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M. FAURE: Meine Herren! Um die Verhandlung nicht in die Länge zu ziehen, möchte ich, wenn es dem Gerichtshof recht ist, alle Dokumente als Beweisstücke vorlegen, aber nur die wichtigsten verlesen oder behandeln.

Ich überspringe somit die Dokumente RF-1211, RF-1212, RF-1213 und RF-1214, möchte jedoch dem Gerichtshof das Ende des französischen vervielfältigten Textes verlesen; da auf dem Dokument der Buchstabe »K« erschien, hat man irrtümlicherweise das Wort »Keitel« hingeschrieben. Ich möchte klarstellen, daß dieses Wort nicht auf diesem Dokument vorkommt. Nun werde ich dieses kurze Dokument verlesen:

»Geheim-Telegramm, 13. Mai 1942, an den Bezirks- Chef A. Zufolge einer Anweisung von OKH, General- Qu., sind in allen Bekanntmachungen, die den Zwangsabschub von Landeseinwohnern betreffen, die Worte: ›nach dem Osten‹ nicht zu gebrauchen, um eine Diffamierung der besetzten Ostgebiete zu vermeiden.

Das gleiche gilt für den Ausdruck ›Deportationen‹, weil dieser noch aus der zaristischen Zeit mit dem Abschub nach Sibirien unmittelbar verbunden ist.

Es ist in allen Bekanntmachungen und im gesamten Schriftverkehr die Wendung ›Verschickung zur Zwangsarbeit‹ zu gebrauchen.«

Das Dokument RF-1216, das ich nunmehr unterbreite, ist ebenfalls eine Notiz Danneckers vom 10. März 1942. Sie lautet: »Deportation aus Frankreich von 5000 Juden.« Dieses Zitat genügt, um den Gegenstand dieses Dokuments zu charakterisieren. Dannecker spricht darin über eine Besprechung der für die Judenfrage bestimmten Sachbearbeiter, und zwar vom 4. März 1942 in Berlin im Reichssicherheitshauptamt. Bei dieser Unterredung wurde beschlossen, daß man 5000 Juden aus Frankreich deportieren wolle. Diese Notiz führt im Absatz 4, zweiter Satz, aus:

»Juden französischer Staatsangehörigkeit müssen vor dem Abschub oder spätestens am Tage der Deportierung ihre Staatsangehörigkeit verlieren.«

In diesem Dokument führt Dannecker weiter aus, daß die Kosten dieser Deportationen von den französischen Juden zu zahlen seien; denn bei der bevorstehenden Deportation von vielen Juden aus der Tschechoslowakei war vorgesehen, daß die Tschechische Regierung eine Summe von RM. 500.- für jeden deportierten Juden zu zahlen habe, und daß außerdem die Transportkosten von der Regierung getragen werden sollten.

Ich unterbreite nunmehr Dokument RF-1217. Dies ist eine Notiz vom 15. Juni 1942 und trägt den Titel »Weitere Judentransporte aus Frankreich«.

Es ist immer noch dieselbe Aktion, aber ich glaube, daß es wichtig ist, diese Dokumente zu unterbreiten, auch ohne daß ich sie verlese, denn sie zeigen das sehr verwickelte und das sehr gute Funktionieren dieser Verwaltung, deren Ziel es war, Unschuldige zu verhalten und zu deportieren. Der Anfang dieser Notiz spricht von einer neuen Konferenz in Berlin vom 11. Juni 1942, der außer Dannecker die Beauftragten für Judenfragen aus Brüssel und Dem Haag beiwohnten. Im vierten Absatz des Dokuments, auf Seite 1, lese ich den letzten Satz:

»10 % der nicht arbeitsfähigen Juden können mitgeschickt werden.«

Dieser Satz zeigt, daß diese Abschiebung nicht die Beschaffung von Arbeitskräften bezweckte, nicht einmal von Arbeitskräften, die durch die Arbeit vernichtet werden sollten.

Ich möchte nun den fünften Absatz verlesen, der nur einen Satz enthält:

»Es wurde vereinbart, daß aus den Niederlanden 15000, aus Belgien 10000, und aus Frankreich einschließlich unbesetztes Gebiet insgesamt 100000 Juden abgeschoben werden.«

Der letzte Absatz dieser Notiz bezieht sich auf die technische Durchführung. Sie erwähnt zunächst die Unterhandlungen mit den Transportbehörden, um die notwendigen Züge zu erhalten. Sie erwähnt weiter die Möglichkeit, durch die Französische de facto-Regierung die französische Staatsangehörigkeit denjenigen Juden aberkennen zu lassen, die außerhalb der Grenzen wohnen. Daraus würde sich ergeben, daß Juden, die deportiert werden, nicht mehr als Franzosen angesehen würden. Schließlich wird noch angeführt, daß der französische Staat die Transportkosten sowie andere Kosten der Deportation zu tragen habe.

Ich unterbreite jetzt Beweisstück RF-1218, eine Notiz vom 16. Juni 1942, betitelt »Judentransporte aus Frankreich«, Befehl des SS-Obersturmbannführers Eichmann an den SS-Hauptsturmführer Dannecker vom 11. Juli 1942. In den ersten drei Absätzen dieser Notiz wird ausgeführt, daß es Schwierigkeiten beim Transport der Deportierten aus dem Grunde gebe, daß ein großer Teil des rollenden Materials erforderlich ist, um den Feldzug im Osten vorzubereiten. Ich möchte die beiden letzten Absätze dieses Briefes lesen. Ich zitiere:

»Derzeit ist eine große Umorganisation aller verkehrswirtschaftlich bedingten deutschen Organisationen in Frankreich im Gange, die im wesentlichen darin besteht, daß das Reichsverkehrsministerium die bisherigen zahlreichen Organisationen verantwortlich übernimmt.

Diese ebenfalls in allerletzter Zeit schlagartig angeordnete Regelung wird erst in einigen Tagen abgeschlossen sein. Vor diesem Zeitpunkt ist es nicht möglich, annähernd mitzuteilen, ob in naher und späterer Zeit überhaupt der Transport der Juden durchgeführt werden kann.«

Derartige Feststellungen erscheinen mir sehr grundlegend, um die Verantwortlichkeit des Reichskabinetts festzulegen. Ein so großes Unternehmen wie die Verschickung so vieler Juden erforderte den Eingriff zahlreicher verschiedener Behörden, und wir sehen hier, daß das Gelingen dieses Unternehmens von der Umorganisation des Transportwesens unter Verantwortung des Reichsverkehrsministeriums abhing. Es besteht also kein Zweifel darüber, daß ein solches Ministerium, das doch im wesentlichen eine Fachbehörde ist, diese allgemeine Verschickungsaktion gefördert hat. Ich unterbreite nunmehr Dokument RF-1219, eine Notiz des Dr. Knochen, datiert vom 16. Juni 1942, betitelt: »Technische Durchführung weiterer Judentransporte aus Frankreich«.

Um nicht zu ausführlich zu werden, lese ich nur den ersten Paragraph dieser Notiz:

»Um jeder Kollision mit der z. Zt. laufenden Aktion ›Französische Arbeiter für Deutschland‹ vorzubeugen, wird lediglich von jüdischer Umsiedlung gesprochen. Dieser Version kommt zugute, daß die Transporte geschlossene Familien enthalten können, wobei in Aussicht gestellt wird, die zurückgelassenen Kinder unter 16 Jahren später nachholen zu können.«

Der Rest dieser Notiz, wie alle diese Urkunden, die vom moralischen Standpunkt aus sehr peinlich sind, behandelt die Judendeportation mit globalen Zahlen weiter, als ob es sich anstatt um Menschen um einfache Ware handele!

Ich unterbreite nun Dokument RF-1220. Es ist ein Brief der Deutschen Botschaft in Paris von Dr. Zeitschel, datiert vom 27. Juni 1942. Ich möchte diesen Brief verlesen; er lautet wie folgt:

»Auf Grund der Besprechung mit Hauptsturmführer Dannecker vom 27. 6......, in der mir derselbe erklärte, daß er möglichst bald 50000 Juden aus dem unbesetzten Gebiet zwecks Abtransports nach dem Osten brauche, und außerdem erklärte, daß auf Grund der Aufzeichnung des Generalkommissars für die Judenfrage, Darquier de Pellepoix, unbedingt für diesen etwas getan werden müsse, habe ich die Angelegenheit unmittelbar nach der Besprechung Botschafter Abetz und Gesandten Rahn vorgetragen. Herr Gesandter Rahn trifft heute noch im Laufe des Nachmittags mit Präsident Laval zusammen und hat mir zugesagt, daß er mit demselben sofort die Angelegenheit der Überstellung von 50000 Juden besprechen wird und außerdem darauf dringen werde, daß Darquier de Pellepoix im Rahmen der bereits erlassenen Gesetze vollkommene Handlungsfreiheit erhält und die ihm zugesagten Kredite auch sofort ausgehändigt bekommt.

Da ich leider 8 Tage von Paris abwesend bin, bitte ich wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit, daß sich Hauptsturmführer Dannecker mit Herrn Gesandten Rahn am Montag, den 29. oder Dienstag, den 30. 6. unmittelbar in Verbindung setzt, um von diesem zu erfahren, wie die Antwort von Laval gelautet hat.«

Ich hielt es für notwendig, diesen Brief zu verlesen, da er beweist, in welchem Umfange das Auswärtige Amt, und zwar der Angeklagte Ribbentrop, für diese scheußliche Angelegenheit der geforderten Auslieferung von 50000 Juden verantwortlich ist. Es ist ja klar, daß ein solcher Schritt von einem einfachen Botschaftsrat ohne Wissen und Einwilligung seines Ministers nicht unternommen werden kann.

Ich unterbreite nun Dokument RF-1221; dies sind Richtlinien vom 26. Juni 1942, von denen ich nur die Überschrift angeben möchte: »Richtlinien für die Evakuierung von Juden«.

Ich komme nun zu Dokument RF-1222, dessen Titel ich ebenfalls verlese:

»Besprechung mit den Sachbearbeitern für Judenfragen der Sicherheitspolizei (SD)-Kommandos bei Ref. IV J am 30. 6. 42, hier: Abschub von Juden aus dem besetzten Gebiet nach Auschwitz«.

In dieser Niederschrift spricht Dannecker über die Besprechung, die im Reichssicherheitshauptamt stattgefunden hat und nach welcher 50000 Juden deportiert werden sollten. Es folgt dann eine Liste von vorgesehenen Zügen und Sammelbahnhöfen sowie ein Ersuchen um Bericht.

Ich lege nunmehr Dokument RF-1223 vor; es ist eine Aktennotiz vom 1. Juli 1942 über eine Konferenz zwischen Dannecker und Eichmann, der, wie wir wissen, in Berlin war, aber zu diesem Anlaß nach Paris hatte kommen müssen.

»Dienstbesprechung im Hinblick auf die bevorstehende Evakuierung aus Frankreich mit SS-Hauptsturmführer Dannecker, Paris.«

Es handelt sich hierbei immer um die Vorbereitung der großen vorgesehenen Aktion.

Ich unterbreite jetzt Dokument RF-1224, von dem ich bloß den Titel und das Datum verlese:

»4. Juli 1942. Rahmengrundsätze für die Pariser Großaktion gegen die Juden.«

Ich unterbreite ebenfalls Dokument RF-1225. Eine Aktennotiz vom 6. Juli 1942 von Dannecker. »Betr.: Abzug von Juden aus Frankreich.«

Es handelt sich um eine Konferenz mit Vertretern französischer Behörden. Wir sehen dort den Ausdruck »Judenmaterial«, was etwas ungenau durch das Wort »Jüdisches Vieh« übersetzt wurde.

Ich unterbreite nun Dokument RF-1226 und möchte, wenn es dem Gerichtshof recht ist, den ersten Absatz dieses Dokuments verlesen, da er für die Zusammenarbeit mit den Transportbehörden und für die schreckliche Mentalität der Nazi-Dienststellen sehr bezeichnend ist. Es ist eine Aktennotiz über ein telephonisches Gespräch zwischen den Unterzeichneten namens Röthke und Obersturmbannführer Eichmann, Berlin.

»Betrifft: Abtransport von Juden nach Auschwitz.

1. Vermerk.

Am 14. 7. 1942 gegen 19.00 Uhr rief SS-Obersturmbannführer Dr. Eichmann, Berlin, an und wollte wissen, warum der für den 15. 7. 1942 vorgesehene Transportzug ausfiele. Ich habe geantwortet, daß Ursprünglich auch in der Provinz Sternträger hätten verhaftet werden sollen, daß aber auf Grund einer neuerlichen Vereinbarung mit der Französischen Regierung zunächst nur staatenlose Juden verhaftet werden sollten. Der Zug am 15. 7. 1942 habe ausfallen müssen, weil nach Angabe des SD-Kommandos Bordeaux in Bordeaux nur 150 staatenlose Juden vorhanden wären. Ein Ersatz an Juden für diesen Zug habe bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr gefunden werden können. SS-Obersturmbannführer Eichmann wies darauf hin, daß es sich doch um eine Prestigeangelegenheit handle. Man habe um die Züge mit dem Reichsverkehrsministerium längere Besprechungen führen müssen, die zum Erfolg geführt hätten, und nun ließe Paris einen Zug ausfallen. So etwas sei ihm bisher noch nicht vorgekommen. Die Angelegenheit sei sehr ›blamabel‹. Er wolle dem SS-Gruppenführer Müller noch nicht gleich Mitteilung davon machen, da er sich sonst selbst blamiere. Er müsse sich überlegen, ob er Frankreich nicht überhaupt als Abschubland fallen lassen müsse.«

Ich lege nun Dokument RF-1227 vor, welches mit statistischen Angaben zeigt, daß man bis zum 2. September 1942 27069 Juden evakuiert hat, und erwartete, bis Ende Oktober eine Gesamtzahl von 52069 Juden zu erreichen. Man will das Tempo dieser Deportation beschleunigen und auch die Juden der nicht besetzten Gebiete mit einbeziehen.

Nun unterbreite ich Dokument RF-1228. Dies ist ein Bericht über eine Konferenz, bei der diesmal Vertreter französischer Behörden anwesend waren. Ich möchte nur den letzten Absatz dieses Dokuments verlesen:

»Im übrigen ist gelegentlich der am 28. 8. 1942 in Berlin stattgefundenen Tagung festgestellt worden, daß die meisten europäischen Länder der Endlösung der Judenfrage weitaus nähergekommen sind als Frankreich. (Allerdings haben diese Länder auch früher angefangen.) Es gilt also bis zum 31. 10. 1942 noch viel aufzuholen.«

Ich unterbreite nunmehr das Dokument RF-1229, ohne es zu verlesen. Es handelt sich um einen Bericht vom 31. Dezember 1942 von Dr. Knochen über dasselbe Thema der Deportation.

Ich unterbreite ferner das Dokument RF-1230. Es ist ein Vermerk vom 6. März 1943, betitelt:

»Betrifft: Gegenwärtigen Stand der Judenfrage in Frankreich«.

Im ersten Teile dieses Dokuments wird gezeigt, daß die Deportationen bis zum 6. März 1943 sich auf 49000 Juden beliefen. Es folgen Angaben über die Staatsangehörigkeit – übrigens die verschiedensten – einer gewissen Anzahl von Juden, die außer den französischen Juden deportiert wurden. Absatz 3 dieser Notiz trägt den Titel »Haltung der Italiener in der Judenfrage«. Ich möchte nur die ersten und einige der letzten Zeilen dieses großen Absatzes verlesen:

»Bisherige Haltung in dem von Italien besetzten Gebiet Frankreichs muß unter allen Umständen aufgegeben werden, wenn Judenproblem gelöst werden soll.«

Folgende besonders krasse Fälle:

Ich unterbreche das Zitat. Die krassen Fälle sind diejenigen, in denen die Italiener in ihrer Zone sich der Festnahme der Juden entgegensetzten.

Ich lese jetzt den letzten Absatz:

»A.A. ist durch RSHA (Eichmann) über Verhalten der Italiener unterrichtet worden, Reichsaußenminister Ribbentrop wollte bei Verhandlungen mit dem Duce die Haltung der Italiener zur Judentrage zur Sprache bringen.

Ergebnis der Verhandlungen ist noch nicht mitgeteilt worden.«

A.A. scheint der Anfangsbuchstabe des Namens des Auswärtigen Amtes zu sein, was außerdem später bestätigt wird.

Ich werde die Dokumente RF-1231 und RF-1232 nicht unterbreiten.

Ich wende mich nun den letzten Dokumenten zu, die ich dem Gerichtshof vorlegen möchte. Diese Dokumente behandeln besonders die Deportation von Kindern. Ich unterbreite nun Dokument RF-1233; es ist ein Aktenvermerk von Dannecker vom 21. Juli 1942, aus dem ich den zweiten Absatz verlesen möchte:

»Mit SS-Obersturmbannführer Eichmann wurde die Frage des Kinderabschubs besprochen. Er entschied, daß, sobald der Abtransport in das Generalgouvernement wieder möglich ist, Kindertransporte rollen können. SS-Obersturmbannführer Nowak sicherte zu, Ende August/Anfang September etwa 6 Transporte nach dem Generalgouvernement zu ermöglichen, die Juden aller Art (auch arbeitsunfähige und alte Juden) enthalten können.«

Hier ist Dokument RF-1234, das ich nun vorlege. Es ist ein Vermerk vom 13. August 1942. Bevor ich auf die Bedeutung dieses Dokuments aufmerksam mache, möchte ich nun den Gerichtshof daran erinnern, daß ich gerade ein Dokument als RF-1219 unterbreitet habe. In diesem Dokument war eine Formel, an die ich wieder erinnern möchte.

»... wobei in Aussicht gestellt wird, die zurückgelassenen Kinder unter 16 Jahren später nachholen zu können.«

Die Nazis wollten den Eindruck erwecken, daß sie die Familien zusammen deportierten und daß sie jedenfalls keine Transporte auf den Weg bringen würden, die nur aus Kindern bestanden. Um diesen Eindruck zu erwecken, haben sie sich etwas ausgedacht, was man nur glauben kann, wenn man es liest, und zwar in genau festgelegtem Verhältnis Kinder und Erwachsene zu mischen.

Ich verlese den Absatz 4 des Dokuments RF-1234:

»Die aus dem unbesetzten Gebiet eintreffenden Juden werden in Drancy mit Judenkindern, die sich z. Zt. noch in Pithiviers und Beaune-la-Rolande befinden, vermischt werden in der Weise, daß auf 700 mindestens jedoch 500 erwachsene Juden 300 bis 500 Judenkinder zugeteilt werden, da nach der Weisung des Reichssicherheitshauptamtes Züge nur mit Judenkindern nicht abgeschoben werden dürfen.«

Ich lese ebenfalls den nächsten Satz vor:

»In Leguay ist gesagt worden, daß im Monat September gleichfalls 13 Züge mit Juden ab Drancy in Marsch gesetzt werden müssen und daß auch Judenkinder aus dem unbesetzten Gebiet ausgeliefert werden können.«

Ich unterbreite jetzt das letzte Dokument dieser Serie, die mit der jüdischen Frage zusammenhängt. Es ist Beweisstück RF-1235. Ich möchte es verlesen, da es kurz ist:

»Aufgenommen am 6. April 1944, Lyon. 20.10 Uhr, usw. Betrifft: Jüdisches Kinderheim in Izieu, Ain. Vorg.: ohne. In den heutigen Morgenstunden wurde das jüdische Kinderheim ›Colonie Enfant‹ in Izieu (Ain) ausgehoben. Insgesamt wurden 41 Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren festgenommen. Ferner gelang die Festnahme des gesamten jüdischen Personals, bestehend aus zehn Köpfen, davon fünf Frauen. Bargeld oder sonstige Vermögenswerte konnten nicht sichergestellt werden. Der Abtransport nach Drancy erfolgt am 7. April 1944.«

Dieses Dokument trägt eine handschriftliche Notiz, die wie folgt lautet:

»Angelegenheit im Beisein von Dr. V. B. und Hauptsturmführer Brunner besprochen. Dr. V. B. erklärte, daß für derartige Fälle besondere Maßnahmen bezüglich der Unterbringung der Kinder von SS-Obersturmführer Röthke vorgesehen seien. SS-Hauptsturmführer Brunner erwiderte, daß ihm derartige Weisungen und Pläne nicht bekannt seien und daß er grundsätzlich derartige Sondermaßnahmen nicht billige. Dann wurde auch in diesem Falle nach dem normalen Modus betreffend Abschub verfahren. Ich habe zunächst keine prinzipielle Entscheidung getroffen.«

Ich glaube, daß man wohl sagen kann, wenn es noch etwas Erschütternderes und Schrecklicheres gibt als die konkrete Tatsache der Verschleppung dieser Kinder, so ist es die verwaltungsmäßige Bearbeitung dieser Sache, der dienstliche Bericht über eine Konferenz, bei der verschiedene Beamte sich darüber ruhig wie über einen normalen Vorgang ihrer Dienststellen unterhalten. Die ganze Organisation des Nazi-Staates ist bei einer solchen Gelegenheit und zu einem solchen Zweck in Tätigkeit gesetzt worden. Das ist wirklich die Veranschaulichung des schon im verlesenen Bericht Danneckers enthaltenen Ausdrucks »auf kaltem Wege«.

Die Fortsetzung des Kapitels, das ich dem Gerichtshof vortrage, enthält eine gewisse Anzahl von Dokumenten, die zusammengestellt worden sind, um nach unserer allgemeinen Grundlinie zu erläutern, wie die verschiedenen deutschen Dienststellen zusammengearbeitet haben.

Da die Zeit vorgeschritten ist, möchte ich nur die Ziffern dieser Dokumente angeben, die ich vorzulegen beabsichtige, weil mir die Zeit fehlt, sie zu besprechen.

Diese Dokumente sind von RF-1238 bis RF-1249 numeriert. Ich möchte einzig und allein dem Gerichtshof Dokument RF-1243 verlesen, das wegen des organischen Charakters der juristischen Forderungen deutscher Stellen sehr interessant ist.

Ich zitiere einige Sätze dieses Dokuments:

»Im Erfahrungsbericht des Chefs des Verwaltungsstabes über die Sperraktion vom 7. bis 14. Dez. 1941 wurde angeregt, Geiselerschießungen in Zukunft zu vermeiden und dafür Todesurteile in kriegsgerichtlichen Verfahren auszusprechen.«

Ich überspringe die beiden folgenden Zeilen und fahre fort:

»Die Vergeltung läge darin, daß in Fällen, in denen sonst nur Zuchthaus ausgesprochen oder Begnadigung erfolgen würde, ein Todesurteil gefällt und vollstreckt wird. Durch diese Beeinflussung des richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung durch Attentate und Sabotageakte wäre der stark formell juristischen Denkweise der Franzosen Rechnung getragen.«

Ich möchte nun, und dies wird der letzte Absatz meiner Ausführungen sein, dem Gerichtshof Dokumente über verbrecherische Handlungen unterbreiten, die ihm noch nicht vorgetragen werden konnten und die die persönliche Verantwortung einiger der hier anwesenden Angeklagten belegen. Ich muß hier daran erinnern, daß die verbrecherischen Handlungen der Nazis sehr verschiedene Formen angenommen haben, die dem Gerichtshof bereits ausführlich dargelegt worden sind.

Eine besonders originelle Form war die, Verbrechen durch in Mörderbanden zusammengeschlossene Menschen begehen zu lassen, so daß es aussah, als ob diese Verbrechen einfach von Verbrechern begangen worden seien; oder man schob sie der Widerstandsbewegung in die Schuhe, die man dadurch entehren wollte.

Derartige Verbrechen sind in sämtlichen besetzten Ländern verübt worden; aber es ist manchmal wegen der getroffenen Tarnungs- und Vorsichtsmaßnahmen schwer, die Verantwortung für diese Verbrechen bis zu den Führern des Nazi-Staates selbst zu verfolgen. Dieser Beweis ist jedoch bei einem in Dänemark angewandten System zu führen, dessen sämtliche Elemente aus dänischen Berichten hervorgehen, die wir erst vor ganz kurzer Zeit erhielten.

Ich werde Ihnen in wenigen Worten die Lage auseinandersetzen. Es handelt sich um eine Serie von Morden, die in Dänemark durchgeführt wurden und die den Namen »Ausgleichsmorde« oder »Clearing- Morde« erhielten.

Diese Auffassung wird erklärt...

Der Verteidiger macht mich darauf aufmerksam, daß in dem letzten Dokument, das ich verlesen habe, ein Übersetzungsfehler unterlaufen ist. In diesem Dokument RF-1243 ist das Wort »Begnadigung« fälschlich »acquittement« übersetzt worden. Da ich die deutsche Sprache nicht beherrsche, ist es möglich, daß dieser Irrtum unterlaufen ist und daß dieses Wort tatsächlich heißt: Im Fall einer Begnadigung.

VORSITZENDER: Welcher Teil des Dokuments ist es?

M. FAURE: Tatsächlich ist dieser Fehler unterlaufen, ich bitte um Entschuldigung; wir haben sehr viel Übersetzungsarbeit gehabt. Das Dokument ist RF-1243, Zeile 14, und ich hatte gelesen:

»... sonst nur Zuchthaus ausgesprochen wurde oder Freisprechung erfolgte.«

Nach dem Verteidiger heißt es:

»... sonst nur Zuchthaus ausgesprochen wurde oder Begnadigung.«

Der Satz dürfte mit diesem Wort nicht glücklich konstruiert sein, was den Übersetzungsfehler erklärt, wenn es überhaupt einer war. Auf jeden Fall glaube ich, daß es genügt, die gegebenen Richtlinien ins Auge zu fassen, in denen man vorschreibt, die Todesstrafe auszusprechen, wenn Gefängnisstrafe normalerweise angemessen gewesen wäre.

Ich komme jetzt zu dem oben behandelten Gegenstand zurück und möchte, um die Lage näher zu erklären, die Definition verlesen, die im dänischen Bericht steht, und zwar auf Seite 19 des zusätzlichen Memorandums der Dänischen Regierung. Dieses Dokument ist als RF-901 bereits am Samstag vorgelegt worden. Ich sehe, daß es nicht in diesem Dokumentenbuch erscheint, da es sehr umfangreich ist; aber ich möchte mitteilen, daß die Ausschnitte, die ich zitiere, im Aktenstück »Exposé« wiedergegeben sind. Am Ende dieses Aktenstücks beginnt eine neue Numerierung; ich bin jetzt auf Seite 3 der letzten Numerierung und zitiere Seite 19 des dänischen Berichts:

»Von Neujahr 1944 an ist eine große Anzahl von Personen in immer kürzeren Zwischenräumen, in der Mehrzahl bekannte Personen, ermordet worden. Man hat zum Beispiel an ihrer Türe geschellt, und ein oder zwei Männer verlangten mit ihnen zu sprechen. Im Augenblick, da sie an der Türe erschienen....«

VORSITZENDER: Ich finde das nicht. Ist es in dem Akte »Verwaltungsmäßige und gerichtliche Organisation der verbrecherischen Tätigkeit«? Welches Dokument ist es?

M. FAURE: Es ist nicht im Dokumentenbuch, sondern in dem Aktenstück »Exposé«

VORSITZENDER: In welchem Teil des Aktenstücks?

M. FAURE: Im letzten Teil. Die Numerierung fängt nach Seite 76 wieder mit Nr. 1 an. Der Gerichtshof wolle zunächst Seite 76 nehmen.

VORSITZENDER: Ja, ich habe es.

M. FAURE: Ich lese Seite 19 des Berichts, den Auszug, der hier auf Seite 3 abgeschrieben ist:

»Von Neujahr 1944 an ist eine große Anzahl von Personen in immer kürzeren Zwischenräumen, in der Mehrzahl bekannte Personen, ermordet worden. Man hat zum Beispiel an ihrer Türe geschellt, und ein oder zwei Männer verlangten mit ihnen zu sprechen. In dem Augenblick, da sie an der Türe erschienen, haben diese Unbekannten sie durch Revolverschüsse getötet. Oder z.B. eine Person, die vorgab, krank zu sein, hat sich während seiner Sprechstunde an einen Arzt gewandt. Als der Arzt eintrat, hat der Unbekannte ihn durch Revolverschüsse getötet. Andere Male kam es vor, daß nachts unbekannte Männer gewaltsam in ein Haus eindrangen und den Mieter vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder töteten, oder es geschah auch, daß in der Straße einem Mann durch Zivilisten aufgelauert wurde, die ihn dann durch Revolverschüsse töteten.«

Es ist nicht erforderlich, daß ich den folgenden Absatz verlese, ich komme jetzt zum letzten Absatz der Seite 9:

»Nachdem die Zahl der Opfer anstieg, war man dänischerseits gezwungen, mit Verwunderung zu erkennen, daß ein gewisses politisches Motiv all diesen Mor den zugrundelag. Man wurde sich darüber klar, daß auf die eine oder andere Art und Weise die Deutschen die Anstifter waren.

Nach der Kapitulation der Deutschen in Dänemark ist durch die Untersuchungen der dänischen Polizei festgestellt worden, daß alle diese Morde, die in die Hunderte gehen, tatsächlich auf direkten Befehl oberster Behörden und in aktiver Zusammenarbeit mit höchsten deutschen Persönlichkeiten in Dänemark begangen wurden.«

Ich höre hier mit dem Zitat auf und fasse zusammen: Den dänischen Behörden gelang es, alle diese Strafsachen aufzuklären; es waren insgesamt 267 Fälle, die in dem Bericht und den Dokumenten zum amtlichen dänischen Bericht behandelt sind.

Diese Handlungen bestanden nicht nur in Verbrechen, sondern auch in anderen Straftaten, wie besonders Sprengstoffattentaten. Es ist festgestellt worden, daß alle diese Taten von Banden begangen wurden, die aus Deutschen und auch einigen Dänen bestanden. Diese Banden waren tatsächlich Banditengruppen, die aber, wie ich es bald beweisen werde, auf ganz hohen Befehl handelten.

Der dänische Bericht enthält insbesondere die ausführliche Darstellung der ganzen Untersuchung, die über den ersten dieser Morde angestellt wurde. Dessen Opfer war der große dänische Dichter Kaj Munk, der auch Pastor eines Kirchspiels war. Die Mörder haben ein Geständnis abgelegt. Ich fasse hier das Dokument zusammen, um mich nicht zu weit auszulassen.

Der Pastor, den man in seinem Heim abgeholt und gewaltsam in einem Wagen verschleppt hatte, ist auf der Landstraße ermordet worden. Seine Leiche wurde am folgenden Tage aufgefunden mit einer Aufschrift, die man ihm angesteckt hatte und worauf stand: »Schwein, du hast dennoch für Deutschland gearbeitet.«

Der Gerichtshof erkennt, wieviele derartige Verbrechen unter abscheulichen Umständen begangen worden sind. Eine erste Tatsache war, daß man feststellte, daß die Mitglieder dieser Banditengruppen, die diese verschiedenen Verbrechen begangen hatten, alle ein persönliches Glückwunschschreiben von Himmler erhielten. Der Text eines solchen Briefes wurde bei einem der Mörder aufgefunden; es ist der Anhang 14 des dänischen Berichts, und wir haben hier außerdem Photokopien davon mit der Unterschrift von Himmler.

Aber für diese außergewöhnlichen Verbrechen tragen in wirklich unglaublicher Weise auch andere die Verantwortung, nicht nur Himmler selbst. Die dänische Polizei konnte Günther Pancke verhaften, der als Polizeigeneral in Dänemark seit dem 1. November 1943 fungierte. Sein Verhör ist im Originalprotokoll des erstinstanzlichen Gerichts in Kopenhagen wiedergegeben; sie befindet sich im dänischen Bericht und enthält das Verhör des Generals Günther Pancke vom 25. August 1945.

Ich halte es jetzt für erforderlich, dem Gerichtshof Auszüge dieses Dokuments zu verlesen, da es mehrere Angeklagte belastet.

Ich zitiere:

»Am 30. Dezember 1943 haben Best und der Erschienene einer Sitzung im Führer-Hauptquartier beigewohnt; Hitler, Himmler, Kaltenbrunner, General von Hannecken, Keitel, Jodl und Schmundt waren unter anderen anwesend. Dies stimmt mit dem Tagebuch von Best vom 30. Dezember 1943 überein, von dem eine Abschrift existiert. Ebenso muß ein Vertreter des Deutschen Auswärtigen Amtes dagewesen sein, aber der Erschienene erinnert sich nicht mehr seines Namens, oder ob die in Frage kommende Person eine Rede hielt.

Schon im ersten Teil der Sitzung war Hitler sehr schlechter Laune, und es war mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Informationen, die er über die Lage in Dänemark erhalten hatte, etwas übertrieben waren.«

Ich möchte die folgende Seite überspringen, die nicht unbedingt verlesen werden muß, und komme zu Seite 14 meines Aktenstücks. In dem Abschnitt, den ich nicht verlese, führt der Zeuge Pancke aus, daß er und Dr. Best vorgeschlagen hätten, die Saboteure auf legale Art zu bekämpfen. Auf Seite 14 gibt er an, daß Hitler – ich zitiere –:

»... sich scharf gegen die Vorschläge von Pancke und Best gewandt und erklärt habe, daß absolut keine Rede davon sein könne, die Saboteure vor einem Gericht abzuurteilen.«

Er erklärt weiter, daß derartige Verfahren nur dazu führen können, die Verurteilten zu Helden zu machen.

Ich nehme mein Zitat Seite 15 wieder auf, dritte Zeile von oben:

»Mit den Saboteuren dürfte man nur auf eine Art und Weise verfahren, das heißt, sie töten und das am besten bei der Ausführung des Sabotageaktes oder zumindest bei der Festnahme, und alle zwei erhielten von Hitler persönlich den strengen Befehl, die Kompensationsmorde durchzuführen. Der Erschienene hat hierauf geantwortet, daß es sehr schwer und auch sehr gefährlich sei, Leute gleich bei ihrer Verhaftung zu erschießen, da man bei der Verhaftung nicht sicher sein könne, ob der Verhaftete tatsächlich ein Saboteur sei. Hitler verlangte Kompensationsmorde im Verhältnis von mindestens fünf zu eins, das heißt, für jeden getöteten Deutschen fünf Dänen.«

Weiter wird in dem Dokument gesagt, daß General Hannecken über die militärischen Fragen Bericht erstattete. Ich verlese den Satz auf Seite 16 meines Aktenstücks:

»Außerdem nahm General Keitel an der Unterredung teil, beschränkte sich jedoch auf den Vorschlag, die Lebensmittelrationen in Dänemark auf das gleiche Niveau herabzusetzen wie die deutschen Rationen. Dieser Vor schlag ist von den drei dänischen Vertretern ebenfalls abgelehnt worden. Das Ergebnis war, daß die Sitzung mit dem ausdrücklichen Befehl Hitlers an den Erschienenen zu Ende ging, Kompensationsmorde und Gegensabotage zu organisieren. Nach der Sitzung hatte der Erschienene eine Unterredung unter vier Augen mit Himmler, der ihm gesagt hat, daß er, der Erschienene, gerade vom Führer selbst erfahren habe, wie er zu handeln habe, und daß er, Himmler, damit rechne, daß der Erschienene diesen Befehl durchführen werde. Es schien, daß er bisher nur den Befehl Himmlers durchgeführt hätte. Der Erschienene weiß, daß Best gleich nach der Sitzung eine Unterredung mit von Ribbentrop hatte, aber er erinnert sich an deren Ergebnis nicht.«

Im Dokument wird ferner ausgeführt, daß diese Kompensationsmorde stattfanden, jedoch nicht in der Proportion von 5:1, sondern von 1:1. Es wird weiter ausgeführt, daß Berichte über diese Kompensationsmorde nach Berlin gesandt wurden.

Ich verlese Seite 18 meiner Akte, zweiter Absatz:

»Der Erschienene erklärt, daß seiner Meinung nach diese Maßnahmen mit klarem Vorbedacht von der höchsten deutschen Behörde befohlen wurden, die sie zum Schutz der in Dänemark stationierten Deutschen und der für Deutschland arbeitenden Dänen für erforderlich hielt. Daher hat der Erschienene dem Befehl gehorchen müssen. Bovensiepen hat über die Tatsachen Bericht erstattet, und wenn es sich um wichtige Persönlichkeiten handelte, hat er Vorschläge gemacht. Der Zeuge weiß nicht, ob Bovensiepen in allen Fällen selber die Persön lichkeiten ausgewählt hat, oder ob in gewissen Fällen diese von seinen Untergebenen ausgewählt wurden. Aber er fügt hinzu, daß ein starker Druck von militärischer Seite auf ihn ausgeübt wurde, einerseits durch General von Hannecken, obgleich sich dieser anfänglich der Vergeltung durch Terror widersetzt hatte, und späterhin ein noch stärkerer durch Generaloberst Lindemann. Wenn Soldaten getötet, oder wenn sonst irgendwelche militärischen Einrichtungen beschädigt wurden, fragte man sofort den Erschienenen, welche Maßnahmen er getroffen habe und was man militärischerseits dem Hauptquartier berichten könne, das heißt Hitler. Der Erschienene hatte eine zufriedenstellende Antwort zu geben, ebenso wie er zu handeln hatte.«

Ich beende hier mein Zitat; General Pancke führt weiter aus, wie diese Terrorgruppen organisiert wurden.

Ich muß jetzt angeben, daß die dänische Polizei ebenfalls den deutschen Generalbevollmächtigten Dr. Best verhaften und von seinen Papieren ein Inventar aufnehmen konnte. Sie fand in seinen Papieren das private Tagebuch des Dr. Best. Dieses Tagebuch enthält ein Blatt vom 30. Dezember 1943, das mit den Angaben der vorhergehenden Zeugenaussage über die Zusammenkunft vom 30. Dezember 1943 im Teehaus des Führers übereinstimmt. Es ist Seite 21.

»Mittagessen mit Adolf Hitler, M. H. Himmler, Reichsführer, Dr. Kaltenbrunner, SS-Obergruppenführer, Herrn Pancke, SS-Gruppenführer, Feldmarschall Keitel, General Jodl, General von Hannecken, Generalleutnant Schmundt, Generalleutnant Scherff. Das Mittagessen und die Diskussion über die dänischen Fragen dauerten von 14.00 bis 16.30 Uhr.«

Dr. Best ist natürlich über diesen Punkt vernommen worden. Aus den amtlichen dänischen Dokumenten, deren entsprechende Auszüge sich auf Seite 23 meines Aktenstücks befinden, geht hervor, daß Dr. Best zunächst die Tagebuchnotiz, die ich eben zitiere, anerkannte. Was den Sinn der Frage angeht, so erklärt Dr. Best noch am Ende der Seite 23:

»Der Erschienene entsinnt sich nicht, daß Hitler, der viel gesprochen hatte, etwas darüber gesagt habe, daß die Vergeltungsmorde im Verhältnis von 5:1 durchgeführt werden müßten. Himmler und Kaltenbrunner schlossen sich der Meinung Hitlers an, während die anderen anwesenden Personen – der Erschienene gibt die gleichen Namen an wie Pancke –, wie ihm scheint, ihrer Meinung nicht Ausdruck gegeben haben.«

Dies ist Seite 24.

»Das Auswärtige Amt war nicht vertreten, so daß Sonnleitner an dieser Unterredung nicht teilgenommen hat. Nach dieser Konferenz hatte der Erschienene eine Unterredung unter vier Augen mit Ribbentrop, dem er auseinandersetzte, was vorgefallen war. Ribbentrop war seiner Meinung, daß man gegen eine derartige Methode protestieren müsse, aber daß man im Endeffekt ja nichts machen könne.«

Es ist somit bewiesen, daß die Angeklagten Kaltenbrunner, Keitel und Jodl einer Zusammenkunft beiwohnten, einer dienstlichen Besprechung, bei der entschieden wurde, daß einfache regelrechte Morde in Dänemark organisiert würden.

Die Zeugen sagen allerdings nicht, daß die Angeklagten Keitel und Jodl von diesem Plan begeistert waren, aber es steht fest, daß sie in Ausübung ihrer Funktionen zusammen mit ihrem Untergebenen, dem Militärbefehlshaber in Dänemark, dabei waren. Es handelt sich hier um die Verantwortung für mehrere Hunderte von scheußlichen Morden, aber dies ist zweifelsohne nur ein kleiner Teil der Verbrechen, die von der Anklagebehörde aufgeführt worden sind, und die mehrere Millionen Opfer kosteten. Ich halte es aber für wichtig, festzustellen, daß die Hauptführer einer Armee und eines diplomatischen Dienstes diese systematische Organisation von Banditentum und Morden gekannt und gebilligt haben, wenn auch diese Taten durch berufsmäßige Mörder, die nachher flohen, begangen wurden.

Die Dokumente, die ich eben zitiert habe, sind die letzten der Serie, die ich dem Gerichtshof unterbreiten wollte. Ich werde keinen weiteren allgemeinen Kommentar hinzufügen. Ich glaube, daß in den Greueln der unzähligen Nazi-Verbrechen so viel Eintönigkeit und gleichzeitig so viel Verschiedenartigkeit liegt, daß der Geist deren Ausmaß und ganze Tragweite schwer erfassen kann.

Aber jedes dieser Verbrechen trägt in sich das volle Gewicht des Schreckens und spiegelt den teuflischen Wert der Weltanschauung wider, die es anordnete. Wenn es stimmt, daß das Leben einen Sinn hat, daß wir von mehr als nur »Geräusch und Wut« umgeben und durchdrungen werden, so ist eine derartige Weltanschauung zu verurteilen, ebenso wie die Menschen, die sie verkörperten und ihre Taten leiteten.

VORSITZENDER: Können Sie uns sagen, was morgen vorgetragen werden soll?

M. FAURE: Morgen wird Herr Gerthoffer, wenn dies dem Gerichtshof genehm ist, seine Ausführungen über die Plünderungen der Kunstschätze vortragen. Dies bringt eine Frage mit sich, denn als seinerzeit diese Ausführungen dem Gerichtshof vorgelegt werden sollten, hatte Herr Gerthoffer auf sie verzichtet, da man dachte, daß die Amerikanischen Dokumente genügen würden. Aber nach einer Besprechung mit unseren amerikanischen Kollegen ergab sich, daß sie selber damit rechneten, daß die Französische Anklagebehörde diese Frage behandeln würde. Somit, wenn der Gerichtshof damit einverstanden ist, daß wir jetzt auf diesen Gegenstand zurückkommen, wird morgen Herr Gerthoffer darüber sprechen.

Außerdem wird ein Beamter der Französischen Anklagebehörde ein Aktenstück vorlegen, das in der systematischen Zusammenfassung der Anklagen besteht, die gegen die einzelnen Angeklagten auf Grund der unterbreiteten Dokumente und Aktenhefte vorgebracht werden.

VORSITZENDER: Ich glaube, der Gerichtshof würde es gern sehen, wenn das Exposé über die Plünderungen von Kunstgegenständen sehr kurz ist, denn es muß ja kumulativ sein; Sie werden sich daran erinnern, daß wir in einem Stadium des Prozesses bereits 39 Bücher oder 30 oder auf jeden Fall eine Anzahl von Büchern über Kunstgegenstände vorgelegt bekamen, die aus verschiedenen Teilen Europas, darunter auch Frankreich, entnommen und von den Deutschen selbst photographiert worden waren. Daher würde jetzt jedes Beweismaterial zum Thema Plünderung nur kumulativ sein.

M. FAURE: Darum habe ich dem Gerichtshof auch die Frage gestellt, ob es ihm genehm ist, daß auf diese Weise fortgefahren wird, aber wenn der Gerichtshof denkt, daß der Vortrag gehalten werden kann, so wird er jedenfalls kurz sein und nur ungefähr zwei Stunden dauern.

DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Dr. Thoma, für Rosenberg. Wenn ich Herrn Faure recht verstanden habe, so hat er die Frage, ob morgen die Beschlagnahme und Plünderung von Kunstgegenständen in Frankreich nochmals erörtert werden soll, in das Ermessen des Gerichts gestellt. Ich möchte hierzu folgendes ausführen: Die Amerikanische Anklagebehörde hat bereits hier vor Gericht erklärt, daß die Frage der Plünderung der Kunstgegenstände nicht weiter erörtert werden solle. Daraufhin haben sowohl ich als Vertreter des Angeklagten Rosenberg als auch mein Kollege Stahmer als Vertreter des Angeklagten Göring einige Zeugen, die wir laden wollten, wieder abbestellt, und haben auf diese Zeugen verzichtet. Wenn nun die Französische Anklagebehörde neues Material bringen möchte, dann müßten wir die Zeugen wieder laden lassen. Deswegen werde ich bitten, daß der Gerichtshof darüber entscheidet, ob es notwendig ist, daß die Beschlagnahme von Kunstgegenständen in Frankreich nochmals erörtert wird.

VORSITZENDER: Ich bin der Ansicht, daß der Verteidiger einen Irrtum begeht, wenn er sagt, daß der Anklagevertreter für die Vereinigten Staaten etwas in dem Sinne gesagt haben soll, daß die französische Anklage kein weiteres Beweismaterial für Plünderung von Kunstgegenständen einreichen könne. Ich kann nur nicht denken, daß die Vereinigten Staaten darüber entscheiden konnten. Ich selbst hatte geglaubt, zu verstehen, daß dieser Teil der Anklage auf Bitten der französischen Anklagevertreter ausgelassen worden war, da der Gerichtshof die Bitte aussprach, das Verfahren zu verkürzen. Ist das richtig?

M. FAURE: Ja, das stimmt, Herr Vorsitzender. Ihre Auslegung ist richtig.

VORSITZENDER: Demnach bin ich der Ansicht, daß der Vortrag gehalten werden soll, wenn die Französische Anklagebehörde dies wünscht, und daß er so kurz wie möglich sein soll.

M. FAURE: Ich danke Ihnen.