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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben gestern erklärt, daß das Protokoll der Sitzung des Reichsverteidigungsrats, das wir Ihnen vorlegten, nicht das Protokoll einer Sitzung des Reichsverteidigungsrates als solchen darstellt?

GÖRING: Das habe ich erklärt.

JUSTICE JACKSON: Und Sie bleiben trotz dieses Dokuments bei Ihrer Aussage, daß der Reichsverteidigungsrat niemals zusammengetreten ist.

GÖRING: Das habe ich gesagt, jawohl.

JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen nunmehr ein Dokument vorlegen lassen, das eben in unseren Besitz gelangt ist. Es ist das Protokoll der zweiten Sitzung des Reichsverteidigungsrats. Ich hätte sagen sollen, daß wir es soeben zur Übersetzung erhalten haben. Wir haben es noch nicht übersetzen lassen. Es wurde soeben in unserer großen Sammlung von Dokumenten entdeckt.

VORSITZENDER: Könnte Herr Dr. Stahmer eine Abschrift des englischen Textes haben?

JUSTICE JACKSON: Wir haben überhaupt noch keine Gelegenheit gehabt, es ins Englische übersetzen zu lassen. Ich weiß nicht, was darin steht, ich weiß nur, daß es das Protokoll seiner Sitzung ist. Wir besitzen eine Photokopie.

[Zum Zeugen gewandt:]

Ist dies nicht das Protokoll der zweiten Sitzung des Reichsverteidigungsrats vom 23. Juni 1939?

GÖRING: Ich muß es erst durchsehen.

JUSTICE JACKSON: Ich verweise Sie auf die Tatsache, daß der Vorsitzende Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring ist. Sie werden das auf Seite 1 finden.

GÖRING: Das ist ja nie bestritten worden. Das ist ja durch Gesetz festgelegt worden. Es handelt sich hier um den zweiten Reichsverteidigungsrat, nicht um den ersten. Im übrigen habe ich an der Sitzung nicht teilgenommen. Ich verweise, daß links die Stellen sind, die als Dienststellen teilgenommen haben, und da steht bei mir »Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring« und als Teilnehmer für ihn rechts »Staatssekretär Körner und Staatssekretär Neumann«. Ich muß das Schreiben erst durchsehen, um festzustellen, ob ich selbst auch daran teilgenommen habe.

JUSTICE JACKSON: Steht da nicht auf Seite 1 direkt unter der Ortsangabe »Vorsitzender: Ministerpräsident Göring«?

GÖRING: Jawohl, ich muß es erst lesen.

JUSTICE JACKSON: Leugnen Sie die Echtheit dieses Protokolls ab?

GÖRING: Ich habe es noch nicht durchgesehen. Es scheint mir absolut ein echtes Protokoll zu sein, das gebe ich absolut zu, aber auch hier handelt es sich wieder um eine Sitzung, nicht wie ich mich in meiner Antwort meinem Anwalt gegenüber ausdrückte, um den eigentlichen Reichsverteidigungsrat, sondern um eine umfassende Sitzung, zu der zahlreiche andere Dienststellen herangezogen waren, und um den zweiten nach 1938 geschaffenen Reichsverteidigungsrat, nicht um jenen geheimen, der aus den Jahren 1933-1938 stammt.

JUSTICE JACKSON: Wir haben also Ihre Aussage so auszulegen, daß Sie, wenn Sie behaupten, es hätten keine Sitzungen des Reichsverteidigungsrates stattgefunden, Sie damit nur sagen wollen, daß keine Sitzungen stattfanden, bei denen keine anderen Personen anwesend waren?

GÖRING: Nein, das ist nicht richtig. Es handelt sich um zwei Reichsverteidigungsgesetze, die ich auch in meiner Aussage klarzustellen versuchte: um den geheimen Reichsverteidigungsrat, der zurückgehalten worden war und nicht in die Öffentlichkeit trat, von 1933 bis 1938, und den Reichsverteidigungsrat, der dann 1938 geschaffen wurde und 1939 in den Ministerrat überführt wurde; und dieser hat weit über den Rahmen der zugehörigen Mitglieder Sitzungen abgehalten.

JUSTICE JACKSON: Sie meinen also, daß dies nicht der im Geheimen einberufene Verteidigungsrat war?

GÖRING: Ich möchte die Antwort erst mit Ja oder Nein beantworten, obwohl sich auf diese Frage schwer mit Ja oder Nein antworten läßt. Ich behaupte, daß der geheime Reichsverteidigungsrat, der nicht veröffentlicht wurde, aus der Ministersitzung von 1933 geschaffen, nicht zusammengetreten ist, sondern der nach 1938 durch ein neues Reichsverteidigungsgesetz geschaffene Rat; denn damals war ja die Wehrhoheit schon längst erklärt. Der erste, von dem die Anklagebehörde hier als dem geheimen sprach, ist nicht zusammengetreten; das hat auch das gestrige Dokument bewiesen.

JUSTICE JACKSON: Wollen Sie bitte auf Seite 19 der Urkunde nachsehen und mir sagen, ob es sich da nicht bei einem der in dieser Sitzung behandelten Punkte eben gerade um die Aufhebung der Geheimhaltung des Reichsverteidigungsgesetzes gehandelt hat?

GÖRING: Nein, so steht es nicht darin. Es steht drin, ich darf es übersetzen, der letzte Punkt der Tagesordnung, Folgerungen aus der Aufhebung des Geheimschutzes des Reichsverteidigungsgesetzes und Maßnahmen zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs, ist durch Schreiben des Reichsverteidigungsausschusses und so weiter schon am 26. Juni erledigt worden. Die Folgerungen aus der Aufhebung des Geheimschutzes zur Erleichterung des Schriftverkehrs.

JUSTICE JACKSON: Sie haben erklärt, daß in der jüdischen Frage einige Regierungsmitglieder radikaler waren als Sie. Wollen Sie sagen, um wen es sich hier handelt?

GÖRING: Zunächst war allgemein bei Regierungsübernahme nur die Forderung gestellt: Ausscheiden aus den politischen Stellen und Ausscheiden aus gewissen sonstigen führenden Staatsstellen. Es kam dann hinzu...

JUSTICE JACKSON: Danach habe ich Sie ja nicht gefragt.

VORSITZENDER: Das ist keine direkte Antwort auf die Frage. Sie hatten erklärt, daß einige deutsche Regierungsmitglieder radikaler gegen die Juden gewesen seien, als Sie. Würden Sie uns sagen, welche Mitglieder der Regierung radikaler waren, als Sie?

GÖRING: Verzeihung, ich habe die Frage nicht verstanden, um wen, sondern worin. Wenn gefragt wird, um wen, dann betone ich, daß es sich um die Persönlichkeiten des Ministers Goebbels und Himmlers in der Hauptsache gehandelt hat.

JUSTICE JACKSON: Bezeichnen Sie auch Ihren Mitangeklagten Streicher radikaler als sich selbst?

GÖRING: Ja, aber er war nicht Regierungsmitglied.

JUSTICE JACKSON: Er war Gauleiter gerade des Gebietes, in dem wir uns befinden, nicht wahr?

GÖRING: Das ist richtig, hatte aber auf Regierungsmaßnahmen geringen Einfluß oder gar keinen.

JUSTICE JACKSON: Wie steht es mit Heydrich?

GÖRING: Heydrich war ein Untergebener von Himmler. Wenn ich Himmler sagte, so muß ich Heydrich mit einbeziehen.

JUSTICE JACKSON: Dann gehört Heydrich also in die Liste der Radikaleren, auf die Sie sich beziehen?

Wie steht es mit Bormann?

GÖRING: Das Hervortreten Bormanns in radikaler Richtung habe ich erst in späteren Jahren bemerkt. Seine Anfangshaltung kenne ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte nun mit Ihnen kurz das durchsprechen, was die Anklage als von Ihnen im Zusammenhang mit der jüdischen Frage durchgeführte öffentliche Maßnahmen bezeichnet. Von Anfang an betrachteten Sie die Eliminierung der Juden aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands als eine der Phasen des Vierjahresplanes, der unter Ihrer Leitung stand. Stimmt das?

GÖRING: Ja, zum Teil stimmt das. Die Eliminierung, soweit es sich vor allem um die größeren Betriebe handelte, weil dort fortgesetzt dadurch Unruhe entstand, daß darauf hingewiesen wurde, daß hier große Betriebe und auch Rüstungsbetriebe zum Teil noch unter jüdischen Direktoren oder Aktionären standen; und das gab immer von den unteren Stellen Anlaß einer gewissen Beunruhigung für den Betrieb.

JUSTICE JACKSON: Wollen Sie den Gerichtshof glauben machen, daß Sie nur an den großen jüdischen Unternehmen interessiert waren? Meinen Sie das so?

GÖRING: Mich störten zunächst die kleinen Läden – und zwar für den Vierjahresplan – nicht.

JUSTICE JACKSON: Wann fingen die kleinen Läden an Sie zu stören?

GÖRING: Als der übersetzte Handel zurückgeschraubt werden sollte – der Einzelhandel –, wurde bestimmt, daß hierzu in erster Linie bei Einstellung von Geschäften jüdische zu nehmen seien.

JUSTICE JACKSON: Nun wollen wir die Gesetze durchgehen, die Sie in Verbindung mit der Judenfrage zur Durchführung gebracht haben. Erstens, haben Sie die Nürnberger Gesetze proklamiert?

GÖRING: Als Reichstagspräsident jawohl, das habe ich schon betont.

JUSTICE JACKSON: Wann war das?

GÖRING: 1935 glaube ich, hier in Nürnberg, im September.

JUSTICE JACKSON: Und das war die erste gesetzliche Maßnahme gegen die Juden. Stimmt das?

GÖRING: Das war eine legale Maßnahme.

JUSTICE JACKSON: Das war die erste gesetzliche Maßnahme, die Ihre Regierung gegen die Juden unternommen hat, nicht wahr?

GÖRING: Nein, ich glaube die Ausscheidung aus dem Berufsbeamtentum liegt vorher.

JUSTICE JACKSON: Wann war das?

GÖRING: Ich will mich auf das Datum nicht festlegen. Aber das, glaube ich, war bereits im Jahre 1933.

JUSTICE JACKSON: Am 1. Dezember 1936 erließen Sie dann ein Gesetz, wonach über Deutsche, die ihr Vermögen ins Ausland schafften oder dort beließen, die Todesstrafe verhängt wurde.

GÖRING: Das ist richtig.

JUSTICE JACKSON: Mit anderen Worten, dieses Eigentum des Schuldigen verfiel dem Staate, und der Volksgerichtshof übernahm die Strafverfolgung, nicht wahr?

GÖRING: Das ist richtig, die Devisenschutzverordnung, das heißt, wer ohne Erlaubnis der Regierung ein Konto im Ausland hat.

JUSTICE JACKSON: Ihr drittes Gesetz wurde am 22. April 1938 erlassen und sieht Strafen für die Verschleierung eines jüdischen Unternehmens im Reiche vor.

GÖRING: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Dann erteilten Sie, Hermann Göring, am 28. Juli 1939 gewisse Richtlinien über die Zuständigkeit der Gerichte bei der Behandlung jener in der Verordnung vorgesehenen Fälle. Stimmt das?

GÖRING: Ich bitte mir das Gesetz vorzulegen. Ich habe es nicht im Kopfe.

JUSTICE JACKSON: Ich will durch seine Verlesung keine Zeit verschwenden. Bestreiten Sie, daß Sie das im Reichsgesetzblatt 1939 auf Seite 1370 veröffentlichte Gesetz über die Zuständigkeit der Gerichte in Strafsachen gegen die Juden erlassen haben? Können Sie sich daran erinnern?

GÖRING: Ich kann mich nicht an das Gesetz erinnern. Wenn es im Reichsgesetzblatt steht und meinen Namen trägt, ist es selbstverständlich. Ich weiß nur nicht den Inhalt jetzt.

JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie am 26. April 1938 im Rahmen des Vierjahresplanes eine Verordnung erlassen nach der jüdisches Vermögen angegeben werden mußte, und Juden im In- und Auslande ihr Vermögen anmelden mußten. Stimmt das?

GÖRING: Ich nehme es an. Ich habe es nicht in Erinnerung, aber wenn Sie dort den Erlaß haben, und wenn der Erlaß meine Unterschrift trägt, so kann kein Zweifel darüber bestehen.

JUSTICE JACKSON: Am 26. April 1938 erließen Sie im Rahmen des Vierjahresplanes eine Verordnung, gemäß der jede Verfügung über jüdische Unternehmen von der Regierung zuvor genehmigt werden mußte.

GÖRING: Daran erinnere ich mich.

JUSTICE JACKSON: Und dann veröffentlichten Sie am 12. November 1938 auch im Rahmen des Vierjahresplanes einen Erlaß, durch den eine Geldstrafe in Höhe von einer Milliarde Mark über alle Juden verhängt wurde.

GÖRING: Ich habe bereits ausgeführt, daß ich diese sämtlichen damals erlassenen Gesetze gezeichnet habe und dafür die Verantwortung trage.

JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie, ob Sie dieses besondere Gesetz unterzeichnet haben. Ich werde Ihnen darüber später noch einige Fragen stellen.

GÖRING: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Dann unterzeichneten Sie am 12. November 1938 einen weiteren Erlaß im Rahmen des Vierjahresplanes, in welchem bestimmt wird, daß alle den Juden in den Unruhen von 1938 zugefügten Schäden sofort durch die Juden selbst auf eigene Kosten wieder gut zu machen seien, und daß ihre Versicherungsansprüche dem Staat verfallen. Haben Sie das Gesetz persönlich unterzeichnet?

GÖRING: Ein ähnliches Gesetz habe ich unterschrieben, ob es genau so die Zusammenhänge wiedergibt, wie Sie es soeben ausdrückten, weiß ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Sie leugnen aber nicht, daß das im großen und ganzen der Inhalt des Gesetzes war?

GÖRING: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und haben Sie am 12. November 1938 nicht persönlich einen Erlaß unterzeichnet, auch im Rahmen des Vierjahresplans, nach dem es den Juden untersagt war, Einzelhandelsgeschäfte zu besitzen, ein selbständiges Handwerk auszuüben, auf Märkten oder Ausstellungen Waren oder Dienste gegen Bezahlung anzubieten, oder sich als Leiter von Unternehmungen oder als Genossenschaftsmitglieder zu betätigen? Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Ja, das waren alles Teile der Erlasse zum Ausscheiden des Judentums aus dem Wirtschaftsleben.

JUSTICE JACKSON: Dann unterzeichneten Sie am 21. Februar 1939 einen Erlaß, nach dem die Juden alle käuflich erworbenen Wertsachen und Juwelen innerhalb von zwei Wochen an die Behörde abzuliefern hatten.

GÖRING: Ich erinnere mich nicht, aber es wird zweifelsohne stimmen.

JUSTICE JACKSON: Ich verweise auf Band I des Reichsgesetzblattes von 1939, Seite 282. Sie können sich nicht mehr daran erinnern?

GÖRING: Ich habe das Reichsgesetzblatt nicht vor mir, aber, wenn im Reichsgesetzblatt ein Erlaß oder ein Gesetz mit meinem Namen unterschrieben steht, dann habe ich dieses Gesetz unterschrieben und erlassen.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht ebenfalls, am 3. März 1939, einen Erlaß unterzeichnet über die Zeitspanne, in welcher die Juden ihre Schmucksachen abliefern mußten? Ich verweise auf das Reichsgesetzblatt, Band I, 1939, Seite 387.

GÖRING: Ich nehme an, daß es der Ausführungserlaß zu dem eben vorher erwähnten Ablieferungserlaß ist. Ein Gesetz erfordert ja manchmal Ausführungsbestimmungen und Ausführungserlasse im Gefolge des Gesetzes. Zusammen gesehen ist das eine einzige Maßnahme.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht auch im Rahmen des Vierjahresplanes am 17. September 1940 den Erlaß unterzeichnet, welcher die Beschlagnahme des jüdischen Eigentums in Polen befahl?

GÖRING: Jawohl, das habe ich neulich schon ausgeführt, und zwar in den Teilen Polens, ich darf darauf hinweisen, die als alte deutsche Provinzen wieder eingedeutscht werden sollten.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie am 30. November 1940 in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Reichsverteidigungsrats einen Erlaß unterzeichnet, der bestimmte, daß Juden für Schäden, die durch Feindeinwirkung oder durch deutsche Truppen entstanden waren, keine Entschädigung erhalten sollten? Ich verweise auf das Reichsgesetzblatt, Band I, 1940, Seite 1547.

GÖRING: Wenn Sie das dort stehen haben, dann ist das richtig.

JUSTICE JACKSON: Sie können sich nicht daran erinnern?

GÖRING: Nicht an alle einzelnen Gesetze und Erlasse, das ist unmöglich.

JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie am 31. Juli 1941 einen Erlaß unterzeichnet, in dem Himmler und der Chef der Sicherheitspolizei, SS-Gruppenführer Heydrich, aufgefordert wurden, Pläne für die vollkommene Lösung der Judenfrage auszuarbeiten?

GÖRING: Nein, so ist das nicht richtig, diesen Erlaß kenne ich genau.

JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen Dokument 710, US-509, vorlegen lassen.

VORSITZENDER: Das ist 710-PS?

JUSTICE JACKSON: 710-PS, Herr Vorsitzender.