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[Pause von 10 Minuten.]

DR. HORN: Herr Präsident! Darf ich bitten, noch einen Gesichtspunkt hinsichtlich der Ladung von Zeugen zur Diskussion zu stellen?

Ich habe einen Teil der Zeugen auch deshalb benannt, weil ich feststellen muß, wann die Verschwörung im allgemeinen beginnt, und wann mein Mandant dieser Verschwörung beigetreten sein könnte. Die Anklage hat es sich mit der Feststellung des Zeitpunktes, wann die Verschwörung beginnt, verhältnismäßig einfach gemacht, indem sie in der allgemeinen Anklageschrift sagt, »zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 8. Mai 1945«.

Wenn ich nun keinen Zeugen aus dem Jahre 1933 bis 1936 laden kann, dann muß ich annehmen, gibt die Staatsanwaltschaft zu, daß der Angeklagte von Ribbentrop zumindest an der Verschwörung vor dem Jahre 1939 nicht beteiligt gewesen sein kann. Ich bitte, diesen Gesichtspunkt bei der Zubilligung von Zeugen mit zugrunde zu legen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es dürfte zweckmäßig sein, wenn ich ganz allgemein aufzeige, womit sich Dr. Horn auseinanderzusetzen hat.

Der Gerichtshof wird sich erinnern, daß ich am 8. und 9. Januar den Fall gegen den Angeklagten Ribbentrop vorgetragen habe. Der erste Punkt ist die Zeit der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933. Die Anklagebehörde behauptet, daß der Angeklagte auf verschiedene Weise bei dieser Machtergreifung behilflich war. Danach hatte er eine Anzahl von Ämtern in engster Verbindung mit Hitler inne.

Wenn Dr. Horn die Niederschrift meines Vortrags nachschlägt, wird er finden, daß die Rolle, die sein Mandant beim Angriff auf Österreich, die Tschechoslowakei, Litauen, Polen, England, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten und schließlich beim Angriff Japans auf die Vereinigten Staaten spielte, in allen Einzelheiten mit einem Hinweis auf alle unterstützenden Dokumente behandelt ist. Alle diese Dinge sind dargestellt, mit Dokumenten belegt und ein Hinweis auf sie wird klarstellen, welche Beschuldigung gegen den Angeklagten insoweit erhoben wird.

Abgesehen davon sind noch vier Dinge, die unter Anklagepunkt 3 und 4 besonders herausgestellt werden.

In erster Linie drangen die Angeklagten darauf, daß Maßnahmen im Widerspruch zum Völkerrecht und zu den Konventionen gegen alliierte Flieger ergriffen werden sollten. Die Belegdokumente sind wiederum bereits vorgelegt.

Zweitens haben wir die Aussage von General Lahousen darüber, wie sich der Angeklagte zur Behandlung der Bevölkerung Polens äußerte.

Drittens trägt der Angeklagte die Verantwortung für die Amtseinsetzung der verschiedenen Protektoren von Böhmen und Mähren mit uneingeschränkten Vollmachten, welche die Verbrechen gegen die Bevölkerung dieser Gebiete zur Folge hatten.

Weiterhin hat er eine ähnliche Rolle bezüglich Hollands gespielt.

In die dritte Hauptgruppe fällt die Behandlung der Juden. Auch hier haben wir ein offizielles amerikanisches Dokument, einen Bericht des Botschafters Kennedy; weiterhin eine ausführliche Erklärung des Auswärtigen Amtes über die Politik gegen die Juden; und endlich noch ein Dokument, das Vorbereitungen für einen antisemitischen Kongreß aufzeigt, bei dem der Angeklagte Ehrenmitglied werden sollte.

Schließlich werden die Plünderungen behandelt. Die Beweise über die Ribbentrop-Bataillone zur Sammlung der geplünderten Güter wurden erst kürzlich von meinem Sowjetkollegen vorgelegt.

Wenn Dr. Horn sich alle diese Dinge überlegt, die fast alle im Protokoll vom 8. und 9. Januar zusammengefaßt sind mit Ausnahme der letzten Beschuldigung, so glaube ich nicht, daß es ihm schwer fallen wird, festzustellen, wann die Beschuldigungen beginnen, oder wie sie aufgebaut und im Detail dargestellt sind.

VORSITZENDER: Sir David, der Gerichtshof möchte wissen, ob die Anklagebehörde behauptet, daß die Verschwörung zu einem bestimmten Zeitpunkt begonnen hat; zweitens möchte er wissen, ob Sie behaupten, daß Angeklagte, die der Verschwörung nach ihrem Beginn beitraten, für die Verschwörung mitverantwortlich sind.

Der Gerichtshof möchte wissen, ob eine Person, die der Verschwörung nach deren Beginn beigetreten ist, auch für die Taten der Verschwörer verantwortlich gemacht wird, die vor seinem Eintritt begangen wurden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn ich diese Fragen der Reihe nach beantworten darf, so ist der Standpunkt der Anklagebehörde zur Frage des Zeitpunktes der, wie er in Punkt 1 der Anklageschrift dargelegt ist. Die Anklagebehörde behauptet, daß die Nazi-Partei das Herz der Verschwörung war; es war ein wesentlicher Teil der Verschwörung, daß die Nazi-Partei die politische und wirtschaftliche Kontrolle über Deutschland erlangt, damit sie die in Punkt 1 und 2 des Parteiprogramms aufgestellten Ziele verwirklichen konnte. Dieser Teil der Verschwörung fing an, als die Nazi-Partei als eine Macht in der deutschen Politik auftauchte und war im Januar 1933 bereits völlig entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt war es das Ziel der Nazi-Partei, den Bruch des Versailler Vertrages, sowie die anderen in diesen Programmpunkten genannten Ziele, wenn nötig mit Gewalt, zu erreichen.

Aber wie in Punkt 1 der Anklageschrift in der Darstellung der Rechtsverletzungen dargelegt ist, war die Verschwörung keine statische, sondern eine dynamische. Nachdem Deutschland im Jahre 1934 aus dem Völkerbund und aus der Abrüstungskonferenz ausgetreten war, nahm die Neigung zum Angriffskrieg in der Verschwörung an Schwungkraft zu.

Die Anklagebehörde behauptet, daß vom Jahre 1935 an, nach Einrührung der allgemeinen Wehrpflicht und Entstehung der deutschen Luftwaffe und während des Jahres 1936, als das Rheinland wieder besetzt wurde, die Sicherung der Ziele Deutschlands, der Ziele der Nazi-Partei, falls nötig durch einen Angriffskrieg, ein immer stärkeres, klareres und zwingenderes Ziel wurde.

Die Lage kristallisierte sich bei einer Besprechung am 5. November 1937 heraus, als Hitler erklärte, daß Österreich und die Tschechoslowakei bei der ersten sich bietenden Gelegenheit erobert werden müßten. Dem folgten der Anschluß Österreichs im März 1938 und der Fall »Grün« gegen die Tschechoslowakei, der seinen Ursprung im Mal 1938 hatte und vor Oktober durchgeführt werden sollte.

Von der Zeit an, so behauptet die Anklagebehörde, verfolgte die Planung des Angriffskrieges die wohlbekannte und klare Technik, ein Land anzugreifen oder Angriffsmaßnahmen gegen ein Land zu ergreifen und dem Land, das als nächstes auf der Liste der anzugreifenden stand, Zusicherungen zu geben.

Von dieser Zeit an nimmt die Folge und der Fortschritt der Angriffskriege einen klaren Verlauf, den ich schon erwähnt habe, als ich die Anschuldigungen in bezug auf Angriffshandlungen gegen den Angeklagten Ribbentrop umriß. Zusammenfassend darf ich feststellen, daß nach Ansicht der Anklagebehörde in den Reihen der Nazi-Partei immer Einverständnis und ein Übereinkommen bestand, die Kontrolle über Deutschland zu erlangen und ihre Ziele zu verwirklichen; die Angriffsabsicht kristallisierte sich jedoch und wurde von 1934 und vom Beginn des Jahres 1935 an ganz klar.

MR. FRANCIS BIDDLE, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Sir David, in diesem Zusammenhang möchte ich noch einige Fragen an Sie richten.

Erstens, Sie kennen entweder das Datum, wann die Verschwörung begann, oder Sie sind nicht in der Lage, uns dieses Datum anzugeben. Haben wir es nun so zu verstehen, daß die Anklagebehörde nicht weiß, wann die Verschwörung begann? Wenn Sie es aber wissen, würden Sie es uns sagen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Verschwörung begann mit der Bildung der Nazi-Partei.

MR. BIDDLE: Und wann war das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: 1921.

MR. BIDDLE: 1921? Begann nun die Verschwörung zur Führung von Angriffskriegen ebenfalls zu dieser Zeit?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, es fing so an, daß Hitler sagte, »Ich habe bestimmte Ziele, darunter das, den Vertrag von Versailles zu brechen«, das bedeutete zugleich den Bruch des Freundschaftsvertrages mit den Vereinigten Staaten, der die gleichen Klauseln enthält, »und ich werde diese Ziele erreichen, wenn nötig unter Anwendung von Gewalt«. Das war immer eins der Ziele und Bekenntnisse der Partei.

Wenn nun Personen übereinkommen, eine ungesetzliche Handlung zu begehen oder eine gesetzliche Handlung mit ungesetzlichen Mitteln auszuführen, so liegt dann von selbst die Begehung einer strafbaren Handlung der Verschwörung. Die Verschwörung entsteht durch das Übereinkommen, nicht erst in den Handlungen zur Ausführung des Übereinkommens. Auf diese Weise beginnt die Verschwörung im Jahre 1921. Aber, wie Herr Justice Jackson in seiner Eröffnungsrede erklärte und wie ich heute Vormittag wiederholte, diese Ziele und insbesondere die Methoden, mit denen die Verschwörer ihre Ziele zu erreichen versuchten, wuchsen und nahmen im Verlauf der folgenden Jahre bestimmtere Formen an. Sie scheinen im Jahre 1934 eine besondere Form ausgebildet und sich auf das Verfahren zum Bruch des Versailler Vertrages festgelegt zu haben, und brachten es 1935 zur Reife.

Ich will der Beantwortung der Frage des gelehrten amerikanischen Richters nicht ausweichen, sondern möchte zusammenfassend das vortragen, was unter Anklagepunkt 1 über strafbare Handlungen und deren Einzelheiten ausgeführt ist; ich hoffe, daß dies nicht als Ausweichen auf die Frage angesehen wird. Ich will das nicht tun, sondern werde versuchen, mich so klar und deutlich wie möglich auszudrücken.

MR. BIDDLE: Ich hätte Sie nicht gefragt, wenn ich mir darüber selbst klar wäre, Sir David. Lassen Sie mir noch ein paar weitere Fragen stellen.

Hat die Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ebenfalls im Jahre 1921 begonnen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Insofern, als eine allgemeine Bereitschaft bestand, ohne Rücksicht auf die Rechte, die Sicherheit und das Glück anderer Völker vorzugehen, begann sie mit der Gründung der Nazi- Partei. Die Rücksichtslosigkeit und die Mißachtung der Rechte, der Sicherheit und des Glückes anderer waren gleich von Beginn an ein Kennzeichen des Parteiprogramms der Nazis, wenn diese Rechte und das Glück anderer mit ihren Zielen im Widerspruch standen.

Wiederum entwickelte sich die Umsetzung dieser Ideen in die Praxis im Laufe der Jahre; in einer Zeit lange vor dem Krieg – Herr Biddle wird es mir nicht verübeln, daß ich mich bei einer unvorbereiteten Antwort auf seine Frage nicht genau an die Dokumente erinnern kann – aber schon lange vor dem Krieg konnte man immer wieder in den Reden Hitlers an seine Genossen diese äußerste Rücksichtslosigkeit und Mißachtung nichtdeutscher Völker beobachten. Das ist die Grundlage für die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit; die Verbrechen hatten ihren Ursprung in den von mir dargestellten Methoden und entwickelten sich aus ihnen.

MR. BIDDLE: Haben Sie die Frage des Vorsitzenden beantwortet, ob die Verschwörer, die später hinzukamen, dafür mitverantwortlich wurden? Wenn das der Fall ist, dann wäre dieser Angeklagte für Handlungen, die bis 1921 zurückliegen, verantwortlich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es gibt hier zwei Rechtsauffassungen, die man sich bei Betrachtung dieser Frage vor Augen halten muß. Ich kann nur vom Standpunkt des englischen Rechtes sprechen, aber ich glaube, daß das Recht der Vereinigten Staaten ziemlich gleich ist.

In England ist die Verschwörung eine strafbare Handlung nach gemeinem Recht. Es gibt auch gewisse rechtlich festgelegte strafbare Handlungen, aber die strafbare Handlung der Verschwörung bestimmt sich nach gemeinem Recht. Das Wesen dieser strafbaren Handlung besteht, wie ich schon sagte, in dem Abschluß eines Übereinkommens, eine ungesetzliche Handlung zu begehen oder eine gesetzliche Handlung mit ungesetzlichen Mitteln auszuführen. Soweit eine Verurteilung wegen einer Verschwörung als solcher in Frage kommt, ist die Rechtslage in England nicht zweifelhaft. Wenn jemand einer Verschwörung erst später beitritt, einer Verschwörung zur Begehung von ungesetzlichen Handlungen, dann kann er der Verschwörung zur Begehung dieser Tat schuldig befunden werden, gleichgültig wie spät er ihr beigetreten ist.

Eine ganz gewöhnliche Vergleichsmöglichkeit, mit der der gelehrte amerikanische Richter sicher vertraut sein wird, bietet ein Theaterstück. Die Tatsache, daß ein Schauspieler erst im dritten Akt auftritt, bedeutet nicht, daß er die Idee des Autors, die dem ganzen Stück zugrundeliegt, in geringerem Maße zum Ausdruck bringt. Das ist ein durchaus angebrachter Vergleich, weil er die wirkliche Lage kennzeichnet.

Das ist die eine Seite des Rechts, und darüber besteht gar kein Zweifel.

Die andere Seite betrifft die Frage, wie weit diejenigen, die gemeinschaftlich ein Verbrechen begehen, für ihre Handlungen gegenseitig verantwortlich sind, das heißt, unabhängig von der selbständigen Straftat der Verschwörung. Ich möchte ein Beispiel anführen, das zwar reichlich phantastisch ist, die Problemstellung aber doch aufzeigt. Nehmen wir eine Verschwörung von Straßenarbeitern, Eisenbahnzüge zum Entgleisen zu bringen, an. Einige Arbeiter verabreden sich im Dezember, am 1. Januar einen Zug zum Entgleisen zu bringen und einen weiteren am 1. Februar. Zwischen dem 1. Januar und dem 1. Februar tritt ein weiterer Eisenbahnarbeiter dieser Verschwörung bei. Ich hoffe, richtig verstanden zu haben, was Eure Lordschaft und der gelehrte amerikanische Richter hier im Auge gehabt haben. In diesem Fall ist es meiner Meinung nach zweifelhaft, ob dieser Eisenbahnarbeiter für einen Mord verantwortlich gemacht werden kann, der begangen wurde, als der Zug am 1. Januar zum Entgleisen gebracht wurde.

Ich hoffe, mich klar ausgedrückt zu haben. Ich unterstelle, daß jemand einer Verschwörung am 15. Januar beigetreten ist, nachdem das erste Zugattentat verübt worden war, bei dem jemand getötet wurde; dann sind alle diejenigen, die bei dem ersten Attentat mitgewirkt haben, des Mordes schuldig. Ob aber der, der erst danach beigetreten ist, für diesen Mord rückwirkend verantwortlich gemacht werden kann, ist zweifelhaft. Nach englischem Recht wäre es zumindest zweifelhaft, obwohl sicherlich darüber gestritten werden kann; nach amerikanischem Recht aber wäre, wie mir mitgeteilt wurde, dahin zu entscheiden, daß er mitverantwortlich ist.

MR. BIDDLE: Ich denke, Sie haben das sehr klar dargestellt, Sir David, ich möchte aber wissen, welche Ansicht die Anklagebehörde in diesem Fall vertritt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich zu theoretisch geworden bin; es ist jedoch ein ziemlich schwieriger Punkt, und ich wollte ihn nach dem Recht behandeln, das mir am meisten vertraut ist.

Im gegenwärtigen Fall behauptet die Anklagebehörde, daß die Angeklagten für die Folgen der Handlungen, die in Ausführung der Verschwörung begangen wurden, verantwortlich zu machen sind. Es ist ziemlich schwierig, ganz abstrakt über diese Dinge zu sprechen, aber nehmen wir zum Beispiel – wiederum spreche ich aus dem Gedächtnis – den Angeklagten Speer, der, wenn ich mich richtig erinnere, erst ziemlich spät in Erscheinung tritt. Er wird Minister für Rüstung und Kriegsproduktion und fordert Sklavenarbeiter an; seine Forderungen werden durch den Angeklagten Sauckel erfüllt.

Nach Ansicht der Anklagebehörde dürfte es nicht schwierig sein, den Angeklagten Speer in allen Anklagepunkten für schuldig zu befinden, vorausgesetzt, daß der Gerichtshof das Beweismaterial der Anklagebehörde gelten läßt. Durch seine Taten hat er an der Begehung von Verbrechen gegen den Frieden mitgewirkt; er ist der Verschwörung, den Angriffskrieg fortzuführen, beigetreten und hat sich ihr angeschlossen. Er nahm an der Durchführung des Angriffskrieges teil, indem er Sklavenarbeiter anforderte. Er hat zu einem Kriegsverbrechen angestiftet, nämlich zur Mißhandlung der Bevölkerung der besetzten Gebiete; auch dadurch, daß er den Angeklagten Sauckel zu seinen Taten anstiftete und ihnen Vorschub leistete, hat er Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, indem er an Handlungen teilnahm, die von dem Strafrecht aller zivilisierten Länder verdammt werden. Wahrscheinlich haben diese Taten – ich spreche hier aus meiner Erinnerung – in Ländern stattgefunden, bei denen es strittig ist, ob sie streng genommen als Länder galten, die nach einem Angriff besetzt waren, wie die Tschechoslowakei.

So wie unsere Anklageschrift aufgebaut ist, besteht nach der Anklagebehörde keine Schwierigkeit, einen Angeklagten, der in dem Beweismaterial erst zu einem späteren Zeitpunkt auftaucht, in allen Anklagepunkten für schuldig zu befinden.

MR. BIDDLE: Ich habe nur noch eine letzte Frage. Sie wissen, daß ich diese Frage nur stelle, damit wir uns völlig klar darüber werden und entscheiden können, welche Zeugen vorgeladen werden sollen. Wenn das Jahr 1921 als Beginn der Verschwörung angenommen wird, so liegt es offenbar zeitlich nicht zu weit zurück, wenn wir Zeugen aus dieser Zeit berücksichtigen. Muß das nicht gefolgert werden?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ein Jahr nicht...?

MR. BIDDLE: Im Hinblick auf die Verschwörung zeitlich nicht zu weit zurückliegend.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, es ist sogar ein Teil der Anklageschrift.

DR. HORN: Darf ich, Herr Präsident, dazu eine kurze Ausführung machen. Ich ging davon aus, was in der allgemeinen Anklageschrift über den Zeitpunkt der Verschwörung steht. In der allgemeinen Anklageschrift steht einzig und allein als definitiver Zeitpunkt, von dem man ausgehen kann, »zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 8. Mai 1945 begann die Verschwörung«.

Der Hauptanklagevertreter der Vereinigten Staaten hat in seiner Anklagerede das Parteiprogramm so, wie es 1921 ausgearbeitet und 1925, glaube ich, überholt wurde, in seinen wesentlichen Punkten aufgezählt und als rechtmäßig und unantastbar – so lautet die deutsche Übersetzung – bezeichnet, sofern diese Ziele nicht durch Krieg verfolgt werden sollten. Unterstellen wir nun einmal, daß diese Ziele von der Parteiführung durch Krieg verfolgt werden sollten, dann ist es erst einmal zweifelhaft, von welchem Standpunkt aus diese Zielsetzung erfolgte, und es müßte sowohl von der Verteidigung wie von der Anklage bewiesen werden, daß von diesem Zeitpunkt ab die Verfolgung durch Kriege erfolgen sollte. Es ist weiter wohl nicht zu bestreiten, daß über Kriegsplanungen immer nur ganz wenige, vielleicht sogar nur ein einzelner, Bescheid wissen. Nun sind bei den Angeklagten, so auch bei dem von mir vertretenen Mandanten die Zeitpunkte völlig verschiedene, in denen sie mit der Partei in Berührung kamen. Sie waren zunächst einfache Parteimitglieder, mußten also auch annehmen, wie der Hauptanklagevertreter erklärte, daß das Programm, dem sie beitraten, rechtlich unantastbar war. Nun entsteht für die Verteidigung und vor allem auch für die Verteidigungsführung die Frage, wann kam der einzelne Mandant in die Sphäre, in der man wußte, daß Ziele nur durch Krieg verfolgt werden sollten, die an sich bisher von ihm für rechtlich unantastbar gehalten wurden, das heißt also nach seiner bisherigen Meinung nicht durch Krieg verfolgt werden sollten. War nun der Angeklagte Ribbentrop schon in den Kreis der Verschwörer hineingekommen, als er im Jahre 1932 mit Parteikreisen Fühlung aufnahm? War er als Botschafter in London schon Mitwisser und damit Mitglied der Verschwörung, oder ist er erst um die Zeit des Hoßbach-Dokuments darauf gekommen, daß man die politischen Ziele der Partei durch Krieg verfolgen wollte, oder wann? Die Verteidigung muß sich auf den Standpunkt stellen, daß von dem frühesten Zeitpunkt, wo der Angeklagte mit der Partei in Berührung trat, die Gefahr besteht, daß ihm von der Anklagebehörde vorgeworfen wird, daß er damit der Verschwörung beitrat, und ich kann mich da wohl auf die eben gehörten Worte von Sir David beziehen, der gesagt hat, daß die Grundlage der Verschwörung im Jahre 1921 liegt. Es ist meine Aufgabe, nun durch Zeugen nachzuweisen, daß mein Mandant zum Beispiel bis zum Jahre 1939 sich um friedliche Beziehungen und so weiter bemüht hat, um zu widerlegen, daß er damals schon Kriege plante, vorbereitete oder entscheidend an diesen Planungen und Vorbereitungen teilnahm. Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich das Hohe Gericht, die Ladung der Zeugen und die Beweisthemen, die ich in meinem Antrag angedeutet habe, verstehen zu wollen. Ich stelle weiter ausdrücklich fest, daß auch diese Aussprache nicht die Frage beantwortet hat: Wann beginnt die Verschwörung?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender, ich möchte keine allgemeinen Argumente wiederholen. Meine Arbeit geht dahin, Herrn Dr. Horn klar zu machen, um was es im Falle Ribbentrop geht. Ich habe das schon erklärt, möchte es aber noch einmal ganz klar herausstellen.

Nach einem Bericht des »Archiv« trat Ribbentrop im Jahre 1930 in den Dienst der Nazi-Partei und war zwischen 1930 und Januar 1933 eines der Mittel und Werkzeuge, durch die die Machtergreifung der Nazi- Partei zustande kam. In der halbamtlichen Zeitschrift heißt es, daß einige Besprechungen zwischen Hitler und von Papen, den Nazis und den Vertretern des Präsidenten von Hindenburg in Ribbentrops Hause in Berlin-Dahlem stattfanden. Das ist der erste Punkt. Er ist ganz klar und ausführlich in dem Sitzungsprotokoll niedergelegt.

In der zweiten Phase hatte er zwischen 1934 und 1936 gewisse Ämter inne; daraus ergibt sich, daß er ein wichtiger und im Aufstieg befindlicher Nazi-Politiker und Unterhändler auf dem Gebiet der Außenpolitik war. Im Jahre 1936 rechtfertigte er das Vorgehen Deutschlands, als es den Vertrag von Versailles brach. Er rechtfertigte dieses Vorgehen vor dem Völkerbund und muß sich nun dafür verantworten.

Im gleichen Jahre brachte er den Antikominternpakt zum Abschluß. Auch das muß er erklären.

Von diesem Zeitpunkt an haben wir eine Reihe von deutschen Dokumenten, auf die alle im Protokoll vom 8. und 9. Januar verwiesen ist, und die genau zeigen, welche Rolle der Angeklagte in den zehn Angriffen auf zehn verschiedene Länder spielte.

Ich behaupte hier vor dem Gerichtshof ergebenst, daß es ein völlig klarer Fall ist, mit dem sich der Angeklagte auseinanderzusetzen hat. Es besteht darüber überhaupt kein Zweifel.

Ich habe bereits die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zusammenfassend dargestellt; das wird Dr. Horn wiederum mit allen angeführten Dokumenten im Protokoll vom 9. Januar behandelt finden.

Was immer auch sonst noch vorgebracht werden mag, so ist meines Erachtens die Besonderheit und Klarheit des Falles gegen den Angeklagten Ribbentrop kundgetan.

DR. HORN: Herr Präsident, ich habe mich in meiner Verteidigung auf die durch Sir David Maxwell-Fyfe in der mündlichen Spezialanklage vorgetragenen Punkte bei meiner Gegenbeweisführung eingestellt; ich habe mich aber nicht nur darauf eingestellt, diese einzelnen eben angeführten Punkte zu widerlegen, sondern ich muß, und damit komme ich auf die eben gemachten Ausführungen zurück, diese ganzen ihm vorgeworfenen Punkte unter dem Gesichtspunkt der Verschwörung mit betrachten; denn der Angeklagte Ribbentrop ist nach Behauptungen der Staatsanwaltschaft Mitglied dieser Verschwörung, und wir kommen immer noch nicht um die Frage herum: Wann begann sie? Ich muß immer noch unterstellen, daß sie für meinen Mandanten im Jahr 1932, nicht 1930, das werde ich widerlegen können, sondern im Jahre 1932 – nach Behauptung der Anklage – begann, und ich möchte durch Zeugen und Beweismittel den Beweis erbringen, daß er damals und später keiner Verschwörung beigetreten ist.

VORSITZENDER: Gut, vielleicht können Sie jetzt weitergehen und die Dokumente besprechen, auf die Sie sich stützen wollen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender, in der Frage der Dokumente hatte ich Gelegenheit, mit Dr. Horn zwanglos zu sprechen. Was die Dokumente 1 bis 14 anlangt, so wünscht Dr. Horn diese Bücher als Arbeitsexemplare, um sie zu lesen, durchzuarbeiten, und wenn nötig, Auszüge daraus anzufertigen, um zu gegebener Zeit seine Argumente darauf zu stützen. Dagegen haben wir natürlich nichts einzuwenden. Ich habe ständig die Ansicht vertreten, daß keine Einwendung erhoben werden dürfte gegen irgendein Buch, das die Verteidigung zum Studium verwenden möchte.

Ich möchte jedoch bitten, daß, wenn Dr. Horn oder ein anderer Verteidiger Auszüge aus einem Buch bei seinem Vortrag zu verwenden. wünscht, er es uns wissen lassen sollte, um welche Auszüge es sich handelt und, wenn nötig, zu welchem Zweck er sie zu verwenden beabsichtigt. Ich sage »wenn nötig«, denn in den meisten Fällen wird der Zweck ganz klar liegen; aber in manchen Fällen mag er eine besondere Bedeutung haben, und wenn sie uns diese vorher bekanntgeben, dann kann jede Frage von Erheblichkeit erörtert werden, wenn die Sache vor dem Gerichtshof zur Sprache kommt.

VORSITZENDER: Mir scheint dies durchaus notwendig zu sein, damit die Dokumente übersetzt werden können.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl.

VORSITZENDER: Ich meine, daß der Teil des Buches oder des Dokuments, welchen Dr. Horn zu verwenden beabsichtigt, übersetzt werden soll.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Soweit es sich darum handelt, der Verteidigung Arbeitsabschriften zur Verfügung zu stellen, wird die Anklagebehörde ihre Mitarbeit jederzeit gerne zur Verfügung stellen. In diesem Falle werden wir gerne bereit sein, zu helfen.

Die letzten fünf Dokumente, die genannt sind, fallen in eine ganz andere Kategorie. Ich habe sie mit Dr. Horn noch nicht erörtert, bemerke aber ergebenst, und das ist die Ansicht der gesamten Anklagebehörde, daß es schwer sein wird, ganze Sammlungen von Zeitungen als Beweismaterial vor dem Gerichtshof zu rechtfertigen. Wenn aber Dr. Horn auf diese Zeitungen nur hinweisen will, liegt es im Bereich der Möglichkeit.

Ich weiß nicht genau, ob er sie verwenden will, oder ob er auf sie nur hinweisen will. Ich weiß nichts von Nummer 19, eine zurückgezogene Nummer des »Daily Telegraph«, aber ich nehme an, daß das Sekretariat bei den Inhabern darüber Erkundigungen einziehen kann.

DR. HORN: An den letzten Punkt möchte ich anknüpfen: Nachdem das Verfahren so weit vorgeschritten ist, daß ich die Unterlagen endgültig brauche, um sie entsprechend in meinem Gegenbeweisantrag zu verwerten, möchte ich hier noch einmal darum bitten, daß mir die Nummern dieser Zeitungen, es handelt sich um vier Zeitungen, beziehungsweise drei, und immer nur um einen Monatsband, mit Hilfe des Gerichtshofs möglichst bald zugänglich gemacht werden.

VORSITZENDER: Was sagen Sie zu der zurückgezogenen Nummer des »Daily Telegraph«? Sie haben noch nicht angegeben, wofür sie erheblich wäre.

DR. HORN: Am 30. oder 31. August 1939 wurde eine Ausgabe zurückgezogen, da sie weitestgehende Einzelheiten über den Inhalt des Memorandums enthielt, die der damalige Reichsaußenminister von Ribbentrop dem Englischen Botschafter Henderson in Berlin vorgelesen hatte. Es wird behauptet, und zwar auch von der Anklage, daß Ribbentrop Henderson diese Note so schnell vorgelesen habe, daß dieser den Inhalt unmöglich in den wesentlichsten Einzelheiten verstehen konnte. Aus der Nummer des »Daily Telegraph« vom 31. August 1939 wird sich nun herausstellen, inwieweit Botschafter Henderson in der Lage war, die Ausführungen oder den mündlichen Vortrag aus dem Memorandum, wie Herr von Ribbentrop ihn vorlas, zu verstehen. Ich bitte daher um die Herbeischaffung dieser einen Nummer, und bin überzeugt, daß es der Staatsanwaltschaft möglich ist, diese Nummer zu bekommen, auf Grund der Mittel, die sie zur Verfügung hat und die uns nicht gegeben sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof, es ist das erstemal, daß ich etwas von dieser zurückgezogenen Nummer gehört habe; abgesehen davon...

VORSITZENDER: Sie haben zum erstenmal gehört, daß eine Nummer zurückgezogen wurde?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe niemals, außer durch Dr. Horn, davon gehört, daß eine Nummer zurückgezogen wurde, und ich werde wahrscheinlich diese Angelegenheit untersuchen müssen.

Ich möchte nur das eine sagen: Dr. Horn hat natürlich soeben einen Punkt angeschnitten, der seinen Mandanten und Sir Nevile Henderson betrifft. Für die Verteidigung des Angeklagten Göring hat Dr. Stahmer in einem Fragebogen zum Ausdruck gebracht, Göring habe veranlaßt, daß der Inhalt dieser Denkschrift nicht amtlich und hinter dem Rücken des Angeklagten Ribbentrop Herrn Dahlerus bekannt wurde. Diesen Standpunkt nimmt er in dem Fragebogen ein; daraus geht keinesfalls hervor, daß Sir Nevile Hendersons Darstellung der Unterredung falsch war, selbst wenn ein Bericht über das Dokument herausgekommen wäre.

Ich möchte mich auf das Gedächtnis Sir Nevile Hendersons nicht verlassen, sondern werde die Angelegenheit, die ich jetzt zum erstenmal gehört habe, untersuchen.

DR. HORN: Darf ich dem Gerichtshof zur vollen Aufklärung noch hinzufügen, daß der Angeklagte Göring erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt dem Botschafter Henderson das Memorandum zugänglich machte; daher ist es entscheidend, wann der Botschafter Henderson, und ob er rechtzeitig vom Inhalt dieses Memorandums Kenntnis bekam, um die Möglichkeit auszunutzen, es der Polnischen Regierung zur rechten Zeit zugänglich zu machen. Daher bitte ich um die Herbeischaffung dieser – ich darf sagen – entscheidenden Nummer des »Daily Telegraph«.

VORSITZENDER: Danke, Dr. Horn.

Wir wollen jetzt mit dem Beweismaterial gegen den Angeklagten Keitel fortfahren.

DR. NELTE: Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich eine Vorbemerkung zu der Verhandlung über die für den Angeklagten Keitel vorgelegten Beweisarbeiten mache. Ich hoffe, daß hierdurch die Verhandlung über die einzelnen Beweisanträge ganz erheblich abgekürzt wird. Sie werden aus dem von mir eingereichten Beweisschriftsatz erkennen, daß bei den meisten Zeugen ein beherrschendes Beweisthema immer wiederkehrt, die Stellung des Angeklagten Keitel als Chef des OKW und in seinen anderen amtlichen Funktionen, seine Persönlichkeit, insbesondere sein Verhältnis zu Hitler, ferner die Klarstellung der Befehlsverhältnisse bei der Wehrmacht.

Ich werde Beweis erbieten, daß das Bild unrichtig ist, das die Öffentlichkeit und die Anklagebehörde sich von der Persönlichkeit des Angeklagten Keitel, von den Möglichkeiten seiner Wirksamkeit, sowie von seiner Wirksamkeit selbst gemacht hat. Kein Name ist während dieses Verfahrens so häufig genannt worden wie der des Angeklagten Keitel. Jedes Schriftstück, das in irgendeiner Weise mit militärischen Dingen zu tun hatte, wurde mit dem OKW und das OKW mit Keitel identifiziert. Der Angeklagte glaubt, und es scheint mir mit einem gewissen Recht...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof sieht ein, daß Sie wahrscheinlich einige allgemeine Fragen für den Angeklagten Keitel geltend machen wollen, wenn Sie Ihr Plädoyer zu halten haben, aber es scheint dem Gerichtshof nicht notwendig, daß Sie das jetzt tun.

DR. NELTE: Ich sage es nur deshalb, um die sämtlichen Zeugen, die für dieses Beweisthema genannt werden, zusammenfassend beurteilen zu können. Ich glaube auch, daß Sir David der Meinung war; er hat darüber mit mir schon am Samstag gesprochen, und so wollte ich nur die sonst in fünf oder sechs verschiedenen Fällen vorzutragenden Beweisthemen vorweg erschöpfend klarlegen.

VORSITZENDER: Wollen Sie damit sagen, Dr. Nelte, daß Sie alle Ihre Zeugen in einer zusammenhängenden Bemerkung behandeln können?

Könnten Sie uns behilflich sein, Sir David?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, ja.

Abgesehen von den von Dr. Nelte erwähnten Zeugen, die Mitangeklagte sind und die der Gerichtshof selbstverständlich schon vorgesehen hat, beantragt Dr. Nelte den Feldmarschall von Blomberg, General Halder, General Warlimont und den Chefstabsrichter des OKW, Dr. Lehmann. Die Anklagebehörde hat gegen diese Zeugen nichts einzuwenden, weil sie über die Stellung des Angeklagten Keitel als Chef des OKW aussagen sollen.

Was den Zeugen Erbe betrifft, der, wie ich glaube, Beamter war und über einen besonderen Punkt aussagen soll, nämlich über seine Stellung im Reichsverteidigungsausschuß...

VORSITZENDER: Wurden Fragebogen bereits bewilligt?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Wir haben immer erklärt, daß ein Fragebogen in diesem Falle genügen würde, und er nicht als mündlicher Zeuge geladen werden sollte.

Was den nächsten Zeugen Römer betrifft, den Dr. Nelte beantragt hat und der aussagen soll, daß der Erlaß über die Brandmarkung russischer Kriegsgefangener aus Versehen veröffentlicht und auf Befehl Keitels sofort zurückgenommen wurde, so ist dies offenbar für einen Punkt in diesem Falle erheblich, und wir haben nichts dagegen einzuwenden.

Wir widersprechen auch nicht dem General Reinecke, der über verschiedene Kriegsgefangenenangelegenheiten aussagen soll.

Für Herrn Romilly wurde ein Fragebogen bewilligt; so lange er darauf beschränkt bleibt, und er nicht als mündlicher Zeuge geladen wird, erheben wir keinen Einspruch.

Mein Freund, Herr Champetier de Ribes, wird einige Worte über den Botschafter Scapini zu sprechen haben. Ich habe ihn gebeten, diese Angelegenheit zu behandeln.

Dann kommen wir zu zwei Zeugen, Dr. Junod und Herrn Petersen. Im Augenblick kann die Anklagebehörde nicht sehen, wozu diese Zeugen außer General Reinecke benötigt werden. Die Anklagebehörde würde jedenfalls Einspruch erheben, wenn mit diesen Zeugenaussagen bewiesen werden sollte, daß die Sowjetunion ihre Kriegsgefangenen nicht richtig behandelt habe. Wenn das bezweckt würde, müßte die Anklagebehörde Einspruch erheben.

Die Ladung von Dr. Lammers wurde vom Gerichtshof bereits genehmigt.

Schließlich sind noch drei Zeugen benannt, die alle darüber aussagen sollen, daß bei Besprechungen zwischen Hitler und dem Angeklagten Keitel zwei Stenographen anwesend zu sein hatten. Die Anklagebehörde sieht dies nicht als sehr wesentlich an; wenn Dr. Nelte eine eidesstattliche Erklärung von einem von ihnen beibringen wollte, dann würde die Anklagebehörde nicht weiter darüber streiten. Wenn ich es mit der größten Hochachtung offen aussprechen darf, so sind wir daran überhaupt nicht interessiert und daher mit einer eidesstattlichen Erklärung, wenn eine solche beigebracht würde, einverstanden.

Wenn ich zusammenfassen darf – ich versuche nur, wie ich hoffe, Dr. Nelte zu helfen – so sind, soweit es die Anklagebehörde angeht, nur noch wenige Punkte geblieben, die eine weitere Diskussion erfordern; das sind die Ausführungen der Französischen Delegation über Botschafter Scapini, mein Einspruch gegen Dr. Junod und Herrn Petersen, sowie mein Vorschlag, ein Affidavit von den letzten drei Zeugen einzuholen. Es bestehen also zwischen uns kaum Differenzen. Ich darf also im Hinblick auf Dr. Neltes Zeugen sagen, daß sie insgesamt der Anklagebehörde offensichtlich erheblich zu sein scheinen, und wir in diesem Fall keinen Einspruch erheben.

Ich glaube, daß Dr. Nelte von der recht traurigen Wendung im Falle des Zeugen Blomberg benachrichtigt wurde. Wie ich erfahre, ist Feldmarschall Blomberg augenblicklich sehr krank und kann nicht vor Gericht erscheinen. Ich bin sicher, Dr. Nelte, daß der Angeklagte Keitel der erste sein wird, Mittel und Wege zu finden, seine Zeugenaussage zu erhalten, ohne daß sein persönliches Erscheinen erforderlich ist.

DR. NELTE: Ich danke Sir David für seine Liebenswürdigkeit, durch die er mir meine Aufgabe erleichtert hat. Ich darf noch ergänzend bemerken:

Bezüglich des Zeugen Dr. Erbe werde ich schriftliche Fragen stellen.

Bezüglich des Zeugen Petersen habe ich auch schon schriftlich Fragen gestellt, von deren Beantwortung es abhängig sein wird, ob ich ihn als Zeugen benenne. Bezüglich des Zeugen Junod glaube ich sagen zu dürfen, daß seine Vernehmung deswegen erheblich ist, weil die Sowjetische Anklagebehörde vortragen ließ, daß ein Angebot über die Anwendung der Genfer Konvention von Keitel abgelehnt worden sei. Dr. Junod soll darüber als Zeuge verhört werden, daß er im Auftrag des OKW-Kriegsgefangenenwesens mit der Sowjetunion Verbindung aufgenommen hat, um die Anwendung der Konvention sicherzustellen, daß dies aber nicht erreicht werden konnte. Ich glaube, daß, wenn der General Reinecke allein hierüber nur als Zeuge gehört wird, man vielleicht einwenden könnte, daß er als Chef des Kriegsgefangenenwesens nicht ausreichend sei, um das zu beweisen. Auch kann General Reinecke nicht beweisen, was Junod in Wirklichkeit getan hat. Deshalb bitte ich, diesen Zeugen zu bewilligen.

Was die Frage des Stenographen anbelangt, so bitte ich, damit einverstanden zu sein, wenn ich hier ein Affidavit beibringe.

Hinsichtlich des Botschafters Scapini habe ich lediglich zu sagen, daß dieser der dauernde Vertreter der Französischen Vichy-Regierung war und sich insbesondere um die Fragen der Betreuung der Kriegsgefangenen in Deutschland bemüht hat. Ich glaube, daß dies ein hinreichender Grund sein wird, ihn für erheblich zu halten. Ich kenne allerdings seine Adresse nicht und hoffe, daß die Französische Anklagebehörde mir hierbei behilflich sein wird.

M. AUGUSTE CHAMPETIER DE RIBES, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Wir würden gegen ein Verhör des früheren Botschafters Scapini keine Einwendung erheben, wenn wir der Ansicht wären, daß seine Aussage auch nur im geringsten zur Erforschung der Wahrheit beitragen könnte. Die Gründe jedoch, die Dr. Nelte für die Ladung dieses Zeugen angibt, scheinen uns die völlige Unerheblichkeit seiner Aussage zu beweisen. Der frühere Botschafter Scapini, so sagt der geehrte Herr Verteidiger, könnte beweisen und uns sagen, daß er sein Kontrollrecht in den Kriegsgefangenenlagern frei ausüben konnte, und daß die Kriegsgefangenen überdies einen Vertrauensmann hatten. Dies wollen wir der Verteidigung gerne zugestehen. Es ist durchaus richtig, daß Deutschland dem früheren Botschafter Scapini, der, wie wir wissen, infolge einer im Krieg 1914 erlittenen Verwundung erblindet war, die Erlaubnis erteilt hatte, Kriegsgefangenenlager zu besuchen und die französischen Kriegsgefangenen, die er zwar nicht sehen konnte, anzuhören.

Die Frage dreht sich jedoch nicht so sehr darum, ob die Deutschen einem blinden Inspekteur erlaubt hatten, die Lager zu besuchen. Die einzige in der Anklageschrift aufgeworfene Frage ist die, ob trotz der Besuche dieses Inspekteurs und trotz der Anwesenheit eines besonderen Vertrauensmannes in den Lagern Dinge geschahen, die im Gegensatz zum Kriegsrecht standen.

Darauf könnte der frühere Botschafter Scapini sicherlich keine Antwort geben, denn offensichtlich ist in seiner Anwesenheit nichts geschehen. Aus diesem Grunde glaubt die Französische Anklagebehörde, daß die Aussage des früheren Botschafters Scapini nichts zur Erforschung der Wahrheit beitragen würde.

DR. NELTE: Es war mir unbekannt, daß der Botschafter Scapini blind ist. Er hat auch nicht selbst die regelmäßigen Besuche in den Kriegsgefangenenlagern der französischen Soldaten durchgeführt, sondern sie durch die Delegation, die er führte, vornehmen lassen. Es ist sicher, daß in den Kriegsgefangenenlagern Dinge vorgekommen sind, die Verstöße gegen die Genfer Konvention enthielten. Worauf es aber hier ankommt ist, daß der Angeklagte Keitel und das OKW, als die oberste Instanz, alles das getan oder jedenfalls zu tun versucht hat, was sie in ihrer Funktion als oberste Instanz zu tun hatte. Das OKW hatte keine Kommandogewalt über die einzelnen Lager. Es hatte nur die Anordnungen zu treffen, wie die Kriegsgefangenen zu behandeln wären, und den Schutzmächten zu gestatten, die Lager zu besuchen. Es mußte verhandeln...

VORSITZENDER: Wären Sie mit einem Fragebogen zufrieden, wenn wir es für angebracht hielten, einen Fragebogen Herrn Scapini zuzustellen?

DR. NELTE: Verhör in Nürnberg? Könnte Botschafter Scapini in Nürnberg verhört werden?

VORSITZENDER: Ich frage, ob Ihnen ein Fragebogen genügen würde. Ich nehme an, daß Herr Scapini nicht in Nürnberg ist. Einen schriftlichen Fragebogen meine ich selbstverständlich, über den ich schon gesprochen habe.

DR. NELTE: Ich bitte um eine Entscheidung, ob die schriftlichen Anfragen, die ich zunächst gerne vornehmen will, ausreichen, oder ob eine andere Entscheidung... Also, ich nehme zunächst an, daß ich Botschafter Scapini schriftlich befrage und von seiner Antwort es abhängig mache, ob er...

VORSITZENDER: Ja, schriftlich. Sind Sie damit einverstanden, Herr Champetier de Ribes?

M. DE RIBES: Ja, vollkommen.

VORSITZENDER: Ich glaube, Dr. Nelte, wir sollten uns jetzt bis 14.15 Uhr vertagen.