[Pause von 10 Minuten.]
DR. HORN: Herr Präsident, ich bitte das Hohe Gericht, zu gestatten, daß der Angeklagte von Ribbentrop morgen der Sitzung fernbleiben darf, da ich mit ihm noch grundlegende Fragen zur Vorbereitung seines Gegenbeweisangebotes zu regeln habe und uns bisher, trotz...
VORSITZENDER: Einen Augenblick, die Dolmetscherin sagte, sie könne Sie nicht hören; wollen Sie bitte wiederholen.
DR. HORN: Herr Präsident! Ich bitte das Hohe Gericht, zu gestatten, daß der Angeklagte von Ribbentrop morgen der Sitzung fernbleiben darf, um mit mir noch grundlegende Fragen zu seiner Gegenbeweisführung zu besprechen. Es war mir in Anbetracht der verspäteten Übernahme der Verteidigung infolge einiger technischer Schwierigkeiten noch nicht möglich, diese Fragen bisher so entscheidend mit ihm zu klären, daß ich bis Ende der Woche mein Gegenbeweisangebot vorbringen kann; ich bitte, aus diesen Gründen meinem Antrag stattzugeben.
VORSITZENDER: Dr. Horn! Ihr Vorschlag ist, wie ich verstehe, daß der Angeklagte Ribbentrop morgen vormittag von der Sitzung fernbleiben soll, damit Sie sich mit ihm wegen der Vorbereitung seiner Verteidigung beraten können. Stimmt das?
DR. HORN: Ja, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat dagegen nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß Sie sich mit einem anderen Verteidiger verständigen, der die Interessen Ribbentrops vertritt, falls ihn berührende Fragen auftauchen sollten. Der Gerichtshof wünscht nicht, daß Sie später kommen und sagen, Sie und der Angeklagte Ribbentrop seien nicht anwesend gewesen, und daß Sie aus diesem Grunde Einwände geltend machen über Dinge, die während Ihrer Abwesenheit besprochen wurden. Sie verstehen, was ich meine?
DR. HORN: Sie können sicher sein, daß wir uns auf diesen Einwand nicht berufen werden, und daß ich einen Kollegen bitten werde, meine Vertretung wahrzunehmen.
VORSITZENDER: Gut.
DR. HORN: Ich danke Ihnen, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat gegen Ihr Vorhaben nichts einzuwenden. Aber Sie verstehen, daß die Verhandlung nicht durch irgendeine Verzögerung, die vielleicht in Zukunft aufkommen könnte, weil Sie nicht anwesend waren, aufgehalten werden darf.
DR. HORN: Der Zweck meines Antrages ist ja gerade, Verzögerungen zu vermeiden, die in der Person meines Mandanten oder seiner Sache entstehen könnten.
VORSITZENDER: Das verstehe ich vollkommen. Der Gerichtshof wollte im Zusammenhang mit dieser vollkommen klaren Zusage nur andeuten, daß er Verzögerungen in Zukunft nicht gestatten kann. Der Prozeß muß weitergehen.
DR. HORN: Ja, Herr Präsident, danke.
JUSTICE JACKSON: Der »Völkische Beobachter« vom 12. März 1933 zitiert eine Rede von Ihnen, die Sie am 11. März 1933 in Essen gehalten haben; ich will durch diesen Hinweis Ihr Gedächtnis auffrischen. Unter anderem haben Sie dort gesagt:
»Ich höre, daß ich die Polizei einsetzen soll. Selbstverständlich werde ich die Polizei verwenden und rücksichtslos, falls das deutsche Volk verletzt wird. Ich weigere mich aber, die Gedanken anzunehmen, daß die Polizei eine Schutztruppe ist für jüdische Läden. Nein, die Polizei schützt jeden, der legal nach Deutschland kommt, aber sie ist nicht dazu da, um jüdische Wucherer zu schützen.«
Haben Sie das gesagt?
GÖRING: Wann soll das gewesen sein?
JUSTICE JACKSON: Haben Sie das wörtlich oder dem Sinne nach am 11. März 1933 anläßlich einer Rede in Essen erklärt?
GÖRING: Das ist richtig, aber in einem anderen Zusammenhang. Bevor ich darauf eingehe, darf ich fragen: Sie sind mit dem Dokument hier fertig, in dem Buch, das mir vorhin vorgelegt wurde, weil ich dafür keine Erklärung abgegeben habe? Ich werde meinen Verteidiger bitten, mich zu diesem Dokument später zu befragen.
JUSTICE JACKSON: Das ist in Ordnung. Nach den Ausschreitungen vom 9. und 10. November haben Sie, wie Sie bereits aussagten, für den 12. November eine Sitzung einberufen und den Befehl erteilt, alle zuständigen Beamten hätten anwesend zu sein, und Sie haben erklärt, der Führer bestände darauf, daß auch Goebbels anwesend sei.
GÖRING: Ja, die einschlägigen Führer der Wirtschaftsressorts.
JUSTICE JACKSON: Können Sie uns sagen, wer damals außer Ihnen und Goebbels noch anwesend war?
GÖRING: Es waren da, soviel ich mich erinnern kann, zur Berichterstattung: Der Chef der Geheimen Staatspolizei über die Vorgänge, dann der Wirtschaftsminister, der Finanzminister, der Innenminister...
JUSTICE JACKSON: Wollen Sie bitte die Namen angeben, damit kein Mißverständnis darüber entsteht, wer damals anwesend war.
GÖRING: Ich kann sie nur aus der Erinnerung anführen, soweit ich das Protokoll kenne. Also, es waren da zur Berichterstattung der Vorgänge der Führer der Geheimen Staatspolizei in Berlin, Heydrich, es war da, soweit ich mich erinnere, der Innenminister Dr. Frick, Dr. Goebbels haben Sie schon erwähnt; es war da der damalige Wirtschaftsminister Funk, der Finanzminister Graf Schwerin-Krosigk, von der Ostmark Fischböck. Das sind die Namen, an die ich mich im Augenblick erinnern kann, es ist möglich, daß noch einige mehr dagewesen sind.
JUSTICE JACKSON: Der Vertreter der Versicherungsgesellschaften, Hilgard, war auch einige Zeit anwesend, ist das richtig?
GÖRING: Er war gerufen, wartete und wurde zu den speziellen Fragen gehört.
JUSTICE JACKSON: Man hat Ihnen das stenographische Protokoll dieser Sitzung während Ihres Verhörs gezeigt, nicht wahr? Es liegt als US-261, 1816-PS vor.
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Ich lasse es Ihnen noch einmal vorlegen, und zwar jetzt, damit auch bezüglich der Übersetzung kein Mißverständnis entsteht.
Sie haben die Sitzung mit folgender Erklärung eröffnet, ich verlese:
»Meine Herren...«
Ich glaube, wir sollten uns erst darüber klar sein, um welche Sitzung es sich hier eigentlich handelt. Es ist die Sitzung, die am 12. November 1938 in der Dienststelle des Reichsluftfahrtministeriums stattfand. Das stimmt, nicht wahr?
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Sie eröffneten die Sitzung mit folgenden Worten:
»Meine Herren, die heutage Sitzung ist von entscheidender Bedeutung. Ich habe einen Brief bekommen, den mir der Stabsleiter des Stellvertreters des Führers Bormann im Auftrag des Führers geschrieben hat, wonach die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefaßt werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist.«
Stimmt das?
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Weiter unten finde ich folgendes:
»Denn meine Herren, diese Demonstrationen habe ich satt. Sie schädigen nicht den Juden, sondern schließlich mich, der ich die Wirtschaft als letzte Instanz zusammenzufassen habe. Wenn heute ein jüdisches Geschäft zertrümmert wird, wenn Waren auf die Straße geschmissen werden, dann ersetzt die Versicherung dem Juden den Schaden – er hat ihn gar nicht –, und zweitens sind Konsumgüter, Volksgüter zerstört worden. Wenn in Zukunft schon Demonstrationen, die unter Umständen notwendig sein mögen, stattfinden, dann bitte ich nun endgültig, sie so zu lenken, daß man sich nicht in das eigene Fleisch schneidet.«
Ist das richtig?
GÖRING: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Wir überspringen zwei bis drei Absätze und lesen...
GÖRING: Es ist aber der Nachsatz weggelassen worden.
JUSTICE JACKSON: Schön, Sie können ihn ergänzen, wie Sie wollen!
GÖRING:
»... dann bitte ich nun endgültig, sie so zu lenken, daß man sich nicht in das eigene Fleisch schneidet. Denn es ist irrsinnig, ein jüdisches Warenhaus auszuräumen und anzuzünden, und dann trägt eine deutsche Versicherungsgesellschaft den Schaden, und die Waren, die ich dringend brauche... werden verbrannt und fehlen... Da kann ich gleich die Rohstoffe anzünden, wenn sie hereinkommen«.
JUSTICE JACKSON: Stimmt. Sie können jede beliebige Stelle in Ergänzung zu meiner Lektüre verlesen:
»Nun habe ich aber keine Lust, die deutschen Versicherungsgesellschaften diesen Schaden tragen zu lassen. Ich werde deshalb auf Grund meiner Vollmacht eine Anordnung erlassen und bitte da natürlich um die Mitarbeit der zuständigen Ministerien, damit das in das richtige Lot kommt und die Versicherungsgesellschaf ten den Schaden nicht zu tragen haben.
Es taucht aber sofort ein zweites Moment auf: diese Versicherungsgesellschaften können im Ausland rückversichert sein. Falls eine solche Rückversicherung hier in Frage kommt, möchte ich wieder nicht darauf verzichten, weil sie Devisen bringt. Das muß also untersucht werden. Aus diesem Grunde habe ich auch Herrn Hilgard von den Versicherungen hierher bestellt, der uns am besten darüber Auskunft geben kann, wieweit die Versicherungsgesellschaften durch Rückversicherungen gegen solche Schäden gedeckt sind. Denn darauf möchte ich auf keinen Fall verzichten.«
Stimmt das?
GÖRING: Absolut richtig.
JUSTICE JACKSON:
»Darüber möchte ich keinen Zweifel lassen, meine Herren: die heutige Sitzung ist nicht dazu da, sich erneut darüber zu unterhalten, was getan werden sollte, sondern es fallen jetzt Entscheidungen, und ich bitte die Ressorts inständig, nun aber Schlag auf Schlag die notwendigen Maßnahmen zur Arisierung der Wirtschaft zu treffen und mir vorzulegen, soweit das notwendig ist.«
Ich überspringe dann einen beträchtlichen Teil, vorausgesetzt, daß Sie nicht etwas einfügen wollen. Wir kommen dann zu folgender Stelle:
»Der Treuhänder des Staates schätzt das Geschäft ab und bestimmt, welchen Betrag der Jude bekommt. Dieser Betrag ist selbstverständlich an sich schon möglichst niedrig zu halten. Das Geschäft wird dann von der Treuhand in arischen Besitz überführt, und hierbei ist der Aufschlag zu erzielen, das heißt, das Geschäft ist entsprechend seinem normalen tatsächlichen Verkehrswert und Bilanzwert an den Mann zu bringen.
Hier setzen Schwierigkeiten ein. Es ist menschlich verständlich, daß in starkem Maße versucht wird, in diese Geschäfte Parteigenossen hineinzubringen und ihnen so gewisse Entschädigungen zu geben. Ich habe da entsetzliche Dinge in der Vergangenheit gesehen; daß sich kleine Chauffeure von Gauleitern derart bereichert haben, daß sie auf diese Weise schließlich eine halbe Million Vermögen an sich gebracht haben. Die Herren wissen Bescheid?«
Das stimmt doch?