[Zum Zeugen gewandt:]
Können Sie sich auch nicht entsinnen, daß im Jahre 1944, nachdem die Rote Armee die deutschen Truppen aus der Ukraine vertrieben hatte, Göring an Rosenberg schrieb, die Lösung der Frage der wirtschaftlichen Ausbeutung der Ukraine sollte auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben werden; Göring erwähnte eine zweite Besitzergreifung der Ukraine und anderer sowjetischer Gebiete? Hatte er das im Sinne?
KÖRNER: Das sollte im Jahre 1944 gewesen sein?
GENERAL RUDENKO: Im Jahre 1944.
KÖRNER: Nein, darauf kann ich mich nicht entsinnen. Nein.
GENERAL RUDENKO: Ich will darüber nicht streiten.
Herr Vorsitzender, ich glaube, daß Sie jetzt vertagen wollen. Ich habe noch einige weitere Fragen zu stellen und halte es für zweckmäßiger, die Befragung nach der Unterbrechung wieder aufzunehmen.
VORSITZENDER: Jawohl.
[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich heute um 4.30 Uhr vertagen.
GENERAL RUDENKO: Herr Zeuge, ich will Ihnen ein Dokument vorlegen. Es handelt sich um einen an Sie gerichteten Brief des Ständigen Vertreters des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, der sich mit den Problemen der besetzten Ostgebiete befaßt. Es ist Beweisstück USSR-174.
Ich möchte, daß Sie ihn durchlesen und sich daran erinnern, ob Sie diesen Brief jemals erhalten haben. Wie Sie sehen, beginnt dieses Dokument mit den Worten:
»Geehrter Herr Staatssekretär, lieber Parteikamerad Körner!«
Der Brief betrifft die Vereinheitlichung der Wirtschaftsführung.
KÖRNER: Ich habe Kenntnis genommen von diesem Dokument. Dies Schreiben habe ich sicher bekommen, selbstverständlich bekommen.
GENERAL RUDENKO: Ja, Sie haben es bekommen. Wie sich aus dem Dokument ergibt, handelt es sich um die Durchführung einer besonderen Besprechung unter Ihrem Vorsitz.
KÖRNER: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: Daraus entnehme ich, daß Sie ein sehr naher Mitarbeiter des Angeklagten Göring bei der sogenannten Vereinheitlichung der Wirtschaftsführung waren?
KÖRNER: Jawohl, bei der angeführten Besprechung, die stattfinden sollte.
GENERAL RUDENKO: Und nun die letzte Frage. Geben Sie zu, daß dem Angeklagten Göring als dem Beauftragten für den Vierjahresplan sowohl die zivilen wie auch die militärischen deutschen Organisationen zur wirtschaftlichen Ausbeutung aller besetzten Gebiete unterstellt waren, und daß Sie, soweit es sich um diese wirtschaftlichen Maßnahmen handelte, sein nächster Mitarbeiter waren?
KÖRNER: Zu der in diesem angeführten Schreiben angesetzten Besprechung ist es niemals gekommen. Die erwähnte Vereinheitlichung der Wirtschaftsführung in den besetzter Gebieten war ein Problem, das auftauchte, aber zu dem es in Wirklichkeit nicht gekommen ist. Deswegen hat sich auch die angeführte Besprechung erübrigt.
GENERAL RUDENKO: Diese Frage wurde nicht gelöst, und zwar infolge von Umständen, die nicht von Ihnen abhängig waren; sie hing von dem Vorrücken der Roten Armee und der Alliierten Armeen ab; habe ich recht?
KÖRNER: Ich habe die Frage nicht richtig verstanden, um sie beantworten zu können.
GENERAL RUDENKO: Sie sagten, daß dieses Problem nicht gelöst wurde. Ich frage Sie: Stimmt es nicht, daß es nicht gelöst wurde wegen Umständen, die nicht von Ihnen abhingen? Sie wurden durch die Rote Armee und die Alliierten Armeen daran gehindert?
KÖRNER: Ich glaube, daß zu dem Zeitpunkt, wo dieser Brief abgeschickt wurde, das noch keinen Einfluß haben konnte. Zu einer Vereinheitlichung der Wirtschaftsführung in den besetzten Gebieten ist es nicht gekommen, weil andere Umstände dagegen sprachen.
GENERAL RUDENKO: Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen diese Gründe jetzt zu erörtern. Sie haben mir aber auf die letzte Frage nicht geantwortet. Ich fragte Sie, ob Sie zugeben, daß Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan an der Spitze der zivilen und militärischen Organisationen zur wirtschaftlichen Ausbeutung aller besetzten Gebiete stand, und daß Sie sein nächster Mitarbeiter waren?
KÖRNER: An eine Ausbeutung der besetzten Gebiete ist gar nicht in dieser Form zu denken, die hier vorgebracht wird. Der Vierjahresplan hatte die Möglichkeit, Einfluß zu nehmen auf wirtschaftliche Dinge in den besetzten Gebieten, tat es aber nur dann, wenn es unumstößlich notwendig war. Im allgemeinen hielt er sich davon fern. Jene Stellen, die in den besetzten Gebieten die Wirtschaftsführung innehatten, waren die Militärbefehlshaber oder Chefs der Zivilverwaltung, und im Osten der Wirtschaftsstab Ost und das Reichsministerium Rosenberg. Nur wenn eine Einigung zwischen den einzelnen militärischen und zivilen Stellen beziehungsweise den deutschen Ressorts nicht herbeigeführt werden konnte, dann konnte der Vierjahresplan herangezogen werden; dann konnte der Reichsmarschall entsprechende Entscheidungen fällen. Das ist aber nur in ganz, ganz wenigen Fällen vorgekommen, wie zum Beispiel diese Sitzung, die Sie heute erwähnten, wo die besetzten Gebiete selbstverständlich mit teilnehmen mußten, um Nahrungsmittel für die Bevölkerung Europas mitzuliefern. Das Recht dazu hatten wir ja auch, da wir ja in den besetzten Gebieten, nicht nur im Osten sondern auch im Westen, ganz erhebliche Aufbauarbeiten auf landwirtschaftlichen Gebieten durchgeführt haben. Im Westen, erinnere ich mich...
GENERAL RUDENKO: Von welchem Recht sprechen Sie?
KÖRNER: Ich spreche von dem Recht, das Deutschland hatte, teilzunehmen an den landwirtschaftlichen Erzeugnissen dieser Länder, weil wir ja in diesen Ländern ganz außergewöhnliche Aufbauarbeiten durchgeführt haben. Ich erinnere zum Beispiel daran, daß im Osten besetzte Gebiete vollkommen verwüstet und ohne jedes Material waren; wir haben sie ohne Samen, ohne Maschinen, ohne Ackergeräte vorgefunden und nur mit äußerster...
GENERAL RUDENKO: Wer gab Deutschland dieses Recht?
KÖRNER: Das Recht? Es ist selbstverständlich, wenn man ein Gebiet besetzt und dort gewaltige Aufbauarbeit leistet, daß man an dem Überschuß teilnimmt. Für ganz Europa mußten wir sorgen, und wir kannten die Sorgen und Probleme, für die wir in den besetzten Gebieten einzutreten hatten.
GENERAL RUDENKO: Ich habe Sie gefragt, wer hat Deutschland dieses Recht gegeben?
KÖRNER: Ich bin kein Jurist; deswegen kann ich die Frage nicht beantworten.
GENERAL RUDENKO: Aber Sie sprachen von einem Recht Deutschlands?
KÖRNER: Nur von dem natürlichen Recht, das vorhanden war, wenn wir eine Aufbauarbeit leisten, daß wir dann auch an den Ergebnissen dieser Aufbauarbeit teilnehmen können.
GENERAL RUDENKO: Nachdem Sie diese Gebiete verwüstet hatten!
KÖRNER: Deutschland hat diese Länder nicht verwüstet, landwirtschaftlich schon überhaupt gar nicht. Im Gegenteil, in diesen Ländern haben wir eine gewaltige Aufbauarbeit geleistet. Im Westen erinnere ich nur daran, daß ein erheblicher Teil Frankreichs vollständig verwüstet war. Im Westen haben wir gewaltige Aufbauarbeit dadurch geleistet, daß wir bei der Lage, die wir in Frankreich vorfanden, durch deutsche Organisationen, wie »Das Reichsland«, Gebiete aufbauten beziehungsweise dort französische Bürger wieder auf das Land zurückbrachten und ihnen die Möglichkeit gegeben haben, wieder als Bauern zu wirken und an den Erzeugnissen der Landwirtschaft und an der Produktion des Landes teilzunehmen. Im Osten fanden wir Gebiete vor, die landwirtschaftlich durch die Kriegsereignisse erheblich in Mitleidenschaft gezogen waren. Sämtliche Maschinen existierten nicht mehr; alle Traktoren waren von den Russen fortgeführt worden, die landwirtschaftlichen Geräte ebenso, beziehungsweise waren sie zerstört worden. Wir mußten dort mit allerprimitivsten Mitteln überhaupt erst wieder anfangen, Landwirtschaft zu treiben.
Das ist geschehen, und daß es überhaupt möglich war, in den Jahren unserer Besetzung im Osten wieder landwirtschaftlichen Aufbau zu treiben, ist nur der deutschen Initiative, dem Einsatz deutscher Maschinen zu verdanken.
GENERAL RUDENKO: Muß man zur deutschen Initiative der Wiederaufbaumaßnahmen auch die Einrichtungen der dichten Kette von Konzentrationslagern, die Sie in den besetzten Gebieten errichtet haben, zählen?
KÖRNER: Damit hatte ich nichts zu tun gehabt, und darum kann ich darüber nicht sprechen.
GENERAL RUDENKO: Ich stelle Ihnen aber diese Frage.
KÖRNER: Und deswegen bin ich nicht ganz im Bilde.
GENERAL RUDENKO: Sie sind über Konzentrationslager nicht genügend unterrichtet, und doch scheinen Sie sehr gut über Wiederaufbauarbeiten in der Landwirtschaft Bescheid zu wissen.
KÖRNER: Selbstverständlich weiß ich darüber viel, über die Einrichtung der Wirtschaft in den besetzten Gebieten.
GENERAL RUDENKO: Und von Konzentrationslagern wissen Sie gar nichts?
KÖRNER: Damit habe ich nichts zu tun gehabt.
GENERAL RUDENKO: Sie wußten nichts darüber, daß Millionen von Menschen von deutschen Besatzungsbehörden vernichtet wurden?
KÖRNER: Nein, weiß ich nichts.
GENERAL RUDENKO: Sie wissen wirklich nichts davon?
KÖRNER: Das habe ich erst jetzt gehört.
GENERAL RUDENKO: Erst jetzt?
KÖRNER: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: Ich habe keine Frage mehr.
RECHTSANWALT GEORG BOEHM, VERTEIDIGER DER SA: Herr Zeuge, ist Ihnen bekannt, daß Heines Polizeipräsident von Breslau war?
VORSITZENDER: Ich habe die Verteidiger am Schluß des Verhörs durch Dr. Stahmer gefragt, ob sie irgendwelche Fragen stellen wollten. Die Antwort darauf war: Nein. Infolgedessen sind Sie jetzt nicht an der Reihe, Fragen zu stellen.
RA. BOEHM: Herr Präsident! Es handelt sich darum, daß durch die Einvernahme seitens des Herrn Oberrichters Jackson ein Punkt einer Erklärung bedarf, den ich vorher noch nicht kannte. Es dreht sich um die Person des Polizeipräsidenten Heines, und ich würde bitten, an den Zeugen vielleicht zwei oder drei Fragen stellen zu dürfen, damit diese Frage geklärt wird, um die es hier geht.
VORSITZENDER: Gut. Wir hoffen, Sie werden nicht viel Zeit brauchen.
RA. BOEHM: Ich werde mich kurz fassen, Herr Präsident, ich danke Ihnen.