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[Zum Zeugen gewandt:]

Ist Ihnen der Befehl des OKW über die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen bekannt?

GÖRING: Ich möchte sie sehen.

GENERAL RUDENKO: Bitte sehr. Herr Vorsitzender, dieses Dokument ist dem Gerichtshof bereits vorgelegt. Es ist 338-PS.

Bitte beachten Sie Punkt A, Paragraph 3, wo eine grundsätzliche Richtlinie dahingehend festgelegt wird, daß die Verwendung von Waffen gegen sowjetische Kriegsgefangene in der Regel als berechtigt anzusehen ist und die Wachtposten von der Verpflichtung befreit, hierüber zu berichten. Dieses Dokument spricht ebenfalls für sich selbst. Ich will nicht...

GÖRING: Einen Augenblick, ich muß es erst mal lesen, hier ist etwas nicht ganz klar.

GENERAL RUDENKO: Ich will Ihnen eine andere kleine Stelle in Erinnerung bringen. Es ist aus einem Befehl über die Behandlung der Sowjetkriegsgefangenen. Hier heißt es: Die Kriegsgefangenen, die einen Fluchtversuch unternehmen, sollen ohne vorherigen »Halt«-Ruf erschossen werden. Dasselbe wird auch im Merkblatt über die Behandlung der Sowjetkriegsgefangenen erwähnt.

GÖRING: Es wird hier auf die Schwierigkeit hingewiesen, die in der Sprache liegt und nicht verstanden wird, und deshalb soll die Wache den Waffengebrauch bei Fluchtversuch sofort benützen. Das ist ungefähr der Sinn, und daß hierbei Irrtümer vorkommen können, ist klar.

GENERAL RUDENKO: Ich sprach nicht über die Substanz des Dokuments, das spricht für sich selbst. Ich frage Sie: kannten Sie dieses Dokument?

GÖRING: Es handelt sich hier um ein Dokument, über die Behandlung der Kriegsgefangenen, und dieses war unmittelbar meiner Dienststelle gegeben. Ich kannte dieses Dokument nicht, auch dieses nicht, wo es sich hier um ein Gutachten des Amtes Ausland/Abwehr zu den Dingen handelt.

GENERAL RUDENKO: Sie kannten dieses Dokument nicht? Gut. Nun ein anderes Dokument, und zwar 884-PS. Es liegt bereits vor. Es behandelt die rücksichtslose Vernichtung der Politruks und anderer politischer Führer. Dies ist ein Dokument...

GÖRING: Ich möchte noch zur Aufklärung betonen, daß die Luftwaffe keine Gefangenenlager mit Sowjetgefangenen hatte. Sie hatte nur die sechs Lager, in denen die Luftwaffenangehörigen der anderen Mächte gefangen waren. Sie hatte aber nicht Gefangenenlager mit Sowjetgefangenen unter sich.

GENERAL RUDENKO: Ich habe Ihnen diese Frage gestellt und diese Dokumente vorgelegt, weil Sie bei Ihrem Rang als zweiter Mann Deutschlands unmöglich über derartige grundsätzliche Befehle nicht Bescheid wissen konnten.

GÖRING: Verzeihung, wenn ich widerspreche. Gerade weil meine Stelle so hoch war, befaßte ich mich um so weniger mit Befehlen über Kriegsgefangene, die an sich reine Ressortbefehle waren und nicht Befehle von höchster politischer oder militärischer Bedeutung. Wäre ich im Dienstgrad sehr viel tiefer gestanden, so hätte ich vielleicht von diesen Befehlen mehr Kenntnis bekommen. Ich bin jetzt bei dem Dokument, das Sie mir vorgelegt haben: Abteilung Landesverteidigung. Links steht: »Betrifft: Behandlung gefangener politischer und militärischer russischer Funktionäre.« Dieses ist das Dokument.

GENERAL RUDENKO: Bitte sehen Sie sich das Datum dieses Dokuments an: Führerhauptquartier, 12. Mai 1941.

GÖRING: Ja.

GENERAL RUDENKO: Bitte, sehen Sie sich den Paragraphen 3 des Dokuments an:

»Politische Leiter in der Truppe werden nicht als Gefangene anerkannt und sind spätestens in den Durchgangslagern zu erledigen. Kein Abschieben nach rückwärts.«

Wußten Sie von dieser Anweisung?

GÖRING: Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es sich hier nicht um irgendeine Anweisung handelt, sondern überschrieben ist: »Vortragsnotiz«, unterzeichnet mit »Warlimont«, und daß der Verteiler auch keine andere Dienststelle außerhalb dieser Abteilung »Landesverteidigung« vorsieht. Also eine Vortragsnotiz ist dieses Dokument.

GENERAL RUDENKO: Sie wußten also nichts über dieses Dokument?

GÖRING: Ich sage noch einmal, die Vortragsnotiz ist eine Notiz des OKW-Führungsstabes, nicht eine Anweisung, nicht ein Befehl, sondern eine Vortragsnotiz.

VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf diese Frage. Sie erzählen uns, was sie war und nicht, ob Sie davon wußten.

GÖRING: Nein, ich wußte es nicht, es war mir aber vorgelegt worden als Befehl, und ich wollte aufmerksam machen, daß es ein solcher nicht ist.

GENERAL RUDENKO: Weiter. Mußten die Weisungen über die Behandlung der Sowjetkriegsgefangenen in den Einheiten der Luftwaffe ausgeführt werden?

GÖRING: Wenn sie vom Führer befohlen waren, ja; oder auch, wenn sie von mir befohlen waren.

GENERAL RUDENKO: Können Sie sich an Ihre eigenen Richtlinien über diese Frage der Behandlung der Sowjetkriegsgefangenen erinnern?

GÖRING: Nein.

GENERAL RUDENKO: Sagen Sie...

GÖRING: Wir hatten ja keine Lager mit Sowjetkriegsgefangenen, die Luftwaffe...

GENERAL RUDENKO: Sagen Sie, die Mehrzahl dieser verbrecherischen Befehle und Richtlinien des OKW wurden doch vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion, und zwar im Rahmen der Vorbereitung des Krieges gegen die USSR erteilt. Beweist dies nicht, daß die Deutsche Regierung und das OKW im voraus einen vorbereiteten Plan für die Ausrottung der Sowjetbevölkerung hatte?

GÖRING: Nein, das beweist das in keinem Fall. Es ist nur hierdurch bewiesen, daß wir den Kampf mit der Sowjetunion für einen außerordentlich harten ansahen, der mit anderen Grundsätzen geführt wurde, weil keine Konventionen bestanden.

GENERAL RUDENKO: Diese Regeln, wie Sie den Kampf geführt haben, sind uns bekannt. Sagen Sie, Ihnen müssen doch die Richtlinien Himmlers bekannt sein, die er im Jahre 1941 über die Vernichtung von dreißig Millionen Slawen herausgegeben hat? Sie haben darüber auch hier vor dem Gerichtshof von dem Zeugen Bach-Zelewski gehört. Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Ja. Erstens war dies kein Befehl, sondern eine Rede, zweitens eine Behauptung von Zelewski und drittens, in sämtlichen Reden von Himmler wurden seine Unterführer auf die strengste Geheimhaltung hingewiesen. Das ist also eine Aussage eines Zeugen über das, was er gehört hat, und kein Befehl. Infolgedessen habe ich keine Kenntnis von diesem Unsinn gehabt.

GENERAL RUDENKO: Sie haben keine Kenntnis gehabt. Sagen Sie, im totalitären deutschen Staate gab es doch ein leitendes Zentrum: Hitler und seine nächste Umgebung, und Sie waren als Stellvertreter Hitlers darunter. Dieselben Anweisungen mußten auch für Keitel und Himmler gelten. Konnte denn Himmler von sich aus Anweisungen für die Vernichtung von dreißig Millionen Slawen herausgeben, ohne dazu von Hitler oder Ihnen beauftragt zu sein?

GÖRING: Himmler hat keinen Befehl über die Vernichtung von dreißig Millionen Slawen herausgegeben, sondern der Zeuge hat gesagt, daß er eine Rede in dem Sinn gehalten habe, dreißig Millionen Slawen müßten vernichtet werden. Wenn Himmler einen de facto-Befehl dieser Art herausgegeben hätte, so müßte er, wenn er sich an die Verfügungen hielt, den Führer, nicht mich, aber den Führer gefragt haben, und dieser hätte ihm wahrscheinlich sofort gesagt, daß das unmöglich sei.

GENERAL RUDENKO: Ich habe nicht von einem Befehl, sondern von einer Anweisung Himmlers gesprochen. Sie geben also zu, daß diese Anweisungen von Himmler ohne Übereinstimmung mit Hitler gegeben werden konnten?

GÖRING: Ich betone, daß eine solche Anweisung von Himmler nicht hätte gegeben werden können, und mir ist auch von keiner Anweisung bekannt und hier ist auch von keiner Anordnung gesprochen worden.

GENERAL RUDENKO: Ich wiederhole die Frage noch einmal. Ist es nicht wahr, daß die Befehle und die Anordnungen des OKW über die Behandlung der Zivilbevölkerung und der Kriegsgefangenen in den besetzten Sowjetgebieten einen Teil der generellen Weisungen über die Vernichtung der Slawen darstellten? Das will ich wissen.

GÖRING: Keineswegs. Es ist zu keinem Zeitpunkt eine Anweisung vom Führer oder von anderer Seite, die mir bekannt ist, über die Vernichtung von Slawen gegeben worden.

GENERAL RUDENKO: Sie mußten über die Massenvernichtung der Sowjetbürger aus den besetzten Sowjetgebieten, die mit Hilfe der Einsatzgruppen des SD und der Sicherheitspolizei durchgeführt waren, wissen. War die Tätigkeit der Einsatzgruppen nicht das Ergebnis der Ausführung eines im voraus zur Vernichtung von Juden und anderen friedlichen Sowjetbürgern vorbereiteten Planes?

GÖRING: Nein, die Einsatzgruppe war eine interne Angelegenheit, die sehr geheim gehalten wurde.

GENERAL RUDENKO: Ich habe noch mehr Fragen, vielleicht sollten wir jetzt eine Pause machen.

VORSITZENDER: Wie lange gedenken Sie noch zu gebrauchen, General Rudenko?

GENERAL RUDENKO: Ich glaube, nicht mehr als eine Stunde.

VORSITZENDER: All diese Dokumente, die Sie dem Zeugen vorgelegt haben, sind Dokumente, die, wie ich schon gesagt habe, als Beweismaterial hier vorliegen und die meiner Ansicht nach für sich selber sprechen. Ich hoffe aus diesem Grunde, daß Sie Ihr Kreuzverhör so kurz wie möglich machen. Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.