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[Das Gericht vertagt sich bis

16. April 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertneunter Tag.

Dienstag, 16, April 1946.

Vormittagssitzung.

DR. THOMA: Herr Rosenberg! Sie waren der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP und ihrer angeschlossenen Verbände. Hatten Sie in dieser Eigenschaft einen Einfluß auf die staatliche Gesetzgebung?

ROSENBERG: In diesem Zusammenhang hat mich der Führer einmal angesprochen und mir dargelegt, daß es in der Führung einer großen Bewegung und des Staates drei Gesichtspunkte zu überlegen gäbe. Es gäbe Menschen, die nach ihrer Anlage herantretende Probleme grundsätzlich bearbeiten müßten, durch Denken und durch Vorträge darzulegen hätten. Die Führung, also er, müßte aus diesen Darlegungen das herauswählen, was eventuell zu verwirklichen wäre, und die Dritten hätten die Aufgabe, diese ausgewählten Probleme dann in mühseliger Arbeit auf sozialpolitischem und wirtschaftlichem Gebiete zu verwirklichen.

So hat er meine Aufgabe im ersten Sinne aufgefaßt und hat mich mit dieser Überwachung der Erziehung in dem Sinne beauftragt, daß ich in aufrichtender Form, auf Grund auch meiner Kenntnis der Bewegung, Stellung nehmen müßte. Die Exekutive und Gesetzgebung lag in den Händen der entsprechenden Ministerien, das heißt des Erziehungsministeriums, des Reichspropagandaministeriums, und die Gesamtvertretung der Partei hatte die Parteikanzlei. Diese Parteikanzlei hat mich in dem einen und dem anderen Fall gebeten, Stellung zu nehmen zu dieser und jener Frage, war aber nicht verpflichtet, diese Stellungnahme zu berücksichtigen.

DR. THOMA: Herr Rosenberg, hatten Sie einen Einfluß auf die nationalsozialistische Schulpolitik?

ROSENBERG: Ich habe einen Einfluß auf die Schulpolitik unmittelbar nicht gehabt. Die Schulsysteme sind eine Angelegenheit des Reichserziehungsministeriums gewesen, und die eigentliche innere Organisation der Schule – nicht mit Schulung der Partei zu verwechseln – und die Organisation der Universitäten ist, wie gesagt, eine Aufgabe des damit beauftragten Ministeriums gewesen.

DR. THOMA: Es gab Nationalpolitische Erziehungsanstalten. Wissen Sie, was das für eine Einrichtung war, und was hatten Sie da für eine Funktion?

ROSENBERG: Die sogenannten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten waren eine besonders unter Führung des Erziehungsministeriums und des Reichsführers-SS Himmler hervorgerufene Gründung, um eine bestimmte disziplinierte Schicht auszubilden, und die Inspektion dieser Erziehungsanstalten hatte ein im Erziehungsministerium eingebauter SS-Führer.

DR. THOMA: Herr Rosenberg! Sie werden auch der Religionsverfolgung beschuldigt, und zwar kommt sie hauptsächlich zum Ausdruck in Ihrem »Mythus des 20. Jahrhunderts«. Geben Sie nun zu, daß Sie sich gegenüber den Kirchen manchmal etwas zu scharf ausgesprochen haben?

ROSENBERG: Ich will selbstverständlich ohne weiteres einräumen, daß ich den geschichtlich gewordenen Konfessionen gegenüber ein persönliches scharfes Urteil ausgesprochen habe. Ich möchte unterstreichen dabei, daß ich in der Einleitung meines Buches dieses Werk als ein persönliches Anschauungsbuch bezeichnet habe. Zweitens, daß dieses Werk sich nicht an die kirchengläubigen Schichten der Bevölkerung richtet, wie aus dem Dokumentenbuch Teil 1, Seite 125 im Zitat ersichtlich; drittens, daß ich eine Kirchenaustrittspropaganda ablehne, wie aus dem Dokumentenbuch Teil 1, Seite 122 zu ersehen ist, und daß ich einen politischen Eingriff des Staates in rein religiöse Bekenntnisse abgelehnt habe, was ebenfalls in diesem Werk eindeutig ausgesprochen worden ist. Ich habe ferner die vielen Vorschläge abgelehnt, dieses Buch in fremde Sprachen zu übersetzen. Ich habe nur einmal eine japanische Übersetzung vorgelegt bekommen, ohne daß ich mich entsinnen könnte, dazu eine Genehmigung erteilt zu haben.

DR. THOMA: Herr Rosenberg! Sie waren ja theologisch nicht vorgebildet. Glauben Sie nicht, daß Sie sich in manchem Urteil über theologische Fragen geirrt haben?

ROSENBERG: Ich habe selbstverständlich nie angenommen, daß dieses Buch, das sehr viele Probleme behandelt, ohne Irrtum sei. Ich habe viele Gegenschriften zum Teil dankbar begrüßt, habe auch einige Korrekturen vorgenommen, konnte aber manche Angriffe nicht immer als berechtigt anerkennen und dachte mir, später einmal selbstverständlich auch dieses Werk, das ja auch manche politisch bloß aktuelle Ausführungen enthielt, grundsätzlich zu bearbeiten.

DR. THOMA: Haben Sie jemals staatlich-polizeiliche Machtmittel gegen Ihre theologischen und wissenschaftlichen Gegner angerufen?

ROSENBERG: Nein. Ich möchte hier ausführen, daß dieses Werk zweieinhalb Jahre vor der Machtübernahme erschienen war, daß eine selbstverständliche Kritik von allen Seiten offenstand, daß aber die Hauptgegenschriften nach der Machtübernahme entstanden. Ich habe auf diese Gegenschriften in zwei Broschüren geantwortet jedoch niemals die Polizei zur Unterdrückung dieser Schriften oder der Verfasser dieser Schriften aufgerufen.

DR. THOMA: Herr Rosenberg! Es gab im Reichssicherheitshauptamt eine Stelle zur Verfolgung »politischer« Kirchen. Hatten Sie mit dieser Stelle irgend etwas zu tun?

ROSENBERG: Ich weiß nur, daß ein Mitarbeiter von mir naturgemäß Fühlung hielt mit vielen Parteidienststellen und auch natürlich mit der SS Fühlung hatte. Ich habe durch ihn manche Rundschreiben der Kirchenbehörden bekommen, manche Hirtenbriefe, die Rundschreiben der sogenannten Fuldaer Bischofskonferenz und ähnliches mehr. Von den mir bekanntgegebenen Einzelverhaftungen verschiedener Kirchenführer ist mir damit keine zur Kenntnis gekommen, obgleich ich natürlich später erfuhr, daß während des Krieges manche Klöster beschlagnahmt wurden, wie es hieß, aus staatspolitischen Gründen, und so konnte ich im einzelnen die politischen Gründe nicht erfahren. Ich möchte hier noch eines bemerken, daß im Jahre 1935 einmal ein Bischof an den Oberpräsidenten seiner Provinz ein dienstliches Schreiben richtete mit dem Ersuchen, mir das Auftreten und mir einen Vortrag in dieser Stadt zu verbieten. Das ist zwar nicht geschehen, aber auch dem Kirchenfürsten ist daraufhin von mir aus und von keiner anderen Seite etwas passiert.

DR. THOMA: Wie haben Sie sich zu den Kirchen im Bereiche des Ostministeriums gestellt?

ROSENBERG: Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Osten hat die Wehrmacht von sich aus die freie Ausübung der religiösen Kulte wieder gestattet, und als ich Ostminister wurde, habe ich durch ein besonderes Kirchentoleranzedikt von Ende Dezember 1941 diese praktisch durchgeführte Tatsache auch gesetzlich bestätigt.

DR. THOMA: Die Anklage hat eine Anzahl von Urkunden, fast alles Briefe des Leiters der Parteikanzlei, zur Unterstützung ihrer Behauptung der Religionsverfolgung vorgelegt. Ich möchte Sie bitten, zu diesen Dokumenten Stellung zu nehmen. Es handelt sich um die bereits vorgelegten Dokumente 107, 116, 122, 129, 101, US-107, US-351, 116, US-685...

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Sie haben diese Zahlen viel zu schnell genannt. Meinen Sie 107-PS?

DR. THOMA: Jawohl.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte PS sagen, wenn Sie PS meinen; 107-PS, 116-PS.

DR. THOMA: Ja, ich werde noch die US-Nummern dazufügen, 107-PS, 351-US...

VORSITZENDER: Gut, ich möchte lieber die PS-Nummern haben. Wollen Sie mir bitte die PS- Nummern, oder was immer die Nummern sind, als Teil der Beweisstücknummern geben, 107-PS, 116-PS.

DR. THOMA: Jawohl, 116, 122, 129, 101, 100, 089, 064, 098, 072, 070.

ROSENBERG: Die Nummer 107 ist von der Anklage als ein Beweis von Kirchen Verfolgung vorgelegt worden. Es ist dies ein von der Parteikanzlei versandtes Rundschreiben des Leiters des Reichsarbeitsdienstes. In diesem Rundschreiben wird auf Seite 1 angeordnet, die konfessionellen Erörterungen innerhalb des Reichsarbeitsdienstes zu untersagen. Ich glaube, das ist geschehen, um gerade im Reichsarbeitsdienst, der junge Menschen aus allen Klassen und Lagen in sich aufnahm, von konfessionellen und religiösen Debatten abzuhalten. Auf Seite 2 heißt es dann wörtlich:

»So wenig es Sache des Reichsarbeitsdienstes ist, dem einzelnen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes zu verbieten, sich kirchlich trauen oder beerdigen zu lassen, so sehr muß der Reichsarbeitsdienst vermeiden, hierbei als Organisation sich an einer immer konfessionell gebundenen, das heißt andersgläubige Volksgenossen ausschließenden Feier zu beteiligen.«

Ich habe diese Anordnung als die strikteste Einhaltung einer religiösen Gewissensfreiheit betrachtet, weil dadurch protestantische Angehörige nicht zwangsmäßig auf Grund einer anderen Disziplin zu katholischen Kirchenfeiern gezwungen werden konnten und umgekehrt, und weiter auch, daß Personen, die vielleicht keiner Kirche mehr angehörten, durch Befehl ihrer Organisation gezwungen werden konnten, an der einen oder anderen konfessionellen Feier teilzunehmen. Ich könnte also nicht finden, daß hier eine Religionsverfolgung vorliegt.

Das Dokument 116-PS betrifft einen Brief des Leiters der Parteikanzlei an den Reichsminister für Wissenschaft und Erziehung vom 24. Januar 1939, der mir zur Kenntnisnahme, ich betone »zur Kenntnisnahme« zugeschickt wurde.

Hier wird auf eine Korrespondenz der Parteikanzlei mit dem Ministerium hingewiesen über Einschränkung theologischer Fakultäten, wobei betont wird, daß die Bestimmungen der Konkordate und Kirchenverträge berücksichtigt werden müßten; zweitens, daß eine gewisse planvolle Gestaltung des ganzen Hochschulwesens notwendig würde, viele Zusammenfassungen und Vereinfachungen; und zum Schlusse wird erklärt, daß ja schließlich auch neugeschaffene Forschungsgebiete für Rassenforschung und Altertumskunde zu berücksichtigen wären.

Ich konnte nun nicht finden, daß nach sechs Jahren national-sozialistischer Revolution nicht auch eine Anzahl Fachgebiete, die neu in die Forschung besonders eingeführt werden, innerhalb des Gesamtetats Berücksichtigung finden konnten. Ich bin persönlich auch dafür eingetreten, daß etwa die Gebiete der bäuerlichen Soziologie, der deutschen Frühgeschichte im Rahmen auch dieser Dinge ihre Berücksichtigung finden, namentlich auch in der germanischen Geistesgeschichte.

Das gleiche gilt von Dokument 122-PS, ebenfalls vom April 1939, auf das ich nicht einzugehen brauche. Es enthält ähnliche Gesichtspunkte des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter Betonung, welche Anzahl theologischer Fakultäten er zu erhalten für notwendig hält.

Das Dokument 129-PS ist einschreiben des Reichskirchenministers an einen bekannten deutschen Schriftsteller, Dr. Stapel, der sich besonders für eine religiöse Reform eingesetzt hat. In diesem Schreiben vertritt der Reichskirchenminister den Gedanken, eine Religionsgemeinschaft besonders zu fördern, welche den nationalsozialistischen Staat besonders bejaht und gleichsam eine unmittelbare Unterstützung des Reichskirchenministers darstellt und daher dessen besonderer Förderung sicher sei.

In der Voruntersuchung ist mir ein Schreiben von mir in dieser Angelegenheit an die Parteikanzlei vorgehalten worden, in dem ich mich gegen eine Einberufung eines solchen Kirchentages seitens des Reichskirchenministers ausgesprochen habe, und zwar aus dem prinzipiellen Grunde, daß ein nationalsozialistischer Kirchenminister nicht die Aufgabe habe, sich einer Religionsgemeinschaft anzugliedern, deren unmittelbarer, wenn auch unausgesprochener Chef er sei oder wenigstens zu sein scheine. Es ist genau der gleiche Gesichtspunkt, der ja in Bezug auf manche Vorwürfe gegen mich zutrifft.

Wenn ich die Absicht gehabt hätte, außer dem Vortrag persönlicher Gedanken eine Religionsgemeinschaft zu gründen oder zu führen, dann hätte ich sämtliche Arbeiten, Ämter und Funktionen in der Partei niederlegen müssen. Das ergab sich aus meinem prinzipiellen Standpunkt, den ich eingenommen habe. Der Kirchenminister als nationalsozialistischer Minister war meiner Ansicht nach auch verpflichtet, nicht eine ihm vielleicht sympathische Religionsgemeinschaft zu fördern, sondern sich unabhängig von allen Konfessionsgemeinschaften zu halten.

Das Dokument 101-PS ist ein Schreiben des Leiters der Parteikanzlei, damals noch des Stabsleiters des Stellvertreters des Führers, wo Klage geführt wird, daß manche konfessionellen Schriften geeignet seien, den Widerstandswillen der Truppen etwas zu lähmen. Er ersucht mich, daß meine Dienststelle doch solche Schriften herausgeben möge.

Eine Antwort von mir hat hier nicht vorgelegen, ist mir nicht vorgelegt worden. Mein Standpunkt ist immer der gewesen, daß ich nicht die Aufgabe hätte, religiöse Traktate zu verfassen als parteiamtliche Dienststelle, daß aber selbstverständlich jedem einzelnen überlassen werden könnte, wenn er etwas Wesentliches zu sagen hätte, dies niederzulegen in einer Schrift, wie andere auch.

Dokument 100-PS ist ein Vorwurf des damaligen Stabschefs des Stellvertreters des Führers, Bormann, daß ich mich beim Führer darüber geäußert hätte, daß der protestantische Reichsbischof Müller ein sehr gutes Buch für die deutschen Soldaten geschrieben hätte. Reichsleiter Bormann sagte, dieses Buch von Müller scheine ihm nicht geeignet, weil es eben doch getarnt eine konfessionelle Propaganda darstelle. Ich glaube nicht, daß der Vorwurf an mich, daß ich auch dem Reichsbischof Müller anstandslos zustimmte, daß auch er seine Stimme in einer anständigen Form, seiner Art natürlich entsprechend, zum Ausdruck bringe, als eine Religionsverfolgung dargestellt werden kann.

Dokument 089-PS ist ein Schreiben von Bormann, das er mir zur Kenntnisnahme zuschickte, indem er mit mitteilt, daß er beim damaligen Reichsleiter Amann dafür eingetreten sei, bei der allgemeinen Papierverknappung auch das konfessionelle Schrifttum, das sich nur um zehn Prozent verringert habe, weiter zu kürzen.

Ich wußte nicht, inwieweit diese Kürzung aller Zeitschriften damals vorgenommen wurde. Ich kann dazu nur feststellen, daß im Laufe des Krieges ja auch die von meiner Dienststelle herausgegebenen sieben Zeitschriften über Kunst Musik, Volkskunde, deutsche Dramaturgie und so weiter dauernd verkürzt und verkleinert wurden, wie alle übrigen Zeitschriften im Deutschen Reiche.

Das Dokument 064-PS ist ein Schreiben des Leiters der Parteikanzlei, in dem mir Mitteilung gemacht wird von dem Briefe eines Gauleiters über eine Schrift des Generals von Rabenau unter dem Titel »Von Geist und Seele des Soldaten«.

Dieser Gauleiter kritisiert die sehr konfessionell gebundene Anschauung des ihm bekannten Generals von Rabenau und erhebt Protest, daß diese Schrift in einer Schriftenreihe der Partei erschienen sei. Ich möchte hierzu feststellen, daß diese Schrift des Generals von Rabenau in einer Schriftenreihe erschienen ist, die von meiner Parteidienststelle herausgegeben wurde, und daß ich diese Schrift vorher persönlich gelesen hatte und auch ihm den Spielraum eingeräumt habe in dieser Schriftenreihe, die viele politische, allgemeine geschichtliche Schriften enthielt, ebenfalls zu Wort zu kommen. Die Schrift ist von mir nicht zurückgezogen worden.

Das Dokument 098-PS enthält einen neuen Vorwurf des Leiters der Parteikanzlei mir gegenüber. Er sagte, der Reichsbischof Müller erzähle, er hätte von mir einen Auftrag gehabt, Richtlinien für die Gestaltung des Religionsunterrichtes in den Schulen auszuarbeiten.

Bormann legte in langen Ausführungen dar, daß es nicht die Aufgabe der Partei wäre, irgendwelche reformatorische Versuche auf dem Gebiete des religiösen Schulunterrichtes vorzunehmen. Dazu habe ich zu erklären, ich habe dem Reichsbischof Müller gar keine Anweisungen zu diesem Thema geben können, aber der Reichsbischof hat mich zweimal besucht und hat mich einmal geradezu mit Tränen in den Augen davon unterrichtet, daß er in seinem Wirken keinen richtigen Widerhall finde, und ich habe ihm gesagt: Herr Reichsbischof, Sie sind der Allgemeinheit als Militärpfarrer nicht besonders bekannt. Es wäre richtig, wenn Sie über Ihr Denken und über Ihre Absichten ein eingehendes Werk schreiben würden, um die verschiedenen Gruppen der evangelischen Kirche von Ihren Ansichten zu unterrichten und dadurch in dem Sinne Einfluß zu nehmen, wie Sie sich es wünschten. Darüber wird der Reichsbischof wohl gesprochen haben und vielleicht noch einige Ausführungen angefügt haben. Ich glaube, dieser Vorwurf, der jetzt von Bormann hier gemacht wird, kann mir auch nicht als Religionsverfolgung zugeschrieben werden.

Das Dokument D-75 ist ein außerordentlich scharfes Rundschreiben des Leiters der Parteikanzlei über das Verhältnis, wie er die Stellung zwischen Nationalsozialismus und Christentum betrachtet. Meiner Erinnerung nach kann es sich hier nur um folgendes Dokument handeln: Ich hörte einmal, Bormann habe ein Schreiben des Inhalts, das er an einen Gauleiter gerichtet hatte, auch an alle Gauleiter geschickt. Ich ersuchte ihn, mir doch davon Kenntnis zu geben. Nach vielem Zögern erhielt ich dann dieses Rundschreiben. Ich hielt das in der Form und in der Tatsache eines Parteirundschreibens für nicht möglich. Ich habe Bormann davon geschrieben – und an sich müßte dieses Schreiben bei meinen Akten vorhanden sein –, daß ich ein solches Rundschreiben in dieser Form für nicht möglich erachte, und ich habe dann noch, damit es überlegt wird, handschriftlich diesem Schreiben hinzugefügt, daß meiner Ansicht nach der Führer ein derartiges Rundschreiben nicht genehmigen würde.

Ich habe dann Bormann noch persönlich später gesprochen und ihm erklärt, daß jeder von uns das Recht hätte, eine Stellungnahme zu diesem Problem persönlich einzunehmen, daß aber parteiamtliche Rundschreiben, dazu noch in dieser Form, meiner Ansicht nach nicht möglich seien. Bormann ist damals nach dieser Unterhaltung außerordentlich verlegen gewesen, und, wie ich zufällig von meinem Mitangeklagten Schirach gehört habe, sei ein solches Rundschreiben in der Partei seiner Ansicht nach zurückgezogen und für null und nichtig erklärt worden. Ich kann allerdings darüber keine Aussage machen.

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß ich dieses Dokument als 015 bezeichnet habe. Richtig heißt es D-75.

ROSENBERG: Das Dokument 072-PS ist ein Schreiben von Bormann an mich in der Angelegenheit der Erforschung der staatlich beschlagnahmten Klosterbibliotheken. Welche im einzelnen die politischen Ursachen dazu gewesen sind, ist mir nicht mitgeteilt worden. Ich hörte aber, daß die Polizei beanspruche, darüber hinaus auch die Forschung dieses Gebietes zu übernehmen. Das war ein Problem, das mich in Gegensatz zu Himmler in diesen Jahren geführt hat. Ich hielt es für gänzlich unmöglich, daß auch noch die Erforschung unter die polizeiliche Kontrolle kam, und das hat mich veranlaßt – und das ist in dem Dokument 071 ausgesprochen –, Bormann gegenüber dazu Stellung zu nehmen.

Dieses Dokument 072 stellt die Antwort Bormanns dar, wo er darauf hinweist, daß Heydrich durchaus darauf bestehe, diese Forschungen weiterzuführen. Er erklärt, ich zitiere:

»Die wissenschaftliche Bearbeitung des weltanschaulichen Gegnertums könne immer nur im Gefolge der politisch-polizeilichen Arbeit geschehen.«

Diese Haltung habe ich für unmöglich gehalten und dagegen Protest eingelegt.

Das ist das Wesentliche, was ich zu dieser Anzahl von Dokumenten zu sagen habe. Ich habe abgelehnt, parteiamtliche, religionsähnliche Traktate zu verfassen und Katechismen durch meine Parteidienststellen verfassen zu lassen. Ich habe mich bemüht, eine nationalsozialistische Haltung zu vertreten und meine Dienststellen nicht als geistige Polizei zu betrachten, aber die Tatsache bestand, daß der Führer Bormann amtlich mit der Vertretung der kirchenpolitischen Haltung der Partei beauftragt hatte. In allen diesen Schreiben fehlt meine Antwort. Ich weiß auch nicht, ob ich auf alles geantwortet habe, oder ob ich Bormann diese Antworten bei Besprechungen mündlich mitgeteilt habe.

Trotzdem diese Antworten aber alle fehlen, hat die Anklage hier erklärt, diese beiden, nämlich Bormann und ich, hätten hier Verfügungen für die Religionsverfolgung erlassen und die anderen Deutschen verleitet, an diesen Religionsverfolgungen teilzunehmen.

Ich möchte zusammenfassend grundsätzlich dazu sagen, daß hier schließlich ein tausendjähriges Problem des Verhältnisses zwischen weltlicher und kirchlicher Macht vorliegt, und daß viele Staaten ja Bestimmungen getroffen haben, gegen die die Kirchen immer protestiert haben. Wenn in neuerer Zeit wir die Gesetzgebung der Französischen Republik unter dem Ministerium Combes und die Gesetzgebung der Sowjetunion betrachten, so sehen wir, daß sie die amtlich geförderte Gottlosenpropaganda in Broschüren, Zeitungen und Karikaturen unterstützt haben.

Und schließlich möchte ich sagen, daß bei allen Dingen der nationalsozialistische Staat den Kirchen aus den eingetriebenen Steuern, soviel ich weiß, bis zum Schluß die Summe von über 700 Millionen Mark im Jahr für die Erhaltung ihrer Organisationsarbeit übergeben hat.

DR. THOMA: Herr Zeuge! Der Parteikanzleileiter Bormann ist in der Folgezeit in einen noch schärferen Gegensatz zu Ihnen getreten. War die Ursache – man darf wohl sagen – der Feindschaft Bormanns gegen Sie auch mit darin begründet, daß Sie in der Kirchenfrage eine wesentlich tolerantere Ansicht hatten als Bormann selbst?

ROSENBERG: Das ist schwer zu sagen, welche Gründe hier im einzelnen mitgespielt haben. Daß diese Gegnerschaft so tief war, wie sie sich am Ende namentlich in der Behandlung der Ostprobleme zeigte, habe ich eigentlich erst später, sehr spät, eingesehen. Ich mußte ja schließlich einräumen, daß es in einer großen Bewegung viele Temperamente und viele Anschauungen geben kann, und ich habe mich ja auch nicht ausgenommen, daß ich selber manche Unzulänglichkeiten und Fehler habe, die auch von anderen kritisiert werden konnten. Ich glaubte nicht, daß derartige Unterschiede und Anschauungen zu einer derartigen Gegnerschaft führen konnten, daß sie auf eine Unterminierung der dienstlichen Stelle des anderen hinauslaufen mußten.

DR. THOMA: Ist im Dritten Reich die Ausübung des Gottesdienstes in den Kirchen, der regelmäßige Sonntagsgottesdienst und so weiter in irgendeiner Weise eingeschränkt worden?

ROSENBERG: Das vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Soviel ich weiß, ist der Kirchendienst in ganz Deutschland bis zum Schluß nirgends untersagt worden.

DR. THOMA: Ich komme nun zu dem Einsatzstab. Ich übergebe Ihnen dazu das Dokument 101-PS, in dem die wesentlichen Dinge zusammengefaßt sind, und verweise auch auf das Dokumentenbuch der Französischen Anklagebehörde, insbesondere auf FA-1. Wie kam es zu der Gründung des Einsatzstabes Rosenberg?

ROSENBERG: Es ist von der Anklage behauptet worden, es hätte sich hier um eine lange vorhergehende Planung zwecks Plünderung der Kulturschätze anderer Staaten gehandelt. Es ist in Wirklichkeit so gewesen, daß hier ein nicht vorhergesehener Anlaß vorhanden war, und zwar hatte ein Mitarbeiter von mir beim Einmarsch der deutschen Truppen in Paris eine Pressedelegation begleitet und dabei festgestellt, daß die Pariser sonst alle zurückkehrten, nahezu geschlossen, mit Ausnahme der jüdischen Bevölkerung, so daß alle Institutionen und Organisationen dieser Art leer zurückgeblieben, und daß auch die Schlösser und Wohnungen dieser führenden Persönlichkeiten gleichsam herrenlos waren. Er regte an, daß doch hier eine Erforschung der Tatbestände, der Archive und des Briefwechsels vorgenommen würde. Ich habe von dieser Tatsache dem Führer Mitteilung gemacht und angefragt, ob er eine Durchführung einer solchen Anregung für richtig halte und zustimmen wolle.

Dieses Schreiben von mir an den Führer ist mir in der Voruntersuchung vorgelegt worden, wurde aber dem Gericht von der Anklage nicht zur Kenntnis gebracht. Trotzdem also der urkundliche Beweis für den Anlaß in dieser ganzen Handlung vorliegt, hat die Anklage den Vorwurf einer langen Planung aufrechterhalten.

Der Auftrag des Führers ist dann Anfang Juli 1940 erfolgt, und da neben den Archiven eine große Anzahl Kunstbestände, zum Teil gefährdet, in vielen Schlössern vorgefunden wurde, wurde auch die Sicherung und der Abtransport dieser Kunstwerke vom Führer in das Deutsche Reich angeordnet.

DR. THOMA: War Ihnen etwas darüber bekannt, welche rechtlichen Gründe Hitler glaubte haben zu dürfen für diese Maßnahme?

ROSENBERG: Ja, es ist, und das möchte ich ohne weiteres einräumen...

VORSITZENDER: Einen Augenblick, ich verstehe nicht, was Sie sagen. Sagen Sie, daß Sie dem Führer einen Vorschlag gemacht haben, und daß ein Beweis vorliegt für Ihren Brief, der diesen Vorschlag enthält, und daß die Anklagebehörde diesen Beweis zurückhält? Ist es das, was Sie sagen? Wollen Sie meine Frage beantworten! Behaupten Sie, daß die Anklagebehörde den Beweis für Ihren an den Führer gerichteten Vorschlag, jüdisches Eigentum aus Frankreich systematisch fortzuschaffen, verheimlicht hat?

ROSENBERG: Nein, ich möchte nicht sagen verheimlichen nur sagen, er ist nicht vorgelegt worden, trotzdem er mir in der Voruntersuchung zur Kenntnis gebracht wurde.

DR. THOMA: Dazu einige Einzelheiten, Herr Präsident! Ich möchte darauf hinweisen, daß ich wiederholt in meinen Eingaben darauf hingewiesen habe, daß dieser Brief vorliegen muß, weil er dem Angeklagten Rosenberg bei dem Verhör im Ermittlungsverfahren vorgelegt wurde.

VORSITZENDER: Haben Sie einen Antrag auf Vorlage des Dokuments gestellt?

DR. THOMA: Jawohl, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Wann?

DR. THOMA: Ich habe wiederholt auf dieses Dokument verwiesen, auf die Beischaffung dieses Dokuments.

VORSITZENDER: Dem Gerichtshof ist es nicht bekannt, einen solchen Antrag abgelehnt zu haben. Lassen Sie mich den schriftlichen Antrag sehen.

DR. THOMA: Ja.

VORSITZENDER: Wahrscheinlich ist es nicht eine Sache von großer Bedeutung. Ich wollte nur wissen, wovon der Zeuge sprach.

DR. THOMA: Ich werde meine Akten holen lassen, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Sehr gut. Sie können in der Zwischenzeit fortsetzen.

ROSENBERG: Es war natürlich klar, daß es sich hier um eine nicht gewöhnliche Angelegenheit handelte, und ich habe deshalb ja auch nicht mit der Militärverwaltung gesprochen, sondern mich unmittelbar an den Führer gewandt, um seine Meinungsäußerung zu hören. Es ist aber an sich, glaube ich, verständlich gewesen, daß wir ein Interesse daran hatten, das geschichtlich zu erforschen, inwieweit hier verschiedene Organisationen an einer Arbeit, die hier als friedenstörend auch zur Debatte steht, im Laufe der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte teilgenommen hatten. Zweitens, wieviel hervorragende Persönlichkeiten einzeln daran beteiligt waren. Und drittens ist mir in Erinnerung gewesen, daß viele Kunstwerke, die einmal in vergangenen Zeiten aus Deutschland fortgeführt worden waren, trotz des Vertrags von 1815 jahrzehntelang nicht zurückgeliefert wurden.

Zum Schluß aber habe ich gedacht an eine Maßnahme, welche die Alliierten von 1914 bis 1918 als mit der Haager Konvention vereinbar angesehen haben. In diesem Zeitraum wurde einer bestimmten Kategorie deutscher Staatsbürger, und zwar den Reichsdeutschen im Ausland, in fremden Staaten und auch in besetzten deutschen Gebieten, das heißt in den Kolonien, ihr Eigentum beschlagnahmt und später entschädigungslos enteignet in einer Höhe im Werte von 25 Milliarden Reichsmark.

Im Friedensdiktat von Versailles wurde Deutschland verpflichtet, darüber hinaus eine Sicherung dieser enteigneten Reichsdeutschen zu übernehmen und einen Sonderfonds einzurichten.

Der französische Hauptankläger in diesem Verfahren hat noch einmal erklärt, daß der Versailler Vertrag auf der Grundlage der Haager Konvention abgefaßt worden sei. Ich konnte also jetzt noch einmal den Schluß daraus ziehen, daß auch diese Maßnahmen gegen eine ganz bestimmte Kategorie von Staatsbürgern, inmitten unvorhergesehener kriegerischer Maßnahmen, bei aller sonstigen Achtung des privaten und öffentlichen Vermögens, gerechtfertigt erschienen.

Ich bin während der Voruntersuchung auch gefragt worden über diese rechtlichen Voraussetzungen und hatte auch begonnen, darauf hinzuweisen, wurde aber mit der Bemerkung unterbrochen, daß das im Augenblick nicht interessiere. In dem Protokoll dieser Vernehmung, das die Französische Anklage hier vorgelegt hat, steht die Bemerkung, ich hätte gesagt...

VORSITZENDER: Wir beschäftigen uns mit den Verhören nicht eher, als bis sie als Beweismittel vorgelegt werden. Diese Verhöre sind noch nicht vorgelegt worden. Sie können sie erläutern, wenn sie Ihnen im Kreuzverhör vorgelegt werden.

ROSENBERG: Herr Vorsitzender! Dieses Dokument wurde im Dokumentenbuch hier angegeben, und die deutsche Rückübersetzung liegt hier in einem nicht genauen Wortlaut den französischen Akten bei.

DR. THOMA: Herr Vorsitzender! Der Zeuge will damit nur sagen, daß er von Anfang an darauf hingewiesen hat, daß der Vertrag von Versailles, Artikel 279, maßgebend war von Anfang an, daß er das nicht etwa später erfunden hat.

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Ich habe ihn nur darauf aufmerksam gemacht, daß die verschiedenen Verhöre, die stattgefunden haben, wahrscheinlich noch nicht zum Beweis vorgelegt worden sind. Falls der Zeuge von vorgelegten Verhören spricht – aber ist das der Fall?

DR. THOMA: Jawohl. Das ist FA-16 L-188, das wurde vorgelegt, Herr Vorsitzender.

ROSENBERG: Davon war die Rede, das ist vorgelegt worden. Dieses Verhör ist aber dem Gericht...

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Wenn er sich auf ein Verhör bezieht, das schon vorgelegt wurde, dann muß es eine Beweisstücknummer haben.

DR. THOMA: Dieses Verhör ist im Dokumentenbuch, ich glaube es ist FA-16.

VORSITZENDER: Wenn er auf ein Beweisstück Bezug nimmt, so kann er dies ohne Zweifel tun.

ROSENBERG: Ich möchte hier nur den Irrtum dieser Rückübersetzung etwas korrigieren. Ich hatte nicht gesagt: Ja, richtig, es fällt mir ein, daß diese Maßnahme vorgenommen worden sei. Sondern ich habe gesagt: Ich habe daran gedacht, das heißt, ich habe früher daran gedacht, nicht im Augenblick, als ich gefragt wurde.

Ich habe das nur gesehen, als ich die Übersetzung empfangen habe, die ich früher nicht gesehen hatte.

Zum Dokumentenmaterial 1015-PS, das hier vorliegt, darf ich, um das Gericht nicht zu lange aufzuhalten, nur kurz auf einiges hinweisen, nämlich, daß in dem Arbeitsbericht von 1940 bis 1944 auf Seite 2 darauf hingewiesen wurde, daß die einwandfreie Herkunft festgestellt wurde; daß ferner auf Seite 3 festgestellt wurde, daß die inventarische Aufnahme auf der Grundlage eines wissenschaftlicher Katalogs gewissenhaft vorgenommen wurde, daß eine Restaurierungswerkstätte eingerichtet wurde, um die Werke restauriert an die Bestimmungsorte zu schicken.

Ich füge zum Schlusse aber noch einige Worte hinzu, die mir wichtig erscheinen angesichts der Anklage der Sowjetbehörde über die Behandlung von Kulturschätzen seitens des Einsatzstabes in den ehemaligen besetzten Ostgebieten. Es heißt in dem Arbeitsbericht am Schlusse wörtlich folgendes unter dem Titel: Arbeit in den Ostgebieten:

»In den besetzten Ostgebieten beschränkte sich die Tätigkeit des Sonderstabes Bildende Kunst auf eine wissenschaftliche und photographische Erfassung der öffentlichen Sammlungen und ihre Sicherung und Betreuung in Zusammenarbeit mit den militärischen und zivilen Dienststellen. Im Zuge der Räumung der Gebiete wurden einige hundert wertvollster russischer Ikone, einige hundert Gemälde der russischen Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts, Einzelmöbel und Einrichtungsgegenstände... geborgen und in ein Bergungslager ins Reich gebracht.«

Ich wollte damit nur darauf hinweisen, daß der Einsatzstab im Osten keinerlei sowjetische Kunst- und Kulturschätze in das Reich abgeführt hatte, sondern erst im Zuge der Räumung, und, wie sich aus späteren Urkunden ergibt, aus unmittelbar bedrohten Gebieten bei Kampfhandlungen ins rückwärtige Heeresgebiet, dann weiter zurück und zum Teil im Reich sichergestellt hat.

Ich darf aus derselben Urkunde auf ein Schreiben des Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei vom 5. Juli 1942 hinweisen. Ich nehme hier Bezug auf die Anklage der Polnischen Regierung, wo erklärt wird, daß die gesamte Fortführung der Kunst- und Museumsschätze im Einsatzstab oder im Amt Rosenberg in Berlin konzentriert sei. Ich komme auf diese polnische Anklage noch zurück. Ich verweise nur auf die Stelle des Briefes Dr. Lammers', wo es heißt: Der Führer habe angeordnet, daß verschiedene Bibliotheken der Ostgebiete beschlagnahmt wurden; und dann heißt es ausdrücklich: dazu gehört nicht das Generalgouvernement.

Ferner verweise ich auf den Erlaß des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom 20. August 1941 an den Reichskommissar Ostler.

DR. THOMA: Welche Seite?

ROSENBERG: Auf Seite 2 dieser Urkunde heißt es am Schluß...

VORSITZENDER: Von welchem Dokument sprechen Sie jetzt? Welche Dokumentennummer?

ROSENBERG: Ich bedauere, die mir übergebene Urkunde ist leider nicht angestrichen in rot, ich beziehe mich deshalb auf die in meinen Händen befindliche Urkunde. Es heißt jedenfalls am Ende der Seite 1 des Dokuments... Dies ist kein spezieller Brief. Es handelt sich um ein Rundschreiben vom 7. April 1942.

VORSITZENDER: Ich möchte das nur klarstellen. Ich hatte mir notiert, daß er auf eine Verordnung vom 20. August 1941 verwies.

ROSENBERG: Ich bitte um Verzeihung. Es ist der 20. August.

DR. THOMA: Der 20. August, das ist richtig. Und das Jahr ist 1941. Es ist im Dokumentenbuch 2 auf Seite 78 a. Ende der Seite.

ROSENBERG:

»Ich bitte ausdrücklich zu untersagen, daß irgendwelche Kulturgüter aus Ihrem Reichskommissariat ohne Genehmigung Ihrerseits von irgendwelchen Stellen fortgeführt werden. Was von beschlagnahmten Kulturgütern im Reichskommissariat Ostland verbleibt und was evtl. für die Forschungsarbeit der Hohen Schule eingesetzt wird, muß einer späteren Regelung unterliegen. Ich bitte, die ihnen nachgeordneten General- und Gebietskommissare von dieser Weisung zu unterrichten. Die staatliche Verwaltung von Museen, Bibliotheken und so weiter bleibt unbeschadet des Rechts der Einsichtnahme und Bestandsaufnahme seitens des Einsatzstabs durch diese Anweisung unberührt.«

Ich werde auf diese Anordnung später bei Behandlung der Anklage der Sowjetregierung in Bezug auf die Verwaltung von Estland, Lettland und Litauen zurückkommen.

DR. THOMA: Wir kommen jetzt zu der Möbelaktion in Frankreich.

ROSENBERG: Ich bin hier noch nicht fertig, weil hier eine außerordentlich schwere Anklage erhoben ist und ich noch auf eine zweite Anordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom 7. April 1942 verweise, wo zum Schlusse unter I noch einmal auf die eben verlesenen Grundsätze verwiesen wird. Es ist im Dokumentenbuch 2, Seite 94. Hier werden alle angewiesen, sich eigenmächtiger Handlungen grundsätzlich zu enthalten.

Und unter II heißt es wörtlich:

»In besonderen Ausnahmefällen können zur Abwendung drohender Gefahren (z.B. Einsturzgefahr von Gebäuden, Feindeinwirkung, Witterungseinflüsse und so weiter) Sofortmaßnahmen zur Sicherstellung oder zum Abtransport der Gegenstände an einen sicheren Ort getroffen werden.«

Ich komme darauf zurück bei der Anklage der Sowjetregierung über Vorgänge in Minsk. Bei der Verlesung des Dokuments 076-PS, zum Schluß heißt es: Es sei niemals ein Befehl ergangen zum Schutze der Kulturgüter. Dieser Befehl liegt hier zweimal vor.

Ferner verweise ich auf eine Anweisung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete an den Stabsführer des Einsatzstabs in demselben Dokument vom 3. Oktober 1941, wo ich auf die eben verlesene Urkunde auch ihn noch einmal ganz besonders aufmerksam mache.

Und weiter verweise ich auf einen Befehl des OKH vom 30. September 1942, der im Einvernehmen mit dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ergangen ist. Und auch hier heißt es zum Schluß unter I wörtlich:

DR. THOMA: Ist das Seite 89 in dem Dokumentenbuch?

VORSITZENDER: Was ist das? Vom September 1942?

ROSENBERG: Vom 30. September 1942.

VORSITZENDER: Ja, ich habe es gefunden. Und wo ist das vom Oktober 1941?

ROSENBERG: Oktober 1941?

VORSITZENDER: Oktober 1941.

ROSENBERG: Es ist der 3. Oktober 1941.

VORSITZENDER: Wissen Sie, wo das ist, Dr. Thoma?

DR. THOMA: Es ist enthalten im Dokument 1015-PS. US-385. Es kann aber sein, daß gerade in diesem Verzeichnis dieses Dokument nicht aufgeführt ist. Ich kann es in meinem Dokument im Augenblick nicht finden, es gehört aber zu dem Dokument 1015-PS und es war im ganzen vorgelegt.

ROSENBERG: Und der Befehl des Oberkommandos des Heeres vom 30. September 1942 lautet wörtlich am Schluß, unter I:

»Von Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Sicherung gefährdeter Kulturgüter dringlich ist, wird deren vorläufiger Verbleib an Ort und Stelle angestrebt. Hierzu ist gemäß Vereinbarung zwischen OKH Gen.Stab.d.H./Gen.Qua. und Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, diesem zugestanden worden, c) im Operationsgebiet des Ostens zur Bewahrung vor Beschädigung oder Zerstörung auch solcher Kulturgüter, die nicht unter Ziffer b) fallen – insbesondere Museumsschätze – zu bergen, bzw. sicherzustellen«,

und am Schluß dieses Befehls heißt es unter IV:

»Unabhängig von den Aufgaben der Sonderkommandos Reichsleiters Rosenberg gemäß Abschnitt I, a, b, c, sind die Truppen und alle im Operationsgebiet eingesetzten militärischen Dienststellen unverändert angewiesen, wertvolle Kunstdenkmäler nach Möglichkeit zu schonen und vor Zerstörung oder Beschädigung zu bewahren.«

Ich glaubte, mich verpflichtet zu fühlen, wenigstens in Kürze damit nachzuweisen, daß sowohl von meinem Einsatzstab als auch von den militärischen Dienststellen eindeutige Befehle und Anordnungen ergangen sind zum Schutze, selbst in diesen harten Kämpfen, von Kulturgütern auch des russischen, ukrainischen und weißruthenischen Volkes.

DR. THOMA: Herr Rosenberg! Sie wissen, daß von den Kunstwerken, die in Frankreich beschlagnahmt worden sind,... daß sich da Hitler und Göring verschiedene Sachen abgezweigt haben. Was ist Ihre Anteilnahme an dieser Sache?

ROSENBERG: Im Grundsatz hat der Führer bestimmt, und das ist in den auf Befehl des Führers verfaßten Mitteilungen des damaligen Generalfeldmarschalls Keitel eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, daß der Führer sich die Verfügung über diese Kunstwerke, diese Entschlüsse, allein vorbehalten hatte. Ich möchte nun hier keineswegs bestreiten, daß ich die Hoffnung hatte, daß mindestens ein großer Teil dieser Kunstschätze einmal in Deutschland verbleiben würde, um so mehr, als im Laufe der Zeit viele deutsche Kulturwerke durch besonders starke Bombeneinwirkungen im Westen zerstört wurden, daß also diese Kunstwerte ein gewisses Pfand für spätere Verhandlungen darstellten. Als der Reichsmarschall Göring, der diese Arbeiten des Einsatzstabs auf Befehl des Führers besonders unterstützte, eine Anzahl dieser Kunstwerke für sich, das heißt für seine Sammlungen abgezweigt hatte, war ich offengestanden, wie es ja im Protokoll heißt, etwas beunruhigt. Ich war deshalb beunruhigt, weil mit diesem Auftrag ich ja auch, mit meinem Namen, eine Verantwortung für die gesamten beschlagnahmten Kunst- und Kulturwerke übernommen hatte und deshalb verpflichtet war, sie als Gesamtheit zu katalogisieren und für alle Verhandlungen oder Entschlüsse zur Verfügung zu halten. Ich habe deshalb meinem Beauftragten die Weisung gegeben, möglichst eine genaue Aufstellung dessen zu machen, was Reichsmarschall Göring, und zwar mit Genehmigung des Führers, für seine Sammlung abgezweigt hatte. Ich wußte, daß Reichsmarschall Göring ja mit dieser Sammlung beabsichtigte, sie später ja nicht privat zu vererben, sondern dem Deutschen Reiche zu übergeben. In dem Protokoll, das auch hier von der Französischen Anklage vorgetragen und vorgelegt worden ist, ist nun ebenfalls ein bedauerlicher Fehler zu vermerken gewesen. Es heißt: Ich sei beunruhigt gewesen, daß Reichsmarschall Göring diese Kunstwerke entwendet, entwendet heißt auf deutsch soviel wie unrechtmäßig fortgenommen, hätte. Ich habe aber gesagt »verwendet«, was einen anderen Sinn ergibt.

DR. THOMA: Ich darf darauf hinweisen, Herr Vorsitzender, in diesem Zusammenhang, daß der französische Text dieses Wortes lautet »détourné«, das heißt abzweigen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird nunmehr die Sitzung unterbrechen.