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STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Bevor ich dieses zusammenfassende Dokument vorlege, bitte ich den Gerichtshof um einige Minuten Aufmerksamkeit für die Verlesung eines deutschen Schriftstücks über das von mir behandelte Thema.

Nach der Besetzung der litauischen, estnischen und lettischen Sowjet-Republiken versuchten die deutsch- faschistischen Eindringlinge diese sowjet-baltischen Provinzen in deutsche Kolonien zu verwandeln und die Bewohner dieser Republiken zu versklaven. Dieses verbrecherische Ziel der Hitler-Regierung fand seinen klaren Ausdruck in allgemeinen Plünderungen, Zerstörungen, Gewaltakten, in Verspottung und im Massenmord von Greisen, Frauen und Kindern.

Um die Bewohner der estnischen, lettischen und litauischen Sowjet-Republiken zu germanisieren, zerstörten die Hitleristen mit allen Mitteln die Kultur der Völker dieser Republiken.

Ich lasse den Schluß der Seite 76 fort, ebenso die Seiten 77, 78 und verlese nur einen Absatz von Seite 79 meines Vortrags:

»Sie erklärten Riga, die Hauptstadt der Sowjetlettischen Republik, zur Hauptstadt des ›Ostland‹ und als Sitz des ›Einsatzstab Rosenberg‹.«

In den von der Anklagevertretung der Sowjetunion dem Gerichtshof unterbreiteten Dokumenten, USSR- 7, USSR-39 und USSR-41, befinden sich zahlreiche Tatsachen, die bei weitem nicht alle von den deutsch- faschistischen Eindringlingen gegen die Kultur der sowjet-baltischen Provinzen begangenen Verbrechen erschöpfend behandeln und auch nicht erschöpfend behandeln können. Bei diesen ungeheueren Verbrechen gegenüber den Einwohnern der baltischen Provinzen spielte der Angeklagte Rosenberg eine bedeutende Rolle. Ich trage von Seite 81 vor:

Der Angeklagte Rosenberg setzte seine Plünderungen auch dann fort, als der Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands bereits offensichtlich war und die Stunde der strengen und gerechten Vergeltung für die Hitlerschen Verbrecher bereits herannahte.

Noch Ende August 1944 organisierte und führte Rosenberg die Plünderungen kultureller Schätze in Riga, Reval, Dorpat und einer Reihe anderer Städte der Estnischen Sowjet-Republik durch.

Ich bitte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf das Schriftstück 161-PS vom 23. August 1944 lenken zu dürfen, das die Überschrift »Auftrag« trägt und von Rosenbergs Stabschef Utikal unterzeichnet ist. Dieses Dokument wird dem Gerichtshof nunmehr als USSR-376 vorgelegt und ist in der Dokumentenmappe auf Seite 400 zu finden. Ich zitiere:

»23. August 1944. Auftrag.

Am 21. 8. 44 hat Reichsleiter Alfred Rosenberg den Haupteinsatzführer Friedrich Schüller vom Einsatzstab RR zur Berichterstattung über die zur Zeit noch bestehenden Evakuierungsmöglichkeiten von Kulturgütern aus dem Bereich des Ostlandes aufgefordert. Auf Grund dieses Berichtes hat der Reichsleiter bestimmt, daß die wertvollsten Kulturgüter des Ostlandes durch seinen Einsatzstab noch abtransportiert werden sollen, soweit dies ohne Beeinträchtigung der Belange der kämpfenden Truppe möglich ist. Als besonders wertvoll bezeichnete der Reichsleiter folgende Kulturgüter:

aus Riga: Stadtarchiv – Staatsarchiv (Hauptbestand in Edwahlen),

aus Reval: Stadtarchiv – Estn. literar. Gesellschaft, kleine Bestände im Schwarzhäupterhaus, Rathaus, ev.- luth. Konsistorium und Nikolaikirche,

aus Dorpat: Universitätsbibliothek,

aus estnischen Landgütern untergebrachte Bestände: Jerlep, Wodja, Weißenstein, Lachmes.

Mit der Durchführung des Abtransportes wird Haupteinsatzführer Schüller in seiner Eigenschaft als komm. Leiter der Hauptarbeitsgruppe Osten des Einsatzstabes RR beauftragt. Er hat insbesondere mit der Heeresgruppe Nord in Verbindung zu treten, um die Durchführung des Auftrages des Reichsleiters mit den Bedürfnissen der kämpfenden Truppe an Transportraum in Einklang zu bringen.

(Utikal) Chef des Einsatzstabes.«

Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf einen anderen bemerkenswerten Umstand lenken.

Auch in diesem Falle wurden die Plünderungen von Rosenberg zusammen mit dem Oberkommando ausgeführt. Sogar noch im Herbst 1944 wurden zukünftige Chefs des Stabes Rosenberg ausgewählt.

Eine Prüfung all dieser Umstände erlaubt uns, nochmals auf das bestimmteste zu versichern, daß die Zerstörung und Plünderung von Kulturschätzen von einer zentralen Organisation angestiftet, geleitet und ausgeführt wurde und daß diese zentrale Organisation die verbrecherische Hitler-Regierung und das Oberkommando der Wehrmacht waren, deren Vertreter, in Gestalt aller hier vor diesem Gerichtshof befindlichen Angeklagten schwere Bestrafung im Einklang mit Artikel 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs erwarten müssen.

Meine Herren Richter! Wenn wir von einem System großangelegter Zerstörung und Plünderung sprechen, ist es unmöglich und auch wohl kaum notwendig, sämtliche Tatsachen anzuführen, selbst wenn diese an sich von großer Wichtigkeit sind.

In den besetzten Gebieten der Sowjetunion führten die Hitleristen ein solches System großangelegter und vielseitiger Zerstörung und Plünderung kultureller Schätze der Völker der Sowjetunion durch. Zur Zeit ist es noch gar nicht möglich, eine endgültige Summe der Verbrechen der Angeklagten zu ziehen.

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich aber ein Dokument vorlegen, dessen Angaben, obwohl nicht abschließend, doch absolut verläßlich sind und den ungeheuren, von den Nazis verursachten Schaden bezeugen.

Es handelt sich um den Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission, der dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-35 vorgelegt wurde. Dieses Dokument befindet sich auf den Seiten 404/405 Ihres Dokumentenbuches. Ich will daraus nur einzelne Auszüge verlesen, welche die von mir vorgetragenen Themen betreffen und noch nicht verlesen wurden:

»Zerstörung gemeinnütziger Kultureinrichtungen, öffentlicher Organisationen und Genossenschaften.

Die den Konsum- und Gewerbegenossenschaften, den Berufsverbänden und anderen öffentlichen Organisationen gehörenden Unternehmungen, wie Klubs, Sportplätze, Erholungsheime, Sanatorien wurden von den deutschen Eindringlingen in den von ihnen besetzten Gebieten der Sowjetunion vernichtet.

Sie zerstörten mehr als 87000 Wirtschaftsgebäude, die Genossenschaften, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen gehörten, ferner 10000 Wohngebäude und 1839 Kultureinrichtungen. Sie verschleppten ungefähr 8 Millionen Bücher nach Deutschland,... zerstörten vollständig 120 Sanatorien und 150 Erholungsheime, die den Gewerkschaften gehörten und in denen jährlich mehr als 3 Millionen Arbeiter, Ingenieure, Techniker und Angestellte Heilung und Erholung fanden. Von dieser Gesamtzahl vernichteten sie in der Krim 59 Sanatorien und Erholungsheime..., in den kaukasischen Mineralbädern 32 Sanatorien und Erholungsheime, im Bezirk Leningrad 33 Sanatorien und Erholungsheime, in der Ukraine 88 Sanatorien und Erholungsheime.

Die deutsch-faschistischen Eindringlinge zerstörten die Gebäude von 46 Pionierlagern und Kindererholungsheimen, die im Eigentum der Gewerkschaften standen. Ferner vernichteten sie 189 Klubs und Kulturpaläste.«

Ich überspringe den nächsten Absatz und verlese den letzten Absatz auf dieser Seite:

»In dem von den Deutschen besetzten Teil der Sowjetunion gab es Anfang 194182000 Grund- und Mittelschulen mit 15000000 Schülern. Alle Mittelschulen besaßen Bibliotheken von je 2000 bis 25000 Bänden. Viele Schulen besaßen Physik-, Chemie-, Biologie- und andere Lehrsäle. Die deutsch-faschistischen Eindring linge verbrannten, zerstörten und plünderten diese Schulen mit ihrer gesamten Einrichtung....«

Ich lasse das Ende dieses Absatzes aus und zitiere:

»Die deutsch-faschistischen Eindringlinge zerstörten 334 Hochschulen, in denen 233000 Studenten studierten, völlig oder teilweise und verschleppten die Einrichtung der Laboratorien und Lehrsäle sowie die Raritäten der Sammlungen dieser Universitäten und Institute ebenso wie auch deren Bibliotheken nach Deutschland.

Großer Schaden wurde den medizinischen Hochschulen zugefügt. Die Eindringlinge zerstörten oder beraubten 137 pädagogische Institute und Lehrerbildungsanstalten... Sie schafften aus Spezialbibliotheken historisches Archivmaterial und alte Handschriften fort und raubten oder vernichteten über 100 Millionen Bände aus öffentlichen Bibliotheken.«

Den nächsten Absatz lasse ich aus:

»Im ganzen zerstörten sie 605 wissenschaftliche Forschungsinstitute.«

Ich übergehe das Ende der Seite 85 und den ersten Absatz von Seite 86 meines Vortrags:

»Ungeheuerer Schaden wurde den Kurorten der Sowjetunion durch die deutschen Eindringlinge zugefügt. Sie zerstörten oder plünderten 6000 Spitäler, 33000 Polikliniken, Apotheken und Ambulatorien, 976 Sanatorien und 656 Erholungsheime.«

Ich lasse die nächsten drei Absätze fort:

»Zerstörung von Museen und historischen Denkmälern.

Die deutsch-faschistischen Eindringlinge zerstörten im besetzten Gebiet 427 von insgesamt 992 Museen der Sowjetunion.«

Ich übergehe den Schluß dieser Seite und beginne Seite 87 zu verlesen:

»Die Deutschen zerstörten auch das Museum des Bauerndichters S. D. Drodzin im Dorfe Sawidowo, das Museum des berühmten polnischen Dichters Adam Mickiewicz in Nowogrudka in der Weißrussischen Sowjet-Republik. In Alagier verbrannten sie Handschriften des berühmten Volkssängers Osetij Kosta Chetagurow.

Die deutsch-faschistischen Eindringlinge zerstörten 44000 Theater, Klubs und die sogenannten ›Roten Ecken‹.«

Mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs möchte ich jetzt einen dokumentarischen Film vorführen sowie Dokumente vorlegen, die die Echtheit dieses Films verbürgen. Der Film heißt: »Zerstörung von Kunstwerken und Denkmälern nationaler Kultur, die von den Deutschen im Sowjetgebiet verübt wurden.«

Diesen Film und die Dokumente, die seine Echtheit verbürgen, lege ich dem Gerichtshof als USSR-98 vor.

Der Film enthält außer den photographischen Aufnahmen, die aus den Jahren 1941 bis 1945 stammen, auch solche, die im Jahre 1908 hergestellt wurden und das Gut »Jasnaja Poljana« und Leo Tolstoj zeigen, während die folgenden Bilder das zeigen, was die deutschen Eindringlinge aus dieser Reliquie des Sowjetvolkes gemacht haben.

Darf ich jetzt den Film vorführen, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Ja, selbstverständlich!