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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

M. QUATRE: Ich habe heute die Ehre, die Schlußausführungen der Französischen Anklagevertretung vorzutragen, indem ich die Anklagen gegen die Angeklagten Wilhelm Keitel und Alfred Jodl zusammenfasse.

Bevor ich mich diesen Ausführungen zuwende, bitte ich den Gerichtshof um Erlaubnis, einige Bemerkungen machen zu dürfen.

Wir haben, um dem Gerichtshof Zeit zu sparen, die Anklage gegen die beiden Angeklagten in denselben Schriftsatz zusammengefaßt. Ihre Tätigkeiten haben so viel Gemeinsames, daß man bei getrennter Behandlung Wiederholungen bringen würde. Dasselbe Streben nach Zeitgewinn hat mich auch veranlaßt, meine Ausführungen auf ein Minimum zusammenzudrängen.

Diese Ausführungen werden drei Teile umfassen. In einer Einleitung werde ich versuchen, die beiden Angeklagten im Rahmen ihrer Tätigkeit zu zeigen. Der erste Teil wird der Vorbereitung der Angriffspläne gewidmet sein. Er ist kurz gehalten, da darüber bereits ausführliche Erläuterungen vorgetragen worden sind.

Ich werde meine Aufmerksamkeit vor allem dem zweiten Teile zuwenden, der sich mit der Verantwortlichkeit der Angeklagten für die Begehung von Kriegsverbrechen befaßt. Zu diesem Zwecke werde ich nicht alle Dokumente, Aussagen und Vernehmungen, die diese beiden Angeklagten berühren, vorbringen. Wenn ihre Schuld von der Wiederholung ihrer Verbrechen abhängt, wird sie vor allem durch die verbrecherische Absicht gekennzeichnet, die ihre Ausführung bestimmt hat. Dieser verbrecherische Vorsatz erscheint ganz besonders in einigen Dokumenten, auf die ich mich beschränken werde. Ich möchte den Gerichtshof bitten, einige Zitate daraus verlesen zu dürfen, die absichtlich nur ganz kurz sein werden.

Ich werde die Dokumente zuerst unter ihren Verhandlungsnummern erwähnen, die Sie, Herr Vorsitzender, am Rande des Ihnen überreichten Exemplars rot angestrichen finden. Ich werde alsdann die ursprüngliche Nummer angeben. Wenn es sich um ein bereits vorgelegtes Dokument handelt, werde ich das Datum der Vorlage und die Nummer, unter der es eingereicht worden ist, angeben.

Als Führer der Nationalsozialistischen Partei, dann als Kanzler des Reiches, bemühte sich Hitler die Deutsche Wehrmacht lediglich seinen Willen zu unterwerfen. Die Einheit, die er zwischen der Partei und dem Staat geschaffen hatte, sollte nach seiner Absicht auch zwischen Wehrmacht, Staat und Partei herrschen. Nur so würde die Kriegsmaschine in der Lage sein, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Partei würde den Antrieb geben, der Staat würde diesen Antrieb in Taten umsetzen und die Wehrmacht würde ihn mit Gewalt durchführen, falls es innerhalb oder außerhalb des Landes notwendig werden sollte.

Um dieses Ziel zu erreichen, mußte zuerst ein Gesetz erlassen werden, durch das die gesamte militärische Organisation dem Führer untergeordnet wurde. Es mußten auch diejenigen Personen entfernt werden, die sich diesen Maßnahmen nicht gern beugen wollten. Die Hinrichtung Schleichers im Jahre 1934 und die Entlassung Blombergs im Jahre 1938 sind zwei Beispiele dafür. Es handelte sich nunmehr darum, sie durch Befehlshaber zu ersetzen, deren elastisches Gewissen sie zu treuen Handlangern machen würde. Keitel und Jodl gehören zu diesen.

Ihre persönliche Überzeugung und der plötzliche Aufstieg in ihrer beruflichen Laufbahn sind beredte Zeugen hierfür. Bei seiner Vernehmung am 3. August 1945 durch Oberst Eèer vom tschechoslowakischen Militärgericht sagte der Angeklagte Keitel über seine Beziehungen zu Hitler und der Nationalsozialistischen Partei folgendes aus, es ist Dokument RF-1430:

»Innerlich war ich ein treuer Gefolgsmann von Adolf Hitler, und meine politische Einstellung war eine nationalsozialistische... Als mir aber der Führer sein Vertrau en schenkte, habe ich mich durch den persönlichen Kontakt zum Nationalsozialisten entwickelt. Ich bin heute noch ein überzeugter Anhänger von Adolf Hitler, was nicht ausschließt, daß ich mich mit manchen Punkten des Parteiprogramms und der Parteipolitik nicht identifiziere.«

Anläßlich einer am 7. November 1943 in München vor den Reichs- und Gauleitern gehaltenen Rede erklärte Jodl, um ihnen die strategische Lage der Deutschen Wehrmacht zu Beginn des fünften Kriegsjahres darzulegen, am Ende seiner Ausführungen folgendes, es ist dies Dokument RF-1431, L-172, das am 27. November 1945 von der Amerikanischen Anklagebehörde als US-34 vorgelegt worden ist:

»Ich möchte in dieser Stunde nicht mit dem Munde, sondern aus tiefstem Herzen bekennen, daß unser Vertrauen und unser Glaube an den Führer ein grenzenloser ist.«

Keitel, der 1901 in die Armee eingetreten ist, war 1931 noch immer Oberst. Der drei Jahre jüngere Jodl wurde erst im Jahre 1932 zum Oberstleutnant ernannt, trotz der Aufstiegsmöglichkeiten, die er im Kriege 1914 bis 1918 gehabt hatte. Diese Jahre hatten ihnen nur mittelmäßige Beförderungen gebracht, die nächsten sollten sie zu höchsten Ehren und größter Verantwortung erheben. Sie sahen ihren Stern mit dem Stern des neuen Herrschers Deutschlands aufgehen. Gleich zu Anfang traten sie in das öffentliche Leben ein. Während der Vorkriegsjahre bekleidete Keitel ununterbrochen hohe Ämter an obersten Stellen der Deutschen Wehrmacht. Er genoß ein ganz besonderes Ansehen bei dem neuen Herrscher Deutschlands, und seit Hitlers Machtergreifung wandte er alle Mittel an, um den Einfluß der Nazi-Ideologie innerhalb der Wehrmacht zu verstärken. Seine Tätigkeit im Wehrmachtsamt war besonders fruchtbar. Es handelte sich bei diesem Amte um das ministerielle Organ, das eine Zeitlang das Reichskriegsministerium ersetzte, und das unter anderem die Aufgabe hatte, die mit der Deutschen Wehrmacht zusammenhängenden Pläne vorzubereiten und zu koordinieren.

Die Tätigkeit des Angeklagten in dieser Stellung war umso bedeutsamer, als soeben eine tiefgreifende Strukturwandlung stattgefunden hatte. Die Reichswehr der Berufssoldaten machte der Wehrmacht Platz, die durch allgemeine Dienstpflicht rekrutiert wurde. Es genügte nicht, die gesamte deutsche Jugend zu den Fahnen zu rufen, man mußte sie auch ernähren, bekleiden und ihr moderne und mächtige Waffen geben. Diese Erhöhung des Effektivbestandes, diese Anfänge einer Wehrwirtschaft und Rüstungspolitik, sind zum Hauptteil die Früchte der Anstrengungen des Angeklagten, der zu jener Zeit, wenn auch nicht rechtlich, so doch jedenfalls tatsächlich die Vorrechte eines Kriegsministers genoß.

Als Hitler am 4. Februar 1938 das Kriegsministerium abschafft und sich zum Obersten Befehlshaber ernennt, überträgt er die Hauptressorts des Ministeriums auf das Oberkommando der Wehrmacht, dessen Chef Keitel zu gleicher Zeit Chef des persönlichen Stabes des Führers wurde.

Der Angeklagte sollte diese Ämter bis zur Kapitulation der Deutschen Wehrmacht behalten.

In seiner Eigenschaft als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht übte Keitel allerdings keine unmittelbare Befehlsgewalt auf die drei Wehrmachtsteile: Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine aus, die Hitler unmittelbar unterstellt waren. Seine eigentliche Aufgabe war es, die die drei Waffengattungen betreffenden Fragen zu koordinieren; er war der Verbindungsmann zwischen Hitler und diesen drei Wehrmachtsteilen, aber er war noch mehr als das. Seine Rolle war vor allem die eines Beraters. Er faßte die Nachrichten, die er von den verschiedenen ihm untergeordneten Dienststellen erhielt, zusammen. Es sind dies die Berichte des Wehrmachtführungsstabes, der Jodl unterstand, die Auskünfte, die von dem Dienst des Admirals Canaris kamen, sowie die Berichte der Wirtschaftsabteilung der Wehrmacht, der Verwaltungs-, Finanz- und Rechtsstellen. So persönlich und eigenmächtig auch Hitlers Arbeitsmethoden waren, so schlossen sie doch die regelmäßige und dauernde Teilnahme Keitels an den Taten seines Herrn nicht aus. Er ist es, der in der Lage war, den Forderungen seines Chefs zu entsprechen, auf dessen Entscheidungen Einfluß zu nehmen und sie vorzubereiten oder umzuändern. Wenn man sich vor Augen hält, daß er Mitglied des Reichsverteidigungsrats und des Geheimen Kabinettsrats war, und wie schwerwiegend deren politischer Charakter war, ist es leicht, den Umfang der Rolle zu begreifen, die der Angeklagte auf allen Gebieten gespielt hat, sei es, daß es sich um Vorbereitungen von militärischen Plänen im eigentlichen Sinne, um das Leben oder Verhalten der Deutschen Wehrmacht, oder um den Arbeitseinsatz und die Verwendung der wirtschaftlichen Mittel handelte.

So oft Besprechungen im Hauptquartier oder in der Reichskanzlei stattfinden, ist Keitel anwesend. Er ist jedesmal anwesend, wenn Hitler wichtigste Entscheidungen trifft, er ist an seiner Seite beim Einmarsch in die anzugliedernden Gebiete und, wenn es sich darum handelt, die Befehle Hitlers weiterzugeben, erteilt er Befehle, in welchen er die Gedanken seines Chefs entwickelt und mit persönlichen Beiträgen verbindet. Durch Gegenzeichnung der Erlasse Hitlers verstärkte Keitel im Sinne des Rechtsbegriffes des Dritten Reiches die Gültigkeit dieser Texte zwar in keiner Weise, aber er garantierte Hitler gegenüber deren Nützlichkeit für die Wehrmacht und ihre sorgfältige Ausführung. Hierfür hat er sich zu verantworten.

Ebenso wie Keitel gehörte auch Jodl zu den Männern, die auf den Erfolgen des neuen Regimes und dessen Schöpfern aufbauten.

Befehle, Verhalten und Tätigkeit zeigen, daß er ein politischer General war, welcher Hitler, der ihn mit Gnadenbezeugungen überschüttete, ergeben war. Als Chef des Wehrmachtführungsstabes hatte er sehr aktiven und wichtigen Anteil an der Ausarbeitung der Befehle seines Führers. Hitler war zwar der Mittelpunkt jeder Willensäußerung, Seite 9 meiner Ausführungen, aber die zwei Angeklagten, die während der Feindseligkeiten das tägliche Leben mit ihm teilten, führten seine Entscheidungen herbei, arbeiteten sie aus und stellten ihre Ausführungen sicher.

Jodl hat diese Beraterrolle gespielt, obwohl seine theoretischen Kenntnisse bei weitem nicht mit denjenigen von Keitel zu vergleichen waren. Trotzdem griff er unter eigener Verantwortung in Gebiete ein, die den Rahmen eigentlicher militärischer Operationen überschritten.

Diese Verantwortlichkeit der beiden Angeklagten bezieht sich in erster Linie auf Vorbereitung und Ausführung der Angriffspläne. Ich brauche auf diesen Punkt nicht zurückzukommen, denn unser englischer Kollege, Herr Roberts, hat die von den beiden Angeklagten auf diesem Gebiet gespielte Rolle ausgezeichnet erläutert, und wir wollen uns jetzt ganz besonders mit ihrer Verantwortung für die Kriegsführung befassen. Zuerst mit ihrer Verantwortung für Morde, Mißhandlungen von Zivilpersonen, Kollektivstrafen und Ermordung von Geiseln; Seite 13 meiner Ausführungen.

Seit Beginn des Krieges wurden, sobald neue Gebiete von der Deutschen Wehrmacht besetzt worden waren, unter Verletzung des Kriegs- und Völkerrechts Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung ergriffen: von scheinbar ganz unbedeutenden Verletzungen bis zu schärfsten Strafen, schwersten Mißhandlungen und unmenschlichen sowie völlig sinnlosen Hinrichtungen.

Man mag sich den besetzten Ostgebieten, Norwegen oder dem Westen zuwenden, überall zeigt sich dieselbe Reaktionsweise, dieselbe sorgfältige Ausführung der gleichen Richtlinien.

Am 16. September 1941 unterzeichnet Keitel einen Befehl über die Unterdrückung von kommunistischen Aufstandsbewegungen in den besetzten Gebieten, das ist Dokument RF-1432, 389-PS. Der Gerichtshof wird mir erlauben, ganz kurze Stellen daraus zur Verlesung zu bringen. Die Anweisungen Keitels lauten wie folgt:

»Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht, gleichgültig wie die Umstände im einzelnen liegen mögen, muß auf kommunistische Ur sprünge geschlossen werden.

Um die Umtriebe im Keime zu ersticken, sind beim ersten Anlaß unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um die Autorität der Besatzungsmacht durchzusetzen und einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt, und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesem Falle im allgemeinen die Todesstrafe gelten.«

VORSITZENDER: Das wurde schon verlesen.

M. QUATRE: Ich bedauere, Herr Präsident. Am 5. Mai 1942 wendet sich Keitel besonders Belgien und Frankreich zu und befiehlt für diese beiden Länder Festnahme und Hinrichtung von Geiseln. Diese sollen unter Nationalisten, Demokraten und Kommunisten ausgesucht werden. Es ist Dokument RF-1433, 1590-PS. Das Original ist in den Händen der Anklagevertretung der Sowjetunion, die es im Laufe ihrer Anklagerede vorlegen wird.

Dieser Befehl bestätigt nur frühere Richtlinien, da im August und im September 1941 Befehle des Oberbefehlshabers in Frankreich sich bereits auf die Hinrichtung von Geiseln bezogen haben. Es ist dies Dokument RF-1434 und 1588-PS, von der französischen Anklage am 29. Januar 1946 als RF-274 unterbreitet.

Um Ruhe in den besetzten Gebieten zu erzwingen und die Mitglieder der Deutschen Wehrmacht gegen diese Angriffe zu schützen, hat Keitel nicht gezögert, die Bestimmungen der Artikel 46 und 50 der Anlage des Haager Abkommens zu verletzen, das den Besatzungsarmeen den Gebrauch von Zwangsmitteln und Vergeltungsmaßnahmen kollektiven Charakters verbietet und die sie im Gegenteil zur Achtung des Einzellebens verpflichtet.

Es handelt sich hier nicht um einzelne Verletzungen; in allen besetzten Gebieten fanden dieselben Handlungen statt. Die Schutzhaft wird zum System erhoben. Sie entspricht ausgezeichnet dem Ziele, das sich das Oberkommando der Wehrmacht gesetzt hatte: sich nämlich auf diese Weise einer bestimmten Haltung der Bevölkerung zu vergewissern, die vom militärischen Gesichtspunkt aus vorteilhaft ist.

Der Wortlaut des Dokuments RF-1433, das ich eben erwähnt habe, ist sehr eindeutig:

»... daß es angebracht ist, daß die Militärbefehlshaber ständig über eine Anzahl Geiseln der verschiedenen politischen Richtungen verfügen...

Es kommt dabei darauf an, daß sich darunter bekannte führende Persönlichkeiten... befinden... je nach Zugehörigkeit des Täters sind bei Überfällen Geiseln der entsprechenden Gruppe zu erschießen.«

Diese Errichtung einer Terrorherrschaft fand ihre vollste Entfaltung in der Ausführungsverordnung zum Erlaß »Nacht und Nebel«, die am 12. Dezember 1941 von Keitel unterzeichnet wurde. Dies ist Dokument 669-PS, das ich heute als RF-1436 vorlege.

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich einige bezeichnende Absätze verlesen, die die Absichten Keitels klar darstellen.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir haben dies schon mehr als einmal gehört.

M. QUATRE: Ich bitte um Verzeihung, Herr Präsident, ich gehe weiter. Dieses Gesetz ist die Rechtsquelle jener Deportationen, unter denen Frankreich unter anderem so sehr gelitten hat. Ich will nicht näher darauf eingehen, Sie kennen die Behandlung, die diesen Frauen und Männern, die aus ihren Heimen unter Mißachtung allen Rechtes weggerissen wurden, zuteil geworden ist, und die an ihnen begangenen Greueltaten sind uns allen wohlbekannt.

Ich möchte auf Dokument UK-20, RF-1437, hinweisen, das bereits am 9. Januar 1946 als GB-163 vorgelegt worden ist. Dieses Dokument enthält einen Befehl Keitels vom 26. Mai 1943, der in seinem Auftrag gezeichnet wurde. Keitel schreibt in Absatz 3 vor, daß genaueste Nachforschungen in all den Fällen gemacht werden sollen, in denen Franzosen, deren Eltern im besetzten Gebiet Frankreichs leben, auf Seite der Russen kämpfen. Wenn die Nachforschungen ergeben, daß die Eltern ihnen bei ihrer Flucht aus Frankreich geholfen haben, sollen scharfe Maßnahmen ergriffen werden.

Am 22. September 1943 sandte das Oberkommando der Wehrmacht, diesmal mit der Unterschrift von Jodl, an den Oberbefehlshaber in Dänemark ein Telegramm, das in doppelter Hinsicht interessant ist. Es ist Dokument RF-1438, UK-56, am 31. Januar 1946 als RF-335 vorgelegt.

Der erste Absatz behandelt die Erfassung von dänischen Staatsangehörigen in militärische Formationen der Besatzungsarmee, vor allem in SS-Verbände. Abgesehen davon, daß diese Tatsache im Widerspruch mit der Ehre des Individuums steht, verstößt sie auch gegen die Bestimmungen der Präambel des Haager Abkommens, die vorsieht, »daß in den Fällen, die in den Bestimmungen der von ihnen angenommenen Ordnung nicht einbegriffen sind, die Bevölkerung und die Kriegführenden unter dem Schutze... bleiben, wie er sich ergibt... aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens.«

Dieser Germanisierungsversuch stellte eine Mißachtung der Forderungen des öffentlichen Gewissens dar. Was den Absatz 2 dieses Telegramms betrifft, der die Deportation der dänischen Juden vorschreibt, so ist dies die Durchführung des allgemeinen Grundsatzes der Deportation der jüdischen Bevölkerung mit dem Ziele ihrer völligen Ausrottung. Der Gerichtshof weiß darüber genügend Bescheid, ich brauche darauf nicht weiter einzugehen.

Ich komme jetzt zu den ungerechtfertigten Verwüstungen und Zerstörungen von Städten und Dörfern. Das ist Seite 20 meiner Ausführungen.

Die Terrorpolitik, die die Deutsche Wehrmacht gegen die im Innern aufgestellten französischen Streitkräfte, gegen die Mitglieder der Widerstandsbewegung in Frankreich führte, überschritt jedes Maß, als die Besatzungsmacht sich nunmehr nicht nur gegen die Mitglieder der Widerstandsbewegung, sondern auch gegen die Bewohner von Dörfern und Städten wandte, die im Verdacht standen, diesen Patrioten Hilfe oder Unterkunft zu gewähren. Ich zitiere hier eine Broschüre vom 6. Mai 1944, die vom OKW stammt und die im Auftrag des Chefs des OKW die Unterschrift Jodls trägt. Es ist F-665, als RF-411 am 31. Januar 1946 vorgelegt. Punkt 161 dieser Schrift lautet wie folgt:

»Das Überholen bandenverdächtiger Dörfer erfordert Erfahrung. SD oder GFP-Kräfte sind heranzuziehen. Die wirklichen Bandenhelfer müssen erkannt und mit aller Härte gefaßt werden, Kollektivmaßnahmen gegen die Einwohnerschaft ganzer Dörfer (dazu gehört auch das Abbrennen der Ortschaften) dürfen nur in Ausnahmefällen und ausschließlich durch Divisionskomman deure oder SS- und Polizeiführer angeordnet werden.«

Aber diese von dem Angeklagten Jodl angeordnete Sondermaßnahme sollte im Frühling und Sommer 1944 in Frankreich zur allgemeinen Regel werden. Während sie, als Jodl diesen Befehl unterzeichnete, nur Einzelmaßnahmen darstellte, erhielt sie mit der Zeit den Charakter von weitgreifenden Operationen, die von Einheiten der Wehrmacht mit völkerrechtswidriger Unterstützung durch Einsatzkräfte des SD und der Geheimen Feldpolizei durchgeführt wurden. Unter dem Vorwand von Untersuchungen oder Vergeltungsmaßnahmen gegen lokale Elemente der Widerstandsbewegung, beobachteten die deutschen Offiziere und Soldaten peinlichst genau die Anweisungen, die ihnen vom Chef des Führungsstabes gegeben worden waren.

So hinterließen die zurückgedrängten deutschen Truppen in Frankreich eine Spur von nun toten Städten und Dörfern, wie unter anderen Oradour-sur- Glane, Maillé, Cerisay, Saint-Dié und Vassieux-en- Vercors. Jodl trägt die Verantwortung für diese Säuberungsaktionen, die mit den willkürlichsten Festnahmen anfingen, um mit Folterungen, mit der Niedermetzelung der Bewohner, Männer, Frauen, Greise, Kinder, sogar ganz kleiner Kinder und mit der Plünderung und dem Abbrennen der Ortschaften zu enden. Keinerlei Unterschied gab es zwischen den Bewohnern. Alle, selbst die kleinsten Kinder, waren »tatsächliche Helfershelfer«.

Niemals haben die Notwendigkeiten des Krieges derartige Maßnahmen gerechtfertigt, die in gleicher Weise eine Verletzung der Artikel 46 und 50 des Haager Abkommens darstellen.

Ich komme jetzt auf Seite 23 meines Schriftsatzes zur Mobilisierung der Zivilarbeiter, zu ihrer Deportation zur Zwangsarbeit.

Der Erlaß vom 21. März 1942, durch den Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt wurde, trägt die Unterschriften von Hitler, Lammers, Chef der Reichskanzlei, und des Angeklagten Keitel. Es ist Dokument RF-1440, 1666-PS, das am 12. Dezember 1945 dem Gerichtshof als US-208 von der Amerikanischen Anklagevertretung vorgelegt worden ist.

Dieser Erlaß sieht im ersten Punkt die Rekrutierung aller erfaßbaren zivilen Arbeitskräfte zum Zwecke des Einsatzes für die deutsche Kriegsindustrie, besonders für die Rüstungsindustrie vor. Dieser Verpflichtung werden alle nicht beschäftigten Arbeiter in Deutschland, im Protektorat, im Generalgouvernement und in den besetzten Gebieten unterworfen. Dies ist eine Verletzung des Artikels 52 der Haager Konvention.

Im Laufe seiner am 7. November 1943 gehaltenen Rede, die ich schon erwähnt habe, erklärt der Angeklagte Jodl, indem er auf die Aufgaben hinweist, die der Bevölkerung der besetzten Gebiete zufallen, Dokument RF-1431:

»Ich glaube aber, daß heute der Zeitpunkt gekommen ist, sowohl in Dänemark, Holland, Frankreich und Belgien mit rücksichtsloser Energie und Härte die tausende Nichtstuer zu Befestigungsarbeiten zu zwingen, die allen anderen Aufgaben vorangehen. Die notwendigen Befehle hierzu sind erlassen.«

Sauckel hätte sich nicht anders ausgedrückt. Jodl machte sich ebenfalls zum Vorkämpfer dieser Dienstleistungen, um das Arbeiterpotential der besetzten Westgebiete in den Dienst der deutschen Kriegsmaschine zu stellen. Es machte ihnen nichts aus, daß die Haager Konvention derartige Verfahren untersagt.

Auch für ihn stehen die Sorge um den Sieg Deutschlands und der totale Krieg vor der Achtung internationaler Abkommen und Kriegsgebräuche.

Ich komme jetzt zur Verantwortung des Angeklagten Keitel auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Kunstplünderung. Ich werde mich mit drei Dokumenten, die bereits vorgelegt worden sind, kurz fassen; ich werde lediglich die Nummern in Erinnerung bringen. Es sind dies RF-1441, F.A.-1, gestern von meinem Kollegen von der Wirtschaftsabteilung als RF-1301 vorgelegt und RF-1400, am 18. 12. 45 von der Amerikanischen Anklagebehörde als US-379 vorgelegt. Schließlich ist es das Dokument RF-1443, 138-PS, bei der gestrigen Sitzung als RF-1310 vorgelegt.

Auf diesem Gebiet werde ich heute dem Gerichtshof nur einen kleinen Brief von fünf Zeilen vorlegen, den der Angeklagte Keitel an den Einsatzstab Rosenberg gerichtet hat. Es ist Dokument 148-PS, RF-1444:

»Sehr verehrter Herr Reichsminister!

Auf Ihr Schreiben vom 20. Februar teile ich Ihnen mit, daß ich das Oberkommando des Heeres beauftragt habe, die für die Arbeit Ihrer Einsatzkommandos im Operationsgebiet notwendigen Vereinbarungen mit Ihrem Beauftragten zu treffen.«

Man kann also sagen, daß die Tätigkeit Rosenbergs von Anfang an von der Wehrmacht ständig unterstützt worden ist. In dieser Hinsicht hat Keitel ebenfalls an der Plünderung der Kunstwerke in Frankreich und den westlichen Gebieten persönlich mitgewirkt. Diese Maßnahmen waren am Anfang von einer Art juristischer Rechtfertigung umhüllt. Sie sind nach den Worten Keitels nicht als Ausdruck eines Beuterechtes aufzufassen, sondern als einfache Sicherheitsmaßregeln angesichts der zukünftigen Friedensverhandlungen. Aber sie entarteten in eine allgemeine Plünderung der Kunstobjekte in den westlichen Ländern entgegen den Bestimmungen der Artikel 46, 47 und 56 des Haager Abkommens, die die Beschlagnahme von Privateigentum und Plünderung oder Beschlagnahme von Kunstgegenständen durch Mitglieder des Besatzungsheeres verbieten.

Jetzt komme ich, meine Herren, zum letzten Hauptteil meiner Ausführungen, Seite 28, zu den Verletzungen der Abkommen und des Kriegsrechtes im Hinblick auf die Kriegsgefangenen.

Auf diesem Gebiet haben sich Keitel und Jodl Maßnahmen zuschulden kommen lassen, die völlig ungerechtfertigt waren und Verstöße gegen die Kriegsgesetze darstellten.

Es handelt sich hier zuerst um die Verletzung des Artikels 6 der Anlage zur Haager Konvention, die vorsieht, daß »Arbeiten, die von Kriegsgefangenen ausgeführt werden, nicht übermäßig sein dürfen und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen dürfen.«

In einem am 31. Oktober 1941 unterzeichneten Memorandum zwingt Keitel in seiner Eigenschaft als Chef des OKW internierte russische Kriegsgefangene im Reich zu einer Arbeit, die in Beziehung zu den Kriegsunternehmungen steht. Es ist Dokument RF-1445, EC-194, das die Amerikanische Anklagevertretung bereits am 12. Dezember 1945 als US-214 vorgelegt hat. In diesem Dokument sagt Keitel folgendes:

»Der Führer hat nunmehr angeordnet, daß auch die Arbeitskraft der russischen Kriegsgefangenen durch ihren Großeinsatz für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft weitgehend auszunutzen ist.«

Und das bedeutet die Inangriffnahme eines Programms der Eingliederung der Gefangenen in die deutsche Kriegswirtschaft. Dieses Dokument bezieht sich im Jahre 1941 nur auf die russischen Kriegsgefangenen; aber schon am 21. März 1942 wird der Einsatz aller Kriegsgefangenen in die deutsche Kriegsindustrie und insbesondere für die Rüstungsindustrie verwirklicht. Der von Hitler unterzeichnete Erlaß, den wir eben erwähnt haben, durch welchen Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt wird, sieht ebenfalls den Einsatz aller Kriegsgefangenen in der deutschen Rüstungsindustrie vor. Es ist Dokument RF-1440 und zeigt die Verletzung der Artikel 27, 31, 32 und 33 der Genfer Konvention. Einen Monat später spricht Sauckel am 20. April 1942 über sein Programm der Mobilisierung der Arbeitskräfte. Es ist Dokument RF-1446, 016-PS, das bereits von der Amerikanischen Anklagevertretung am 11. Dezember 1945 als US-168 vorgelegt worden ist. Ich zitiere:

»Die restlose Beschäftigung aller Kriegsgefangenen sowie die Hereinnahme einer Riesenzahl neuer ausländischer Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen ist zur undiskutierbaren Notwendigkeit für die Lösung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes in diesem Kriege geworden.«

Auf diese Art und Weise ist es Sauckel am 6. Februar 1943 gelungen, wie er in einem Vortrag in Posen ankündigte, 1658000 Kriegsgefangene in die Kriegswirtschaft des Reiches einzugliedern. Dies geht aus Dokument RF-1447, 1739-PS, hervor, das am 8. Januar 1946 von der Französischen Anklagebehörde als RF-10 vorgelegt worden ist. Diese Zahl 1658000 setzt sich wie folgt zusammen: 55000 Belgier, 932000 Franzosen, 45000 Engländer, 101000 Jugoslawen, 33000 Polen, 488000 Russen, 4000 Sonstige: insgesamt 1658000.

Der Einsatz eines solchen Kontingents von Kriegsgefangenen in die deutsche Kriegswirtschaft setzt eine vollkommene Zusammenarbeit voraus zwischen den Arbeitseinsatzdienststellen von Sauckel und Keitel, dem Chef des OKW auf der anderen Seite, der in dieser Eigenschaft für jene Arbeitskräfte und deren Ausnutzung verantwortlich war.

Diese flagranten Verletzungen der Haager und Genfer Abkommen wurden von noch ernsteren Maßnahmen begleitet, die von den Angeklagten veranlaßt oder genehmigt worden sind; diesmal berührten sie nicht nur die Rechte der Kriegsgefangenen, sondern konnten auch Eingriffe in ihren physischen Zustand nach sich ziehen, die selbst den Tod herbeizuführen vermochten.

Die erwähnten Verletzungen beziehen sich in erster Linie auf die Mißachtung der Pflicht, den Kriegsgefangenen Sicherheit zu gewähren, Seite 32 meines Schriftsatzes.

Dokument RF-1448, 823-PS, das am 30. Januar 1946 als RF-359 vorgelegt worden ist, gibt uns einen Bericht, der von den Dienststellen des Wehrmachtführungsstabes verfaßt worden ist und für den Chef des OKW bestimmt war. Er bezieht sich auf die Errichtung von Lagern für Kriegsgefangene der englischen und amerikanischen Luftstreitkräfte in bombardierten deutschen Städten. Der Führungsstab, der Luftwaffe schlägt dieses Projekt vor, um durch Anwesenheit von alliierten Kriegsgefangenen die deutsche Bevölkerung der in Frage kommenden Städte vor möglichen englischen und amerikanischen Luftangriffen zu schützen und um in diese Orte alle schon vorhandenen Fliegerlager verlegen zu können.

Dieser Einrichtung stimmt der Führungsstab des OKW durch Jodl zu. Er ist der Ansicht, daß es keinen Verstoß gegen das Internationale Recht darstelle, wenn man sich auf die Errichtung neuer Lager beschränke.

Wenn wir den eigentlichen Grund für diese Entscheidung nicht wüßten, könnten wir, wie der Angeklagte Jodl, annehmen, daß hier kein Verstoß gegen das Internationale Recht vorliege. Aber diese Maßnahmen werden vor allem, wie die ersten Zeilen des Dokuments es beweisen, zum Schutz der deutschen Stadtbevölkerung ergriffen. Die alliierten Kriegsgefangenen waren nur ein Mittel, um eventuelle Luftangriffe abzuwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird man nicht zögern, ihre Verhältnisse zu verschlimmern, indem man sie der Kriegsgefahr aussetzt. Dies ist eine schwere Mißachtung der Verpflichtung, den Kriegsgefangenen Sicherheit zu gewähren, wie dies in der Genfer Konvention im Artikel 9 verlangt wird, nach dem diejenige Macht, die die Gefangenen unter ihrem Schutze hält, hierfür verantwortlich ist.

Keitel hat auf die erste Seite des Dokuments nur zwei Worte geschrieben: »Kein Einwand.« Es folgen seine Initialen.

Ich komme jetzt auf Seite 34 meines Manuskripts zu den Maßnahmen, die gegen entkommene Kriegsgefangene ergriffen wurden.

Diese Maßnahmen weisen einen besonders ernsten Charakter auf. Das zeigt Dokument RF-1449, 1650-PS, das von der Amerikanischen Anklagevertretung am 13. Dezember 1945 als US-246 vorgelegt wurde. Ich glaube, es ist nicht unbedingt notwendig, daß ich es verlese; der Gerichtshof weiß darüber genügend Bescheid.

Dieses Dokument enthüllt die Anwendung der sogenannten »Kugel-Aktion«, um die Flucht von gefangenen Offizieren und Unteroffizieren zu verhindern. Ihr einziger Zweck ist es, diese Offiziere und Unteroffiziere der Polizei zu übergeben, und das ist die »Sonderbehandlung«, von der die offiziellen Befehle und Berichte sprechen. Diese »Sonderbehandlung« aber, wie Sie wissen, bedeutete nichts anderes als Vernichtung.

Nach den Bestimmungen des Artikels 47 und folgender der Genfer Konvention dürfen lediglich Disziplinarstrafen, in diesem Fall also Arrest, den flüchtigen Kriegsgefangenen von dem betreffenden Staate auferlegt werden. Keitel hat nicht gezögert, davon abzusehen und hat statt dessen radikalere Mittel ergriffen.

DR. OTTO NELTE, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KEITEL: Der französische Herr Anklagevertreter ist im Begriff, auf eine Urkunde Bezug zu nehmen, die Ihnen als Vernehmung Westhoff in dem Urkundenbuch als RF-711 unterbreitet ist. Dieses Schriftstück ist bezeichnet als Résumé über die Vernehmung des deutschen Generals Westhoff, wobei es sich um einen besonders schweren Vorwurf gegen den Angeklagten Keitel handelt, nämlich um die Erschießung der englischen Fliegeroffiziere, die aus dem Lager Sagan entflohen waren.

Ich widerspreche der Verwendung dieses Schriftstückes als Beweisurkunde aus folgenden Gründen:

1. Die vorgelegte Urkunde ist kein Affidavit, sondern nur ein zusammenfassender Bericht über Aussagen des Generals Westhoff.

2. Der vorgelegte Bericht ist nicht von dem vernehmenden Oberst Williams unterzeichnet, er ist überhaupt nicht unterzeichnet, sondern trägt nur den Vermerk des Übersetzers.

3. Es ist aus dem Dokument nicht zu erkennen, wer der Verfasser dieses Berichtes ist.

4. Es ist ferner aus dem Bericht nicht zu erkennen, ob General Westhoff eidlich vernommen worden ist.

5. General Westhoff befindet sich, soweit ich unterrichtet bin, hier in Nürnberg.

6. Es liegt auch ein Protokoll über die Vernehmung des Generals Westhoff vor. Aus diesen Gründen bitte ich den Gerichtshof zu prüfen, ob das vorgelegte Dokument, gezeichnet als Résumé über Vernehmung des Generals Westhoff, als Beweisdokument zulässig ist.

VORSITZENDER: Was erwidern Sie auf die verschiedenen Einwände, die Dr. Nelte vorgetragen hat?

M. QUATRE: Herr Vorsitzender, ich erkenne durchaus an, daß der Einspruch der Verteidigung berechtigt ist, und ich werde am Ende dieser Sitzung in der Lage sein, dem Gerichtshof ein genaues Protokoll der Vernehmung General Westhoffs vorzulegen, dem ein Affidavit von Sir David Maxwell-Fyfe beigefügt ist.

Ich bedauere, es im Augenblick nicht vorlegen zu können, aber ich habe es zu spät erhalten, und aus technischen Gründen habe ich es meinem Dokumentenbuch nicht beigefügt.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das Dokument, das Sie uns vorgelegt haben, nicht zulässig ist. Es ist nur eine Zusammenfassung, und wir glauben, daß wir das Vernehmungsprotokoll nur zulassen können, wenn ein Exemplar davon dem Verteidiger ausgehändigt wird und der Zeuge, der dem Verhör unterzogen wurde, dem Verteidiger zu einem eventuellen Kreuzverhör zur Verfügung gestellt wird. Sonst müssen Sie General Westhoff vorladen und ihn im Verlauf der Sitzung vernehmen. Ist Ihnen das klar? Ich kann es wiederholen, wenn Sie wollen.

Das Dokument, das Sie uns vorgelegt haben, wird abgelehnt. Sie können entweder General Westhoff als Zeugen vorladen, und dann kann er natürlich einem Kreuzverhör unterzogen werden, oder Sie können das Verhör vorlegen, nachdem Sie ein Exemplar davon dem Verteidiger zugestellt haben, und dann wird General Westhoff, der diesem Verhör unterworfen wurde, auch der Verteidigung zum Kreuzverhör zur Verfügung stehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof, würden Sie mir gestatten, einen Augenblick zu unterbrechen?

Das Dokument, von dem mein geehrter Kollege eben sagte, daß es von mir beglaubigt wurde, ist ein Bericht der Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen, den ich als beglaubigtes Dokument erhalten habe. Ich halte es daher nach Artikel 21 des Statuts für zulässig.

Das Verhör, das mein Kollege, der Französische Anklagevertreter, dem Gerichtshof zur Prüfung unterbreitet, ist nicht nur ein einfaches Vernehmungsprotokoll, sondern es stellt ein Dokument dar.

VORSITZENDER: Ich verstehe das vollkommen, Sir David, aber es kommt noch etwas anderes hinzu. Wenn es wahr ist, daß General Westhoff sich jetzt in Nürnberg befindet, so wäre es ziemlich ungerecht, ein derartiges Dokument vorzulegen, ohne die Person, die die Erklärung abgegeben hat, oder aus deren Verhör die Erklärung zusammengestellt wurde, einem Kreuzverhör durch die Verteidiger zu unterwerfen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gestatten Sie, Herr Vorsitzender, ich möchte bitten, diese Frage genau zu erwägen, denn der Gerichtshof hat das Dokument noch nicht vor sich, und es handelt sich um einen Bericht an die Kriegsverbrechenkommission der Vereinten Nationen über die fragliche Vernehmung und ist daher gemäß Artikel 21 des Statuts zulässig.

Der Gerichtshof kann also nach diesem Artikel des Statuts von diesem Dokument Kenntnis nehmen.

VORSITZENDER: Denken Sie, daß es das richtige Verfahren wäre, diesen Bericht in Betracht zu ziehen, und den Verteidigern die Vorladung von General Westhoff zu überlassen, wenn es ihr Wunsch ist?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das würde ich vorschlagen. Wir müssen den Artikel 21 des Statuts in diesem Sinne auslegen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte wissen, ob das Verhör von der Anklagebehörde in Nürnberg vorgenommen wurde?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mir wird soeben mitgeteilt, daß das Verhör in London stattfand. Ich wußte dies nicht und auch nicht, daß General Westhoff in Nürnberg sein soll.

VORSITZENDER: Sir David, können Sie uns mitteilen, ob das Verhör in Nürnberg oder in London vorgenommen wurde?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mir wurde mitgeteilt, daß es in London vorgenommen wurde.

VORSITZENDER: Wissen Sie, wo sich der Zeuge jetzt befindet?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich wußte nicht, daß er in Nürnberg ist, bis Sie es sagten, Herr Vorsitzender.

DR. NELTE: Ich habe in der vergangenen Woche von Herrn General Westhoff aus dem hiesigen Zeugenhaus einen Brief, Antworten auf andere Fragen, erhalten. Er war also in der vergangenen Woche hier.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird die Sitzung jetzt unterbrechen.