die zweite Tafel ist nach Gegenständen eingeteilt: Begriff des Juden, wirtschaftliche Maßnahmen, Drangsalierung und Schikane, gelber Stern; und in den einzelnen Spalten dieser Tafel findet man die je nach der Materie anzuwendenden Vorschriften.

Ich werde ebenfalls als RF-1200 eine gewisse Anzahl von in Frankreich gegen die Juden erlassenen Verordnungen vorlegen. Da diese Verordnungen öffentliche Urkunden sind, bitte ich den Gerichtshof, davon Kenntnis zu nehmen........

Ich muß jetzt folgendes bemerken:

Die Gesamtheit dieser Vorschriften brachte für die Juden eine große Beschränkung ihrer Lebensverhältnisse mit sich. Immerhin gibt es keine deutsche Gesetzesvorschrift, die die allgemeine Deportation oder die Ermordung der Juden anordnet.

Andererseits muß man feststellen, daß diese Gesetzgebung sich bis 1942 weiter und weiter entwickelt und daß sie im Jahre 1942 zu einem gewissen Stillstand kommt. Zu dieser Zeit des Stillstandes werden wir feststellen, wie man durch rein verwaltungsmäßige Maßnahmen diese Deportierung der Juden ausgeführt hat, was in der Folge deren Vernichtung mit sich bringen sollte.

Dies bringt uns zur Feststellung, daß es sich nicht um zwei verschiedene Maßnahmen handelt, von denen eine, die gesetzgeberische, der Militärbehörde in die Schuhe zu schieben wäre, und die andere, die ausführende, der Polizei. Dieser Gesichtspunkt, nach dem die verbrecherische Verantwortlichkeit der Militärbehörde nicht so groß sei, weil sie sich darauf beschränkte, Verordnungen zu erlassen, würde falsch sein. In Wirklichkeit kann man die Entwicklung einer ständigen Tätigkeit beobachten, die sich nacheinander verschiedener Mittel bediente. Die ersten Mittel, das heißt die gesetzgeberischen, sind als Vorbereitungsmaßnahmen notwendig, um alsdann die anderen Mittel durchführen zu können, die direkt verbrecherisch sind.

Um ihre Vernichtungsprojekte tatsächlich beginnen zu können, mußten die Nazis zuerst eine Begriffsbestimmung der Juden einführen und sie von der übrigen Bevölkerung des Landes absondern. Sie mußten die Juden notwendigerweise leicht auffinden können, und ihre materiellen, physischen und intellektuellen Hilfsquellen mußten auf ein Mindestmaß beschränkt werden, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, sich zu verteidigen oder den Verfolgungen der Polizei zu entziehen.

Man mußte schließlich diesen gesamten verurteilten Bevölkerungsteil mit einem einzigen Schlag treffen können, und zu diesem Zweck war es notwendig, zu allererst der ständigen Verquickung der Interessen und der Tätigkeiten, die zwischen allen Bevölkerungsklassen bestanden, ein Ende zu setzen.

Die Deutschen wünschten schließlich, soweit wie möglich die öffentliche Meinung vorzubereiten, und sie glaubten, dieses Ziel zu erreichen, indem sie die Bevölkerung daran gewöhnten, die Juden nicht mehr zu sehen, weil es diesen praktisch verboten war auszugehen.

Ich werde jetzt dem Gerichtshof einige Dokumente vorlegen, die sich auf diese von den Nazis gewollte und unternommene allgemeine Vernichtung beziehen. Ich möchte zuerst eine Reihe von Dokumenten vorlegen, die die Nummern RF-1201, RF-1202, RF-1203, RF-1204, RF-1205 und RF-1206 tragen. Ich lege die Dokumente dem Gerichtshof vor. Sie beziehen sich auf eine besondere Frage: die Auswanderung der Juden, die die besetzten Gebiete zu verlassen versuchten.

Da die Deutschen auf alle mögliche Art ihren Wunsch zum Ausdruck brachten, sich der Juden zu entledigen, konnte man logischerweise annehmen, daß sie dieser Lösung durch Auswanderung wohlwollend gegenüberstanden.

Wir werden im Gegenteil sehen, daß sie die Auswanderung verbieten, und zwar in dauernder und allgemeiner Weise. Dies ist der Beweis für ihren Vorsatz, die Juden auszurotten und für die Grausamkeit, mit der sie diesen Vorsatz ausführten. Hier ist zu allererst Dokument RF-1201 zu erwähnen. Diese Dokumente werden jedem Mitglied des Gerichtshofs in Form eines Photokopieheftes gegeben.

Das Dokument RF-1201 ist ein Brief vom 22. Juli 1941, in dem die Amtsstelle Bordeaux in Paris Weisungen erbittet. Ich möchte den Anfang dieses Briefes verlesen:

»Wie festgestellt wurde, befinden sich im Gebiet der Kreiskommandantur St. Jean-de-Luz noch etwa 150 Juden. Bei der mit dem Kreiskommandanten, Herrn Major Henkel, gehabten Unterredung vertrat dieser den Standpunkt, daß diese Juden auf dem schnellsten Wege seinen Kreis verlassen müßten. Er machte jedoch gleichzeitig darauf aufmerksam, daß es seiner Ansicht nach bedeutend besser sei, die Juden auswandern zu lassen, als sie in andere Departements oder gar in Konzentrationslager einzuweisen.«

Hier haben wir die Antwort auf dieses Telegramm: Es ist Dokument RF-1202 vom 26. Juli 1941, 2. Satz.

»Der Auffassung des Major Henkel kann schon deshalb nicht beigetreten werden, weil das Reichssicherheitshauptamt in einem grundsätzlichen Erlaß wiederum festgesetzt hat, daß eine Auswanderung von Juden aus dem besetzten Westgebiet gleichwie auch nach Mög lichkeit aus dem unbesetzten Frankreich zu unterbinden ist.«

Ich komme jetzt zu dem Schriftstück RF-1203, das von dem Militärbefehlshaber in Frankreich stammt. Es handelt sich nicht mehr um die SS, sondern um den Militärbefehlshaber in Frankreich; das Schriftstück trägt das Datum vom 4. Februar 1942.

»Der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im RMdJ hat angeordnet, daß generell jede Judenauswanderung aus Deutschland und den besetzten Gebieten unterbleibt.«

Der Rest des Schreibens bestimmt, daß es Ausnahmen geben könne. Dieses Dokument beweist die Zusammenarbeit zwischen der Armee und der Polizei, indem die Armee die Verordnungen des Obersten Polizeichefs zur Ausführung bringt.

Ich lege jetzt Dokument RF-1205 vor. Dieses Dokument bezieht sich auf denselben Tatsachenkomplex. Ich lege es trotzdem vor, weil es das Eingreifen einer dritten Behörde, und zwar der diplomatischen, beweist. Es ist eine Note des deutschen Generalkonsulats in Casablanca. Ich lese den ersten Satz:

»Die Zahl der bisher in großen Abständen von Casablanca nach dem amerikanischen Kontinent ausreisenden europäischen Emigranten hat sich in diesem Monat stark erhöht. Am 15. März...«

Der Rest des Briefes zeigt, daß es sich um jüdische Emigranten handelt.

Dokument RF-1204, das angeheftet ist, stellt einen weiteren Bericht vom 8. Juni 1942 in demselben Sinne dar; er stammt ebenfalls vom Generalkonsul in Casablanca.

Ich verlese den letzten Absatz dieses Dokuments:

»Bei den von Casablanca ausreisenden Emigranten handelt es sich zum größten Teil um jüdische Familien aus Mitteleuropa, Deutschland, und auch um einige französische Juden. Es besteht kein Verdacht, daß auch von Casablanca wehrfähige junge Leute mit der zugegebenen Absicht des Kriegsdienstes auf der Feindseite ausgereist sind.

Es wird anheimgestellt, die zuständigen militärischen Stellen zu unterrichten.«

Ich habe dieses Dokument angeführt, um zu zeigen, daß es sich nicht um eine Auswanderung aus militärischen Gründen handelte, wobei man Interesse gehabt hätte, sie zu verhindern, und daß außerdem dieses Dokument einerseits die Deutsche Botschaft, an die es gerichtet war, andererseits die militärischen Dienststellen angeht, die es zu benachrichtigen beabsichtigt.

Nun betrachten wir die Folgen, die diese beiden Mitteilungen gehabt haben. Es ist Dokument RF-1206, dem die beiden Dokumente, die ich eben verlesen habe, als Anlage beigefügt sind. Dieses Dokument RF-1206 kommt vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin und ist an den Chef der Polizei für Frankreich und Belgien gerichtet:

»Anliegend werden abschriftlich zwei dem Auswärtigen Amt übermittelte vertrauliche Berichte des Deutschen Generalkonsulats in Casablanca, Schr. v. 25. 3. und 8. 6. 42. zur Kenntnisnahme übersandt.

Den darin geschilderten Zuständen ist auch von dort aus besondere Beachtung zuzuwenden und im Rahmen des Möglichen entgegenzutreten, damit eine derartige Auswanderung unterbunden wird.«

Ich kann also drei Schlußfolgerungen ziehen:

1. Wie ich bereits gesagt habe, setzten sich die Nazis der jüdischen Auswanderung entgegen, obwohl sie diese Leute als unerwünscht betrachteten.

2. Diese Entscheidung wurde von höheren Instanzen gefaßt, und zwar in allgemeiner Weise.

3. Alle Stellen, Polizei, Armee und Auswärtiges Amt haben sich an der Ausführung dieser barbarischen Befehle beteiligt.

Ich lege jetzt dem Gerichtshof Dokument RF-1207 vor. Dieses Dokument ist ein umfangreicher deutscher Bericht, er umfaßt 70 Seiten und ist in dem deutschen Archiv in Paris aufgefunden worden.

Dieses Dokument enthält graphische Darstellungen, Zeichnungen und Muster von Volkszählungskarten. Es ist vervielfältigt, und unser Exemplar trägt nicht die Unterschrift des Verfassers, sondern einfach den Vermerk SS-Obersturmführer. Es handelt sich in der Tat um den Obersturmführer Dannecker, der eine bedeutende Rolle bei der Regelung der Judenfragen in Frankreich spielte und Chef dieses Büros war.

VORSITZENDER: Ist die Tatsache, die Sie eben erwähnt haben, von den französischen Behörden geprüft worden? Die Tatsache nämlich, daß dieses Dokument in Paris erbeutet worden ist? – Gut!

M. FAURE: Wir haben diese Schriftstücke, gemäß einem dem Gerichtshof vorgelegten Protokoll aus den Archiven der Suretée Nationale herausgenommen. Sie waren unter den Aktenstücken, die bei der Befreiung in den deutschen Büros gefunden worden sind. Im übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die anderen Schriftstücke, die vorgelegt werden, die Unterschriften deutscher Beamten tragen. Dieser Bericht ist das einzige Dokument, das nicht unterzeichnet ist. Die Tatsache, daß dieser Bericht von Dannecker geschrieben worden ist, wird durch andere Dokumente bewiesen werden, die ihn zusammenfassen.

Ich werde dem Gerichtshof die 70 Seiten dieses Berichtes nicht verlesen, aber ich möchte gewisse Absätze verlesen, die, wie ich glaube, für den Gerichtshof von Interesse sind. Hier ist die erste Seite; die Überschrift ist: »Judenfragen in Frankreich und ihre Behandlung. Paris 1. Juli 1941.«

Erste Seite:

»›Endlösung der Judenfrage.‹ – Obertitel und Ziel für den Frankreich-Einsatz des Judenreferates der Sicherheitspolizei und des SD.

Von vornherein war klar, daß ohne Studium sowohl der jüdischen als auch der allgemein politischen Verhältnisse praktische Ergebnisse nicht gezeitigt werden können.

Die folgenden Seiten sollen neben einem allgemeinen Aufriß unsere Planung, deren bisherige Ergebnisse und die künftigen Nahziele erläutern.

Alles Grundsätzliche muß unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, daß, nachdem der Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom Führer mit der Vorbereitung der Lösung der europäischen Judenfrage beauftragt wurde, seine Dienststelle in Frankreich die Vorarbeiten zu leisten hat, um zu gegebener Zeit als Außendienststelle des europäischen Judenkommissars hundertprozentig verläßlich wirken zu können.«

Ich möchte dem Gerichtshof jetzt die hauptsächlichsten Überschriften der Abschnitte angeben, so daß er die Entwicklung der Gedanken und der Tätigkeit dieser deutschen Dienststellen verfolgen kann.

VORSITZENDER: Herr Faure, ich frage mich, weshalb dieses Dokument keine Bezeichnung hat?

Ich bezweifle natürlich durchaus nicht, daß das, was Sie uns sagen, die Wahrheit ist. Andererseits aber ist es nicht richtig, daß wir uns auf die Erklärungen des Anklagevertreters bezüglich der Art des Beweismaterials zu verlassen haben. Es befindet sich auf dem Dokument selbst nichts, das beweist, daß es in Paris erbeutet wurde, oder was es überhaupt ist, nur was es besagt.

M. FAURE: Herr Vorsitzender! Dieses Dokument ist dem Aktenheft des französischen Anklageverfahrens durch ein Protokoll in Paris beigefügt worden, das ich hier dem Gerichtshof vorlegen werde. Da dieses Protokoll eine gewisse Anzahl von Dokumenten betrifft, ist es nicht noch besonders den Akten dieses Beweisstückes beigefügt worden. Andererseits habe ich, als ich diese Dokumente von der Polizei ausgehändigt erhielt, nichts auf das Dokument schreiben wollen. Ich habe es auch nicht speziell versiegeln wollen, denn ich wollte vermeiden, daß das normale Aussehen dieses Dokuments in irgendeiner Weise geändert werde.

Wenn der Gerichtshof vorzieht, daß ihm dieses Dokument nicht vorgelegt werde, da ich zugebe, daß es keine Unterschrift trägt, dann werde ich dieses Dokument nicht vorlegen. Ich habe nämlich einen zweiten Bericht von Dannecker, der diesmal unterzeichnet ist.

Ich hatte beide Berichte vorgelegt, um die Stetigkeit der vorgenommenen Handlungen besser darstellen zu können.

VORSITZENDER: Herr Faure, in den Fällen erbeuteter Dokumente, die von den Vereinigten Staaten vorgelegt wurden, lag jedesmal, wie Sir David Maxwell-Fyfe uns erinnerte, eine eidesstattliche Erklärung von – glaube ich – Major Coogan vor, worauf eidlich erklärt wird, daß alle Dokumente gewisser Serien – PS, L, R und verschiedener anderer Serien – in Deutschland von Streitkräften der Vereinigten Staaten erbeutet wurden. Wenn eine ähnliche eidesstattliche Erklärung über in Paris erbeutete Dokumente vorliegen würde, die durch gewisse Buchstaben, wie PS oder etwas Ähnliches bezeichnet werden könnten, so schiene uns die Angelegenheit in Ordnung zu sein. Wenn uns aber ein Dokument vorgelegt wird, das absolut keine Identifikationszeichnung trägt, so ergibt sich daraus die Lage, in der wir uns jetzt befinden, nämlich, daß wir lediglich die Äußerungen des Anklagevertreters – die selbstverständlich kein Beweis sind – darüber anhören, daß das Dokument in Paris oder irgendwo anders gefunden wurde. Und wenn ich mir deswegen die Angelegenheit überlege, so erscheint mir eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, die, eine eidesstattliche Erklärung einer Person herbeizuschaffen, die die Tatsache kennt, daß dieses Dokument sowie andere Dokumente der gleichen Art in den Archiven des Deutschen Heeres in Paris oder anderwärts erbeutet worden sind.

M. FAURE: Ich könnte sehr leicht dem Gerichtshof das Affidavit vorlegen, nach dem gefragt wird. Daß wir es in dieser Form nicht haben, liegt daran, daß unser gewöhnliches Prozeßverfahren nicht dasselbe ist wie vielleicht das der Vereinigten Staaten. Da das Statut tatsächlich vorschreibt, daß die Anklagevertretung die Beweismittel zu sammeln hat, haben wir selbst unsere Beamten beauftragt, in den Archiven der Polizei nachzusuchen. Aber wenn der Gerichtshof es wünscht, werde ich zusätzlich die Polizei bitten, mir eine eidesstattliche Bestätigung der Beschlagnahme dieser Dokumente in den deutschen Archiven zu geben. Ich werde dann mit Erlaubnis des Gerichtshofs diese Bescheinigung in einigen Tagen nachreichen, sobald ich sie von der Polizei erhalten habe.

VORSITZENDER: Herr Faure, der Gerichtshof ist der Ansicht, daß wir diese Bescheinigung zulassen können, wenn dies innerhalb von ein oder zwei Tagen geschieht.

M. FAURE: Ich kann nicht zusichern, daß ich dieses Stück in ein oder zwei Tagen haben werde.

VORSITZENDER: Ich habe keinen besonderen Wert auf die Anzahl der Tage gelegt. Wenn Sie sich bereiterklären, es zu versuchen, so wird das genügen.

M. FAURE: Gewiß, Herr Vorsitzender.

Ich komme also auf die Analyse dieses Berichts von Dannecker zurück. Das erste Kapitel trägt den Titel »Geschichte der Juden in Frankreich«. Ich werde dieses Kapitel nicht verlesen. Es enthält eine Reihe von Aussagen von einem ganz primitiven intellektuellen Niveau. Das nächste Kapitel trägt den Titel »Organisation der Juden in Frankreich«. Es enthält einen ersten Teil mit der Überschrift »Vor dem 14. Juni 1940«. Dieser Teil scheint mir nicht interessant.

Der zweite Teil dieses Kapitels trägt den Titel »Aktionen der Sipo und des SD, (SS-Einsatzkommando Paris) gegen diese Organisationen und führende jüdische Personen.« Der Bericht stammt von SS- Hauptsturmführer Hagen. Ich möchte den Anfang verlesen:

»Die Auswertung des in Deutschland, Österreich, ÈSR und Polen sichergestellten Materials ließ den Schluß zu, daß die Zentrale des Judentums für Europa und damit die Hauptverbindung nach den überseeischen Ländern in Frankreich zu suchen sei. Aus dieser Erkenntnis heraus wurden daher zunächst die bereits bekannten großen jüdischen Organisationen, wie Weltjudenkongreß –« es folgt dann eine Aufstellung – »durchsucht und versiegelt.«

Von Seite 14 ab versucht der Bericht das Vorhandensein einer Verbindung zwischen Judentum und Katholizismus zu beweisen. Er stellt die Ergebnisse der Hausdurchsuchungen fest, die bei verschiedenen Personen vorgenommen worden sind, zum Beispiel bei den Rothschilds, dem früheren Minister Mandel, dem Presseattaché bei der Englischen Botschaft, dann noch bei anderen Personen, z.B. den Rechtsanwälten Moro-Giafferi und Torres. Das Ende dieses Kapitels auf Seite 16 des Berichts lautet wie folgt:

»Zusammengefaßt kann gesagt werden, daß auf Grund des sichergestellten Materials das Judentum in Frankreich, in Verbindung mit dem Katholizismus sowie maßgeblichen Politikern, das letzte Bollwerk auf dem europäischen Kontinent bildete.«

Die folgende Unterabteilung trägt den Titel »Jüdisches Leben nach dem deutschen Einmarsch«. Es wird hier die Art und Weise beschrieben, in der die Deutschen eine zentrale und alleinige Organisation für die Juden hergestellt und ihnen aufgezwungen haben. Es handelt sich dabei um den Auftrag des Planes, den ich soeben dem Gerichtshof vorgetragen habe und bei dem es darum ging, eine Judenmasse zu schaffen, die absolut von dem Rest der Bevölkerung getrennt war. Ich möchte den ersten Absatz verlesen; denn eine Analyse scheint mir von Bedeutung:

»Nach dem Waffenstillstand und der Wiederkehr normaler Lebensverhältnisse zeigte es sich, daß, während einerseits fast alle jüdischen Verbände aufgehört hatten zu existieren (Wegfall der leitenden Funktionäre und der in das besetzte Gebiet geflohenen Geldgeber), andererseits das Hilfsbedürfnis ständig im Anwachsen begriffen war.

Die fortschreitende Judengesetzgebung deutscherseits bewirkte eine ständige Verschärfung des jüdischen sozialen Problems. Nach menschlichem Ermessen hätte dieser Umstand einen günstigen Boden für den Gedanken einer jüdischen Gesamtorganisation abgeben müs sen.«

In diesem Text ist eine scharfsinnige Idee enthalten. Man stellt fest, daß die deutsche Gesetzgebung, das heißt die deutsche Militärgesetzgebung, eine starke Verschärfung der sozialen Probleme herbeigeführt hat. Und daraus hat man geschlossen, daß dies eine Gesamtorganisation der Juden schneller ermöglichen würde. Dieser Gedankengang zeigt, wie ich dem Gerichtshof eben gesagt habe, daß es sich um eine Gesamtheit von Maßnahmen handelt, deren erste darauf hinzielten, die Absonderung der jüdischen Gemeinschaft herbeizuführen, die ausgerottet werden sollte.

Dannecker setzt daraufhin auseinander, daß ein Gleichschaltungskomitee gegründet wurde. Ich gehe über Einzelheiten hinweg und komme jetzt zu der Seite 21, Absatz 2:

»Es wurde mit der Dienststelle des Kommandanten von Groß-Paris vereinbart, daß es künftig jüdischen Organisationen nur noch möglich ist, über den jüdischen Koordinationsausschuß an deutsche Stellen heranzutreten. So wurde zwangsläufig eine Eingliederung aller kleinen Judenvereine erzielt.

Außerdem wurde mit der Pariser Stelle der Nationalen Hilfe (Secours National) vereinbart, daß nach Ablauf einer Frist von 4 Wochen kein Jude mehr durch den S. N. ausgespeist oder beherbergt würde. Der S. N. wird einen Sonderbeauftragten für die Kontrolle des Koordinationsausschusses in dieser Sache einsetzen. Die Sperrung jüdischer Guthaben zwingt schon in aller nächster Zeit die Judenschaft selbst das Ansuchen zu stellen, dem jüdischen Koordinationsausschuß zu ermöglichen, für ihn bestimmte Geldspenden aus dem blockierten Vermögen empfangen zu dürfen. Genehmigung dieses Ansuchens bedeutet dann aber das praktische Bestehen einer jüdischen Zwangsvereinigung.

Man sieht also, auch dieser Punkt wird im gewünschten Sinne – wenn auch auf ›kaltem Wege‹ erledigt.«

Das folgende Kapitel trägt den Titel »Politisches Wirken des Judenreferates der Sicherheitspolizei und des SD«. Ich möchte daraus einige Abschnitte verlesen.

»Nach dem Erlaß des Judenstatuts der Französischen Regierung vom 3. Oktober 1940 war ein gewisser Stillstand in der Behandlung der Judenfrage in Frankreich eingetreten. Infolgedessen wurde vom Judenreferat der Plan eines ›Zentraljudenamtes‹ entworfen. Über diesen Plan wurde mit der Militärverwaltung am 31. Januar 1941 verhandelt. Diese zeigte sich dabei desinteressiert und übergab die Angelegenheit als eine rein politische dem SD zur Regelung, im Einvernehmen mit der Deutschen Botschaft.«

Es folgt darauf eine Niederschrift über verschiedene Unterhaltungen mit dem französischen Kommissar Vallat, mit dem Deutschen Botschafter Abetz, mit de Brinon, und die verschiedenen Forderungen werden aufgeführt, die die Deutschen an die französischen Behörden richteten.

Ich komme jetzt zu Seite 26 letzter Absatz:

»Der Vorschlag des Judenreferats wurde SS-Brigadeführer Dr. Best durch Obersturmbannführer Dr. Knochen überreicht. Dieser Vorschlag besagte, daß eine Verbindungsstelle errichtet werden sollte, der die Vertreter der vier genannten Dienststellen angehören sollten. Die Geschäftsführung sollte in der Hand des Judenreferenten des SD liegen, gemäß der Zuständigkeitsregelung des OKW, OKH und des Militärbefehlshabers in Frankreich. Auf Grund dieser Anregung kam es am 10. Juni 1941 zu einer Besprechung. Teilnehmer: Ministerialrat Dr. Stortz, für Militärbefehlshaber in Frankreich, Verwaltungsstab,« – folgen deutsche Titel, die man nicht ins Französische übersetzt hat und die mir zu lesen schwer fallen – »Dr. Blancke, Abteilung Wirtschaft, Legationsrat Dr. Zeitschel, Deutsche Botschaft und SS-Obersturmführer Dannecker. Die Herren der Militärverwaltung brachten dabei klar zum Ausdruck, daß die Zuständigkeit des SD durch die Erlasse des OKW, beziehungsweise OKH, sowie den letzten Geheimerlaß des Militärbefehlshabers in Frankreich vom 25. März 1941 gegeben sei. Dr. Stortz führte aus, daß es aus verschiedenen Gründen besser sei, von einem eigentlichen Verbindungsbüro, das vom SD getragen sei, abzusehen. Von seiten des SS-Obersturmführers Dannecker wurde erklärt, daß es uns nur um die Gesamtlösung der Frage geht und der SD infolgedessen die Möglichkeit haben muß, die vom RSHA kommenden Befehle auszuführen.«

VORSITZENDER: Herr Faure, können Sie dies nicht weiter abkürzen, es ist ein sehr langes Dokument. Wir haben so viele Dokumente und so viel Beweismaterial, die in Verbindung mit der Judenfrage stehen.

M. FAURE: Ich möchte nur noch einen Satz auf derselben Seite verlesen:

»Als Ergebnis der Unterredung wurde dann beschlossen, wöchentlich in demselben Kreise beim Judenreferat zusammenzukommen.

Bei diesen Besprechungen wurden alle Absichten, Erfahrungen und Beanstandungen gegenseitig ausgetauscht.«

Ich finde es interessant, festzustellen, daß regelmäßige Besprechungen einmal in der Woche zwischen der Militärverwaltung, der Botschaft und den Polizeidienststellen stattfanden.

Die folgenden Seiten des Berichts können übersprungen werden; es handelt sich hier um Bemerkungen über Vallat, um Angaben über die Herstellung von Judenkarteien, um eine Besprechung der deutschen Verordnungen. Das ist wichtig, um zu zeigen, daß diese Verordnungen sehr wohl in den gesamten Plan hineingehören und hineinpassen. Dannecker spricht ebenfalls von dem Antijüdischen Institut und stellt fest, daß dieses Institut durch die Deutsche Botschaft finanziert worden ist.

Der Bericht fährt dann mit statistischen Angaben fort. Am Ende steht eine Schlußfolgerung, von der ich nur einen Absatz verlesen möchte:

»Ich hoffe, daß es gelungen ist, Einblick zu geben in die heutige Lage und eine Übersicht zu vermitteln über die mannigfaltigen Schwierigkeiten, die überwunden wurden.

In diesem Zusammenhang kann ich nicht sprechen, ohne der wirklich umfassenden kameradschaftlichen Unterstützung unserer Arbeit seitens des Herrn Deutschen Botschafters Abetz, seines Vertreters, Herrn Gesandten Schleier und des SS-Sturmbannführers Legationsrat Dr. Zeitschel zu gedenken.«

Um den Wünschen des Gerichtshofs zu entsprechen, werde ich nicht alle Dokumente vorlegen, die in meinem Dokumentenbuch gesammelt sind.

Ich komme deshalb jetzt zu Dokument RF-1210, das ich unter dieser Nummer vorlege. Die Dokumente RF-1208 und RF-1209 habe ich nicht vorgelegt. Dokument RF-1210 ist ein weiterer Bericht von Dannecker, datiert vom 22. Februar 1942. Ich lege ihn vor, um die Regelmäßigkeit und die Entwicklung der Tätigkeit deutscher Dienststellen zu zeigen. Es handelt sich um ein Schreiben vom 22. Februar 1942. Ich werde jetzt nur die Überschriften verlesen und zwei Auszüge zitieren. Die erste Überschrift lautet: »Aufgaben der Sipo und des SD in Frankreich«, die zweite: »Judenkartei«, die dritte: »Französisches Kommissariat für Judenfragen«, die vierte: »Französische antijüdische Polizei«, die fünfte: »Aktionen«.

Ich möchte diesen Absatz verlesen:

»Bisher wurden drei Großaktionen gegen die Pariser Judenschaft gestartet. Jedesmal war die hiesige Dienststelle sowohl für die Auswahl der zu verhaftenden Juden als auch für die gesamte Vorbereitungsarbeit und die technische Durchführung verantwortlich. Bei allen diesen Aktionen bedeutete die oben beschriebene Judenkartei eine wesentliche Erleichterung.«

Nächster Abschnitt, überschrieben: »Antijüdisches Institut«, dann folgt: »Jüdische Zwangsvereinigung«, letzter Abschnitt: »Dienstagbesprechung«.

Ich möchte Absatz 2 verlesen:

»Seit Mitte 1941 findet wöchentlich einmal die sogenannte ›Dienstagbesprechung‹ statt – es handelt sich um Seite 5 des Dokumentenbuches – an der Vertreter folgender Dienststellen teilnehmen:

I. Militärbefehlshaber, Verwaltungsstab, Abteilung Verwaltung.

II. Militärbefehlshaber, Verwaltungsstab, Gruppe Polizei.

III. Militärbefehlshaber, Verwaltungsstab, Abteilung Wirtschaft.

IV. Deutsche Botschaft, Paris.

V. Einsatzstab West des Reichsleiters Rosenberg.

Die Besprechung hat bewirkt, daß selbstverständlich mit ganz geringen Ausnahmen, die durch Außenseiter hervorgerufen werden, eine absolute Ausrichtung der Judenpolitik des besetzten Gebietes erfolgt.«

VORSITZENDER: Vielleicht könnten wir hier die Sitzung unterbrechen.