[Das Gericht vertagt sich bis
25. Februar 1946, 10.00 Uhr.]
Siebenundsechzigster Tag.
Montag, 25. Februar 1946.
Vormittagssitzung.
VORSITZENDER: Dr. Horn, ich glaube, Sie haben zum Schluß über Dahlerus gesprochen.
DR. HORN: Das ist richtig, Herr Präsident.
Als nächsten Zeugen bitte ich das Hohe Gericht, den General Kostring, früheren Militärattaché in Moskau, zur Zeit im Zellengefängnis in Nürnberg, zu laden.
In diesem Falle bin ich auch bereit, auf das persönliche Erscheinen des Zeugen zu verzichten, wenn die Ausstellung eines Affidavits gestattet ist.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir erheben gegen die Ladung dieses Zeugen Einspruch, deshalb kann Dr. Horn so ausführlich sprechen, wie er es wünscht.
VORSITZENDER: Sie erheben Widerspruch?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl.
VORSITZENDER: Gut. Bitte fahren Sie fort!
DR. HORN: Ich möchte das Hohe Gericht doch bitten, in diesem Fall den Zeugen zu laden. Zunächst bestand Aussicht, wie mir mitgeteilt wurde, daß der Zeuge durch die Staatsanwaltschaft vorgeführt würde. Nachdem das nicht geschehen ist, bitte ich um Genehmigung dieses Zeugen, da er an den deutsch-russischen Verhandlungen vom August bis September 1939 in Moskau teilnahm und in seiner Dienststellung bis zum Ausbruch der Feindseligkeiten gegen Rußland blieb. Der Zeuge kann daher die Einstellung der maßgebenden deutschen Kreise und Männer zum russisch-deutschen Pakt bekunden.
Aus diesem Grunde bitte ich das Gericht, ihn zu laden.
GENERAL RUDENKO: Wie Sir David Maxwell- Fyfe bereits erklärte, erhebt die Anklagebehörde Einspruch gegen die Ladung dieses Zeugen. Ich möchte lediglich den Standpunkt der Anklagebehörde in diesem Falle näher erläutern. Der Umstand, daß der Zeuge an den Verhandlungen von August bis September 1939 teilnahm oder bei ihnen anwesend war, ist kaum von Interesse für den Gerichtshof. Der Gerichtshof geht in erster Linie von der Tatsache aus, daß dieses Übereinkommen bestanden hat und von Deutschland treulos gebrochen wurde. Demzufolge würde die Ladung dieses Zeugen zur Darstellung der Verhandlungen lediglich eine Verschleppung des Prozesses bedeuten.
DR. HORN: Verzeihen Sie, Herr Präsident, ich habe die Antwort, die Begründung des Herrn Generals nicht verstehen können.
VORSITZENDER: Wollen Sie bitte wiederholen, Herr General?
GENERAL RUDENKO: Gewiß, gerne. Unter Bezugnahme auf Sir Davids Einspruch gegen die Ladung des Zeugen, den er im Namen der Anklagebehörde erhob, habe ich gesagt, daß ich erläutern wollte, daß die Ladung dieses Zeugen wegen seiner Anwesenheit bei den Verhandlungen in Moskau im Jahre 1939 für den Gerichtshof vollkommen ohne Interesse sei. Der Gerichtshof geht von der Tatsache aus, daß dieses Übereinkommen im Jahre 1939 abgeschlossen und von Deutschland treulos gebrochen wurde. Ich bin der Ansicht, daß die Vorladung dieses Zeugen vor den Gerichtshof überflüssig ist, da der Zeuge mit dem gegenwärtigen Prozeß nichts zu tun hat.
DR. HORN: Ich bitte, das Hohe Gericht darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß General Köstring wochenlang im Zellengefängnis in Nürnberg war und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestanden hat; ich bitte daher das Gericht, ihn mir aus den angeführten Gründen als Zeugen zu gewähren.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird darüber beraten.
Dr. Horn, der Gerichtshof sieht nicht ein, wieso die Tatsache, daß sich General Köstring im Gefängnis in Nürnberg befindet, eine Antwort auf den von der Anklagebehörde erhobenen Einwand ist, daß der Gerichtshof nicht an den Verhandlungen im September 1939, sondern nur an der Verletzung des Vertrags interessiert ist. Der Gerichtshof möchte wissen, ob Sie eine Antwort auf diesen Einwand zu geben haben? Bis jetzt haben Sie lediglich gesagt, daß General Köstring hier in Nürnberg ist.
DR. HORN: Herr Präsident, General Köstring soll bezeugen, daß der Pakt mit Rußland von Seiten Deutschlands und von selten meines Mandanten in der Absicht geschlossen wurde, ihn zu halten. Weitere Ausführungen zu diesem Punkte möchte ich im Augenblick nicht machen und bitte das Gericht, ihn mit dieser Begründung zu laden.
VORSITZENDER: Sehr gut, der Gerichtshof wird über Ihren Antrag beraten.
DR. HORN: Der nächste Zeuge, der Vortragende Legationsrat Dr. Hesse, früher im Auswärtigen Amt in Berlin, derzeit vermutlich im Lager Augsburg.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir haben gegen diesen Zeugen keine Einwendung, Euer Lordschaft. Ich weiß jedoch nicht, ob Dr. Horn den Zeugen persönlich vorzuladen wünscht, oder ob nicht ein Affidavit genügt. Die Anklagebehörde will sich hier nicht festlegen, bittet jedoch Dr. Horn, wenn möglich, sich mit einem Affidavit zu begnügen, und schlägt vor, er solle es in diesem Fall in Erwägung ziehen.
DR. HORN: In diesem Fall werde ich mich mit einem Affidavit begnügen.
Der nächste Zeuge ist der frühere Botschafter in Bukarest, Fabricius, vermutlich in alliierter Haft in der amerikanischen Besatzungszone oder bereits aus dieser Haft entlassen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es wird in diesem Fall kein Einwand erhoben. Anscheinend wird der Zeuge über eine Besprechung aussagen, über die dem Gerichtshof bereits Beweise vorliegen, und er wird eine andere Darstellung über sie geben. Unter diesen Umständen erhebt die Anklagebehörde keinen Einwand.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird darüber beraten.
DR. HORN: Der nächste Zeuge ist Professor Karl Burckhardt, Präsident des Internationalen Roten Kreuzes in Genf, früher Völkerbundskommissar in Danzig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Dr. Burckhardt befindet sich offensichtlich in einer ganz besonderen Stellung. Als Präsident des Internationalen Roten Kreuzes ist er eine Persönlichkeit, der alle kriegführenden Länder, gleichgültig welcher Nationalität, Dank schulden. Die Anklagebehörde steht hier auf folgendem Standpunkt: Wenn er über Beweismaterial sprechen kann, das von Hitler selbst kommt, das heißt, wenn er bekunden kann, daß er von Hitler erfahren hat, der Angeklagte Ribbentrop hätte sich eingeschaltet, oder daß er Briefe gesehen hat, die Hitler von Ribbentrop erhalten hatte, dann würde die Anklagebehörde keinen Einwand erheben.
Wenn er jedoch nur sagen könnte, Ribbentrop habe ihm davon erzählt, dann würde die Anklagebehörde Einspruch erheben. Es scheint uns daher am zweckmäßigsten, daß er ein Affidavit darüber abgeben sollte, woher sein Wissen stammt; wenn dies geschehen ist, und seine Informationsquellen zufriedenstellend sind, dann wird die Anklagebehörde gerne die Bekundungen Dr. Burckhardts entgegennehmen.
Der zweite Punkt, die Frage des Ergebnisses des englischen Garantieversprechens an Polen für Danzig, ist unserer Meinung nach unerheblich.
DR. HORN: Außer den bereits in meinem Antrag eingereichten Gründen kann ich noch anführen, daß Professor Burckhardt Ribbentrop und Hitler im Jahre 1943 in Berlin einen Besuch abstattete und daher eingehende Angaben über die in meinem Gesuch ausgeführten Gründe für die Ladung machen kann; das beantwortet die erste Frage von Sir David. Ich bin aber in diesem Falle auch damit einverstanden, daß Professor Burckhardt das Erscheinen hier durch Abgabe eines Affidavits erspart wird.
Der nächste Zeuge ist der Gesandte der Schweiz, Feldscher, der unseres Wissens zuletzt Gesandter in Berlin war.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte vorschlagen, daß in seinem Fall genau so verfahren wird wie bei Dr. Burckhardt.
DR. HORN: Ich bin damit einverstanden, Herr Präsident. Der nächste Zeuge ist der ehemalige Premierminister von Großbritannien, Mr. Winston Churchill.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Die Anklagebehörde erhebt Widerspruch gegen diesen Antrag und behauptet bei aller Hochachtung für Dr. Horn, daß der dem Gerichtshof vorliegende Antrag keine durchschlagende Begründung enthält. Der erste Teil ist anscheinend ein Bericht über eine Besprechung, die Tatsachen dieses Prozesses nicht berührt. Im zweiten Teil wird auch eine Besprechung erörtert, welche offenbar einige Jahre vor dem Krieg zwischen dem Deutschen Botschafter und einem Herrn, der damals keine Amtsstellung in England bekleidete, stattfand. Was jedoch die Erheblichkeit der Besprechung für irgendeine Streitfrage dieses Prozesses anbelangt, so behauptet die Anklagebehörde ergebenst, daß diese nicht nur nicht ersichtlich ist, sondern überhaupt nicht existiert.
DR. HORN: Gegen die Ausführungen von Sir David möchte ich zunächst auf folgendes hinweisen: Der Premierminister Winston Churchill war zu jener Zeit der Führer der Opposition im Parlament Seiner Britischen Majestät. In dieser Eigenschaft kann man ihm eine Art amtliche Stellung unterschieben, umsomehr, als er als Führer der Opposition meines Wissens sogar besoldet wurde...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin überzeugt, daß Dr. Horn der letzte wäre, der sich auf etwas berufen würde, worüber er falsch unterrichtet ist. Herr Churchill war niemals Führer der Opposition im Parlament Seiner Majestät und ganz bestimmt nicht von 1936 bis 1938, als der Angeklagte Ribbentrop Botschafter war. Herr Attlee war damals der Führer der Opposition. Herr Churchill war damals nicht im Amt; er war lediglich ein gewöhnliches, unabhängiges Mitglied der Konservativen Partei. Ich wünsche nicht, daß mein Freund irgendwelchen Mißdeutungen ausgesetzt wird.
DR. HORN: Jedenfalls, Herr Präsident, war Churchill einer der in Deutschland bekanntesten Staatsmänner. Diese Äußerung, die Churchill damals bei seinem Besuch in der Botschaft abgab, wurde von Ribbentrop sofort an Hitler berichtet; sie ist mit hochgradiger Wahrscheinlichkeit einer der Gründe, die Hitler zu seinen, in dem sogenannten Hoßbach-Dokument, das als 386-PS vorgelegt wurde, für die Beteiligten so überraschenden Äußerungen und Ausführungen veranlaßte, in denen von der Anklage der erste schlüssige Beweis für das Bestehen einer Verschwörung im Sinne der Anklage gesehen wurde. Ich darf weiter ausführen, daß der englische Anklagevertreter Jones geäußert hat, daß man nach der Besitzergreifung der Tschechoslowakei durch Deutschland in England und Polen ängstlich geworden sei. Deshalb trat man in Besprechungen zwischen England und Polen ein und schloß das Garantieversprechen ab. Auf Grund der erwähnten Äußerung von Churchill und anderer maßgeblicher englischer Staatsmänner, wonach England in wenigen Jahren eine Koalition gegenüber Deutschland zustandebringen würde, um ihm mit allen Machtmitteln entgegenzutreten, wurde Hitler nunmehr in erhöhtem Maße besorgt, seine Rüstungen zu verstärken und sich mit strategischen Plänen zu beschäftigen. Aus diesem Grunde halte ich die Aussage Churchills für so außerordentlich wichtig und bitte um Ladung dieses Zeugen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe meine Ansicht bereits zum Ausdruck gebracht, Euer Lordschaft und glaube, dem nichts hinzufügen zu können.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wünscht, daß Dr. Horn seine Ausführungen zu diesem Punkt, die der Gerichtshof nur über das Mikrophon gehört hat, schriftlich vorlegt.
DR. HORN: Als nächste Zeugen möchte ich Lord Londonderry, Lord Kemsley, Lord Beaverbrook und Lord Vansittart vernehmen. An diese Zeugen sind bereits Fragebogen hinausgegangen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Diese Zeugen werden durch Fragebogen gehört; wir haben gegen diese Fragebogen nichts einzuwenden.
DR. HORN: Als nächsten Zeugen benenne ich Admiral Schuster, zuletzt in Kiel.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir erheben gegen die Ladung Admiral Schusters Widerspruch. Er wird beantragt, weil er an den Verhandlungen teilgenommen hat, die zum Deutsch-Englischen Flottenabkommen vom Jahre 1935 führten. Anscheinend soll bewiesen werden, daß dieses Abkommen auf Veranlassung des Angeklagten Ribbentrop geschlossen wurde.
Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß dies unerheblich ist, und daß die Verhandlungen vor Abschluß des Abkommens unerheblich sind; der Vertrag liegt dem Gerichtshof vor, damit er von ihm amtlich Kenntnis nehme; mein Freund kann jedes beliebige Argument darauf stützen. Im allgemeinen aber möchte die Anklagebehörde nachdrücklich bemerken, daß es eine untragbare Zeitverschwendung bedeuten würde, auf Verhandlungen einzugehen, die den seit langem in Kraft befindlichen Verträgen vorangingen, zumal so viele außerordentlich wichtige Streitfragen dem Gerichtshof vorliegen.
DR. HORN: Wir verhandeln gerade in diesem Prozeß über das Problem von Planen und Vorbereiten. In diesem Zusammenhang ist es sicher nicht unwesentlich, das zu hören, was damals von der Deutschen Regierung und insbesondere von dem Angeklagten von Ribbentrop geplant und vorbereitet worden ist. Diese Planungen und Vorbereitungen, die damals in den Verhandlungen, die zum Abschluß des Flottenvertrages führten, geschahen, gingen weiter als nur bis zum Abschluß dieses Vertrags. Der Vertrag war von dem Angeklagten Ribbentrop zumindest – und das kann der Admiral Schuster bezeugen – als erster Baustein in einem engen Bündnisvertrag zwischen England und Deutschland gedacht. Um diese Absichten dem Gericht deutlich zu machen und damit die Politik, die der Angeklagte von Ribbentrop verfolgte, halte ich diesen Zeugen für wichtig und bitte Sir David, seinen Standpunkt zu modifizieren.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bedauere dazu nicht in der Lage zu sein. Meine Kollegen und ich haben diese Frage sehr sorgfältig geprüft, und ich habe unsere allgemeine Ansicht über Verhandlungen vor Vertragsabschluß dargelegt, besonders über Verträge, die so lange schon in Kraft sind. So gerne ich auch Dr. Horn entgegenkommen möchte, kann ich seiner Bitte in diesem Punkt leider nicht entsprechen.
GENERAL RUDENKO: Ich möchte die Ausführungen meines Kollegen Sir David wie folgt ergänzen:
Dr. Horn hat gebeten, den Standpunkt der Anklagebehörde zu begründen. Ich glaube, daß es einen Punkt gibt, in dem die Ansichten der Anklagebehörde und der Verteidigung grundlegend auseinandergehen: Die Verteidigung beantragt Zeugen, legt Beweise vor und versucht nachzuweisen, daß die Angeklagten bemüht waren, Verträge zu schließen, die den Frieden fördern sollten. Wir gehen von einer anderen Tatsache aus, nämlich von der treulosen Verletzung geschlossener Verträge und von der Begehung von Verbrechen in Verletzung dieser Verträge. Es scheint mir daher ganz überflüssig, Zeugen vorzuladen, um in Anbetracht dieser Erwägungen zu beweisen, daß sich die Angeklagten bemühten, friedliche Vereinbarungen abzuschließen. Der Bruch und treulose Verrat dieser Verträge sind allgemein bekannte Tatsachen.
VORSITZENDER: Dr. Horn, um prüfen zu können, ob diese Art von Beweisen erheblich ist, möchte ich Sie folgendes fragen:
Angenommen, daß Ribbentrop wünschte, zu einem Übereinkommen mit England zu kommen und einen Krieg Deutschlands mit England zu vermeiden, wieso würde dies erheblich sein für die Anschuldigung, daß Deutschland einen Krieg gegen Polen plante?
DR. HORN: Herr Präsident, um diese Frage im Sinne der gesamten Verteidigungsrührung entscheidend beantworten zu können, müßte ich auf die gesamten politisch-diplomatischen Zusammenhänge der Zeit vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges kommen. Zwecks Begründung der Ladung von Zeugen möchte ich mich hier noch nicht in Ausführungen derart grundlegender Natur einlassen, ehe ich mich nicht nach gewissenhafter Prüfung meines Beweismaterials wirklich auf eine feste Ansicht festlegen kann. Der Herr Präsident hat in dem Beschluß über die Begründung dieser Zeugenladungen zum Ausdruck gebracht, daß das Gericht uns behilflich sein wird, die Zeugen und das Beweismaterial beizuschaffen; ich habe das so aufgefaßt, daß wir hier nur Gründe für die Ladung von Zeugen vorzubringen haben, die uns höchstwahrscheinlich von den Zeugen nach Information bestätigt werden.
Ich möchte mich, um es ganz klar zu sagen, noch nicht präjudizieren.
VORSITZENDER: Es ist eine wesentliche Frage, die wir bei der Erwägung, welche Beweise erheblich sind, zu berücksichtigen haben. Wenn Sie sich aber in diesem Punkt nicht festlegen wollen, können Sie jetzt fortfahren.
DR. HORN: Der nächste Zeuge ist der Botschafter Dr. Paul Schmidt, ehemaliger Dolmetscher im Auswärtigen Amt, zur Zeit vermutlich in Oberursel im Vernehmungslager.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof, die nächsten beiden Zeugen, die in dem Antrag zusammengefaßt sind, sollen beweisen, daß der Angeklagte fünf- oder sechsmal Hitler seinen Rücktritt angeboten hat. Auch hier vertrete ich die Ansicht, die ich dem Gerichtshof schon mehrere Male vorgetragen habe, daß wir gegen diese Zeugen keine Einwendung erheben, wenn sie eine Äußerung Hitlers zu diesen Angeboten bekunden können.
Wenn sie jedoch nur aussagen können, daß Ribbentrop ihnen mitgeteilt habe, er hätte seinen Rücktritt angeboten, dann bringt uns dies nach Ansicht der Anklagebehörde nicht weiter. Es kann jedoch auch möglich sein, daß diese Zeugen an Hitler gerichtete Schreiben gesehen haben; wenn das bewiesen werden soll, dann könnte das Zeugnis nach Ansicht der Anklagebehörde erheblich sein, sicherlich für die Frage des Strafausspruches. Ist das nicht der Fall, dann würde sich die Anklagebehörde das Recht vorbehalten, zu erklären, ob im Hinblick auf die Bestimmungen des Statuts die Frage der Schuld oder Unschuld berührt wird. Ich halte es daher für ein zweckmäßiges Vorgehen, daß diese beiden Herren eidesstattliche Erklärungen darüber abgeben, woher ihre Kenntnis stammt; das würde den Punkt erledigen, den ich dem Gerichtshof vorgetragen habe.
VORSITZENDER: Schlagen Sie eine vorläufige eidesstattliche Erklärung oder einen Fragebogen vor? Wäre ein Fragebogen nicht besser?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich stimme Ihnen zu, Euer Lordschaft. Ein Fragebogen, der darüber Aufschluß gibt, woher das Wissen rührt, wäre das beste.
Ich glaube nicht, daß es sich lohnen würde, zweimal in die Kirsche zu beißen, wenn ich diese Redewendung gebrauchen darf.
DR. HORN: Über die nächsten beiden Zeugen kann zusammen gesprochen werden. Ich glaube, schon sagen zu dürfen, daß mir Sir David dieselben Gründe entgegenhalten wird, wie bei den anderen Zeugen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich denke, Euer Lordschaft, daß mein Freund und ich darin übereinstimmen, daß sie mit der Entscheidung des Gerichtshofs über Admiral Schuster stehen oder fallen.
DR. HORN: Dann würde ich auf die beiden Zeugen verzichten, wenn das Gericht mir dafür Admiral Schuster zubilligen würde.
Der nächste Zeuge ist der frühere Chef des Protokolls im Auswärtigen Amt, Dörnberg, zur Zeit höchstwahrscheinlich interniert in Augsburg.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auch hier vertrete ich mit der größten Hochachtung die Ansicht, daß die Ansichten Dörnbergs über die Glaubwürdigkeit Graf Cianos nicht erheblich sind. Wenn wir dazu kämen, Zeugen zu laden, die ihre Ansicht über die Glaubwürdigkeit oder andere Wesenszüge der Staatsmänner Europas darlegen, würde der Gerichtshof ein Verfahren einschlagen, das wohl sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, aber zu keinem wesentlichen Ergebnis führen würde. Ich erkläre daher ergebenst, daß es sich hier um eine Art von Beweisthemen handelt, auf die der Gerichtshof sich nicht einlassen sollte.
DR. HORN: Zu diesem Punkt, Herr Präsident, kann ich sagen, daß Ciano in seinem Tagebuch, das uns jetzt zugänglich gemacht worden ist, zumindestens im entscheidenden Punkte diesen Beweis, den Herr Dörnberg liefern soll, uns selbst erbringt und wir ihn dem Gericht zu gegebener Zeit, ich glaube sagen zu können in schlüssiger Form, vorlegen werden. Der zweite Punkt der Bekundungen Dörnbergs bezieht sich auf Ordensangelegenheiten. Von der russischen Anklage ist Ribbentrop zum Vorwurf gemacht worden, daß er Siebenbürgen um einen hohen rumänischen Orden verschachert habe. Aus diesem Grunde bitte ich, mir zu gestatten, entweder Herrn Dörnberg hier über diesen Punkt zu betragen oder in Form eines Affidavits.
VORSITZENDER: Jawohl.
DR. HORN: Als nächsten benenne ich den Gesandten Schnurre, Leiter der Handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, derzeitiger Aufenthalt unbekannt, vermutlich in Haft in englischer Zone.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft, auch hier steht die Anklagebehörde auf dem Standpunkt, daß es nicht nötig ist, einen Zeugen zu laden, der aussagen soll, daß sein politischer Vorgesetzter die Absicht hatte, einen von ihm unterzeichneten Vertrag einzuhalten. Gerade die Begründung, die für den Antrag gegeben wird, scheint mir zu zeigen, daß es sich hier in Wirklichkeit um eine Sache des Plädoyers handelt; wir sind daher der Ansicht, daß ein Zeuge insoweit unerheblich und unnötig ist.
DR. HORN: Ich bitte das Gericht, mir diesen Zeugen zu gewähren, denn allein die Tatsache, daß der Zeuge über das Halten oder Nichthalten oder die Absichten seines Chefs aussagen will, ist für mich nicht so sehr entscheidend wie die Tatsache, daß er auf Grund der Teilnahme an den Verhandlungen und den Vorverhandlungen und seinen Besprechungen auch mit anderen entscheidenden Persönlichkeiten über die Hintergründe dieses Vertrags damit zu einem wesentlichen Punkt der Anklage aussagen kann.
VORSITZENDER: Darf ich über die Erheblichkeit dieser Aussage wieder eine Frage an Sie stellen: Nehmen wir an, es sei richtig, daß die deutschen Behörden im August 1939 beabsichtigten, den mit Rußland abgeschlossenen Vertrag zu halten, hing dies davon ab oder hätte es davon abhängen können, ob England Polen in dem Krieg, den Deutschland im Begriff stand gegen Polen zu führen, zu Hilfe kam? Es kann sehr gut möglich gewesen sein, daß die deutschen Behörden den Vertrag mit Rußland einhalten wollten, um Rußland vom Krieg gegen Polen und England fernzuhalten. Wie sollte es daher erheblich sein, was Ribbentrop damals beabsichtigte?
DR. HORN: Herr Präsident, es ist bei der Feststellung eines strafrechtlichen Tatbestands doch wesentlich für die Feststellung der Schuldfrage, inwieweit der Angeklagte von Ribbentrop als Mensch sich bemüht hat, einen Vertrag zu halten; und es ist eine andere Frage, inwieweit er durch politische Notwendigkeit und andere Kräfte gezwungen wurde, mitanzusehen, daß ein Vertrag nicht im ursprünglichen Sinne ablief, in dem er abgeschlossen worden ist.
VORSITZENDER: Sie können fortfahren.
DR. HORN: Botschafter Ritter, Auswärtiges Amt, zuletzt Verbindungsmann des Auswärtigen Amtes zum OKW, zur Zeit höchstwahrscheinlich im Lager Augsburg.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Antrag auf den Botschafter Ritter zerfällt in zwei Teile: Der erste wirft die Frage über den Russisch-Deutschen Vertrag vom 23. August 1939 auf, die wir gerade erörtert haben; die Ansicht der Anklagebehörde dazu habe ich bereits mitgeteilt.
Der zweite Teil behandelt die Einstellung des Angeklagten Ribbentrop zu der Behandlung alliierter Flieger. Im Augenblick steht die Sache nun so, daß ich ein von Botschafter Ritter abgefaßtes Dokument und noch ein zweites Dokument vorgelegt habe, in dem er erklärte, daß der Angeklagte Ribbentrop das Memorandum des Deutschen Auswärtigen Amtes zu den Vorschlägen über das Lynchen alliierter Flieger und ihrer Überstellung an den SD, bevor sie Kriegsgefangene werden konnten und damit die Rechte der Konvention erworben hätten, gebilligt hat.
Wenn der Verteidiger behaupten will, daß die Erklärung des Botschafters Ritter, Ribbentrop habe das Memorandum gebilligt, unrichtig ist, dann wäre dies natürlich erheblich. Im Augenblick liegen diese Dokumente jedoch vor, und ich sehe deshalb nicht ganz klar, zu welchem Zweck ihn mein Freund wegen dieses zweiten Punktes vorladen will. Wenn noch ein anderer Grund dafür vorliegt, wird Dr. Horn ihn vielleicht angeben.
DR. HORN: Sir David hat gerade den Grund genannt, weshalb ich den Zeugen geladen habe. Der Zeuge soll und wird bekunden, daß von Ribbentrop gegen die Behandlung von Terrorfliegern war, zumindest gegen ein anderes Verhalten als in der Genfer Konvention dargelegt war, wenn nicht vorher die Konsequenzen gezogen wurden, daß man nach vorheriger Unterrichtung der daran beteiligten und interessierten Mächte aus der Konvention austrat.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dr. Horn erklärt, daß er die Vorladung des Botschafters Ritter wünscht, um den beiden von Ritter verfaßten Dokumenten, die bereits als Beweisstücke vorliegen, zu widersprechen. Dann kann ich natürlich keine Einwendungen machen; wenn Ritter seinem eigenen Dokument widersprechen will, ist dies offensichtlich erheblich.
VORSITZENDER: Wäre es für Dr. Horn annehmbar, wenn Botschafter Ritter ein Fragebogen zugestellt würde, oder würde die Anklagebehörde es vorziehen, daß er geladen wird oder sonst irgendwie aussagt?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn er aussagen soll, würde die Anklagebehörde vorziehen, daß er hierher geladen wird, denn unser Standpunkt ist: Wir haben hier zwei Dokumente, die von diesem Herrn verfaßt sind; wenn er die Absicht hat, ihnen zu widersprechen, dann schlage ich vor, daß er hierher kommt und es persönlich tut.
DR. HORN: Ich stelle das in das Belieben der Staatsanwaltschaft.
VORSITZENDER: Sehr gut.
DR. HORN: Der nächste Zeuge ist der ehemalige deutsche Gesandte in Oslo, von Grundherr, vermutlich zur Zeit in alliierter Haft.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auch hier möchte ich nicht wieder in Einzelheiten gehen. Hier liegt die Sache so, daß dem Gerichtshof ein von dem Angeklagten Rosenberg unterzeichnetes Dokument vorliegt, worin dieser erklärt, daß auf Grund einer Vereinbarung mit diesem Herrn monatlich 10000 Pfund Sterling an Quisling ausgezahlt werden. Wenn Dr. Horn Herrn von Grundherr hier vorladen will, um der Erklärung des Angeklagten Rosenberg zu widersprechen, so kann die Anklagebehörde, wie ich glaube, wiederum keinen Einspruch erheben.
VORSITZENDER: Ja.
DR. HORN: Bezüglich der Zeugen, die ich unter Punkt 30 bis 34 benannt habe, kann ich mich in meinen Ausführungen darauf beschränken, daß ich sie laden möchte, damit sie bekunden, daß Ribbentrop sich von 1933 bis 1939 auch um die Herstellung enger Beziehungen zu Frankreich ernsthaft und laufend bemüht hat.
Die Zeugen, vor allem Herr Daladier, früherer französischer Ministerpräsident, können über diese Bemühungen im einzelnen substantiierte Angaben machen. Falls das Gericht entscheidet, daß diese Zeugen oder einige dieser Zeugen in Form von Affidavits gehört werden sollen, werde ich dem Gericht die relevanten Fragen unterbreiten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nach Ansicht der Anklagevertretung sind die Gründe, die für die Ladung dieser Zeugen geltend gemacht werden, zu unbestimmt und allgemein, als daß sie ihre Ladung vor den Gerichtshof rechtfertigen könnten.
Wenn zwei Länder miteinander in Frieden leben, so kann die Tatsache, daß ein Außenminister oder Botschafter Erklärungen abgegeben hat, er hoffe, die guten Beziehungen dieser Länder werden fortdauern oder ähnliches, uns nicht irgendwie weiter bringen; nach Ansicht der Anklagebehörde wäre es Zeitverschwendung, Zeugen zu diesem Zwecke vorzuladen. Abgesehen davon haben die ersten vier Zeugen, Marquis und Marquise de Polignac, Graf und Gräfin Jean de Castellane, soweit die Anklagebehörde weiß, nie eine offizielle Stellung bekleidet. Es kommt daher noch ein Einwand hinzu: Wenn Personen, die zwar die achtbarsten Menschen sein mögen, aber in allgemein freundschaftlichen Beziehungen zu einem Angeklagten stehen, über etwas aussagen sollen, was wirklich nur ihre private Ansicht über seine Einstellung wiedergibt, so ist das keine Aussage, die erheblich ist, und auf die sich der Gerichtshof einlassen sollte.
DR. HORN: Mit diesen Zeugen möchte die Verteidigung gerade beweisen, daß die Bemühungen Ribbentrops hinsichtlich Frankreichs weiter gingen, als es gewöhnliche Bemerkungen, die man als nichts weiter als »courtoisie internationale« bezeichnen kann, darstellen. Aus dem Grunde bitte ich, mir den einen oder anderen Zeugen aus dieser Reihe zu gestatten.
VORSITZENDER: Dr. Horn, bei diesen Zeugen scheint dieselbe Frage der Erheblichkeit aufzutauchen, die ich Ihnen schon vorhin gestellt habe. Angenommen, daß es die Absicht des Deutschen Auswärtigen Amtes war, zu versuchen, Frankreich von jedem Krieg, den Deutschland vorbereitete, fernzuhalten, wieso ist dies erheblich für die Frage, ob Deutschland einen Angriffskrieg gegen Polen vorbereitete?
DR. HORN: Ich möchte durch diese Zeugen auch wieder Beweis dafür antreten, daß es zumindest nicht im Sinne des Angeklagten von Ribbentrop gelegen hat, Kriege zu planen und vorzubereiten, sondern daß er sich jahrelang bemüht hat, mit den Nachbarstaaten Deutschlands bessere Beziehungen herzustellen.
Die Anklage, Herr Präsident, wirft meinem Mandanten auch Planung und Durchführung von Angriffsabsichten, von Kriegen gegen England und Frankreich vor. Wenn die Staatsanwaltschaft auf diesen Punkt verzichten will, kann ich selbstverständlich auch auf diese Zeugen verzichten.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird dieser Angelegenheit die notwendige Bedeutung beimessen.
DR. HORN: Der nächste Zeuge ist Mr. Ernest Tennant, London.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Diesen Zeugen kenne ich nicht und habe auch nie von ihm gehört; das einzige, was aus dem Gesuch hervorgeht, ist, daß er der Firma Tennant und Co. angehörte, Mitglied des Bath Clubs war und daß er den Angeklagten Ribbentrop gut kennt. Die Dinge, über die er aussagen soll, sind jedoch der Gipfel der Unerheblichkeit. Es wird behauptet, der Zeuge könne aussagen, daß der Angeklagte ihn Anfang und Mitte der dreißiger Jahre gebeten habe, ihn mit Lord Baldwin, Herrn Mac Donald und Lord Davidson zusammenzubringen, um mit ihnen über die Anbahnung guter politischer Beziehungen mit dem Ziele des Abschlusses eines Bündnisses zu verhandeln. Im Jahre 1936 war der Angeklagte Botschafter am Hofe von St. James. Herr MacDonald war als Ministerpräsident im Jahre 1935 gerade ausgeschieden, und noch, wie ich glaube, Lord President of the Council. Lord Baldwin war damals Premierminister und Lord Davidson war, wenn ich mich recht erinnere, Kanzler des Herzogtums Lancaster im gleichen Amt. Jedenfalls hatte er ein verhältnismäßig unbedeutendes Amt inne.
Wieso es jedoch für die Streitfragen dieses Prozesses von Bedeutung sein sollte, daß der Angeklagte damals oder kurz zuvor einen Herrn ohne offizielle Stellung bat, ihn den drei eben genannten Herren vorzustellen, läßt sich meines Erachtens wirklich nicht erklären; ich glaube, daß dieser Zeuge nicht genehmigt werden sollte.
DR. HORN: Herr Präsident, wir kommen bei der Benennung der Zeugen immer wieder auf eine grundlegende Frage zurück. Von seiten der Anklagebehörde wird immer gefragt: Was kann dieser Zeuge bekunden, daß Deutschland nicht gegen Polen marschierte beziehungsweise den Polenkrieg verschuldete, während der Zeuge doch einem ganz anderen Lande angehört und mit Polen oder polnischen Bedingungen nichts zu tun hat. Die Verteidigung dagegen ist der Auffassung, daß die gesamte Polenpolitik Deutschlands nur im Rahmen der gesamten europäischen Politik verstanden werden kann; daher sind von der Verteidigung Zeugen geladen, die die Anklagebehörde ausschließen möchte, weil sie uns für die großen Zusammenhänge die Bausteine liefern kann.
Unter diesem Gesichtspunkt benenne ich auch Professor Conwell-Evans, London.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof, auch von Professor Conwell-Evans habe ich nie etwas gehört. Er erscheint nicht in dem englischen Buch »Who's Who«, das eine große Anzahl der Bürger aufführt, die bestimmte Würdenämter oder Stellungen innehaben.
Ich möchte Herrn Dr. Horn bitten, zu erwägen, was ich jetzt dem Gerichtshof ergebenst vortrage. Angenommen, daß jedes Wort, das in diesem Antrag von Professor Conwell-Evans gesagt wird, hier vor Gericht von Professor Conwell-Evans bestätigt wird, so würde meines Erachtens das Verfahren damit durchaus nicht gefördert; der Gerichtshof würde nach dieser Beweisaufnahme genau so weit wie jetzt sein. Schließlich wird der Angeklagte in der Lage sein, selbst auszusagen und damit dem Gerichtshof einen eigenen Eindruck über seine Absichten und die Ehrlichkeit seiner Gesinnung zu verschiedenen Zeiten zu hinterlassen. Es ist die Ansicht der Anklagebehörde, daß die Aussage dieses Herrn dem Prozeß in keiner Weise dienlich sein würde und für keine Streitfrage vor dem Gerichtshof erheblich wäre.
VORSITZENDER: Ja.
DR. HORN: Als nächsten Zeugen benenne ich Wolf gang Michel, Oberstdorf im Allgäu; der Zeuge unter Nummer 38.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dieser Herr soll Teilhaber im früheren Geschäft des Angeklagten gewesen sein. Im Antrag wird wirklich der Wunsch geäußert, daß er seine Ansichten über die allgemeine Einstellung und Gesinnung des Angeklagten wiedergeben soll. Wiederum vermag die Anklagevertretung nicht einzusehen, für welche Frage dies erheblich sein kann. Der Angeklagte mag vielleicht Wert darauf legen, eine eidesstattliche Erklärung von einem alten Geschäftsfreund zu erhalten, in der dieser seine Ansicht über den Angeklagten darlegt. Wenn dieser Wunsch besteht, wäre die Anklagebehörde bereit, ein solches Affidavit in Erwägung zu ziehen, aber sie muß nachdrücklich auf ihrem Standpunkt beharren, daß ein solcher Zeuge unerheblich ist, ein Zeuge, der bereit ist, auszusagen: »Ich kenne diesen Angeklagten seit 20 Jahren, ich habe mit ihm geschäftlich zu tun gehabt, ich hatte immer eine gute Meinung von ihm.« Das berührt nach Auffassung der Anklagebehörde den Gegenstand dieses Prozesses nicht und ist daher unerheblich. Wenn jedoch mein Freund auf eine solche eidesstattliche Erklärung Wert legt, wird die Anklagebehörde dem mit der größten Sympathie gegenüberstehen.
DR. HORN: Ich begnüge mich im Falle des Zeugen Michel mit einem Affidavit.
Herr Präsident, ich bitte noch auf den unter Nummer 5 meines Gesuches aufgeführten Zeugen, Legationsrat Gottfriedsen, zurückkommen zu dürfen.
VORSITZENDER: Einen Augenblick, wollen Sie denn jetzt nicht über Nummer 38 sprechen? Sie haben Nummer 37 noch nicht besprochen. Sie lassen das aus, nicht wahr?
DR. HORN: Ich glaube, mir würden dieselben Gründe wie bezüglich der vorher stehenden Zeugen entgegengehalten werden; da ich annehme, daß das Gericht über die grundsätzliche Frage, ob man die gesamten Zusammenhänge hier unterbreiten muß oder nicht, noch Beschluß fassen wird, habe ich die Benennung dieses Zeugen ausgelassen und erbitte von dem Gericht darüber noch Bescheid.
VORSITZENDER: Ich verstehe. Sie wollen nun auf Nummer 5 zurückkommen?
DR. HORN: Ich möchte zurückkommen auf Nummer 5, Legationsrat Gottfriedsen. Legationsrat Gottfriedsen hat die gesamte dienstliche und private finanzielle Finanzgebarung des Angeklagten von Ribbentrop lange Jahre unter sich gehabt. Dem Angeklagten von Ribbentrop wird von verschiedenen Anklagevertretern vorgeworfen, daß er sich mit Kunstgegenständen und ähnlichen Dingen bereichert habe. Über diesen Punkt kann Legationsrat Gottfriedsen entscheidende Aussagen machen, die diese Anschuldigungen entkräften werden. Ich bitte daher, mir diesen Zeugen zu gewähren.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender, ich habe gerade Herrn Dr. Horn gefragt, ob er Herrn Gottfriedsen dem Herrn von Sonnleitner vorziehen würde. Dr. Horn sagt, daß, wenn er zu wählen habe, er dies tun wolle.
Die Anklagevertretung möchte keine unnötigen Schwierigkeiten machen; ich habe meinen grundsätzlichen Standpunkt bereits dargelegt, daß diese Gruppe von Zeugen, von sieben Zeugen des Auswärtigen Amtes, auf drei beschränkt werden sollte. Wenn mein Freund glaubt, daß Herr Gottfriedsen insbesondere in diesem Punkt mehr nützen würde, so habe ich gegen diesen Ersatz nichts einzuwenden, sofern nur die Gruppe der Zeugen beschränkt bleibt.
VORSITZENDER: Wären Sie damit einverstanden, daß ein Fragebogen zugestellt würde?
DR. HORN: Jawohl, Herr Präsident, ich bitte dann um den Zeugen Gottfriedsen.
VORSITZENDER: Ja.
DR. HORN: Damit ist mein Vortrag hinsichtlich der Ladung von Zeugen abgeschlossen.
DR. STAHMER: Ich habe Zeugen nicht benannt, weil andere Verteidiger sie beantragt hatten. Zu diesen Zeugen gehört auch der Dolmetscher Dr. Schmidt. Ich habe ebenfalls das größte Interesse an der Vernehmung dieses Zeugen. Schmidt war Dolmetscher Görings und war bei fast sämtlichen politischen Auslandsverhandlungen mit Staatsmännern zugegen; ich bitte daher ebenfalls um Ladung dieses Zeugen und unterstütze insoweit den Antrag von Dr. Horn.
VORSITZENDER: Wir wollen das in Betracht ziehen, Dr. Stahmer. Jetzt werden wir uns für zehn Minuten vertagen.