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[Pause von 10 Minuten.]

DR. STAHMER: Sie behandelten die Frage Ihrer Mitwirkung bei der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Wollen Sie damit fortfahren?

GÖRING: Ich war bei der letzten entscheidenden Epoche angekommen. Die Verhandlungen werden deshalb etwas schwierig, weil der Feldmarschall Reichspräsident von Hindenburg, der den Führer bis dahin nur aus zwei Unterredungen persönlich kannte, und dem gegenüber er ein durch lange Jahre von verschiedensten Seiten immer wieder genährtes Mißtrauen oder hervorgerufenes Mißtrauen noch nicht überwunden hatte, weil er ihn nicht kannte, damals einige starke Einschränkungen gefordert hatte, so daß wir als die stärkste und nun tragende Partei, die die künftigen Maßnahmen dem Volke gegenüber zu verantworten hatte, verhältnismäßig sehr eingeschränkt und, für unsere Stärke, schwach in der Regierung vertreten sein würden.

Man darf nicht vergessen, daß zu diesem Augenblick Deutschland auf dem Tiefpunkt seiner Abwärtsentwicklung stand. Acht Millionen Arbeitslose, alle Programme hatten versagt, kein Zutrauen mehr zu den Parteien, ein außerordentlich starkes Anwachsen der revolutionären linken Seite, politische Unsicherheit. Es waren also Maßnahmen notwendig, die, wenn wir zur Regierung kommen, vom Volk von uns erwartet wurden, und die wir zu vertreten hatten. Es war deshalb eine schwere Belastung bei der Übernahme einer solchen Verantwortung, so starke politische Einschränkungen auferlegt zu bekommen.

Erste Auflage: Der Reichspräsident wünschte unter allen Umständen, daß Herr von Papen Vizekanzler in diesem Kabinett würde. Neben der sympathischen Persönlichkeit des Herrn von Papen brachte er uns nichts mit, denn hinter ihm stand keine Partei. Der Reichspräsident aber verlangte darüber hinaus, daß Herr von Papen bei den Vorträgen, die ihm der Führer nach seiner Ernennung zum Reichskanzler halten mußte, dabei sein sollte. Dies aber wurde sehr rasch aufgegeben, und zwar von seiten des Reichspräsidenten selbst.

Zweitens verlangte der Reichspräsident, daß das Außenministerium, unabhängig wiederum von jeder Partei, durch Herrn von Neurath zu besetzen wäre. Auch Herr von Neurath brachte außer seinem Wissen und Können nichts an politischer Macht für uns mit.

Drittens sollte der Posten des preußischen Ministerpräsidenten, der nächst dem Reichskanzler immer im Deutschland der Nachweltkriegszeit der wichtigste war, ebenfalls in Personalunion durch Herrn von Papen besetzt werden. Vor dem Weltkrieg war, wie bekannt, aus diesen Gründen der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident immer in einer Personalunion verbunden.

Viertens verlangte der Herr Reichspräsident, daß der Reichswehrminister ebenfalls durch eine unabhängige Persönlichkeit, und zwar durch einen Soldaten besetzt werden sollte, und er selbst wählte ihn ohne jedes Zutun von unserer Seite aus, und zwar in der Person des Generals von Blomberg, der damals bei der Abrüstungskonferenz in Genf weilte. Herr von Blomberg war weder dem Führer noch mir persönlich zu diesem Zeitpunkt bekannt.

Waren also somit schon erhebliche und entscheidende, wichtigste Posten im Kabinett von Persönlichkeiten besetzt, auf deren Auswahl wir keinerlei Einfluß hatten, so steigerte sich das im Laufe der Woche durch weitere Forderungen. Es wurde verlangt, daß die Finanzen, Finanzministerium, durch Graf Schwerin-Krosigk besetzt werden sollte, wiederum ein Mann ohne jeden Rückhalt von einer politischen Partei; das Verkehrsministerium durch Herrn von Eltz; ebenfalls trifft hier dasselbe zu. Der Führer des Stahlhelm, Seldte, sollte in das Kabinett genommen werden. Gewiß war der Stahlhelm eine umfassende und große Bewegung, aber doch nicht politisch und durch keinen einzigen Abgeordneten im Parlament vertreten.

Blieb als letztes, als wirklich politische Partei, nur die Deutschnationale mit 36 Stimmen übrig, als einziger parlamentarischer Alliierter, wenn ich so sagen darf. Auch hier wurden außerordentliche Forderungen, die in keinem Verhältnis zu der Kleinheit der Partei standen, gestellt.

Zum Schluß bekamen wir, als die stärkste Partei von damals, 232 Sitze, so viel ich mich erinnere, nur – selbstverständlich – den Reichskanzler, dann kam Dr. Frick als Reichsinnenminister in das Kabinett und als Dritter ich, zunächst ins Reichskabinett, mit der Beauftragung eines Reichskommissars für die Luftfahrt, also eines ganz untergeordneten, kleinen Ressorts, einer Absplitterung einer kleinen Abteilung Luftfahrt vom Verkehrsministerium, sonst kein Ressort. Aber ich setzte dann durch, daß ich wenigstens unbedingt preußischer Innenminister und damit politischer Minister des größten deutschen Landes wurde, da Preußen ja doch letzten Endes Ausgangsposition für die innere Machtergreifung war. Es war also eine außerordentlich schwierige Angelegenheit. Im letzten Augenblick drohte die Kabinettsbildung durch zwei Faktoren zu scheitern. Der Führer hatte als eine unbedingte Forderung aufgestellt, daß kurz nach der Ernennung des neuen Kabinetts eine neue Reichstagswahl stattfinden sollte, in der richtigen Erkenntnis, daß die Partei aus ihr außerordentlich gestärkt hervorgehen würde und somit womöglich die Mehrheit allein darstellen konnte und auch parlamentarisch die Regierungsplattform damit bildete.

Diesem widersprach Hugenberg als Führer der Deutschnationalen absolut, in der richtigen Erkenntnis, daß seine Partei voraussichtlich mehr oder weniger bei dieser Wahl verschwinden würde.

Noch fünf Minuten vor Zustandekommen des Kabinetts drohte dieses aus diesem Grunde auseinanderzufallen. Es war ein reiner Zufall, daß in diesem Augenblick der Reichspräsident die Vereidigung der neuen Minister vornahm, und so war das Kabinett gebildet.

Die zweite Gefahr drohte von Schleicher, der am Sonntag durch seinen Vertrauten dem Führer und mir folgendes Angebot machte: Er wollte betonen, daß der Reichspräsident kein sicherer Faktor für die neue Regierung sei. Es wäre zweckmäßiger, er würde sich, er sei zwar am Tage vorher verabschiedet worden, mit uns zusammentun, um nunmehr ganz klar auf einer nicht irgendwie parlamentarischen Basis, sondern auf einer vollkommen neuen Situation der Verbindung Reichswehr-NSDAP eine Regierung zu bilden.

Der Führer lehnte das in der richtigen Erkenntnis, daß dies unmöglich sei und auch nicht ehrlich gemeint war, ab.

Als Herr von Blomberg am Montag Morgen von Genf auf dem Bahnhof eintraf, erhielt er zwei Befehle, den einen von Herrn von Hammerstein, dem Chef der Heeresleitung und seinem Vorgesetzten, sofort zu ihm zu kommen, den zweiten von Hindenburg, seinem Oberbefehlshaber, sofort zu ihm zu kommen.

Es drohte damals, was wenig bekannt war, ein Putsch von seiten Schleicher-Hammerstein mit der Potsdamer Garnison.

Ich habe Herrn von Hindenburg, den Reichspräsidenten, Sonntag Abend darauf aufmerksam gemacht, und das war der Grund, weshalb Herr von Blomberg zwei Stunden vor dem übrigen Kabinett zum Kriegsminister oder damals Reichswehrminister ernannt wurde, um damit jedes falsche Eingreifen der Reichswehr auszuschalten.

Um 11.00 Uhr am 30. vormittags war das Kabinett gebildet und Hitler zum Reichskanzler ernannt.

DR. STAHMER: War die Partei somit nach Ihrer Ansicht legal zur Macht gekommen?

GÖRING: Selbstverständlich war die Partei durchaus legal zur Macht gekommen, denn sie war nach der Verfassung vom Reichspräsidenten berufen und hätte nach den Grundsätzen, geltenden Grundsätzen, schon viel früher berufen werden müssen. Sie kam zu ihrer Stärke nur auf dem Weg der normalen Wahlen und des damals geltenden Wahlgesetzes zur Macht.

DR. STAHMER: Welche Maßnahmen wurden nun getroffen, um nach Hitlers Ernennung die Macht zu festigen?

GÖRING: Es war selbstverständlich für uns, daß, wenn wir einmal an die Macht kommen würden, wir entschlossen waren, diese Macht unter allen Umständen zu behalten. Wir wollten ja nicht die Regierungsgewalt und die Macht um der Macht willen, sondern wir brauchten die Macht und die Regierungsgewalt, um Deutschland frei und groß zu machen. Das wollten wir nicht mehr dem weiteren Spiel von Zufälligkeiten, Wahlen und parlamentarischen Mehrheiten überlassen, sondern diese Aufgabe, zu der wir uns berufen fühlten, wollten wir dann durchführen.

Um nun die Macht zu festigen, war es notwendig, einen Umbau in den politischen Machtverhältnissen vorzunehmen. Das geschah dadurch, daß kurz nach der Übernahme der Regierungsgewalt im Reich und in Preußen, die anderen Länder automatisch nachfolgten und dort überall mehr oder weniger starke nationalsozialistische Regierungen sich bildeten.

Zum zweiten mußten, wie das überall üblich ist, selbstverständlich die sogenannten politischen Beamten, die nach der Reichsverfassung jederzeit zur Disposition gestellt werden konnten, beziehungsweise verabschiedet werden konnten, gemäß dem üblichen Brauch nun von der stärksten Partei besetzt werden.

Zur Legalität, das heißt, zu dem Begriff, daß wir legal zur Macht gekommen sind, möchte ich noch zwei Momente ganz besonders unterstreichen.

Erstens: Zwischen den Jahren 1925 und 1932 haben nicht weniger als 30 Reichstags-, Landtags-, Präsidentenwahlen stattgefunden in Deutschland. Daß allein bei einer Reichstagswahl 37 Parteien kandidierten, mag hier ein Bild dafür geben, daß es vorkommen konnte, daß eine starke Gruppierung die sogenannte Regierungsmehrheit bildete, eine andere starke Gruppierung die Opposition, und zwar aus total verschiedenen Gesichtspunkten. Ich erinnere an die Opposition, gemeinsam gemacht von Kommunisten und Nationalsozialisten zum Beispiel, und daß eine kleine Partei, die ganz kleine acht Abgeordnete hatte, nun das Zünglein an der Waage war, und in zwei Lesungen jedes Gesetzes, besonders ein entscheidendes Gesetz mußte ja drei Lesungen durchmachen, gegen die Regierung stimmte, und von der dritten entscheidenden Lösung sich genügend politische und materielle Vorteile zusichern ließ, um das Gesetz für die Regierung durchzubringen, mag auch ein Spiegelbild sein für die Verhältnisse.

Das zweite aber, was ich besonders nun unterstreichen möchte, für die Legalität, wie wir zur Macht gekommen sind, ist dieses: Würde in Deutschland das demokratische Wahlsystem Englands oder der Vereinigten Staaten von Amerika bestanden haben, dann hätte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei bereits Ende 1931 sämtliche Reichstagsabgeordnetensitze ohne Ausnahme legal besetzt. Denn in jedem Wahlkreis Deutschlands war zu diesem Zeitpunkt, spätestens Anfang 1932, in jedem, ich betone noch einmal, die NSDAP die stärkste, das heißt also, nach dem Wahlsystem Großbritanniens wie der Vereinigten Staaten würden alle schwächeren Parteien gefallen sein, und wir hätten von diesem Zeitpunkt ab ausschließlich nur Nationalsozialisten auf vollkommen legalem Weg, nach demokratischen Grundprinzipien der beiden größten Demokratien, im Reich gehabt.

Zur weiteren Machtergreifung wurden nun ebenfalls, wie das in anderen Ländern der Fall ist, wenn sich dort eine Machtverschiebung in den politischen Parteien ergeben hat, politische Hauptdienststellen umbesetzt.

Dieses waren neben den Ministern in erster Linie, ich nehme Preußen, die Oberpräsidenten der Provinzen, die Regierungspräsidenten der Regierungsbezirke, die Polizeipräsidenten, die Landräte, dann gilt noch ein gewisser Grad, ich glaube bis zum Ministerialdirektor, als politischer Beamter, Staatsanwälte gelten als politische Beamte. Damit war im großen und ganzen der Kreis, der bei einer politischen Umschichtung neu besetzt wurde und früher zwischen den Mehrheitsparteien ausgehandelt wurde, ungefähr bezeichnet. Es ging nicht so weit, wie in anderen Ländern, bis zum Postboten hinunter.

Es kam zu einer Umgruppierung, zu einem Wechsel, aber nur der wichtigen Posten. Trotzdem haben wir zunächst in dieser Richtung wenig unternommen. Als erstes forderte ich und bat ich Herrn von Papen, mir den Posten des preußischen Ministerpräsidenten zu überlassen, da ja nicht gut er, der keine Partei hinter sich hatte, sondern nur ich, beziehungsweise einer von uns, diese Umgruppierung vornehmen konnte. Wir einigten uns sofort. Ich besetzte darauf einen Teil, einen verhältnismäßig geringen Teil der Oberpräsidenten mit Nationalsozialisten. Ich besetzte zu derselben Zeit, ich ließ sogar noch großzügigerweise wochenlang Sozialdemokraten Oberpräsidenten sein, ich besetzte einige wichtige Provinzen mit führenden katholischen Persönlichkeiten, die der Zentrumspartei jedenfalls erheblich näher standen als uns. Aber langsam, nach und nach, wurden im Laufe der Zeit, der Jahre selbstverständlich, was gar nicht anders sein konnte in der weiteren Umstellung, diese Posten durch Nationalsozialisten, soweit es sich um Oberpräsidenten handelte, besetzt, weil diese ja gleichzeitig übereinstimmten mit den politischen Gauen. Regierungspräsidenten blieben noch bis zum Schluß zum Teil Nationalsozialisten, zum Teil aber reine Beamte. Dasselbe gilt für Landräte.

Bei den Polizeipräsidenten möchte ich zur Klärung des Gerichts betonen: Polizeipräsident hat zunächst mit Gestapo nichts zu tun. Polizeipräsident war in den größeren Städten das, was der Landrat auf dem Lande war, ein Teil wenigstens davon. Diese Polizeipräsidenten waren von den größten Parteien bis zur Machtergreifung immer besetzt worden. Ich fand hier also Sozialdemokraten vor, die mit dem besten Willen als unsere fortgesetzten Gegner bis dato nicht bleiben konnten; das wäre ja absurd gewesen. Ich habe diese Polizeipräsidenten zum Teil mit Nationalsozialisten besetzt, zum Teil aber mit Leuten, die mit der Partei nichts zu tun hatten. Ich erinnere daran, den wichtigsten Polizeipräsidenten im ganzen Deutschen Reich, den von Berlin, besetzte ich mit dem Admiral außer Dienst von Levetzow, der nicht der Partei angehörte. Einen Teil besetzte ich mit ehemaligen SA-Führern.

Es kam dann zur Machtbefestigung, an der selbstverständlich nicht nur mir sondern uns außerordentlich gelegen war, denn sie mußte die Voraussetzung für unsere weitere Arbeit bilden, ein weiterer verstärkter Einfluß im Reichskabinett. Es kamen neue Nationalsozialisten in Ministerposten. Es wurden neue Ministerien geschaffen. Dazu kamen eine Reihe von grundlegenden neuen Gesetzen.

Es war wohl keinem unklar, der sich irgendwie mit den deutschen Verhältnissen befaßt hatte, weder im Ausland noch vor allem im Inland, es konnte kein aber auch nur geringster Zweifel darüber bestehen, daß wir so rasch wie möglich mit der Kommunistischen Partei Schluß machen würden. Es war eine absolute Folge zwangsläufiger Art, daß diese verboten wurde. Wir waren der Überzeugung, daß, wenn es der Kommunistischen Partei, die nach uns die stärkste war, gelungen wäre, zur Macht zu kommen, sie bestimmt keine Nationalsozialisten weder in ihr Kabinett genommen hätte noch sonst geduldet haben würde. Wir waren uns im klaren, daß wir auf ganz andere Weise beseitigt werden würden.

Ein weiterer Punkt, um die Machtbefestigung festzulegen, war, den Reichstag als Parlament, für eine Zeit wenigstens, die des Aufbaues, wegen seines bis dahin erhöhten Einflusses, etwas auszuschalten. Das geschah aber dadurch, daß wir nach der neuen Wahl ja absolut die Mehrheit darin hatten. Wir legten zum Teil den bisherigen Parteien nahe, sich selbst aufzulösen, weil sie keinen Zweck mehr hatten, und lösten die, die sich nicht auflösen wollten, auf. Ich spreche von der Kommunistischen Partei, von der Sozialdemokratischen Partei. Darüber hinaus wollten wir endlich einer langen, langen Sehnsucht des deutschen Volkes gerecht werden, und nun wirklich nicht nur, wie bisher, den äußeren Rahmen eines Reiches bilden, sondern nun endlich ein einheitliches Deutsches Reich werden. Dem diente die Festigung des Reichsgedankens und der Reichsgewalt über die zahllosen Länder. War es schon vorher sehr schwer für einen glühenden deutschen Patrioten vor dem ersten Weltkrieg, mit dem Haufen der Serenissimi- und Duodezfürsten auszukommen, so war das, was dann an ihre Stelle trat, noch schlimmer; denn an Stelle von einem kleinen Willen traten nun die verschiedensten parteimäßig gebundenen Instanzen.

Im Reich war es eine Mehrheit auf der Basis, in Preußen auf dieser, in Bayern wieder auf einer anderen, in Hessen wieder ganz anders. Es war nicht möglich, so eine Reichsgewalt und ein Reich aufzurichten, das wieder eine Größe haben konnte.

Deshalb schlug ich dem Führer vor, die Länderparlamente grundsätzlich abzuschaffen und aufzulösen. Ich begann damit in Preußen mit dieser Abschaffung der Länderparlamente, die mir schon deshalb völlig überflüssig erschienen, weil der Grundsatz »Reichsgewalt, nicht Ländergewalt« ja schon vorher Geltung gehabt hat. Ich sah nun keineswegs ein, warum so viele Gewalten existieren sollten, die in nutzlosen Redereien, Reibereien nur positive Arbeit verhindert haben. Trotzdem, so stark ich das Reich, nach außen einheitlich zusammengefaßt, schaffen und sehen wollte, bin ich immer dafür eingetreten, und der Führer in erster Linie, daß innerhalb der deutschen Länder und Gaue das kulturelle Leben vielgestaltig und traditionsgebunden bleiben soll; das heißt, was ja bekannt ist, all die alten Kulturzentren, die sich um München, Dresden, Weimar und so weiter gebildet hatten, sollten in dieser Richtung weiter existieren und unterstützt werden.

Es wurden zur weiteren Machtbefestigung jene Gesetze geschaffen, die zunächst eine weitere Behinderung für den Aufbau ausschalteten, das heißt auf Grund des Paragraphen 48 das Gesetz, das die sogenannten Freiheiten abschaffte. Der Begriff über diese Freiheiten ist ja umstritten. Es wurde das »Gesetz zum Schutz von Volk und Staat« geschaffen. Ein Gesetz, das dringend und dringendst notwendig war. Es war zwar in den vergangenen Jahren vieles verboten worden, das einer nationalen Betätigung gleichkam und ähnlich war, aber es war frei erlaubt, über das deutsche Volk, seine Geschichte und den Deutschen Staat und über die Symbole und Dinge, die doch einem Patrioten sehr heilige Dinge sind, sinnlos herabzuzerren, und sie waren in keiner Weise geschützt.

Daß unter dem Begriff »Gleichschaltung«, der damals entstand, sehr viel unnötige und überflüssige Dinge geschahen, war selbstverständlich, denn nach der Machtergreifung entwickelte sich ja die ganze Bewegung revolutionärer, wenn auch nicht im Sinne von Revolutionen, wie sie historisch bis dahin bekannt waren, die französische Revolution, die große bolschewistische Revolution, das heißt also, nicht im Sinne von großen Kämpfen, blutigen Umgestaltungen, Revolutionstribunalen, die Hunderttausende hinrichteten, aber doch in einer starken Zielausrichtung auf die Einheitlichkeit von Staat, Partei, Nationalsozialismus als Führungsgrundlage und ideale Grundlage.

Diese Gleichschaltung, von der ich eben sprach, ging dann ins einzelne, aber wie gesagt, bei jeder dieser starken politischen Umgestaltungen wird immer da und dort über das Ziel hinausgeschossen. Persönlich sah ich es nicht für notwendig an, daß jeder Verband nun nationalsozialistisch wurde, und daß, wenn ich mich mal ganz drastisch ausdrücken soll, auch im kleinsten Sinne, daß in einem Klub oder sonstwas absolut ein nationalsozialistischer Vorsitzender hätte sein müssen; aber in grundlegenden, entscheidenden politischen Dingen mußte mehr und mehr unsere Anschauung und Auffassung zur Geltung kommen, denn es war die Voraussetzung zur Neugestaltung und Errichtung und Stärkung des Reiches.

Eine weitere Stärkung, die aber erst nach dem Tode, dem 1934 erfolgten Tode des Reichspräsidenten von Hindenburg kam, war die Zusammenfassung des Staatsoberhauptes und des Reichskanzlers in einer Person. Hierzu möchte ich sagen, bei dieser Gelegenheit hatte ich mit dem Führer eine längere Aussprache. Im ersten Augenblick wurde erörtert, ob Hitler den Posten des Staatsoberhauptes übernehmen würde und sollte, ich die Kanzlerschaft. Bei dem ganzen Temperament, der ganzen Einstellung des Führers war es unausdenkbar, daß der Führer über, möchte ich sagen, den politischen Wolken thronend, nur als Staatsoberhaupt in Erscheinung hätte treten können. Er war ein ausgesprochener politischer Führer und damit ein Führer der Regierung. Auch der Gedanke, irgendeine andere Persönlichkeit als Strohpuppe als Staatsoberhaupt hinzusetzen, empfanden wir als der Situation nicht würdig.

Der Führer sagte mir damals, es ist am einfachsten, wir nehmen das Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika, wo auch das Staatsoberhaupt gleichzeitig Chef der Regierung ist, und vereinigen nach dem Beispiel der Vereinigten Staaten, was damals ausdrücklich erwähnt wurde, den Posten des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs, und er nannte sich nun »Führer des deutschen Volkes und Reichskanzler des Deutschen Reiches«.

Daß er damit automatisch auch Oberbefehlshaber oder Oberster Befehlshaber der Deutschen Wehrmacht wurde, war nach der Verfassung, auch der alten Verfassung, eine absolute Selbstverständlichkeit, wie das auch in anderen Staaten der Fall ist.

So lag es in großen Zügen, wenn ich von einer Reihe von weiteren Entwicklungen absehe, die ja wohl noch in meinen Aussagen erwähnt werden müssen, wie dem Aufbau der Polizeigewalt, dem grundsätzlichen Element der Machtbefestigung, und so weiter.

Und was ich abschließend sagen möchte: Erstens: Es ist richtig, ich persönlich kann ja nur für mich sprechen, ich habe alles getan, was irgendwie in meiner persönlichen Kraft gestanden hat, die nationalsozialistische Bewegung zu stärken, zu vergrößern und unablässig daran gearbeitet, sie unter allen Umständen an die Macht und zwar die alleinige Macht zu bringen.

Zum zweiten habe ich alles getan, um dem Führer den ihm gebührenden Platz als Reichskanzler zu erkämpfen.

Zum dritten habe ich, wenn ich mich prüfe, glaube ich, nichts unterlassen, um unsere Macht so zu befestigen, daß sie nicht den Zufälligkeiten des politischen Spieles oder gewalttätiger Unternehmungen weichen mußte, sondern daß sie im weiteren Aufbau wirklich nur jener Machtfaktor werden konnte, der das Reich führte und, wie wir hofften, einer großen Entwicklung zuführen sollte.

DR. STAHMER: Welche Ämter erhielten Sie nach der Machtübernahme?

GÖRING: Zunächst war ich Reichstagspräsident, vorher schon, das blieb ich bis zum Schluß. Im Reichskabinett erhielt ich zunächst den Posten eines Reichsministers und Reichskommissars der Luftfahrt, nicht der Luftwaffe. In Parenthese möchte ich sagen, es war mir von Anfang an klar, daß man eine Luftwaffe machen mußte. In Preußen erhielt ich den Posten des Preußischen Innenministers, dann am 20. April 1933 zusätzlich den des Preußischen Ministerpräsidenten.

Das Reichskommissariat für Luftfahrt wurde ebenfalls schon vor dieser Zeit, ich glaube, schon im März 1933, ein Reichsministerium der Luftfahrt.

Es kamen dann noch einige nicht sehr wesentliche Ämter, Präsident des Staatsrates und so weiter, hinzu.

Entscheidend waren aber zu jener Zeit die beiden Ämter des Preußischen Ministerpräsidenten einerseits und des Luftfahrtministers andererseits. Den Preußischen Innenminister gab ich Anfang 1934 bereits an den Reichsinnenminister ab, da auch dieses ein Teil der Machtbefestigung und vor allen Dingen der Klarlegung für eine richtige Reichsregierungsgewalt war, daß die Preußischen Ministerien mit denen des Reiches in Personalunion vereinigt wurden. Denn nur so konnten die Reichsressorts praktische Erkenntnisse aus der politischen Tagesarbeit oder der ressortmäßigen Arbeit erhalten, nur in dieser Verbindung war dies möglich.

DR. STAHMER: In Ihrer Eigenschaft als Preußischer Innenminister haben Sie nun wohl die hier so oft erwähnte Geheime Staatspolizei und die Konzentrationslager geschaffen? Wann und zu welchem Zweck wurden diese eingerichtet?

GÖRING: Ich erwähnte vorhin, daß zur Befestigung der Macht die erste Voraussetzung war, jenes Instrument neu zu gestalten, das nun einmal zu allen Zeiten und bei allen Staaten immer das innenpolitische Machtinstrument ist, nämlich die Polizei. Die Polizei, es gab keine Reichspolizei, nur Landespolizei. Die bedeutendste war die Preußische Polizei.

Diese Polizei war schon von unseren politischen Vorgängern, den früheren Parteien, je nach ihrer politischen Einstellung, mit ihren Leuten umbesetzt worden. Ich erwähnte die Besetzung der Polizeipräsidenten und der internen Polizeihauptführer, Polizeileitstellen im Preußischen Innenministerium.

Es war also so, daß sich hier in den Außenstellen noch unsere Gegner, die erbittertsten Gegner, die bisher mit dieser Polizeigewalt gegen uns stets scharf vorgegangen waren, vorfanden. Eine ganz leichte Auflockerung war vor mir erfolgt, während der Zeit, da die sozialdemokratische Regierung Braun-Severing von Papen abgelöst worden war. Da waren auch die schärfsten Gegner aus dieser Polizei entfernt worden. Immerhin waren die wichtigsten Stellen mit absolut politischen Gegnern noch besetzt. Ich konnte nun nicht gut erwarten, daß diejenigen, die gestern noch die Polizei mit besonderem Nachdruck gegen uns einzusetzen bereit waren, heute mit der gleichen Loyalität für den neuen Staat eintreten würden.

Es gab auch vor unserer Zeit eine politische Polizei in Preußen. Es war dies die Polizeiabteilung Ia, und ihre Aufgabe war in erster Linie die Überwachung und der Kampf gegen die Nationalsozialisten und auch zum Teil gegen die Kommunisten.

Ich hätte nun einfach diese politische Polizei neu besetzen können, um sie unter der alten Firma weiterlaufen zu lassen. Die Situation war aber durch unsere Machtergreifung eine andere, denn zu dieser Zeit, wie ich schon erwähnt habe, war die Kommunistische Partei außerordentlich stark. Sie hatte über sechs Millionen Wähler, hatte in ihren Rot-Front-Verbänden ein durchaus revolutionär eingestelltes Machtinstrument, und es war ganz selbstverständlich für die Kommunistische Partei, daß, wenn wir länger an der Macht blieben, sie ihre Macht endgültig verlieren würde.

Die Gefahr bestand durchaus, daß es in jener Zeit, man muß sich nur zurückversetzen, der politischen Spannungen, der Atmosphäre der Gegensätzlichkeit, durchaus zu revolutionären Akten von seiten der Kommunisten kommen konnte, zumal selbst nach unserer Machtergreifung politische Morde und politische Schießereien gegen Nationalsozialisten, gegen Polizisten von dieser Seite nicht aufhörten, sondern zeitweise zunahmen. Auch die Nachrichten, die ich erhielt, waren derartig, daß ich hier außerordentliche Sorge vor einem plötzlichen Umschwung nach dieser Richtung haben mußte.

Ich konnte deshalb mit dieser Abteilung, so wie sie bestand, diese Gefahr nicht abwehren. Ich brauchte nicht nur eine zuverlässige politische Polizei in der Zentralstelle sondern brauchte sie auch in den Außenstellen. Ich mußte also das Instrument vergrößern.

Um von vorneherein klarzustellen, daß die Aufgaben dieser Polizei die Staatssicherung war, nannte ich sie Staatspolizei, Geheime Staatspolizei und schuf gleichzeitig die Außenstellen für diese Polizei. Ich nahm eine große Reihe von unpolitischen Beamten, die das Fachkönnen hatten, hinein, und nahm am Anfang weniger aus der Parteisphäre hinein, da ich zunächst Wert auf die Facheignung legen mußte.

Ich wollte auch, daß sich diese Polizei ausschließlich mit der Sicherung des Staates, gegen Staatsfeinde zunächst, befassen sollte. Auch der Führer, den ich hierfür ausersah, war nicht aus der Partei, sondern kam aus der bisherigen Polizei. Er war bereits schon dort, der damalige Oberregierungsrat und später Ministerialrat, Diels, und ebenso waren die Hauptleiter der Geheimen Staatspolizei Beamte, die nicht aus der Partei waren. Später floß mehr und mehr das Parteielement in die Staatspolizei ein. Der Auftrag war zunächst, so rasch wie möglich die Sicherungsvoraussetzung gegen jede Aktion von links her zu schaffen.

Ich wußte, es hat sich nachher auch bewiesen, daß das Haus der Kommunisten in Berlin, das Liebknecht-Haus, sehr stark befestigt war und sehr viele Waffen enthielt. Wir hatten auch damals Verbindungen aufgedeckt, die sehr stark zwischen der russischen Handelsvertretung und der Kommunistischen Partei Deutschlands vorhanden waren. Selbst wenn ich, wie ich es getan habe, mit einem Schlage zunächst Tausende von kommunistischen Funktionären festsetzte, so war damit eine zunächst unmittelbare Gefahr im ersten Augenblick beseitigt, aber durchaus nicht eine Gefahr an sich. Es galt, die geheime Verbindung, das Netz dieser geheimen Verbindung, aufzudecken, laufend zu überwachen und so weiter. Dazu mußte sich eine Polizeispitze kristallisieren.

Die Sozialdemokratische Partei sah ich im großen und ganzen, besonders was ihre Mitglieder anbelangt, nicht als annähernd so gefährlich an. Aber selbstverständlich waren sie auch absolute Gegner unseres neuen Staates. Ein Teil dieser Funktionäre waren Radikale und ein anderer Teil weniger Radikale. Die Radikaleren stellte ich ebenfalls unter diese Überwachung, während eine ganze Reihe von früheren sozialdemokratischen Ministern, Oberpräsidenten und höheren Beamten, wie ich vorhin sagte, in aller Ruhe verabschiedet wurden, ihre Pension bekamen, und weiter nichts gegen sie unternommen worden ist. Aber es gab ja auch andere Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei, auf die absolut aufgepaßt werden mußte. So war die Geheime Staatspolizei mit dieser Zweckaufgabe von mir zunächst in Preußen geschaffen worden, denn die anderen Länder gingen mich zu diesem Zeitpunkt noch nichts an. Die Organisierung der übrigen Polizei ist hier nicht von besonderer Bedeutung.

DR. STAHMER: Die Konzentrationslager?

GÖRING: Als nun die Notwendigkeit sich zeigte, Ruhe zunächst einmal zu schaffen und das gefährlichste Element der Unruhe gegen uns in dem neuen Staat zu beseitigen, faßte ich den Entschluß, dies dadurch zu tun, daß ich schlagartig die kommunistischen Funktionäre und Führer festsetzen lassen wollte. Ich ließ eine Liste zu diesem Zwecke aufstellen, und es war mir klar, daß, wenn ich auch nur die wichtigsten dieser Funktionäre, die gefährlichsten, festsetzen würde, es sich um mehrere tausend handeln mußte. Denn es war nicht nur notwendig, diese aus den Parteifunktionären, sondern auch aus den Rotfront-Verbänden zu nehmen, denn auch die Kommunisten hatten ja angeschlossene Verbände. Diese Festnahme erfolgte nun aus Staatssicherungsgründen der Staatsnotwendigkeit.

Es galt also, eine Gefahr zu beseitigen. Hier war nun nur eine Möglichkeit gegeben, die der Schutzhaft, das heißt zunächst die Leute, gleichgültig ob man ihnen in diesem Augenblick schon eine staatsfeindliche oder hochverbrecherische Handlung nachweisen konnte, oder ob man sie von ihnen erwarten konnte, davon abzuhalten und sie durch die Schutzhaft auszuschalten. Das war nun nicht neu und keine nationalsozialistische Erfindung, denn schon bereits vorher waren solche Schutzhaftmaßnahmen durchgeführt worden, und zwar damals, teils auch gegen Kommunisten, vor allem aber gegen uns, die Nationalsozialisten. Die Gefängnisse standen hierzu erstmals nicht zur Verfügung und ich wollte auch von Anfang an betonen, daß es sich hier um einen politischen Staatsakt der Staatsnotwehr handelte.

Ich sagte deshalb, diese Männer sollten zunächst in Lagern, ein bis zwei Lager waren damals vorgeschlagen, zusammengefaßt werden, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht übersehen konnte, wie lange die Festhaltung dieser Leute notwendig war, auch noch nicht übersehen konnte, wie sich beim weiteren Aufdecken der ganzen kommunistischen Bewegung die Anzahl vergrößern würde. Bei der Besetzung des Karl-Liebknecht-Hauses wurden so viele Waffen, Material, Vorbereitungen zum Bürgerkrieg gefunden, daß man das, wie ich sagte, in seiner Ausweitung, Ausdehnung noch nicht übersehen konnte. Ich habe, und das ist selbstverständlich, schon vorausgesetzt, daß bei einer solchen hohen politischen Spannung, wie sie zwischen den äußersten Flügeln der politischen Gegensätze bestanden hat, auch bei der Verbitterung der Gegensätze durch die fortgesetzten Kämpfe auf der Straße, die gegenseitigen Spannungen und so weiter, die sich im politischen Kampf abspielten, daß sich da für die Insassen unter Umständen keine sehr angenehme Situation ergeben würde. Ich gab aus diesem Grund Anweisung, daß die Bewachung in möglichst weitgehendem Maße durch Polizeikräfte stattfinden sollte. Nur wo diese nicht ausreichten, sollten Hilfskräfte angefordert werden.

Ich habe zu den Konzentrationslagern Stellung genommen, wobei ich betonen möchte, daß der Name nicht von uns stammt, sondern er sprang damals in der Auslandspresse auf und wurde dann übernommen. Woher der Name kommt, ist mehr historisch. Ich habe Ende 1933 in einem Buch, das ich zunächst in englisch erscheinen ließ und auf Wunsch eines englischen Verlegers erschien, und das bereits von der Anklage als Beweismaterial vorgelegt wurde, mich ganz offen darüber geäußert, und zwar Ende 1933. Ich betone noch einmal: für das Ausland, für englischsprechende Länder. Ich habe damals auch folgenden Satz ganz offen ausgesprochen: Selbstverständlich sind im Anfang Übergriffe vorgekommen, selbstverständlich wurden da und dort auch Unschuldige betroffen, selbstverständlich wurde auch da und dort geschlagen und es sind Roheitsakte verübt worden, aber gemessen an all dem Gewesenen und an der Größe der Vorgänge ist doch diese deutsche Freiheitsrevolution die unblutigste und disziplinierteste aller bisherigen Revolutionen der Geschichte gewesen.

DR. STAHMER: Haben Sie die Behandlung der Häftlinge überwacht?

GÖRING: Ich habe selbstverständlich Anweisung gegeben, daß solche Dinge zu unterbleiben haben. Daß sie vorkamen und überall in größerem und kleinerem Ausmaße vorkamen, habe ich eben gesagt. Ich habe immer darauf hingewiesen, daß diese Dinge nicht passieren sollen, schon weil mir daran gelegen war, einen Teil dieser Menschen für uns wieder zu gewinnen und umzuschulen.

DR. STAHMER: Sind Sie bei Mißständen, die Ihnen bekannt wurden, eingeschritten?

GÖRING: Ich habe mich um die Konzentrationslager persönlich bis zum Frühjahr 1934 eingesetzt. Es haben damals zwei bis drei Lager in Preußen bestanden.

Der Zeuge Körner erwähnte schon den Fall Thälmann. Ich möchte ihn kurz streifen, weil er der markanteste war, denn Thälmann war ja der Führer der Kommunistischen Partei. Ich kann heute nicht sagen, wer mir eine Andeutung machte, daß Thälmann geschlagen worden sei. Ich habe ihn unvermittelt und ohne Benachrichtigung der oberen Dienststellen kurz zu mir kommen lassen, direkt zu mir ins Zimmer, und habe ihn ganz genau ausgefragt. Er sagte mir, daß er, besonders am Anfang bei Vernehmungen, geschlagen worden sei. Ich habe daraufhin, wie der Zeuge schon bekundete, der dabei war, Thälmann gesagt, daß ich das bedauerte. Ich habe ihm aber gleichzeitig gesagt: »Lieber Thälmann, wenn ihr zur Macht gekommen wäret, wäre ich voraussichtlich nicht geschlagen worden, aber ihr hättet mir sofort den Kopf abgeschlagen!« Das bestätigte er mir auch. Ich habe ihm darauf gesagt, er möchte in Zukunft ganz frei, wenn irgend etwas nicht nur an ihm, sondern auch anderen, in dieser Richtung geschehen würde, mir Mitteilung machen. Ich könnte nicht immer dabei stehen, aber es sei nicht mein Wille, daß irgendwelche Roheitsakte an ihnen verübt werden sollten.

Ich betone, daß sich dann später, um diesen Teil zu demonstrieren, der immerhin kein unbedeutender war, die Frau Thälmanns, ich glaube, es war Ende 1944, noch mal an mich gewandt hat um Hilfe, und ich ihr auch damals den Brief sofort beantwortet habe.

Ich habe damals auch, das könnte ich unter Beweis stellen, für Familien der Inhaftierten finanziell zum Teil sorgen lassen, soweit die Sorge notwendig war.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch die »wilden« KZ-Lager, die erwähnt worden sind, und die ja zur Abstellung von Mißständen gehören, erwähnen. Zunächst wußte ich nichts davon, aber dann wurde mir ein solches Lager in der Nähe von Stettin bekannt. Es war durch den damaligen Gauleiter Karpfenstein von Pommern eingerichtet worden. Ich habe dieses Lager, Sie werden sich... mein Anwalt wird sich daran erinnern, daß er unabhängig von mir von einem Insassen während der Zeit des Prozesses eine Nachricht darüber bekommen hat, den ich gar nicht kenne, sofort schließen lassen, und habe, was ebenfalls zu belegen ist, die Schuldigen, die dort Roheitsakte verübt haben, durch den Staatsanwalt anklagen und vor Gericht bringen lassen. Karpfensteins Ausschluß aus der Partei wurde erreicht.

Ein zweites solches Lager wurde dann in Breslau festgestellt, das Heines eingerichtet hatte. Ich weiß heute nicht, was dort vorgekommen ist. Jedenfalls war es ein von mir nicht erlaubtes Lager. Ich habe es ebenfalls sofort geschlossen und aufgelöst. Heines war einer derjenigen engsten Mitarbeiter von Röhm, auf die ich später zu sprechen komme.

Soweit ich mich erinnere, den Ort kann ich nicht mehr genau angeben, war in der Nähe von Berlin noch ein wildes Lager seitens des Berliner SA-Führers Ernst, der bei mir schon immer im Verdacht gewisser Roheitsakte stand, geheim errichtet worden. Auch das wurde geschlossen. Ernst gehörte zu den üblen Erscheinungen, die im Röhm-Putsch beseitigt wurden. Es ist ja die Möglichkeit vorhanden, Insassen von Konzentrationslagern aus dieser Zeit, 1933, Anfang 1934, genügend zu befragen, ob in jener Zeit auch nur annähernd das geschehen ist, was später dann vorkam.

DR. STAHMER: Haben Sie, nachdem eine Festigung der Macht eingetreten war, im großen Umfange Freilassungen der Häftlinge vorgenommen, und zu welcher Zeit ist das gewesen?

GÖRING: Ich habe Weihnachten 1933 angeordnet, daß die leichten Fälle, das heißt die ungefährlicheren oder die, von denen man den Eindruck hatte, daß sie sich mit der Lage abgefunden hatten, in einer ungefähren Höhe damals von 5000 entlassen werden sollten. Ich wiederholte dies noch einmal im November 1934 mit 2000 Insassen. Ich betone immer wieder, daß sich das ausschließlich auf Preußen bezieht. Es wurde damals, soviel ich mich erinnere, ich kann es aber nicht genau sagen, ein Lager aufgelöst, oder jedenfalls vorübergehend geschlossen. Diese Tatsache ist erwähnt worden, zu einem Zeitpunkt, wo kein Mensch daran denken konnte, daß sie jemals Gegenstand einer gerichtlichen internationalen Untersuchung sein wird.

DR. STAHMER: Wie lange haben Sie die Leitung der Konzentrationslager und der Gestapo und bis zu welchem Zeitpunkt gehabt?

GÖRING: Ich hatte sie de facto bis Anfang 1934, das heißt Anfang 1934 war Diels der Führer und trug mir laufend über die Geheime Staatspolizei vor, darunter auch über die Konzentrationslager. Währenddessen war um Preußen herum eine Polizeigruppierung derart entstanden, daß Himmler in allen Ländern Deutschlands die Polizei bekommen hatte, nur nicht in Preußen. Er hatte also dort, dann auch wohl in Anlehnung an meine Maßnahmen, die Geheime Staatspolizei eingerichtet, weil die Polizei auch damals noch immer Landessache war. Es gab eine bayerische, württembergische, badische, hessische, sächsische Polizei und so weiter.

Von all diesen Polizeistellen war er der Führer geworden und strebte nun natürlich, verständlicherweise, die Führung der Polizei auch in Preußen an. Ich war damals mit Diels sehr zufrieden und sah von meinem Standpunkt aus keine Veranlassung, hier eine Änderung eintreten zu lassen.

Diese Bestrebungen, glaube ich, setzten schon im Spätsommer 1933 ein. Kurz nachdem ich im Frühjahr 1934 das Preußische Innenministerium an das Reichsministerium mitübertragen hatte und somit als Ressortminister ausschied, drängte nun wohl Himmler, nehme ich an, beim Führer stärker danach, nach diesem Vorgang wohl auch in die Preußische Polizei eingeschaltet zu werden. Ich habe damals mich nicht ausgesprochen dagegen gewendet. Es war mir nicht angenehm, ich wollte meine Polizei selbst übernehmen. Aber als der Führer mich noch darum gebeten hatte und sagte, es wäre das richtige und zweckmäßige, und es sich ja doch irgendwie notwendig erwies, daß über das ganze Reich einheitlich der Staatsfeind bekämpft werde, gab ich de facto die Polizei an Himmler, der seinerseits Heydrich einsetzte, behielt sie aber de jure noch bei, weil ja auch keine Reichspolizei vorhanden war.

Die übrige Polizei, Landespolizei, das heißt die uniformierte Polizei, übergab ich ihm damals nicht, weil diese Polizei von mir zu einem großen Teil, wie ich später ausführen werde, in Preußen militärisch organisiert wurde, um sie für die künftige Aufrüstung einzuschleusen. Aus diesem Grunde konnte und wollte ich ihm die uniformierte Polizei nicht geben, weil sie nach rein militärischen Gründen ausgebildet worden ist von mir, auf meine Veranlassung hin und auf meine Verantwortung, und mit der direkten Polizei nichts zu tun hatte, bis sie 1935 der Wehrmacht von mir übergeben werden konnte.

1936 wurde das Reichspolizeigesetz geschaffen, damit der Chef der Deutschen Polizei. Damit ging auch de jure und formell die Polizei endgültig an den Reichsführer-SS und, wie er damals formuliert wurde, Chef der Deutschen Polizei oder ähnlich, über.

DR. STAHMER: Sie erwähnten vorhin die Röhm- Revolte. Wer war Röhm und um welchen Vorgang handelt es sich bei dieser Revolte?

GÖRING: Röhm war der SA-Führer geworden, der Stabschef der SA.

VORSITZENDER: Ich glaube, daß wir uns jetzt vertagen. Es ist bereits fünf Uhr.